Aufsätze

Die Sparkassen und ihre Versicherer

Sparkassen und öffentliche Versicherer bilden zusammen mit den Landesbausparkassen, den Landesbanken und der Dekabank die Sparkassen-Finanzgruppe. Die Sparkassen-Finanzgruppe bietet damit alle Finanzdienstleistungen aus einer Hand an. Die Zusammenarbeit der öffentlichen Versicherer mit den Sparkassen ist dabei ein wesentlicher Baustein. Es geht um die wechselseitige Nutzung vorhandener Vertriebswege und Kundenpotenziale mit dem Ziel, die Markt- und Wettbewerbsposition der Sparkassen-Finanzgruppe auszubauen.

Eigentümer und Vertriebsweg

Das Verhältnis der Sparkassen zu den öffentlichen Versicherern hat mindestens zwei Seiten: Die Sparkassen sind - regional zu unterschiedlichen Anteilen - Eigentümer der Versicherer. Sie sind aber auch der mit Abstand bedeutendste Vertriebspartner - und in dieser Eigenschaft sehr daran interessiert, dass die Versicherer ihnen neben Ausschüttungen attraktive Produkte zur Verfügung stellen und für die Vermittlungsleistungen eine angemessene Provision zahlen. Aus der Sicht der öffentlichen Versicherer sind die Anteile des Vertriebswegs "Sparkasse" von existenzieller Bedeutung. Sie betragen bei einzelnen öffentlichen Versicherern bis zu 90 Prozent der Prämieneinnahmen am Neugeschäft der Lebensversicherung. Auch im Bereich der Schaden- und Unfallversicherung bewegt sich diese Quote - je nach Sparte um die 30 Prozent.

Wer in Deutschland zur Sparkasse kommt und nach Versicherungen fragt, kann sich regelmäßig darauf verlassen, dass ihm der Sparkassenmitarbeiter entweder selbst Angebote macht oder ihn an einen kompetenten Berater eines öffentlichen Versicherers verweist. Sparkassen und öffentliche Versicherer sind durch ihre dezentrale Ausrichtung in ihren jeweiligen regionalen Geschäftsgebieten mit der Bevölkerung eng verwurzelt und engagieren sich dort vielerorts auch gemeinsam - in der Förderung von Sport, Kultur und sozialen Einrichtungen.

Da heute praktisch jede Versicherung in unterschiedlichster Form in einen Finanzdienstleistungsverbund integriert ist, tragen die öffentlichen Versicherer auch maßgeblich dazu bei, Sparkassenkunden enger an die Sparkassen-Finanzgruppe zu binden. Über den versicherungseigenen Außendienst haben die öffentlichen Versicherer eigene Kundenbeziehungen aufgebaut, woraus sich wiederum für die Sparkassen interessante geschäftliche Anknüpfungspunkte ergeben. Die Gebäudeversicherer verfügen als ehemalige Monopolisten auch heute noch über eine Vielzahl von Kundenkontakten.

Nicht zuletzt sind die Versicherer direkt und indirekt unter anderem über die Sparkas-sen-Pensionskasse für den Finanzverbund auch als Kapitalsammelstelle erfolgreich tätig. Die Versicherer erhöhen den Anteil der privaten Geldvermögensbildung, der auf die Sparkassen-Finanzgruppe entfällt.

Entwicklung der Zusammenarbeit

Die Geschichte der Zusammenarbeit von Sparkassen und öffentlichen Versicherern reicht weit zurück. Es begann mit der Lebensversicherung. Ein entscheidender Auslöser war die Einführung der sogenannten Volksversicherung im 19. Jahrhundert. Diese zunächst ausschließlich von privaten Versicherern betriebene Form der Lebensversicherung mit geringer Versicherungssumme hatte sich im Zuge der wirtschaftlichen Besserstellung der Arbeiterschaft seit Ende des 19. Jahrhunderts zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Mit wachsender Beliebtheit dieser Form des Sparens gerieten die Sparkassen in Zugzwang, da ihre führende Marktposition insbesondere bei den einkommensschwächeren Schichten geschwächt wurde. Im Jahre 1913 empfahl die Mitgliederversammlung des Deutschen Sparkassen-Verbandes deshalb den Sparkassen eine Arbeitsgemeinschaft mit den öffentlichen Lebensversicherungen.

