Aufsätze

Die öffentlichen Versicherer verstärkte Kooperation und multiregionale Gruppen

Regionalität ist das Markenzeichen der zwölf öffentlichen Erstversicherungsgruppen. Die öffentlichen Versicherer konzentrieren sich traditionell auf ihr regional begrenztes Geschäftsgebiet, arbeiten eng mit den Sparkassen zusammen, die auch überwiegend Eigentümer sind und stehen untereinander nicht in Konkurrenz. Die regionale Präsenz macht die Stärke der Unternehmen aus. Sie nutzen regionale und damit tiefer gehende Marktinformationen. Mit dieser Informationsbasis und den über Jahrzehnten gewachsenen Strukturen sind die Öffentlichen die Spezialisten für ihre Region. Sie können damit ihre Marktpotenziale nicht nur zuverlässig einschätzen, sondern sie auch gewinnbringend nutzen.

Gute Geschäftsentwicklung in der Vergangenheit

Die Regionalität und Verbundenheit der einzelnen Unternehmen zeigt sich auch darin, dass sie Teil stabiler Netzwerke im Bezug auf wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Verbindungen in ihrer Region sind. Bei einigen öffentlichen Versicherern ist die Gemeinwohlorientierung auch satzungsmäßig und gesetzlich festgeschrieben. Damit erfüllen sie einen weiteren wichtigen öffentlichen Auftrag in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet. Darüber hinaus zeichnen sich die öffentlichen Versicherer als zuverlässige Arbeitgeber und ausbildungsstarke Unternehmen aus.

Die öffentlichen Versicherer haben ihre Marktposition als zweitgrößte Versicherungsgruppe und ihre hohen Marktanteile im deutschen Erstversicherungsmarkt über die letzten zehn Jahre ohne Zukäufe und Fusionen gegenüber ihren Wettbewerbern behauptet. Diese Position konnten die privaten Versicherer trotz des massiven Konzentrationsprozesses in den vergangenen Jahren nicht gefährden. Ein wesentlicher Grund dafür liegt sicher, wie bei den Sparkassen, darin, dass sie sich auf ihren jeweiligen regionalen Heimatmarkt konzentriert haben. Die Unternehmen sind in ihren Regionen häufig Marktführer und verfügen über eine sehr hohe Markenbekanntheit; bei gestützten Umfragen liegt diese zum Teil bei rund 90 Prozent. Sie verfügen demnach auch über einen sehr hohen realen Vermögenswert. Die öffentlichen Versicherer erzielen seit Jahren ein gutes Neugeschäft und schneiden in wesentlichen Kostenpositionen meist besser ab als der Markt. Die Kostenquote der Öffentlichen in der Schaden- und Unfallversicherung lag in den letzten zehn Jahren unter dem Marktschnitt, und auch ihre Combined Ratio war deutlich besser. Ähnliches zeigt sich auch im Lebensversicherungsgeschäft: Hier liegt die Verwaltungskostenquote besser als der Markt.

In den letzten Jahren wurde viel über die Zukunft der öffentlichen Versicherer diskutiert und spekuliert, und es entstand der Eindruck, dass eine Konsolidierung notwendig sei, um betriebswirtschaftliche Themen möglichst schnell voranzubringen. Doch das Gegenteil ist richtig: Die Strukturdiskussion der letzten eineinhalb Jahre findet aus einer Position der Stärke heraus statt und dient der Positionierung für die Zukunft, um Gutes noch besser zu machen. Wenn das in öffentlichen Diskussionen nicht immer deutlich wurde, gilt es, diesem kritischen Eindruck entgegenzutreten. Die Stärken des etablierten Geschäftsmodells, das man ohne Scheu zu einem der am besten funktionierenden im deutschen Markt zählen darf, müssen auch dann aufrechterhalten werden, wenn über eine Weiterentwicklung der Unternehmen innerhalb des erfolgreichen Sparkassen-Finanzverbundes diskutiert wird.

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch erfolgreiche Kooperationen

In der Vergangenheit haben die öffentlichen Versicherer Größennachteile über eine Bündelung ihrer Kräfte ausgeglichen: Diese reicht von bilateralen Kooperationen über die Zusammenarbeit im Verband öffentlicher Versicherer bis hin zur Bildung größerer unternehmerischer Einheiten und Gemeinschaftsunternehmen. Eine Stärke, die die Öffentlichen schon seit Jahrzehnten auszeichnet, ist ihre Kooperationsfähigkeit: Sie sind dezentral organisiert, arbeiten regional orientiert und sind rechtlich wie wirtschaftlich eigenständige Unternehmen - doch in vielen Randbereichen ihrer Geschäftstätigkeit haben sie sich schon vor langer Zeit gemeinsam auf den Weg gemacht.

