Institutsvergütungsverordnung - vorläufiges Aufatmen für Banken

Florian Frank, Leiter Rewards, Willis Towers Watson in Deutschland, Frankfurt am Main

Florian Frank, Leiter Rewards, und Michael Heisig, Senior Berater im Bereich Rewards, beide Willis Towers Watson in Deutschland, Frankfurt am Main - Es hätte schlimmer kommen können, so fällt der Tenor der Autoren nach dem zunächst verschobenen und dann im Januar dieses Jahres veröffentlichten Entwurf der BaFin zur Institutsvergütungsverordnung aus. Denn die Schwelle der Institute, die von der Neuregelung nicht erfasst werden sollen, liegt mit 15 Milliarden Euro so hoch, dass hierzulande nur gut 50 Häuser betroffen sind. Die Pflicht zur Identifizierung der sogenannten Risk Taker ist im neuen Entwurf nur für bedeutende Institute festgeschrieben und nicht pauschal für alle. Auch die Einführung von Rückforderungen für bereits gewährte Bonuszahlungen halten die Autoren für die hiesige Branche für verkraftbar. Eine totale Entwarnung wollen sie gleichwohl nicht geben, weil die Klärung von Detailfragen noch aussteht. Konkret vermissen sie eine überarbeitete Fassung der Auslegungshilfe, weil diese sich in der Vergangenheit teilweise als relevant erwiesen habe. (Red.)

Anders als bei früheren Konsultationsphasen zur Institutsvergütungsverordnung (IVV) hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in einigen Punkten Einsicht und Entgegenkommen gegenüber den durchaus berechtigten Kritikpunkten der Institute gezeigt. Der im Januar dieses Jahres veröffentlichte finale Entwurf der IVV wurde an einigen Stellen gegenüber seiner Fassung von Sommer 2016 entschärft und an die Vergütungsrealität deutscher Institute angepasst. Insbesondere der Wegfall der allgemeinen Pflicht zur Risk-Taker-Identifizierung lässt viele Vergütungsverantwortliche aufatmen - mit Ausnahme derer, die auf Basis des ursprünglichen BaFin-Entwurfs eventuell schon Zeit und Aufwand in entsprechende vorbereitende Arbeiten investiert hatten.

Einige Details noch offen

Noch offen bleiben zwar manche Detailfragen, deren Klärung der Auslegungshilfe obliegt. Hier kann also an der einen oder anderen Stelle noch eine Überraschung kommen. Wahrhaft brisant wird dann aber noch der Umgang mit der Grenze zwischen bedeutenden und nicht bedeutenden Instituten. Sollte sich hier die europäische Ansicht der Fünf-Milliarden-Euro-Grenze durchsetzen, wäre das administrativbürokratische Inferno für den Moment nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Die insgesamt in der IVV 3.0 enthaltenen Neuerungen bedeuten jedoch auch heute schon eine erneute Verschärfung der regulatorischen Anforderungen an die Vergütungssysteme, insbesondere hinsichtlich Prozess- und Dokumentationsvorschriften.

Keine Frage - es hätte schlimmer kommen können. Die nunmehr zweite Novelle der Institutsvergütungsverordnung (IVV 3.0), die am 1. März in Kraft getreten ist, fällt deutlich weniger hart aus und impliziert entsprechend einen geringeren administrativen Aufwand als erwartet. Im August hatte die BaFin bereits einen Konsultationsentwurf veröffentlicht, der für die deutsche Bankenlandschaft einen signifikanten regulatorischen Mehraufwand bedeutet hätte. Der finale Entwurf folgte nun am 19. Januar - und zeigt, dass die Behörde offenbar manche Einwände der Institute ernst genommen hat. Fragezeichen bleiben dennoch bestehen.

Festhalten an der Proportionalität

Was bisher geschah: Im August 2016 hatte die BaFin ihren Konsultationsentwurf zur Neufassung der Institutsvergütungsverordnung veröffentlicht. Darin berücksichtigte sie zum einen die seit 2014 gemachten eigenen Erfahrungen aus der Prüfung von Vergütungssystemen. Insbesondere setzte die Neufassung jedoch die neuen Richtlinien der European Banking Authority (EBA) von Dezember 2015 um.

Der Konsultationsentwurf sorgte für Stirnrunzeln bei vielen Instituten in Deutschland, enthielt er doch in Kombination mit der ebenfalls neu veröffentlichten Auslegungshilfe eine Reihe von Verschärfungen: ein erweiterter Anwendungsbereich der IVV, eine Ausweitung der Pflicht zur Identifizierung von Risk Takern auf alle Institute sowie diverse Detaillierungen und Ergänzungen des bestehenden Regelwerks rund um die Vergütungsgestaltung in Banken.

Der Mehraufwand, der daraus insbesondere für nicht bedeutende Institute mit einer Bilanzsumme kleiner 15 Milliarden Euro entstanden wäre, schien immens. Entsprechend gingen einige Institute bereits in Vorleistung und begannen zum Beispiel mit dem Prozess der Risk-Taker-Identifizierung, der gerade beim ersten Mal sehr aufwendig ist.