Die öffentlichen Versicherer waren für die Sparkassen die idealen Partner, da sie ihnen hinsichtlich regionaler Organisation und Ansehen bei der Bevölkerung sehr ähnlich waren. Als Gegenleistung für die Vermittlung von Versicherungsleistungen über den Sparkassenschalter sollten die Versicherer ihre Kunden veranlassen, bei den Sparkassen ein Konto zur Einzahlung der Prämien einzurichten. Teile der so vereinnahmten Prämien sollten die Versicherer in Form der Kapitalanlage bei den Sparkassen anlegen. Zielsetzung dieser Maßnahme war die Stärkung des Passivgeschäftes der Sparkassen. Damit waren die Sparkassen mit ihren Versicherern die Erfinder des Allfinanz-Gedankens.

Ausgehend von der Lebensversicherung wurde die Zusammenarbeit zwischen Sparkassen und öffentlichen Versicherern nach und nach auf alle Versicherungszweige ausgeweitet. Der zunehmende Wettbewerb mit konkurrierenden Allfinanzgruppen ab Mitte der achtziger Jahre leitete eine engere institutionelle Verflechtung zwischen Sparkassen und Versicherern ein. Diese Entwicklung hat zu einer sukzessiven Übernahme von Anteilen und letztendlich der weitgehenden Eingliederung der öffentlichen Versicherer in die Sparkassen-Finanzgruppe geführt. Es fehlte schließlich nur die Gebäudeversicherung, da diese als Teil der sozialen Daseinsfürsorge vielfach als Monopol- und Pflichtversicherung von den Ländern betrieben wurde.

1992 verabschiedete der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft die sogenannte Dritte Schadenversicherungsrichtlinie. Darin ging es um die Schaffung des liberalisierten Binnenmarktes für das Versicherungswesen. Artikel 3 verlangte die Abschaffung der deutschen Versicherungsmonopole im Bereich der Gebäudefeuerversicherung mit Wirkung zum 1. Juli 1994. In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gab es jahrhundertealte Gebäudefeuerversicherungsmonopole. Die Sparkassen traten in allen Ländern als Kaufinteressenten an, da die Gebäudeversicherer sehr gut zur Sparkassen-Finanzgruppe mit ihrem öffentlichen Auftrag passten. Heute gehören alle ehemaligen Monopol-Gebäudeversicherer zur Sparkassen-Finanzgruppe.

Konsolidierung noch am Anfang

Wie die gesamte Finanzdienstleistungsbranche stehen die Versicherer heute vor der Aufgabe, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Der Hauptdiskussionspunkt - gerade auch aus Eigentümersicht - ist dabei eine stärkere Zusammenarbeit bis hin zu Zusammenschlüssen.

Die öffentlichen Versicherer bilden bekanntlich keinen einheitlichen Konzern, sondern treten als Gruppe selbstständiger, regional tätiger Unternehmen auf. Heute gibt es noch zwölf öffentliche Versicherungsgruppen, von denen die fünf größten Konzerne - die Versicherungskammer Bayern (VKB), die Provinzial Nord West Gruppe (PNW), die SV Sparkassen Versicherung (SV), die Provinzial Rheinland und die Versicherungsgruppe Hannover (VGH) - über 90 Prozent der Beitragseinnahmen der Gruppe auf sich vereinigen.

