Finanztransaktionssteuer

Klientel soll Klientel bleiben

Bereits in der Ausgabe 20/2019 der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen war es schon Thema: Die vom Bundesfinanzminister geplante "Finanztransaktions"-Steuer. Doch nicht wie gedacht schon im Oktober war es so weit, im Dezember erst hat der Minister seinen Entwurf für einen Richtlinientext vorgelegt, mit dem er die an der Verstärkten Zusammenarbeit beteiligten Staaten zu einer Zustimmung bewegen möchte. Diese vorausgesetzt, möchte Scholz dann das formelle Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene einleiten und rasch abschließen. Neben Deutschland sind im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit die Staaten Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien beteiligt.

Die Eckpunkte des Entwurfs gibt das Ministerium wie folgt an: Besteuert wird der Aktienerwerb - und nur der Erwerb von Aktien - von gelisteten Unternehmen, die ihren Hauptsitz im Inland haben sowie im Inland und im Ausland ausgegebene Hinterlegungsscheine, die mit Aktien dieser Unternehmen unterlegt sind; dabei werden nur Aktien von solchen Unternehmen einbezogen, deren Marktkapitalisierung über eine Milliarde Euro liegt. Der Steuersatz soll 0,2 Prozent betragen. Das alles will der Finanzminister einführen, um damit ein anderes sozialdemokratisches Herzensprojekt zu finanzieren: die bedarfsunabhängige Grundrente.

Es soll jedoch eine Reihe "gut begründeter Ausnahmen" von der Besteuerung geben. So will der Minister zum Beispiel durch die Herausnahme von Neuemissionen sicherstellen, dass die Kapitalbeschaffung deutscher Unternehmen nicht beeinträchtigt wird. Als weiteres Beispiel nennt er die Ausnahme für Geschäfte, die der Marktpflege dienen, wodurch die Marktliquidität geschützt werden soll.

Der Entwurf kommt damit gegenüber den Erwartungen im Oktober 2019 etwas abgeschwächt daher. Aus 0,3 Prozent sind 0,2 Prozent geworden. Das ist natürlich begrüßenswert, wenngleich ein kompletter Verzicht auf die Steuer noch begrüßenswerter wäre. Ausgenommen werden nun doch auch Liquidy Provider und Market Maker, wie die angesprochene Ausnahme für Marktpflege zeigt. Auch das ist natürlich begrüßenswert, da es sonst wie in der früheren Ausgabe angesprochen, negativen Einfluss auf die Handelsqualität hätte.

Die Kehrseite dieser Medaille: Damit ist dann endgültig klar, dass die fiskalische Übergriffigkeit vor allem auf dem Rücken der Kleinanleger ausgetragen werden wird. Die Marktpflege wird ausgenommen und die großen Akteure können auch auf ausländische Börsen ausweichen oder den Kurs einfach über Derivate abbilden, die übrigens wie erwartet nicht betroffen sind von der vermeintlichen Finanztransaktionssteuer. Ebenso wenig wie Anleihen und Devisen. Daher verbietet es sich auch weiter, von einer Finanztransaktionssteuer zur Eindämmung der Spekulation zu sprechen - was einmal der Ursprungsgedanke dieses Schildbürgerstreichs war. Nun ist es eine Vorsorge bestrafende Kleinaktionärssteuer, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht die erhofften Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro im Jahr generieren wird.

Scholz nimmt es damit denen, die selbst vorsorgen, um es denen zu geben, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Aber er verschiebt es damit nur innerhalb einer sozialen Schicht und belohnt fehlende Selbstverantwortung. Es entsteht der Eindruck, dass es der SPD um Klientelpflege geht. Allerdings soll es der Klientel nicht besser gehen, indem sie Vermögen aufbaut; die Klientel soll Klientel bleiben, damit nicht auch noch der letzte Wähler der ehemaligen Volkspartei davonrennt.

Doch in Deutschland formiert sich heftiger Widerstand. Die Ablehnungsfront, die sich dem Minister entgegenstellt, ist groß. Nicht nur die einschlägigen Kapitalmarktakteure und deren Interessenverbände wehren sich massiv gegen die Kleinaktionärssteuer. Auch der Groß-Koalitions-Gegner CDU stellt sich nun auf die Seite der Kleinanleger. Zu Recht selbstverständlich. Allerdings lässt der Ablauf der GroKo-Arbeit der letzten Jahre da nichts Gutes hoffen: Bislang ist die CDU noch vor beinahe jeder SPD-Forderung eingeknickt.

Es besteht allerdings dennoch Hoffnung, dass dieser fiskalische Unsinn noch gestoppt wird. Ein Gutachten von Professor Stefan Pichler von der Universität Wien hat den aktuellen Vorschlag analysiert. Demnach werden mehr als 99 Prozent des gesamten Finanzmarkts von der Steuer ausgenommen bleiben, wenn die Steuer in der von Scholz vorgeschlagenen Form umgesetzt werden würde. Damit wäre eines der ursprünglichen Ziele der Steuer, die Finanzinstitute an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen, demnach nicht zu erreichen. Vielmehr würde die Beteiligung der Banken "verschwindend klein" sein.

Aber auch das Urteil insgesamt ist vernichtend: Keine der fünf ursprünglichen Zielsetzungen werde erreicht. Im Gegenteil: Es werden sogar bei vier der fünf ursprünglichen Ziele entgegengesetzte Effekte befürchtet. Der Konstruktionsfehler des Scholz'schen Entwurfs ist damit wissenschaftlich belegt. Alle erkennen das - außer der Bundesfinanzminister selbst.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X