Sparkassen, Landesbausparkassen, öffentliche Versicherer: gemeinsam neue Rahmenbedingungen meistern

Dr. Rolf Gerlach, Präsident, Sparkassenverband Westfalen-Lippe, Münster - Über die Niedrigzinspolitik der Notenbanken zu klagen und/oder sich über das verschärfte regulatorische Umfeld aufzuregen, hilft aus Sicht des Autors wenig. Seine Bestandsaufnahme der Landesbausparkassen und der öffentlichen Versicherer als wichtige Verbundpartner der Sparkassen will diese veränderten Rahmenbedingungen vielmehr als neue Normalität verstanden wissen. Auf dieser Grundlage mahnt er für die weitere strategische Ausrichtung eine bessere Ausnutzung der gemeinsamen Ertragspotenziale einer dezentralen Marktbearbeitung an. Dass dabei Dezentralität Konsolidierungen bei Verbundunternehmen ausschließen muss, will er mit Verweis auf das Beispiel Finanz Informatik nicht gelten lassen. Seine Botschaft: Verbundunternehmen schulden Sparkassen bestmögliche Leistungserbringung - unter Hintanstellung unternehmensspezifischer Komfortziele. (Red.)

Bausparkassen und Versicherer befinden sich in einer Umbruchphase, deren Wucht für alle Beteiligten neu ist. Regulatorische, technische, demografische und geldpolitische Herausforderungen haben schon immer Anpassungsdruck ausgelöst. In ihrem aktuellen Zusammenwirken erfordern sie besondere Anstrengungen. Die Landesbausparkassen und öffentlichen Versicherer als Verbundpartner der Sparkassen müssen entschieden auf diese Rahmenbedingungen antworten. Nur so erfüllen sie ihre Aufgaben auch als Dienstleister der Sparkassen. Zufriedenstellende Geschäftsergebnisse dürfen den Blick darauf nicht trüben.

Prozesse und Vertrieb an neue Normalität anpassen

Entscheidend ist, geänderte Rahmenbedingungen als neue Normalität anzunehmen, um Prozesse und Vertrieb darauf auszurichten. Erste Schritte sind gemacht. Weitere müssen folgen. Die notwendigen Veränderungsprozesse lassen sich stets als Ineinandergreifen von drei Zahnrädern verstehen:

- Strategieentwicklung,

- Beteiligungsmanagement (Kauf, Verkauf, Verschmelzung),

- Transformation (Verwirklichung von Veränderungen).

Dabei gibt es keine eindeutige Abfolge. Kaum vorhersehbar ist, wann und wodurch welches Zahnrad in Bewegung gesetzt wird und welche Geschwindigkeit entsteht. Bei allen Überlegungen sind die besonderen Merkmale der Sparkassenorganisation und die Entstehungsgeschichte der Beteiligung an Landesbausparkassen und öffentlichen Versicherern zu beachten. Die Landesbausparkassen waren oft langjährig Abteilungen von Landesbanken/Girozentralen und sind dann - zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen - durch Abspaltungen zu selbstständigen Spezialkreditinstituten im Eigentum der Sparkassen geworden. Die öffentlichen Versicherer wurden meist im 18. Jahrhundert gegründet. "Geborene Beteiligte" der öffentlichen Versicherer sind zum Beispiel Landschaftsverbände, Rechtsnachfolger preußischer Gebietskörperschaften. Die dezentrale Struktur staatlicher Gliederungen in der deutschen Geschichte prägt somit bis heute die Struktur der öffentlichen Versicherer. Beide Gruppen entstanden also regional.

Die Übernahme der Trägerschaft an der LBS West durch die nordrhein-westfälischen Sparkassen und auch die Übernahme von zusätzlichen Anteilen an der Provinzial Nord-West durch die westfälischlippischen Sparkassen führten zu erheblichen Wachstumsimpulsen unter anderem durch eine erkennbar gestärkte vertriebliche Partnerschaft sowie Wertsteigerungen bei den Beteiligungen.

