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"Die Frage nach dem Sinn mancher Regulierung muss erlaubt sein"

Immer noch gibt es elf öffentliche Versicherer in Deutschland. Wie sehen Sie hier die Perspektiven für eine stärkere Konzentration?

Größe allein macht ja nicht glücklich. Jeder Konzentrationsprozess, sei er nun durch Fusionen oder Kooperationen, muss Sinn machen. Das gilt betriebswirtschaftlich für die Unternehmen, aber auch für die Kunden. Jede Fusion und jede Kooperation kostet jedes Mal richtig Zeit und Geld. Für die öffentlichen Versicherer kommt es dabei zentral darauf an, ihre Stärken im Auge zu behalten.

Die Stärke der öffentlichen Versicherer liegt in ihrer regionalen Verankerung. Ähnlich wie die Sparkassen sind wir immer nah am Kunden. Die Namen unserer Unternehmen sind etabliert. Ich halte deshalb das Konzept der Weiterentwicklung der multiregionalen Versicherungsgruppen, das die öffentlichen Versicherer 2008 aufgestellt haben, weiterhin für richtig. Eine Weiterentwicklung mit Augenmaß scheint mir der richtige Weg zu sein. Denn es gibt sicherlich Bereiche im Backoffice, in denen eine stärkere Zusammenarbeit möglich ist.

Aktuell sehe ich keine stärkere Konzentration auf uns zukommen. Wir leben in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen jedes Haus sich auch erstmal selber um seine Hausaufgaben kümmern muss. Aber die Entscheidung liegt letztlich nicht bei mir, Fusionen und Kooperationen sind Angelegenheiten der Eigentümer.

Welcher Anteil des Neugeschäfts der SV Sparkassen- Versicherung wird über die 101 Sparkassen in Ihrem Geschäftsgebiet vermittelt?

In Leben liegt der Anteil des mithilfe der Sparkassen erzielten Neugeschäfts bei etwa 82 Prozent, in Schaden/Unfall inklusive der Kfz-Versicherung bei rund 30 Prozent. Im Gegenzug ist unser freier Außendienst im Kompositbereich stark. Ein großer Teil des Kompositgeschäfts bei Firmen-/Gewerbe-Versicherungen wird außerdem über Makler vermittelt.

Lässt sich der Sparkassen-Anteil am Neugeschäft noch steigern?

Davon bin ich fest überzeugt. Der Markt für Versicherungen ist ja insgesamt eher gesättigt. Wenn man aber sieht, wo die Marktanteile der Sparkassen liegen - und wo die der öffentlichen Versicherer -, dann sieht man, dass über die Sparkassen noch eine Menge Luft nach oben ist. Da gibt es viele Kunden der Sparkassen, die ihre Versicherungen nicht bei der SV haben und die der Sparkassenmitarbeiter ansprechen kann. Für den Mitarbeiter der Sparkasse müssen die Versicherungen dann aber auch ganz einfach verkaufbar sein. Genau daran arbeiten wir gerade. Wir richten die SV insgesamt vertriebsorientierter aus, was bedeutet, dass wir unseren Vertriebspartnern - und hier insbesondere den Sparkassen - auf allen Ebenen das Verkaufen so einfach wie möglich machen. Das heißt, gute und marktnahe Produkte, die einfach zu verkaufen sind, gute Vertriebsunterstützung, kurze und schnelle Wege zur SV.

Woran liegt es, dass Scha-den-/Unfall am Bankschalter immer noch so viel schlechter läuft als Lebensversicherungen?

Lebensversicherungen liegen dem Sparkassenmitarbeiter näher. Die sind ganz eng dran an seinem Geschäft. Wenn ein Kunde Geld zur Verfügung hat, dann ist es eine natürliche Option abzufragen, ob nicht eine Lebensversicherung das Richtige für ihn sein könnte. Bei einer Baufinanzierung ist das ähnlich. In Schaden/Unfall wird es dann kleinteiliger und technischer und führt immer weiter weg vom eigentlichen Kerngeschäft der Sparkassen. Da kann man aus Sicht des Sparkassenmitarbeiters viel falsch machen. Deshalb ist es kein Wunder, wenn da ein größerer Abstand herrscht.

Wie lässt sich das ändern?

Indem man den Sparkassenmitarbeitern auch das Verkaufen der Schaden-/Unfall-Produkte so einfach wie möglich macht - und ihnen jede mögliche Unterstützung bietet. Einfache Sparkassenprodukte gibt es ja schon länger - wir gehen jetzt mit unserem neuen Privat-Schutz diesen Weg noch radikaler weiter. Wir sehen übrigens durchaus in den letzten drei Jahren sehr bemerkenswerte Steigerungen des Geschäftes in den Sparkassen, die bis zu einer Million Euro Neugeschäft im Kompositbereich erzielt haben. Das wäre vor drei bis vier Jahren nicht denkbar gewesen. Voraussetzung dafür ist eine kontinuierliche, gemeinsame Arbeit zwischen den Sparkassen und dem Öffentlichen Versicherer.