Die Schaden-, Unfall- und Lebensversicherungen sind das Kerngeschäft der öffentlichen Versicherer. In Bereichen, wo es neue Märkte zu erschließen oder Synergien zu heben gilt, haben sie sich über die Grenzen ihrer Geschäftsgebiete hinaus zusammengetan. Sie haben größere Organisationseinheiten gebildet oder Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Dies ist trotz des Prinzips der Regionalität kein Paradoxon, sondern die Chance, über Kooperationen und gemeinsame Unternehmen die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Bestes Beispiel dafür ist die vor 30 Jahren gemeinsam gegründete Union Krankenversicherung, die sich dann im Jahr 2000 unter dem Dach der Consal Beteiligungsgesellschaft mit der Bayerischen Beamtenkrankenkasse zusammengeschlossen hat und im letzten Jahr, trotz Gesundheitsreform ein hervorragendes Neugeschäft erzielt hat. Die Consal ist heute die sechstgrößte private Krankenversicherungsgruppe auf dem deutschen Markt.

Erfolgreiche Gemeinschaftsunternehmen sind ebenso die Union Reiseversicherung (ein Unternehmen der Consal Beteiligungsgesellschaft) und die Örag - Rechtsschutzversicherung. Die Unternehmen sind zentrale Produktgeber, deren Angebote über den Vertrieb der Öffentlichen und über die Sparkassen verkauft werden. Die Reiseversicherung hat auch eine Vielzahl von Partnern im Tourismus und konnte sich dank einiger Alleinstellungsmerkmale in kürzester Zeit eine ansehnliche Position auf ihrem Markt verschaffen. Die Örag ist mittlerweile sechstgrößter und einer der am stärksten wachsenden Rechtsschutzanbieter in Deutschland.

Gemeinsam in der Schadenverhütung und der Informationstechnologie

Auch in der Rückversicherung arbeiten die Öffentlichen erfolgreich zusammen. Vor mehr als 50 Jahren gründeten sie einen gruppeneigenen Rückversicherer, die Deutsche Rückversicherung AG, die rund 60 Prozent des Rückversicherungsvolumens der öffentlichen Versicherer übernimmt. Damit sorgen die Öffentlichen für einen gewissen Risikoausgleich innerhalb ihrer Gruppe und werden zudem unabhängiger von Preissteigerungen und Kapazitätsbegrenzungen der internationalen Rückversicherungsmärkte. Zusammen verzeichneten die Deutsche Rück - mit ihrer Tochter DR Swiss - und der Verband öffentlicher Versicherer im Geschäftsjahr 2008 ein Prämienvolumen von rund 1,3 Milliarden Euro.

Tradition hat bei den Öffentlichen die Zusammenarbeit in der Schadenverhütung. Von ihrer Kompetenz auf dem Gebiet der Schadenprävention profitieren in erster Linie ihre Kunden. Denn die öffentlichen Versicherer unterstützen nicht nur finanziell, sondern auch mit ihrem Fachwissen die Feuerwehren, Verkehrswachten oder auch die Polizei in ihrer Region.

Die wissenschaftliche Basis für die Präventionsarbeit erhalten die öffentlichen Versicherer vom Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung e. V. (IFS) in Kiel. Das Gemeinschaftsunternehmen dient ihnen nicht nur als Informationszentrale zur Schadenverhütung, sondern liefert auch technische und naturwissenschaftliche Dienstleistungen.

Auch dem Aufbau und der Zertifizierung von Qualitäts-, Arbeitsschutz-, Umwelt und technischem Risikomanagement widmen sich die Unternehmen. Das Tochterunternehmen des IFS, die IFS Umwelt und Sicherheit GmbH in Kiel und Berlin, bietet Beratungen zum Qualitätsmanagement für die öffentlichen Versicherer, aber auch für deren Kunden. Dazu zählen beispielsweise die Provinzial Rheinland, die Sparkassen-Versicherung Sachsen, die Frankfurter Sparkasse, aber auch verschiedene Stadtwerke. Vor allem werden Beratungen und Zertifizierungen zum Qualitätsmanagement nach ISO 9001, zur Öko-Audit-Verordnung und zur Norm ISO 14001 angeboten.