Die öffentlichen Versicherer stehen als Gruppe auf Platz zwei im deutschen Versicherungsmarkt. In ihren Regionen haben sich die Versicherer jeweils sehr hohe Marktanteile erarbeitet. Um diesen Wettbewerbsvorteil zu halten und auszubauen, steht die Gruppe der öffentlichen Versicherer deshalb nicht erst seit heute vor der Aufgabe, ihre Kräfte zu bündeln, ohne dabei die regionalen Identitäten und Marktpositionen zu gefährden.

Der Prozess der Bündelung der Kräfte unter den öffentlichen Versicherern steht noch am Anfang. Es gab und gibt bislang erst einige wenige Kooperationen und lediglich zwei größere Zusammenschlüsse. Gleichwohl könnten durch größere unternehmerische Einheiten Kosten- und Ertragssynergien auch für die öffentlichen Versicherer erzielt werden. Voraussetzung ist ein tragfähiges Konzept, das Größe mit dem Erhalt der regionalen Identität und Stärke verbindet. Ein Beispiel dafür ist die SV Sparkassen Versicherung.

Beginn der Harmonisierung

Sie ist der derzeit drittgrößte öffentliche Versicherer und aus einer Fusion der öffentlichen Versicherer mit Geschäftsgebieten in Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Teilen von Rheinland-Pfalz entstanden. Nur wenige Unternehmen haben in der vergangenen Dekade so starke Umwälzungen erfahren wie die öffentlichen Versicherer in den genannten Bundesländern. Wer die öffentliche Versicherungslandschaft von heute mit der zu Beginn der neunziger Jahre vergleicht, wird feststellen, wie tief greifend die Veränderungen waren.

Bis zum Jahre 1993 gab es in den Bundesländern des heutigen Geschäftsgebietes der SV Sparkassen Versicherung noch elf operative Gesellschaften. Die Meilensteine der nun folgenden Entwicklungen waren: 1994 die Fusion der Gebäudeversicherer in Karlsruhe und Stuttgart; 1997 die Fusion der hessischen Brandversicherer in Darmstadt, Kassel und Wiesbaden mit den Öffentlichen Versicherungsanstalten Hes-sen-Nassau-Thüringen zur SV Sparkassen Versicherung Hessen-Nassau-Thüringen; 2000 die Fusion der Gebäudeversicherung Baden-Württemberg, der Sparkassenversicherungen Stuttgart und der ÖVA-Versicherungen Mannheim zu den SV Versicherungen Baden-Württemberg. Die beiden neuen Sparkassen-Versicherungsgruppen schöpften Vorteile aus der Zusammenlegung von Know-how, der verbesserten Ausnutzung von Kapazitäten und der Ausschöpfung von Synergien.

Es war allerdings schon früh klar, dass diese Konsolidierung der öffentlichen Versicherer in Hessen-Thüringen und Baden-Württemberg nur einen Zwischenschritt darstellt. Die Liberalisierung des Versicherungsmarktes und die zunehmende Globalisierung bewirkten, dass der Wettbewerb auf dem deutschen Versicherungsmarkt deutlich zunahm. Bei den Erstversicherern nahm der Druck auf Marktanteile, Kosten und Margen in den einzelnen Sparten zu, während der Rückversicherungsschutz bei den Sachversicherungen wegen gestiegener Risiken immer teurer wurde. Dagegen hatte das Lebensversicherungsgeschäft nicht nur unter den volatilen Kapitalmärkten, sondern zunehmend auch unter Konkurrenzprodukten wie zum Beispiel Fonds zu leiden.

So hatte jede der beiden Sparkassen-Versicherungen in Stuttgart und Wiesbaden für sich noch nicht die Betriebsgröße erreicht, die es auch zukünftig erlaubt hätte, alle angesichts des Marktdrucks erforderlichen Investitionen in IT, in Produkte und in die Geschäftsprozessoptimierung zu schultern. Während die privaten Versicherer auf diese Herausforderungen schon frühzeitig zunehmend mit Fusionen reagierten, blieb das öffentlich-rechtliche Versicherungswesen vergleichsweise kleinteilig strukturiert.

