Pfandbriefe und Pfandbriefbanken

"Basel IV stellt für das Geschäftsmodell spezialisierter Immobilienfinanzierer eine Herausforderung dar"

Dr. Louis Hagen, Präsident, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin

Quelle: obs/vdp

 

 

Mit großer Sorge schauen der Präsident und der Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken auf die aktuellen geldpolitischen und regulatorischen Rahmenbedingungen. Denn die Mischung gefährdet das Geschäftsmodell der Immobilienfinanzierer. So werden klassische Investoren von der EZB aus dem Markt gedrängt, die den Sekundärmarkt bereits ausgetrocknet hat und sich nun anschickt, Gleiches auf dem Primärmarkt zu tun. Die Entwürfe von Basel IV würden in unangemessener und weitgehend undifferenzierter Weise die Immobilienfinanzierung als hochriskant einstufen. Der damit einhergehende Trend zu deutlich kurzfristigeren Finanzierungshorizonten erhöht die Schwankungsanfälligkeit und dient damit keinesfalls dem Ziel einer höheren Stabilität. Und aus Brüssel droht im Rahmen der Harmonisierung ebenfalls eine Aufweichung der Qualitätsstandards. Es wartet also viel Arbeit auf das neue Gespann an der Spitze des vdp. Gut, dass der neue Präsident Verband und Ansprechpartner in Politik und Behörden aus seiner Zeit als vdp-Hauptgeschäftsführer bestens kennt. Red.

I&F Welche Akzente wollen Sie, Herr Hagen, als neuer Präsident des vdp setzen und wo sehen Sie in den kommenden Monaten ihr wesentliches Wirkungsfeld?

Hagen: Pfandbriefemittenten waren einmal eine relativ kleine und homogene Gruppe fast ausschließlich spezialisierter Institute. Heute sind die Emittenten, abzulesen an der gewachsenen Mitgliederliste des vdp, viel heterogener, weil Pfandbriefe für alle Banken zu einer strategischen Refinanzierungsoption geworden sind. Das macht es bisweilen schwieriger, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Beispielsweise sind Pfandbriefe für traditionelle Hypothekenbanken weiterhin das bedeutendste Refinanzierungsinstrument, während Universalbanken noch viele weitere Instrumente nutzen. Es ist und bleibt für den vdp die vornehmste Aufgabe, jenseits unterschiedlicher Betroffenheit und ungeachtet der herausfordernden Marktbedingungen die hohe Qualität und die regulatorischen Privilegien des Pfandbriefs aufrechtzuerhalten. Das ist das langfristige Ziel des Verbandes und das ist auch mein wichtigstes Ziel als vdp-Präsident. Gleichzeitig bedeutet das, dass ich keine große Kursänderung plane, sondern auf dem Bestehenden aufbauen werde. Der Verband macht eine gute Arbeit. Warum sollte man etwas reparieren, wenn es gut funktioniert?

I&F Wie ist das derzeitige Umfeld für Pfandbriefe/Covered Bonds zu bewerten?

Tolckmitt: Das erste Halbjahr ist angesichts der großen Schwankungen, die wir bei anderen Assetklassen gesehen haben, für Pfandbriefemittenten und -anleger insgesamt gut gelaufen. Der Pfandbriefmarkt hat sich mit einem Emissionsvolumen von etwa 25 Milliarden Euro in den ersten sechs Monaten gut behauptet. Am Primärmarkt hält die gute Nachfrage an - selbst bei Emissionen mit negativer Rendite. Dies zeigt einmal mehr, dass Pfandbriefe von Anlegern als sicherer Hafen betrachtet werden und für Emittenten ein ausgesprochen zuverlässiges Funding-Instrument sind. Der Renditevorsprung gegenüber gleichlaufenden Bundeswertpapieren macht die Anlage in Pfandbriefen auch im Niedrigzinsumfeld für Banken und institutionelle Anleger attraktiv.

Hagen: Dieser positive Befund kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Markt in den vergangenen Monaten grundlegend verändert hat. Mit CBPP3, dem dritten Kaufprogramm für gedeckte Schuldverschreibungen, ist die Europäische Zentralbank zum mit Abstand größten Investor am Markt geworden. Die Interventionen der EZB erleichtern zwar einerseits die gute Platzierung, sie verzerren andererseits aber auch den Markt. Traditionelle Investoren werden verdrängt und müssen sich aufgrund der Minirenditen zurückziehen. Die Pfandbriefbanken hoffen, dass die EZB bald einen Plan für den Einstieg in den Ausstieg ihrer extrem expansiven Geldpolitik ankündigt. Wann klassische Anleger wie Versicherer und Asset Manager zurückkehren, ist aus heutiger Sicht völlig unklar.