Sparkassen und ihre Beteiligungen

Kernaufgabe der Beteiligungsunternehmen ist die Bereitstellung von Dienstleistungen und Produkten, die zur Angebotspalette der Sparkassen passen:

- Bausparkassen sind Spezialkreditinstitute. Sie verbreitern die Angebote im Einlagen- und Kreditgeschäft universell tätiger Institute. Die Immobilienvermittlung unterlegt die diesbezüglichen Chancen und tut dem Provisionsergebnis gut.

- In der Zusammenarbeit mit Versicherern können Sparkassen, neben der reinen Ergänzung ihres Produktangebots, Cross-Selling-Potenzial sowohl im Privatkunden- als auch im Firmenkundengeschäft nutzen.

Neben der langfristigen Unterstützung des Sparkassengeschäftes streben die Verbände - ebenfalls im Interesse der Sparkassen - eine angemessene Rendite des bei den Beteiligungen an den Landesbausparkassen und öffentlichen Versicherern eingesetzten Kapitals an.

In den Gremien der Beteiligungsunternehmen sind Vertreter der Sparkassenseite aktiv. Sie werden in ihrer Arbeit von einem qualifizierten Beteiligungsmanagement der Verbände begleitet. Weiterbildungsangebote werden intensiv genutzt, um eine sachgerechte Ausübung der Mandatstätigkeit in den Gremien der Beteiligungsunternehmen sicherzustellen. Auf diese Weise sind sowohl Steuerungsimpulse durch Sparkassen als auch vertriebliche Zusammenarbeit wirksam gewährleistet. Die Zusammenarbeit von Sparkassen und Verbundunternehmen führte über Jahre zu steigenden Unternehmenswerten und angemessenen Ausschüttungen an die Anteilseigner. Derzeit gibt es aber eine Vielzahl von Herausforderungen, denen sich die Unternehmen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen stellen müssen.

Regulierung, geldpolitisch getriebene Niedrigst- und sogar Negativzinsen, die demografische Entwicklung sowie die Digitalisierung verändern die Rahmenbedingungen für Finanzdienstleister in beacht licher Intensität. Sie werden zur neuen Normalität der Unternehmen. Die Herausforderungen lassen sich aus Beteiligungssicht in zwei Gruppen einteilen:

1) Veränderte Rahmenbedingungen für die Träger/Aktionäre von Bausparkassen und öffentlichen Versicherern:

Das den Beteiligungen regulatorisch zuzuordnende Eigenkapital steigt - Stichwort: Basel III - teils spürbar an. Gehören die Beteiligungsunternehmen nicht dem Sicherungssystem der Sparkassenorganisation an und können deswegen die mit diesem Konstrukt verbundenen Eigenkapitalvorteile nicht nutzen, ist der Bedarf an zuzurechnendem Eigenkapital künftig besonders ausgeprägt. Kürzlich eingeführte Regeln zur Begrenzung der Zahl der Mandate erschweren die Arbeit der Gremienmitglieder vor allem bei Versicherungskonzernen in nicht wenigen Fällen.

2) Veränderte Rahmenbedingungen für die Unternehmen:

- Regulatorische Bedingungen wie Basel III, Solvency II oder das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) führen zu veränderten aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen sowie zu komplexen Management- und Kapazitätsanforderungen. Bausparkassen und Versicherer unterliegen steigenden Kapitalanforderungen. Wird kein Eigenkapital zugeführt, steigt der Veränderungsdruck.

- Die andauernde Niedrigzinsphase drückt massiv auf die Ergebnisentwicklung bei Bausparkassen und Versicherern: Besonders Bausparkassen haben eine herausfordernde Ausgangslage. Da sie zum großen Teil vom Einlagen- und Kreditgeschäft und somit weit überwiegend von der Zinsmarge leben, sind sie von der Niedrigzinsphase stark betroffen. Versicherer hingegen haben mit ihrem Kerngeschäft - der Absicherung von Risiken - neben der Kapitalanlage ein weiteres Standbein mit prinzipiell stabiler Nachfrage; risikoavers sind viele lebenslang. Aber auch hier führt zum Beispiel die höhere Dotierung der Zinszusatzreserve zur Absicherung von Lebensversicherungsgarantien zu Belastungen. Mittel- bis langfristig drohen wichtige Teile der Kapitalerträge der Versicherer auszutrocknen. Unternehmensindividuell können im unterschiedlichen Umfang höhere zinsinduzierte Rückstellungen aufgrund von Pensionslasten auf Landesbausparkassen und öffentliche Versicherer zukommen.