Geplante Synergien erreicht

Deshalb wurde 2003 unter der Führung der Sparkassenverbände Hessen-Thüringen und Baden-Württemberg die Fusion der beiden Versicherungsgruppen zu einer Sach- und einer Lebensversicherung unter dem Dach einer Holding eingeleitet. Die beiden Sparkassenversicherer waren nicht nur wegen ihres gemeinsamen Namens und ihrer identischen Marke "SV" ideale Partner. Vielmehr sprach für ihr Zusammengehen gerade auch ihre vergleichbare Entstehungsgeschichte, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Ursprung der Unternehmen waren nämlich in beiden Gebieten mehrere Monopolversicherungsanstalten.

Die Fusion bedeutete einen Quantensprung in der Unternehmensentwicklung. Das neue Unternehmen, die SV Sparkassen Versicherung, wurde 2004 zur Nummer zwei unter den öffentlichen Versicherern. Im Gebäudeversicherungsgeschäft verfügt die Gesellschaft bis heute über die größten Bestände bundesweit. Viel wichtiger als Positionen in quantitativen Rankings sind jedoch die Verbesserungen der qualitativen Voraussetzungen: Versicherungstechnisch ermöglicht das deutlich vergrößerte Geschäftsgebiet mit fast einem Viertel der deutschen Bevölkerung einen besseren Risikoausgleich; im Fusionsprozess konnte die SV erhebliche Synergien heben, was nicht nur serviceorientierte Strukturen und eine schnellere und umfassendere Vereinheitlichung der IT-Anwendungslandschaft, sondern auch erhebliche Kosteneinsparungen ermöglichte. Bereits 2007 konnten die geplanten jährlichen Synergien von rund 100 Millionen Euro per annum bei den Sach-, IT- und Personalkosten erreicht werden. Mit dieser ersten länder- und verbandsübergreifenden Fusion wurde der Flickenteppich der zehn Jahre vorher noch weitgehend zerstückelten Landschaft dieser öffentlichen Versicherer bereinigt.

Eigentümer und Vertriebsweg: Rendite versus Provision

Damit war ein Anfang gemacht, der sicher auch Impulsgeber für nachfolgende Überlegungen in anderen Regionen war. An der Bildung größerer Einheiten führt letztendlich kein Weg vorbei. Dabei ist es eine Herausforderung, die regionalen Stärken der öffentlichen Versicherer in größere Strukturen mitzunehmen und damit zu bewahren.

Neben der Forderung nach betriebswirtschaftlich optimalen Strukturen rückt ein zweites Thema in den Vordergrund. Sparkassen stehen in ihrer Doppelfunktion als Eigentümer und wichtigster Vertriebspartner der öffentlichen Versicherer vor der Situation, dass ihre durchaus legitimen Ertragserwartungen als Eigentümer mit ihrem Interesse an einer möglichst hohen Vertriebsprovision kollidieren können. Dies angemessen auszutarieren ist für die Sparkassen eine Daueraufgabe.

Als Verbundunternehmen sind die öffentlichen Versicherer integraler Bestandteil der Sparkassen-Finanzgruppe. Die Sparkassen sind gut beraten, die wechselseitige Nutzung vorhandener Vertriebswege und Kundenpotenziale mit den öffentlichen Versicherern konsequent voranzutreiben. Die Herausforderung bleibt dabei, die Markt- und Wettbewerbsposition der Versicherer stetig zu verbessern, damit sie ihre Aufgabe für die Sparkassen in der Sparkas-sen-Finanzgruppe bestmöglich wahrnehmen können. Die öffentlichen Versicherer haben ein tragfähiges Geschäftsmodell und eine tiefe Verwurzelung in ihren regionalen Märkten. Sie können deshalb auch zukünftig eine Bereicherung für die Spar-kassen-Finanzgruppe darstellen.

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