Aufsätze

Schlagkraft erhöhen, Synergien heben - die öffentlichen Versicherer im Wettbewerb

Neben den Sparkassen, den Landesbanken und den Landesbausparkassen sind die öffentlichen Versicherer ein wichtiger Pfeiler, der die Sparkassen-Finanzgruppe zum größten Allfinanzanbieter Deutschlands macht. Wie auch bei den Sparkassen ist ihr Geschäftsmodell geprägt durch Regionalität und Dezentralität. Träger beziehungsweise Aktionäre der öffentlichen Versicherer sind hauptsächlich die Sparkassen, zum Teil über die jeweiligen regionalen Sparkassen- und Giroverbände, mit der LBBW und der Nord-LB aber auch Landesbanken sowie Landschaftsverbände.

Keine gemeinsame Marke

Anders als Sparkassen oder Landesbausparkassen treten die zwölf öffentlichen Versicherer aber nicht unter einer gemeinsamen Marke auf. Die unterschiedlichen Marken haben mitunter eine lange Tradition und begründen die starke Stellung der einzelnen Unternehmen in ihrer jeweiligen Region.

Dass die öffentlichen Versicherer in verschiedenen Geschäftsfeldern, wie beispielsweise der Wohngebäudeversicherung (38 Prozent) oder der Sachversicherung (23,6 Prozent) insgesamt, Branchenprimus sind, ist dagegen einer breiten Öffentlichkeit zumeist unbekannt. Insgesamt liegen die öffentlichen Versicherer mit einem kumulierten Marktanteil von 10,3 Prozent im Jahr 2007 hinter der Allianz und vor der AMB Generali auf Platz zwei des deutschen Versicherungsmarktes.

Auf das gesamte Bundesgebiet bezogen, ist die Gruppe der öffentlichen Versicherer der klassische Fall eines "Hidden Champion" - man könnte sinngemäß auch von einem schlafenden Riesen sprechen. Neben den rund 4 700 eigenen Geschäftsstellen und Agenturen verfügen die öffentlichen Versicherer über einen in Deutschland einzigartigen Vertriebsweg.

Vorteile besser nutzen

Diese Vorteile in Form von rund 16 000 Sparkassen- Geschäftsstellen werden noch zu wenig genutzt. Beides zusammengenommen garantiert den öffentlichen Versicherungsunternehmen eine exzellente und flächendeckende Präsenz in allen Regionen sowie beste Voraussetzungen für die Marktführerschaft in Deutschland.

Wie in der Kreditwirtschaft herrscht auch im deutschen Versicherungsmarkt ein harter Wettbewerb, den nur die leistungsfähigsten Marktteilnehmer bestehen können. Seit Jahren ist ein Trend zur Konsolidierung erkennbar. Zahlreiche Unternehmen vor allem aus dem privaten Sektor haben sich inzwischen zu größeren Einheiten zusammengeschlossen und versuchen, über Skaleneffekte Kosten- und Vertriebsvorteile zu generieren, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Konsolidierung notwendig

Wer im deutschen Versicherungsmarkt künftig eine große oder gar herausragende Rolle spielen will, für den wird Größe immer stärker zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor und Konsolidierung zur absoluten Notwendigkeit. Es ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die öffentlichen Versicherer, dass einzelne Gruppen bereits frühzeitig die Chancen erkannt haben, die eine Bündelung der Kräfte mit sich bringt. Das Zusammengehen und die Zusammenarbeit in größeren Einheiten ist neben der starken regionalen Verankerung und einer soliden Anlagepolitik ein maßgeblicher Faktor für den geschäftlichen Erfolg der Gruppe.

Bereits im Jahr 2000 hat sich aus der ÖVA Mannheim, der SV Stuttgart und der Gebäudeversicherung Stuttgart der Nukleus der heutigen SV Sparkassen Versicherung gebildet. Im Jahr 2004 folgte die Fusion der Sparkassenversicherer in Baden-Württemberg und in Hessen, Thüringen und Teilen von Rheinland-Pfalz. Im gleichen Jahr wurde die Feuersozietät und öffentliche Lebensversicherung Berlin/Brandenburg gemeinschaftlich von der Versicherungskammer Bayern, der SV Stuttgart und der SV Sachsen erworben.

Erfolgreiche Kooperationen

Im folgenden Jahr setzte sich die Konsolidierung durch die Zusammenführung der Provinzial Versicherung in Münster und Kiel unter dem gemeinsamen Dach der Provinzial Nord-West-Holding fort. Die regionalen Schaden- und Unfallversicherer Westfälische Provinzial Versicherung, Provinzial Nord Brandkasse und Hamburger Feuerkasse sind dabei als Träger für die Marktbearbeitung in der jeweiligen Region an ihren bisherigen Standorten erhalten geblieben.

Auch auf einzelnen Geschäftsfeldern gibt es eine erfolgreiche Kooperation der öffentlichen Versicherer, zu nennen wären etwa die gemeinsame Krankenversicherung UKV sowie die gemeinsame Reise- und Rechtschutzversicherung. Dazu kommen einzelne Aufgabenfelder, wie etwa in der Schadenverhütung, bei verschiedenen Internetdiensten und in der Rückversicherung, in denen die öffentlichen Versicherer sehr erfolgreich ihre Kräfte bündeln - auch mit anderen Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe. So wird das Rückversicherungsgeschäft in großen Teilen über die gemeinsame Tochter Deutsche Rück abgewickelt.