Wie soll die von Ihnen angekündigte neue Produktgeneration im Bereich Schaden-/Unfall für Privatkunden aussehen?

Die Philosophie hinter dem Privat-Schutz ist es, dem Kunden den Schutz, den er zur Erhaltung seines bereits geschaffenen Vermögens und Lebensstandards benötigt, passend zu seiner jeweiligen Lebenssituation anzubieten. Das Produkt kann sich problemlos den Bedürfnissen der Kunden anpassen und ist damit eine mitwachsende Sicherheitslösung. Dem Konzept liegt ein Bausteinprinzip zugrunde. Alle Produkte aus den Bereichen Haftpflicht-, Unfall - und Sachversicherung können darin einzeln abgeschlossen oder auch kombiniert werden. Die Privatkunden können sich so ganz individuell ihre Police zusammenstellen. Es gibt aber auch Produktbündel, die perfekt auf die Bedürfnisse von bestimmten Zielgruppen abgestimmt sind.

Den Privat-Schutz bietet die SV in drei Deckungsvarianten an - Basis, Komfort und Top. Zusatzbausteine ergänzen das Angebot. Die SV hat mit Privat-Schutz ein vollkommen neues Produkt entwickelt, das die aktuellen Leistungsanforderungen der Verbraucherschützer erfüllt - und dies zu marktgerechten Preisen.

Die Elementarschadenversicherung scheint ein ideales Annexprodukt zur Baufinanzierung zu sein. Wie haben sich hier die Abschlüsse entwickelt, und wie viel davon kommt über die Sparkassen?

Sprechen wir besser von der Wohngebäudeversicherung mit Elementarschutz. Die Elementarschadenversicherung ist aus historischen Gründen in Baden-Württemberg bei uns Standard und im übrigen Geschäftsgebiet zuwählbar. Wenn wir jetzt nur die echten Neuabschlüsse im Privatkundensektor betrachten - dabei geht es in der Baufinanzierung -, dann können wir in den letzten zwei Jahren einen deutlichen Zuwachs erkennen. Nach Stückzahlen sind das fast 40 Prozent.

Der Anteil der Sparkassen ist dabei überproportional um rund 65 Prozent gestiegen und liegt jetzt bei über 50 Prozent. Die gute Baukonjunktur macht sich hier wohl tatsächlich bemerkbar.

Bei der Lebens-/Rentenversicherung bieten Sie keinen Onlineabschluss an, im Schaden-/Unfallbereich aber schon. Ist das eine Rücksichtnahme auf die Sparkassen als Vertriebspartner - und zugleich das Eingeständnis, dass die Zusammenarbeit im Kompositgeschäft nicht ganz so gut klappt?

Das hat mit den Sparkassen gar nichts zu tun. Wir bieten online nur einfache Produkte an, bei denen es keinen Beratungsbedarf gibt. Wir sind ein Serviceversicherer, dem die Beratung der Kunden wichtig ist. Wir wollen die Kunden im Internet deshalb nicht zum Onlineabschluss verlocken, sondern in die Geschäftsstellen und Sparkassen bringen.

Eine Lebensversicherung, mit der man sich ja sehr langfristig bindet, sollte man ganz sicher nicht ohne Beratung abschließen. Klar ist aber auch, dass die Kunden inzwischen Onlineabschluss-Möglichkeiten erwarten. Dem kann man sich nicht komplett entziehen.

Ist in der Lebensversicherung der Boom der Einmalbeiträge erst einmal vorbei?

Das sehe ich nicht so. Die Einmalbeiträge sind noch immer auf sehr hohem Niveau. Das Jahr 2010 muss man aus der Betrachtung rausnehmen, weil es dort zu einer ungesunden Entwicklung gekommen ist. In der Lebensversicherung gab es zeitweise auch bei sehr kurzer Anlage höhere Zinsen als in allen anderen Anlageformen. Das zog das Geld von Kapitalanlegern an, die eigentlich nicht an Lebens- oder Rentenversicherungen interessiert waren. Mehr oder weniger die komplette Branche hat dem einen Riegel vorgeschoben. 2011 waren die Einmalbeiträge dann auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2009.

Andersherum gesagt: Einen nachhaltigen Trend zu laufenden Beiträgen kann ich derzeit noch nicht erkennen.