Bei den Internetaktivitäten setzen die öffentlichen Versicherer seit 2001 gemeinsam auf die OEV Online Dienste GmbH. Das Gemeinschaftsunternehmen entwickelt umfassende, auch medienübergreifende Konzepte und berät in allen Aspekten des digitalen Vertriebs. Im Jahr 2007 haben die Öffentlichen gemeinsam mit der OEV einen weiteren Schritt getan, um dauerhaft erfolgreich im Netz präsent zu sein: Alle Internetauftritte wurden auf eine neue Betriebsplattform migriert. Die OEV hat das Aussehen und die Funktionen optimiert, wobei sie die Individualität jedes einzelnen Versicherungsunternehmens berücksichtigt hat. Wesentliche Merkmale der Internetauftritte sind eine emotionale Ansprache sowie vielfältige Vermarktungsmöglichkeiten durch aufmerksamkeitsstarke Kampagnenflächen. Der neue Aufbau und der schnelle Produkteinstieg verbessern das Internet als Service- und Vertriebskanal.

Neue Zusammenarbeit in der betrieblichen Altersversorgung

Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Öffentlichen besteht auch in der betrieblichen Altersversorgung - ein Geschäftsfeld mit nach wie vor enormem Marktpotenzial. Hier hat sich die Gruppe vor zwei Jahren neu formiert, um auch dieses Marktpotenzial gemeinsam zu erschließen. Die öffentlichen Lebensversicherer haben ein Konsortium unter Führung der Bayern-Versicherung gegründet, das überregional tätigen Arbeitgebern Versicherungsschutz für Verpflichtungen aufgrund von Direkt-versicherungs-, rückgedeckten Direkt- oder Unterstützungskassenzusagen bietet.

Außerdem haben sie zusammen mit der Deka-Bank unter dem Dach der Sparkassen Pensions-Management GmbH (SPM) eine zentrale Beratungsgesellschaft gegründet: die Sparkassen Pensions-Beratung GmbH (SPB). Sie übernimmt seither bundesweit für das neue Geschäftsfeld die Beratung und Vermittlung. Zudem ist das Mutterunternehmen SPM an dem renommierten Beratungsunternehmen Heubeck AG beteiligt. Heubeck berät mit seiner großen Erfahrung im qualifizierten bAV-Geschäft die SPB und unterstützt sie bei der Entwicklung innovativer Produkte. Zusammen mit den SPM-Tochtergesellschaften Sparkassen Pensionskasse AG und Sparkassen Pensionsfonds AG sowie der Öbav Unterstützungskasse bietet die Gruppe damit alle fünf Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung sowohl für das regionale wie überregionale bAV-Geschäft an.

Strukturelle Veränderungen durch Konsolidierungsprozess

Parallel zum Ausbau von Kooperationen und Gemeinschaftsunternehmen haben sich mehrere öffentliche Versicherer in den letzten Jahren zu fünf großen, regionalen Gruppen zusammengeschlossen, auf die mehr als 90 Prozent der gebuchten Bruttobeiträge der Gruppe entfallen. Diese Zusammenschlüsse von öffentlichen Versicherern sind jedoch keine neue, sondern eine seit Jahrzehnten fortschreitende Entwicklung. Ende 2006 erhielt der Konsolidierungsprozess aber einen neuen Impuls: Die Sparkassenpräsidenten forderten ihre Versicherer auf, konstruktive Überlegungen zur zukünftigen Struktur der bundesweit zweitgrößten Erstversicherungsgruppe anzustellen, um auf Dauer wettbewerbsfähig zu sein.

Diesem Wunsch kamen die öffentlichen Versicherer nach und erarbeiteten gemeinsam ein Positionspapier, das in den Gesprächen mit den Eigentümern positiv aufgenommen wurde. Darin wurden auch die Vielzahl der Kooperationen und Gemeinschaftsunternehmen aufgeführt. Und die Gruppe konnte deutlich herausstellen, dass sie ihre gute Markt- und Wettbewerbsposition trotz der massiven Konzentrationsprozesse bei den privaten Versicherern in den letzten zehn Jahren erfolgreich behaupten konnte. Denn die Basis ihres Geschäftsmodells ist - analog zu den Sparkassen - die regionale Nähe und die dezentrale Ver-triebs-, Markt- und Ergebnisverantwortung.