Tolckmitt: Ein zweiter prägender Faktor des aktuellen Umfelds für Emittenten ist der bereits erwähnte Niedrigzins beziehungsweise der Negativzins für festverzinsliche Wertpapiere. Damit einher geht am Primärmarkt eine strukturelle Verlängerung des Fristenspektrums. Die Emittenten haben im Benchmark-Segment zuletzt meist achtjährige Laufzeiten gewählt, um Pfandbriefinvestoren im Primärmarkt überhaupt noch eine geringe positive Rendite bieten zu können. Unter normalen Marktbedingungen emittieren sie typischerweise im drei- bis fünfjährigen Laufzeitenbereich.

I&F Zurück zur EZB, deren Aktivitäten Fluch und Segen zugleich zu sein scheinen. Wird die mangelnde Liquidität in den Märkten zunehmend zu einem Problem?

Tolckmitt: Durch das nunmehr beinahe zwei Jahre andauernde dritte Kaufprogramm der EZB ist der Sekundärmarkt für gedeckte Schuldverschreibungen tatsächlich weitgehend ausgetrocknet. Die EZB kauft nicht nur in großen Volumina, sie beabsichtigt nach unserer Kenntnis auch, die erworbenen Papiere bis zur Endfälligkeit zu halten. Hinzu kommt, dass die EZB bei sich bietender Gelegenheit zunehmend im Primärmarkt unterwegs ist. Nach fast zwei Jahren ist das CBPP3-Portfolio der EZB fast 190 Milliarden Euro schwer. Das verdeutlicht die Dringlichkeit, möglichst bald einen kontrollierten Ausstieg aus den marktverzerrenden Interventionen einzuleiten.

I&F Welche Rolle spielt das TLTRO mit Blick auf den Pfandbrief?

Hagen: Die sehr günstigen Konditionen der TLTRO-Fazilitäten sind unter anderem an die Bedingung geknüpft, dass Institute 2,5 Prozent Bestandswachstum bei Unternehmenskrediten, also in der gewerblichen Immobilienfinanzierung, erreichen. Das ist angesichts des scharfen Wettbewerbs und einer hohen Rückzahlungsquote keine Selbstverständlichkeit. Inwieweit deshalb das zweite TLTRO Einfluss auf die Primärmarktaktivitäten der Pfandbriefbanken haben wird, ist noch nicht klar erkennbar. Je nach Ergebnis ist nicht auszuschließen, dass TLTRO-Mittel den Pfandbriefabsatz in der zweiten Jahreshälfte dämpfen könnten.

I&F Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie momentan?

Hagen: Der anhaltend hohe regulatorische Ausstoß stellt Kreditinstitute vor große Herausforderungen und das zu einer Zeit, in der der Niedrigzins manches Geschäftsmodell ohnehin stark unter Druck setzt. So werfen die Baseler Entwürfe für den Standard- und den fortgeschrittenen Ansatz (Basel IV) als große Herausforderung für den Pfandbrief und seine Emittenten ihre Schatten voraus. Hier wird - jedenfalls nach aktuellem Verhandlungsstand - in unangemessener und weitgehend undifferenzierter Weise die Immobilienfinanzierung insgesamt, insbesondere aber die gewerbliche Immobilienfinanzierung, als hochriskant dargestellt und entsprechend behandelt. Dies führt zu potenziell bedenklichen Konsequenzen vor allem für die darauf spezialisierten Institute. Selbst die traditionelle Finanzierung von Wohnimmobilien wird teilweise mit maßgeblich erhöhten Eigenkapitalanforderungen belegt. Aus deutscher Sicht ist das völlig unverständlich.

Tolckmitt: Im Gewand der Vollendung von Basel III schiebt der Baseler Ausschuss - außerhalb der interessierten Fachwelt bisher nahezu unbemerkt - das aus Sicht vieler Banken inhaltlich weitreichendste Regulierungsprojekt seit der Finanzkrise an, das zugleich, wenn es bei den Baseler Vorstellungen bleibt, die bislang größte Herausforderung für viele Geschäftsmodelle darstellt. Noch ist unklar, wie die Regeln im Detail aussehen werden, wenn der Ausschuss sie Anfang kommenden Jahres vorstellt.