Weitere Schritte notwendig

Ebenfalls über eine gemeinsame Tochter arbeiten im Bereich Kapitalanlagemanagement die Provinzial Nord-West Versicherungsgruppe und die SV Sparkassen Versicherung zusammen (siehe den Beitrag von Ulrich Lingner in diesem Heft - Red.).

Aus Sicht der Eigentümer sollten die öffentlichen Versicherer die erreichten Erfolge in Zusammenarbeit und Konsolidierung noch stärker als Ermutigung sehen, weitere Schritte folgen zu lassen. Dass hier noch Potenzial besteht, zeigt bereits die Tatsache, dass die fünf größten Konzerne zusammen rund 93 Prozent der Beitragseinnahmen der Gruppe erzielen. Dies sind die Versicherungskammer Bayern, die Provinzial Nord-West Versicherungsgruppe, die SV Sparkassenversicherung, die Provinzial Rheinland sowie die Versicherungsgruppe Hannover.

Teure Parallelstrukturen in der IT vermeiden

Die anderen sieben Player erreichen zusammen nur rund sieben Prozent. Dabei nehmen alle Gruppen im Markt nahezu identische Aufgaben wahr. Es ist deshalb nicht überraschend, dass interne Studien zu dem Schluss kommen, dass die "Kosten der Zersplitterung" bei den öffentlichen Versicherern einem dreistelligen Millionenbetrag entsprechen. Teure Parallelstrukturen in der IT, der Verwaltung, dem Marketing oder in der Produktentwicklung sind allerdings nicht mehr zeitgemäß und kosten schlicht zu viel Geld.

Insbesondere die Sparkassen wünschen sich, dass die öffentlichen Versicherer rasch und zielgerichtet vorgehen. Dabei erwarten die Sparkassen hieraus positive Effekte in dreifacher Hinsicht:

- Erstens: Die Versicherungen sollen aus Beteiligungssicht der Sparkassen eine angemessene Investitionsrendite bieten.

- Zweitens: Die Sparkassen stellen den Produkten der öffentlichen Versicherer eine in Deutschland einzigartige und quasi exklusive Retailstruktur zur Verfügung, die für Versicherungen Kostenvorteile im Vertrieb bringt. Für Infrastruktur und Vermittlungstätigkeiten erwarten die Sparkassen deshalb eine angemessene Vergütung durch entsprechende Provisionen.

- Drittens: Die Sparkassen verstehen sich als Qualitätsanbieter im Markt. Dementsprechend haben sie an die Versicherungen als Produktlieferanten den Anspruch, dass sie ihnen und ihren Kunden einen im Wettbewerbsvergleich hervorragenden Service bieten, dazu gehört im Wesentlichen Produkt- und Servicequalität sowie Vertriebsunterstützung für die Sparkassen.

Handlungsfelder für die öffentlichen Versicherer

Vor dem Hintergrund dieser Wünsche sowie der Entwicklung auf den Märkten ergeben sich wiederum für die öffentlichen Versicherer gemeinsame Handlungsfelder auf drei Ebenen:

- Es geht darum, durch Konsolidierung wettbewerbsgerechte Strukturen für die Zukunft zu schaffen, dazu gehört vor allem, die zwölf bisherigen Versicherungsgruppen auf weniger, aber ertragsstarke Einheiten zu verdichten.

- Es gilt weitere Synergien zwischen den Versicherern zu heben, etwa bei den operativen sowie den Schadens- und Kapitalkosten.

- Einer der wichtigsten Posten sind die nicht realisierten Erlöse durch noch nicht optimale Nutzung des Cross-Selling zwischen den Sparkassen und den Versicherern.

Die öffentlichen Versicherer wissen, dass es Handlungsbedarf gibt und bekennen sich zu einer Weiterentwicklung ihrer Strukturen. Sie haben bereits in einer Erklärung aus dem März 2008 deutlich gemacht, dass es zu einer intensivierten und effizienzsteigernden Zusammenarbeit keine Alternative gibt. Seitdem hat sich vieles verändert. Die Finanzmarktkrise hat die Märkte fest im Griff, in der Sparkassen-Finanzgruppe steht der Konsolidierungsbedarf bei den Landesbanken im Vordergrund.

Verdrängungswettbewerb

In dieser Situation liegt für die öffentlichen Versicherer aber eine große Chance. Natürlich sind sie regional verankerte Unternehmen, weshalb es immer auch regionale Interessen gibt. Allerdings können Kostensynergien und Kostendegression durch Bündelung erreicht werden bei gleichzeitiger regionaler Marktverankerung und mit starken Marken. Das würde die Kunden und die Öffentlichkeit gleichermaßen zufriedenstellen und zudem zukunftsfähige Geschäftsmodelle kreieren. Das bedeutet für die öffentlichen Versicherer große und schwierige Aufgaben, vor denen aber auch viele private Wettbewerber stehen, nämlich Unternehmen zu schaffen, deren Schlagkraft im Markt wesentlich erhöht ist. Und nur die stärksten werden in diesem harten Verdrängungswettbewerb auf Dauer bestehen können. Die Kooperation mit den Sparkassen sorgt aber dafür, dass die Erfolgsaussichten der öffentlichen Versicherer ungleich höher sind als die ihrer Konkurrenten.

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