- Die demografische Entwicklung sieht in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten, regionale Unterschiede außer Acht lassend, grundsätzlich so aus: Die Menschen werden älter und die Bevölkerung schrumpft. Das führt - neben altersbedingt veränderten Kundenanforderungen - tendenziell zur Marktsättigung. Dadurch begrenzte Wachstumschancen haben zur Folge, dass steigende Stückkosten zumindest nicht vollständig durch Umsatzsteigerungen aufgefangen werden können.

- EU-Vermittlerrichtlinie, Vermittlerhaftung und das LVRG führen zu erheblichen Änderungen für die betroffenen Unternehmen und deren Vertriebspartner: Die Höhe der Provisionen sowie die produktgebundene Vermittlungsprovision in Gänze stehen unter Beobachtung der Regulierer und Verbraucherschützer. Für die Beratungsleistung müssen alternative Entgeltformen in Betracht gezogen werden, um Erträge zu stabilisieren und Wachstum zu ermöglichen. Regulierungsmaßnahmen verleihen der Honorarberatung Rückenwind. Dass sie sich durchsetzt, ist aufgrund der schlechten Markterfahrung darauf spezialisierter Anbieter fraglich. Geschieht es aber doch, würde die Unverträglichkeit von Ausschließlichkeitsvertrieb und Honorarberatung die Wettbewerbslage in jedem Fall verändern. Schwache Produktanbieter würden in einem solchen Umfeld für ihre Eigentümer und Vertriebe immer mehr zu einem Risiko.

- Die Digitalisierung verändert die Prozesse in den Unternehmen. Sie führt häufig zunächst zu erhöhten Kosten, in jedem Fall zu mehr Markttransparenz. Die Erfolge von Vergleichsportalen sind der Anfang einer Entwicklung, die sich in der Welt mobiler Anwendungen fortsetzen wird. Als Folge ist mit einer Umverteilung von Marktanteilen zu rechnen. Ein Beispiel dazu: Das Beratungsunternehmen Towers Watson geht bei Kfz-Policen von einem Abschlussanteil der Vergleichsportale von bereits 15 Prozent aus.1) Anbieter, die passiv bleiben, werden zu Verlierern - ihre Erträge sinken und ihre Stückkosten steigen. Bei aller Digitalisierungseuphorie gilt es, nicht zu reinen Online-Instituten zu werden, sondern die Vorteile des stationären Vertriebs (persönliche und räumliche Nähe) mit den Vorteilen anderer Kanäle/Kontaktpunkte (online, mobile) zu verknüpfen.

Druck auf die Eigenkapitalausstattung

Aus Beteiligungssicht ist allen Herausforderungen gemeinsam, dass sie - wenn ihnen nicht durch geeignete Maßnahmen begegnet wird - die Ergebnisse der Unternehmen deutlich abschmelzen lassen und zum Druck auf die Eigenkapitalausstattung führen. In diesem Umfeld ist Kapitalbedarf bei einzelnen Unternehmen nicht auszuschließen. Was sind vor diesem Hintergrund die Erfolgsfaktoren, damit Sparkassen, Landesbausparkassen und öffentliche Versicherer gemeinsam die neuen Rahmenbedingungen meistern können?

Die Dezentralität ist der Schlüssel für erfolgreiche Sparkassenarbeit. Die Dezentralität ist geschützt durch die kommunale Bindung der Sparkassen und das Sparkassenrecht, in dem Regionalprinzip und öffentlicher Auftrag verankert sind. Verbände und Verbundunternehmen sind die Dienstleister der Sparkassen. Dezentralität beruht auf dem Recht (und der Pflicht), Eigenkapital zu disponieren, Verträge abzuschließen (oder auch nicht) und damit über Zusammenarbeit souverän zu entscheiden. Darin ordnet sich die Stellung von Landesbausparkassen und öffentlichen Versicherern als Dienstleister der Sparkassen ein.

Die beschriebenen Herausforderungen verdeutlichen, dass die Ressource Eigenkapital knapper wird. Die Sparkassen haben - auch mit Blick auf ihren eigenen öffentlichen Auftrag - nichts zu verschenken. Sie werden Kapital nur dann in Beteiligungsunternehmen investieren, wenn es für sie von Nutzen ist.