Soviel können wir auf Basis von Erhebungen bei unseren Mitgliedsinstituten schon jetzt sagen: Für viele Institute werden sich die Kapitalanforderungen signifikant erhöhen, im Gegensatz zu der Ankündigung aus Basel, wonach genau dies nicht geschehen soll. Das liegt sicher auch daran, dass das erklärte Ziel des Baseler Ausschusses, über die Gesamtbilanz einer typischen Universalbank keine steigenden Kapitalanforderungen zu schaffen, verfehlt wird.

Es hat aber hier vor allem damit zu tun, dass anders als in Basel unterstellt, eben nicht nur Universalbanken existieren, bei denen sich steigende und fallende Kapitalanforderungen für einzelne Assetklassen ausgleichen sollten. Spezialbanken mit Fokussierung auf ein Geschäftsfeld scheinen in den Überlegungen des Ausschusses nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Und das ist ein Problem. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken und seine Mitglieder werden alles tun, um sachlich nicht gerechtfertigte Anforderungen abzuwenden, zunächst in Basel und später, im Zuge der Umsetzung in europäisches Recht, auch in Brüssel.

I&F Zwischen der gefühlten Stimmung und der tatsächlichen Lage klafft derzeit sowohl bei Emittenten als auch bei Investoren eine Lücke: woran liegt das?

Tolckmitt: Die Lage ist - noch - insgesamt gut, die Stimmung tatsächlich etwas angespannt, weil sich die Perspektiven auf der Funding-Seite ebenso wie im Immobilienfinanzierungsgeschäft eintrüben könnten. Das liegt einerseits an den bescheidenen Wachstumsperspektiven für die Weltwirtschaft im Ganzen, aber insbesondere für Europa; die politischen Turbulenzen rund um den Brexit, verbunden mit den daraus resultierenden unklaren ökonomischen Auswirkungen, haben die ohnehin verhaltenen Aussichten hier eingetrübt. Das Gleiche gilt für die Vorgänge in der Türkei, deren mittel- bis langfristigen Auswirkungen gravierend sein könnten.

I&F Es ist viel Unsicherheit im Markt: Brexit, Regulierung, EZB... bekommen wir irgendwann mal wieder "normale" Verhältnisse?

Hagen: Was ist normal? Wie weit müssen wir zurückgehen, um von normalen Verhältnissen zu sprechen? Waren die Übertreibungen an den Märkten vor der Finanzmarktkrise normal?

Bis auf Weiteres werden wir alle mit einer ungewöhnlich hohen Volatilität an den Märkten und mit einer Vielzahl sich parallel vollziehender Veränderungsprozesse leben müssen, die Marktteilnehmer zunehmend verunsichern. Die genannten politischen Entwicklungen tragen ihren Teil dazu bei - und sie bleiben nicht ohne Einfluss auf die Politik der EZB. Da die Nah- und Fernwirkungen auf die Konjunkturentwicklung unklar sind und die Unsicherheit zuletzt eher gewachsen ist, dürfte die EZB ihren außergewöhnlich expansiven geldpolitischen Kurs vorerst aufrechterhalten.

Die jüngsten Diskussionen um die Probleme italienischer Banken sprechen ebenfalls dafür. Sie verstellen allerdings zum Teil den Blick darauf, dass Banken in Europa durchaus große Fortschritte gemacht haben, was ihre finanzielle Stabilität und ihre Krisenfestigkeit betrifft. Und wir werden wohl leider entgegen mancher Ankündigung nicht mit dem Abebben fortwährend neuer Regulierung rechnen können.

I&F Welche Folgen hat der Brexit für den Covered-Bond-Markt im Allgemeinen und den Pfandbrief im Speziellen?

Hagen: Es ist sehr früh für eindeutige Aussagen. Die Bedingungen, unter denen sich der Austritt vollziehen wird, sind noch nicht einmal ansatzweise bekannt. Positive Effekte sind mit Blick auf den Covered-Bond-Markt jedenfalls nicht zu erwarten. Langanhaltende Unsicherheit über die künftige Ausgestaltung der Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ist für niemanden gut. Wenn überhaupt, so könnte der Pfandbrief von einer in solchen Situationen typischerweise einsetzenden "Flucht in Qualität" profitieren.

Und was die gesetzliche Behandlung von Deckungswerten aus Großbritannien betrifft: Hier ändert sich zunächst einmal gar nichts, bis das Vereinigte Königreich die EU formal verlassen hat. Im Zuge der voraussichtlich mindestens zwei Jahre währenden Austrittsverhandlungen sollte es ohne größere Probleme möglich sein, das Pfandbriefgesetz so anzupassen, dass UK-Deckungswerte weiterhin deckungsfähig bleiben.