Warten auf eine europäische Regelung

Der konsultierende Austausch zwischen BaFin und den Instituten muss jedoch intensiv gewesen sein - das Resultat war nunmehr ein realistisches Ergebnis. So veröffentlichte die BaFin kurz vor Weihnachten 2016 eine Mitteilung, die ein späteres Inkrafttreten der Institutsvergütungsverordnung ankündigte und darüber hinaus bereits einige Befürchtungen aus der Welt schaffte. In manchen Punkten also eine einwandfreie "Rolle rückwärts", die durch den finalen Konsultationsentwurf, der am 19. Januar 2017 veröffentlicht wurde, nun bestätigt wird.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die EU-Kommission noch Ende November vergangenen Jahres ihre Pläne mitgeteilt hatte, wonach nur Institute unter fünf Milliarden Euro Bilanzsumme mit Erleichterungen bei nationalen Regeln zur Vergütungsgestaltung rechnen dürfen, hat die Lektüre des jüngsten Entwurfs der IVV überrascht. Denn die BaFin belässt nun dennoch die Grenze für bedeutende Institute bei 15 Milliarden Euro Bilanzsumme, bis eine endgültig verabschiedete europäische Regelung vorliegt.

Die Diskrepanz zum europäischen Verständnis von Bedeutsamkeit oder Nichtbedeutsamkeit eines Instituts ist also immens. Die europäische Definition kann sich aber im an stehenden EU-Trilog noch verändern. In ferner Zukunft kann hier folglich neues Ungemach drohen, für den Moment jedoch bleibt bei der Proportionalität alles beim Alten.

Risk-Taker-Identifizierung: nicht pauschal für alle

Eine weitere Änderung im Vergleich zum ersten Konsultationsentwurf vom Sommer ist, dass Mitarbeiter der Fondssparte einer Bank nicht unter die Institutsvergütungsverordnung fallen. Für sie werden die zum Teil deutlich schärferen Bonusregelungen, die für ihre Kollegen aus dem Investmentbanking gelten, nicht angewandt. Lediglich wenn diese Mitarbeiter einen Einfluss auf das Risikoprofil der gesamten Bankengruppe haben, unterliegen sie den strengeren Regeln.

Auch für die Pflicht zur Risk-Taker-Identifizierung heißt es "Zurück auf Los!". Diese ist im neuen Entwurf wieder nur für bedeutende Institute verpflichtend und nicht pauschal für alle. Die einzige Verschärfung gegenüber der alten IVV besteht darin, dass Institute zusätzlich zu den europaweit einheitlichen Identifizierungskriterien weitere interne Kriterien selbst definieren müssen. Dies könnte die Anzahl der Risikoträger leicht erhöhen, ist für die deutsche Bankenlandschaft insgesamt aber ein Segen im Vergleich zu dem administrativen Schreckensbild, das sich noch im Konsultationsentwurf abgezeichnet hatte.

Unter Risk Taker fallen alle Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie das Senior Management, also die Führungsebene unter dem Vorstand. Außerdem zählen auch Bankangestellte dazu, die Kredite ab 0,5 Prozent des harten Kernkapitals (Tier1) vergeben dürfen. Risk Taker ist übrigens kein Synonym für Spitzenverdiener. Auch Mitarbeiter mit einem Jahresgehalt zwischen 60 000 und 70 000 Euro brutto können unter diese Kategorie fallen.

Handhabung von Abfindungen: mehr Gespür für arbeitsrechtliche Praxis

Für Fassungslosigkeit hatten die Bestimmungen des Konsultationsentwurfs noch hinsichtlich der Behandlung von Abfindungszahlungen gesorgt. So sollten an diese die gleichen regulatorischen Anforderungen gestellt werden wie auch an normale Bonuszahlungen.

Was banal klang, ging allerdings meilenweit an der gelebten Praxis der Handhabung von Abfindungen in Deutschland vorbei und hätte massive Schwierigkeiten für Arbeitsrechtler und Vergütungsverantwortliche gleichermaßen bedeutet. So werden Abfindungszahlungen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wahrscheinlicher - also genau dann, wenn die Finanzergebnisse eines Instituts eine reguläre Bonuszahlung unmöglich machen könnten.

Auch besagt eine Grundformel, dass eine Abfindung für langjährige Mitarbeiter in der Regel ein Monatsgehalt pro Jahr im Unternehmen beträgt. Das wäre bei Mitarbeitern, die zum Beispiel 20 Jahre in einer Bank gearbeitet haben, diffizil geworden. Denn hier hätte dann auch der Bonus-Cap gegriffen. Der Bonus eines Bankmitarbeiters darf maximal die Höhe der Fixvergütung (in Ausnahmefällen das Doppelte) betragen.

Kompromiss, aber Mehraufwand: die Erweiterung des Vergütungsbegriffs

Die Veränderungen des finalen Entwurfs der Institutsvergütungsverordnung haben genau diese Kritikpunkte aufgegriffen: Zwar werden Abfindungen gemäß IVV nun zwar als variable Vergütung angesehen. Sie müssen aber nicht mehr unbedingt die gleichen Auflagen wie Boni erfüllen. So können Abfindungen auch bei einer negativen Ertragslage gezahlt werden und müssen nicht unbedingt auf die Bonusobergrenze von eins zu eins zur fixen Vergütung angerechnet werden.