Gab es 2011 einen "Schlussverkaufseffekt" in der Lebensversicherung angesichts der bevorstehenden Absenkung des Garantiezinssatzes und der Heraufsetzung der Altersgrenze für den Rentenbezug bei der steuerlichen Förderung? Oder wie erklärt sich der Anstieg des Neugeschäfts gegen laufenden Beitrag?

Ein gewisser Schlussverkaufseffekt mag mitgeholfen haben, wobei wir keine große Werbung dafür gemacht haben. Insbesondere die Garantiezinsabsenkung ist ja etwas, was den Kunden zunächst gar nicht berührt, bekommt er doch die Gesamtverzinsung gutgeschrieben, die sowieso deutlich höher liegt. Zurzeit sind das 1,75 Prozent Garantieverzinsung gegenüber 4,0 Prozent Gesamtverzinsung. Bei der SV haben wir zwei sehr erfreuliche Effekte gehabt. Zum einen ist unser neues Lebenprodukt Index-Garant ausgezeichnet gelaufen - im Übrigen auch sehr gut verkauft von den Sparkassen. Zum anderen hat sich die bAV weiterhin sehr gut entwickelt.

Bei der betrieblichen Altersvorsorge hat sich das Geschäft der Sparkassen-Versicherung in vier Jahren vervierfacht. Was sind hier die Erfolgsfaktoren?

Wir haben die Bedeutung dieses Geschäftsfeldes früh erkannt und bauen hier seit Jahren kontinuierlich Kompetenz auf. 2011 ist unser bAV-Beratungsteam gestartet. Auch hier ist die Verzahnung mit den Sparkassen sehr wichtig, haben doch gerade die Sparkassen die Kontakte in die heimische Wirtschaft. Wir bieten inzwischen den Unternehmen einen Full-Service an, der auch gerne angenommen wird. Entscheidend ist, dass man nicht nur einen Rahmenvertrag mit dem Unternehmen schließt, sondern dann die Mitarbeiter des Unternehmens dazu bringt, das Angebot auch anzunehmen. Wir sind auch da mit unserer Mannschaft sehr aktiv.

Wie weit sind Sie mit der Umsetzung von Unisex-Tarifen? Welchen Aufwand erwarten Sie davon?

Zum 21. Dezember 2012 müssen die neuen Tarife greifen, bis dahin werden wir auch fertig sein. Es gibt natürlich einen Aufwand, Rechnungsgrundlagen müssen geändert, neue Tarifwerke erstellt, die Angebotsrechner angepasst werden. Wir versuchen das möglichst effizient mit Änderungen zu verbinden, die sowieso anstehen.

Geht der Trend generell wieder stärker zu Einheitstarifen?

Nein, warum auch? Die Differenzierungen, die wir in der Versicherungswirtschaft vornehmen, haben immer eine statistische Grundlage. Deshalb hat sich die Versicherungswirtschaft ja gegen Unisex gewehrt. Hier werden real vorhandene statistische Unterschiede ignoriert. Aber das ist Politik. Damit muss man leben.

Was sind aus Ihrer Sicht beim Stichwort Regulierung die größten Herausforderungen?

Die Versicherungswirtschaft wird derzeit gezwungen, sich sehr stark mit sich selbst zu beschäftigen. Der Regulierungsdruck ist hoch. Solvency II ist hier das wichtigste Vorhaben. Die Frage nach dem Sinn mancher Regulierung muss erlaubt sein, wenn jede Anforderung massiv Kosten verursacht. Das Gleichgewicht zwischen den Zielen, die mit einer Regulierung verfolgt werden - mehr Sicherheit -, den Kosten, die sie produzieren, und den Auswirkungen auf den Kunden - schlechtere Produktqualität, weniger Ausrichtung auf den Kunden - stimmt nicht immer. Unternehmen, die sich mit sich selbst beschäftigen, haben weniger Kapazitäten, sich mit den Bedürfnissen der Kunden auseinanderzusetzen. Hier muss man aufpassen, dass kein Zuviel an Regulierung auf uns zukommt.

Wird die klassische Lebens-/Rentenversicherung mit den langfristigen Garantien künftig überhaupt noch angeboten werden können?

Die Kalkulation wird schwerer werden. Wahrscheinlich werden neue Produktvarianten auf den Markt kommen. Aber grundsätzlich wird es auch die klassischen Produkte weiterhin geben. Wir wissen doch alle seit Jahren, dass die private Altersvorsorge immer wichtiger werden wird. Die klassische Lebens- oder Rentenversicherung ist das optimale Produkt dafür. Der Bedarf von den Kunden her für diese Produkte wird mittelfristig eher steigen als sinken. Ich glaube deshalb nicht, dass sich die Lebensversicherungen von diesen Produkten verabschieden werden.

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