I&F Was heißt es für die Aktivseite, sprich die Immobilienmärkte, wenn immer mehr Geld nach Deutschland fließt?

Hagen: Es ist richtig, dass der deutsche Immobilienmarkt insbesondere für ausländische Investoren unverändert attraktiv ist. Zugleich zeigen die weiterhin dynamische Preisentwicklung und die eher stagnierenden Transaktionszahlen aber auch, dass die hohe Nachfrage auf ein vergleichsweise limitiertes Angebot trifft. Wer meint, dass Immobilienfinanzierer in besonderem Maße von der aktuellen Nachfrage profitieren, der irrt jedenfalls. Der Wettbewerb ist intensiv, die Margen sind unter Druck, weil viele Anbieter im Finanzierungsmarkt um die Gunst der Kundschaft werben. Hinzu kommt, dass aufgrund von Niedrigzins und Regulierung neue Anbieter wie beispielsweise Versicherer immer stärker in den Finanzierungsmarkt drängen. Aufgrund der hohen Liquidität und fehlender Anlagealternativen steht Fremdkapital auch oft in Konkurrenz zum reichlich vorhandenen Eigenkapital.

Tolckmitt: Zugleich erhöhen die außergewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen der EZB das Risiko von Fehlentwicklungen, denn Immobilien sind in Zeiten niedriger Zinsen ein besonders attraktives Anlageziel. Die genaue Prüfung von Objekten, ihrer Werte und Preise ist deshalb heute wichtiger denn je. Ich habe den Eindruck, dass die Institute das genau wissen und sich einen nüchternen Blick auf die Realität bewahrt haben.

I&F Welche Konsequenzen hat die aktuelle Marktsituation für die Deckungsmassen, qualitativ und quantitativ?

Tolckmitt: Die Hypotheken-Deckungsmassen sind mehrfach vor möglichen Übertreibungen an den Immobilienmärkten geschützt: Grundlegend für die Pfandbriefrefinanzierung ist die Ermittlung des Beleihungswertes der Sicherheit. Der Beleihungswert ist nachhaltig am Markt erzielbar und darf den Marktwert nicht überschreiten. Die Gefahr besteht auch nicht.

Im Gegenteil: Aufgrund der aktuellen Marktdynamik entfernt sich der Marktwert immer weiter vom Beleihungswert. Das dient dem Pfandbrief und zeigt die Funktionsfähigkeit seines Sicherungsmechanismus, ist aber für die ihn nutzenden Banken nicht immer einfach, weil aufgrund der Marktsituation aktuell ein immer geringerer Teil des Werts einer Immobilie über den Pfandbrief refinanziert werden kann.

I&F Zurück zum Thema Regulierung: Wird die Privilegierung der Immobilienfinanzierung erhalten bleiben?

Hagen: Daran arbeiten wir. Bei allem Verständnis für die Ziele des Baseler Ausschusses: Die im Zusammenhang mit Basel IV geplanten Eingriffe sind unnötig, weil die Banken ihr Kernkapital in den vergangenen Jahren bereits gestärkt haben. Außerdem sind die Eingriffe nicht im Interesse der Kundschaft, weil gut funktionierende Geschäftsmodelle wie die Pfandbrief-basierte Immobilienfinanzierung ohne sachlichen Grund belastet werden und langfristiges Kreditgeschäft erschwert wird.

I&F Was heißt das für das Geschäftsmodell der Hypothekenbanken/Immobilienbanken (Monoliner)? Muss es hier Anpassungen geben?

Tolckmitt: Die Langfristfinanzierung und die zuverlässige Refinanzierung über Pfandbriefe sind Stabilitätsanker des deutschen Finanzmarktes und damit auch des Immobilienmarktes. Die Langfristorientierung glättet Marktschwankungen über Konjunktur- und Finanzmarktzyklen hinweg und schafft für Banken wie Kreditnehmer Planungssicherheit. Daher beobachten wir den Trend zu deutlich kurzfristigeren Finanzierungshorizonten mit Sorge, denn die Schwankungsanfälligkeit und die Unsicherheit steigen dadurch.

Wenn sich unsere Befürchtungen hinsichtlich der aktuellen Regulierung und hier insbesondere Basel IV bewahrheiten sollten, dann stellt dies für das Geschäftsmodell spezialisierter Immobilienfinanzierer eine zusätzliche Herausforderung dar. Natürlich müssen Banken ihre Geschäftsmodelle permanent kritisch prüfen und bereit sein sich anzupassen. Sie sind auch dazu in der Lage, wie die vergangenen Jahre hinlänglich bewiesen haben. Doch wird es zunehmend erschwert, strategisch zu planen, wenn sich die regulatorischen Parameter in immer kürzeren Zyklen verändern.