Auch bei der erweiterten Definition des Vergütungsbegriffs, die beispielsweise bei der Ermittlung des Verhältnisses von variabler zu fixer Vergütung relevant ist, hat die BaFin offenbar Rückmeldungen der Institute berücksichtigt, wenngleich der administrative Aufwand zukünftig dennoch steigt. So zählt die betriebliche Altersversorgung (bAV), wie im Konsultationsentwurf, explizit zur Vergütung - genauso wie auch ein Dienstwagen, Rabatte oder eine vom Arbeitgeber gestellte Kinderbetreuung.

Um den administrativen Aufwand für Institute zu verringern, gab es nun allerdings doch noch eine Erleichterung im finalen Entwurf: Nicht wesentliche Vergütungsbestandteile müssen demnach nicht mehr als Vergütung erfasst und berichtet werden. So muss zumindest in Zukunft der Blumenstrauß zum Dienstjubiläum oder das Diensttelefon wohl doch nicht unbedingt als Vergütungsbestandteil berücksichtigt werden.

Keine Gnade: Festhalten an den Neuerungen zu Clawbacks

Die Frage, wo denn die Grenze der Wesentlichkeit liegt, lässt die BaFin zum jetzigen Zeitpunkt noch unbeantwortet. Vermutlich wird die Auslegungshilfe hier Klärung bringen. In jedem Fall aber wird die Vergütungsermittlung bei Banken insgesamt intransparenter, die Vergleichbarkeit zwischen den Instituten leidet. Früher war leicht ersichtlich, was die Grundvergütung ist. Es war auch klar, dass die variable Vergütung den Bonus umfasst. Mit der neuen IVV wird es schwieriger werden, herauszulesen, was ein Mitarbeiter tatsächlich verdient. Was im Rahmen der Transparenz gut gemeint war, führt nun in der Praxis tatsächlich zu einer eher größeren Intransparenz.

Der Konsultationsentwurf aus dem Sommer 2016, der in seiner ursprünglichen Form insgesamt zwar nicht zum Tragen kommt, enthielt jedoch eine wichtige Änderung für deutsche Banken, die übernommen wurde: die Einführung von Rückforderungen für bereits gewährte Bonuszahlungen, sogenannte Clawbacks. Die internationale Capital Requirements Directive (CRD) hatte Clawbacks zwar bereits vorgesehen. In Deutschland hatte man diese aber bisher nicht umgesetzt. Das Hauptargument waren arbeitsrechtliche Bedenken resultierend aus der bisherigen Rechtsprechung.

Hier bleibt die BaFin hart: Clawbacks sind erstmals ab dem 1. März in Deutschland für die Gruppe der Risk Taker einzuführen. Für diese galten bisher nur Vorschriften zur Anwendung eines Deferrals, also der Zurückbehaltung eines Teils des Bonus über einen festgelegten Zeitraum. Lediglich dieser geparkte Anteil konnte gekürzt oder komplett gestrichen werden. Nun wurde der ursprüngliche Inhalt des Konsultationsentwurfs sogar weiter verschärft.

Ursprünglich sollten Clawbacks bis zu einem Jahr nach Ende des Deferral - beziehungsweise bis zum Ende der Aufschubfrist von in Instrumenten gezahlter Vergütung - greifen, also mindestens vier bis sechs Jahre nach Bonusgewährung. Jetzt wurde die Frist um ein zusätzliches Jahr verlängert - also bis zu zwei Jahre nach Ende des letzten Deferral-Zeitraums. Unterliegt ein Bonus zum Beispiel einem fünfjährigen Deferral, so können Bonusanteile nun bis zu sieben Jahre nach Bonusgewährung zurückgefordert werden. Die tatsächliche Umsetzung dieser Anforderungen in bestehende Arbeitsverträge dürfte für viele Institute herausfordernd und zeitintensiv werden.

Noch keine vollkommene Entwarnung

Der Umstand, dass zum neuen Entwurf der IVV noch keine überarbeitete Fassung der Auslegungshilfe veröffentlicht wurde, birgt ohnehin noch eine gewisse Brisanz. Sind es doch teilweise die Detailbestimmungen der Auslegungshilfe, die auf den ersten Blick allgemein formulierte Forderungen der IVV für Institute verkomplizieren.

Ein Beispiel besteht in der Begrenzung des maximalen Anteils der variablen Vergütung auf ein Drittel der Gesamtvergütung von Mitarbeitern der Kontrolleinheiten wie Risikomanagement, Personal oder Compliance. Diese wird so explizit nur in der Auslegungshilfe zur IVV gefordert, die Stand heute aber nur für den Konsultationsentwurf des Sommers 2016 veröffentlicht wurde. Insofern besteht bei manchen Detailfragen noch Unsicherheit mit Blick auf die endgültige Position.

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