Vor diesem Hintergrund haben die Vorstände der Landesbausparkassen und öffentlichen Versicherer die Herausforderungen für die jeweiligen Unternehmen zu managen. Dafür haben sie geeignete Strategien zu entwickeln und in Abstimmung mit den Gremien, die Risiken mit einem zur Risikotragfähigkeit des Unternehmens passenden Risikoappetit zu steuern. Gleichzeitig gilt es, die Vorteile aus den gemeinsamen kommunalen und regionalen Wurzeln zu nutzen.

Hohe Anpassungsfähigkeit vor Ort

Regionalität bedeutet in der vertrieblichen Ausrichtung der öffentlichen Versicherer und der Landesbausparkassen dezentrale Marktbearbeitung. Diese Dezentralität wird sowohl von den Sparkassen als auch von den Geschäftsstellen der Beteiligungsunternehmen gewährleistet. Dezentralität führt zu einer hohen Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichen Anforderungen der Kunden am Ort. Die öffentlichen Versicherer und die Landesbausparkassen nutzen die kundennahe Aufstellung für eine passgenaue Vertriebsunterstützung. Dezentralität ist darum ein Erfolgsfaktor - sowohl für Sparkassen als auch Verbundunternehmen mit ihrer Vertriebsstruktur.

Landesbausparkassen und öffentliche Versicherer haben auf der Ertragsseite noch ungenutzte Potenziale. Neue Konzepte bei der Kundenansprache oder eine klarere Ausrichtung der Angebote sind Ansätze gemeinsamen Handelns.

Digitale Vertriebswege zu entwickeln, um Marktanteilsverluste zu verhindern, könnte ein weiteres Feld gemeinsamen Wirkens sein.

Aufgrund der dezentralen Strukturen könnte auf den ersten Blick gefolgert werden, dass mangels der erforderlichen kritischen Masse bei der Unternehmensgröße strukturelle Nachteile auf der Kostenseite nicht auszuschließen sind. Durch die veränderten Rahmenbedingungen werden sich die Fixkosten und damit die kritische Masse weiter erhöhen. Dies führt zu der Frage, wie unter Beibehaltung der Regionalität die Kostenstrukturen wettbewerbsfähig bleiben.

IT als Vorbild

Dass Dezentralität Konsolidierungen bei Verbundunternehmen nicht ausschließt, zeigt die Entstehungsgeschichte der Finanz Informatik. Durch Fusionen wurde aus elf Unternehmen ein gemeinsamer IT-Dienstleister geschaffen, der einheitliche Systeme und Prozessstandards bereitstellt. Die Sparkassen in Deutschland haben aus dieser Konsolidierung der Dienstleister unmittelbaren Nutzen gezogen: 2001 gaben sie für ihre IT insgesamt 2,6 Milliarden Euro pro Jahr aus. 2013 waren es 1,55 Milliarden Euro - mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr weniger.

Die Bausparkassen haben als "Einproduktunternehmen" gute Voraussetzungen. Die bereits intensive Zusammenarbeit mit der Finanz Informatik und aktuelle bilaterale Fusionsbemühungen zeigen den möglichen Weg der Landesbausparkassen und ihrer Anteilseigner auf.

Die öffentlichen Versicherer sind komplexer aufgestellt. Bei ihnen schlummern sehr große Potenziale, ihre gleichgerichteten Interessen untereinander viel intensiver zu bündeln. Sie sollten keinerlei Scheu haben, sich die Sparkassen als gutes Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit zu wählen.

Allen Maßnahmen der Landesbausparkassen und der öffentlichen Versicherer muss ein strategischer Imperativ zugrunde liegen: Sparkassen sind Vertragspartei im Vertrieb und Eigentümer/Träger mit wohlbegründeten Ansprüchen auf stabile oder steigende Beteiligungswerte sowie angemessene Verzinsung des gebundenen Kapitals. Verbundunternehmen schulden deswegen Sparkassen bestmögliche Leistungserbringung - unter Hintanstellung unternehmensspezifischer Komfortziele.

Fußnote

1) Quelle: Pressemitteilung Towers Watson vom 23.10.2014

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