Hagen: Die Überprüfung von Geschäftsmodellen sollte nicht zu einem regulatorisch induzierten Selbstzweck werden und Banken daran hindern, ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen: die Realwirtschaft mit Kredit zu versorgen und auf Basis ihres fundierten Kredit-Know-hows dafür zu sorgen, dass dieser Prozess volkswirtschaftlich stabil abläuft. Anders gesagt: Nicht nur die Kosten der Regulierung steigen beständig, die Regulierungsthemen nehmen das Management von Banken inzwischen auch über Gebühr in Anspruch.

Da bleibt die eigentliche Aufgabe, die unternehmerische Auseinandersetzung mit dem eigenen Geschäft, den Kunden oder der Strategie, oftmals auf der Strecke.

Und das in einer Zeit, in der die Herausforderungen so groß sind wie nie: Das Niedrigzinsumfeld drückt auf die Erträge und die höher verzinslichen Bestände laufen sukzessive aus. Der Wettbewerb ist intensiv, und das nicht nur durch Versicherungen und Fonds. Auch die Fintechs wachsen - übrigens völlig unreguliert - zu einem signifikanten Faktor im Markt heran, die Digitalisierung verändert Strukturen und Prozesse grundlegend. Es bleibt zu wünschen, dass die Regulierer den Banken in absehbarer Zeit wieder mehr Gelegenheit geben, sich mit diesen ebenso wichtigen Themen zu beschäftigen. Das muss wieder ins Gleichgewicht kommen.

I&F Wie geht es nach dem Brexit und den Veränderungen in Brüssel mit den Harmonisierungsbestrebungen der Covered-Bond-Gesetzgebung weiter?

Tolckmitt: Wir haben bisher keine Anzeichen dafür, dass der Brexit das wichtige Projekt Harmonisierung von Covered Bonds in den Hintergrund drängen könnte. Wir setzen uns in Brüssel seit jeher kontinuierlich dafür ein, so viel Harmonisierung wie nötig zu schaffen und gleichzeitig so viel Individualität wie möglich zu erhalten, um die strengen Qualitätsstandards des Pfandbriefs zu sichern. Den Harmonisierungsprozess werden wir in diesem Sinne weiter intensiv begleiten.

I&F Werden Sie Ihre Ideen/Vorstellungen weitgehend verwirklicht sehen?

Tolckmitt: Wir stehen im konstruktiven Dialog mit der Europäischen Kommission und der European Banking Authority EBA und sind zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden wird, die hohe Qualitätsstandards für gedeckte Schuldverschreibungen definiert und es zugleich erlaubt, nationale Produkte über diese Standards hinaus weiterzuentwickeln. Vieles von dem, was EBA und die Kommission hierzu veröffentlicht haben, finden wir bereits im Pfandbriefgesetz. Und manches Detail, das wir im Rahmen der Konsultation vorgetragen haben, wurde von der Kommission aufgegriffen.

I&F Im Frühjahr wurde der erste Benchmark-Pfandbrief mit negativer Rendite emittiert. Kürzlich folgte eine Aufstockung mit negativer Rendite. Wird das nun zumindest in kurz- und mittleren Laufzeiten Usus?

Hagen: Im Marktsegment der Euro-Benchmark-Covered-Bonds handeln derzeit, nach Volumen der ausstehenden Anleihen gewichtet, etwa drei Viertel des Umlaufs mit negativer Rendite. Vor etwas über einem Jahr war es ungefähr ein Viertel. Aufgrund der anhaltend schwächelnden Konjunktur sowie der niedrigen Inflationsrate in der Eurozone wird die EZB weiter an ihrer außergewöhnlich expansiven Geldpolitik festhalten.

So wird es für Bundrenditen nur wenig Auftrieb geben. Sofern die Risikoaversion der Anleger nicht stark zunimmt, sehe ich für Pfandbriefe damit bis zum Jahresende allenfalls einen leichten Renditeanstieg. Die gute Aufnahme der beiden Benchmark-Emissionen hat gezeigt, dass Anleger auch negative Emissionsrenditen zunehmend akzeptieren. Insofern gehe ich davon aus, dass in kurzen und mittleren Laufzeiten weitere Benchmark-Emissionen mit negativer Rendite folgen werden.

Zur Person Dr. Louis Hagen Präsident, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., und Vorsitzender des Vorstands, Münchener HypothekenbankJens Tolckmitt Hauptgeschäftsführer, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin

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