Wenngleich in der Vergangenheit bereits eine Vielzahl von Aufgaben gemeinsam erfolgreich bewältigt werden konnten: Die Zukunft erfordert eine ebenso stringente Handlungsweise und eine Weiterentwicklung des bewährten Modells. Um neue Wachstumsfelder zu erschließen, dürfen keine Möglichkeiten ausgeschlossen werden. Es gilt, das Marktumfeld stetig zu beobachten, Handlungsfelder frühzeitig zu identifizieren und entsprechend zu agieren. Die aktive Teilnahme am Konsolidierungsprozess durch Zukäufe in Deutschland spielt dabei ebenso eine Rolle wie die selektive Ausweitung auf andere, auch ausländische Märkte, die heute noch über eine geringere Marktsättigung verfügen und demnach weiterhin hohe Wachstumsraten aufweisen.

Weiterentwicklung zu multiregionalen Versicherungsgruppen

Gefordert aber ist auch der weitere Ausbau des Multikanalansatzes (etwa Vertrieb über Sparkassen und Agenturen, Maklervertrieb, Direktvertrieb und Internet) sowie die Entwicklung zielgruppenorientierter Produkte und ebenso gestaltete Konditionen zur Erschließung neuer besonders sensibler Kundengruppen. Um die bereits gute Marktposition noch weiter zu verbessern, ist auch die Festigung bestehender Kundenkontakte und der Ausbau durch neue Kunden von hoher Bedeutung.

Die Einbindung in die Sparkassenorganisation als bedeutendstem Bankenvertriebsweg in Deutschland ist dafür eine ausgezeichnete Basis. Sie kann in noch wesentlich größerem Umfang genutzt werden, als dies bislang der Fall ist. Heute besitzt beispielsweise nur einer von fünf Sparkassenkunden einen Versicherungsvertrag bei einem öffentlichen Versicherer. Das Ausnutzen von Cross-Selling-Potenzialen im Verbund der Sparkassen-Finanzgruppe ist daher eines der obersten Ziele der Gruppe.

Natürlich steht auch die Weiterentwicklung der Gruppe im Fokus. Eine solche kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur unter der Prämisse erfolgen, dass die Stärken des etablierten Geschäftsmodells der öffentlichen Versicherer auch künftig aufrechterhalten werden. Alle öffentlichen Versicherer setzen einmütig auf den Erhalt der regionalen Markt- und Ergebnisverantwortung, aber auch auf die Weiterentwicklung der öffentlichen Versicherer zu multiregionalen Versicherungsgruppen (siehe Kasten). In diesen können mehrere regionale Versicherer unter einem Dach zusammengefasst werden, um in den Querschnittsfunktionen durch enge Verzahnung Kosten- und Wissensvorteile zu erzielen.

Mit einer verstärkten Blockbildung können die Versicherer in überschaubaren Zeiträumen ihre Unternehmens- und Markenwerte weiter steigern, regionale und überregionale Wachstumsfelder noch besser erschließen und fusionsbedingte Komplexitätskosten in engen Grenzen halten. Denn die regionale Verankerung der öffentlichen Versicherer in ihren Geschäftsgebieten mit ihrem Multikanalvertrieb und im Verbund mit den Sparkassen bleibt auch künftig die Basis für die nachhaltige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und ein ertragreiches Wachstum. Ziel ist es, sowohl regionale als auch überregionale Wachstumsfelder zu erschließen und die Potenziale der Sparkassenorganisation in vollem Umfang zu nutzen.

Das Modell der multiregionalen Versicherungsgruppen ist schon heute in vielen Regionen Realität. Mit seiner Weiterentwicklung werden die öffentlichen Versicherer ihre Marktposition festigen, Wettbewerbsvorteile erzielen und zusätzliche Wachstumschancen nutzen. Diese Form der Weiterentwicklung geschieht zum großen Nutzen der Eigentümer. Sie erfolgt in enger Abstimmung mit und zwischen den Eigentümern, wird aber auch in hohem Maß von anderen Entwicklungen in der Sparkassen-Finanzgruppe beeinflusst werden. Welche Richtung der Konsolidierungsprozess für die einzelnen öffentlichen Versicherer nehmen wird, wird letztlich auch maßgeblich von den jeweiligen Eigentümerstrukturen abhängen.

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