Mit frisch verlängertem Vertrag hat der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse Theodor Weimer am 17. Februar 2020 die Zahlen für das Geschäftsjahr 2019 präsentiert. Die Nettoerlöse steigerte das Frankfurter Unternehmen um sechs Prozent auf 2,94 Milliarden Euro. Da die operativen Kosten unterproportional um 3,0 Prozent gestiegen sind, erhöhte sich das operative Ergebnis EBITDA um 8,0 Prozent. Unter dem Strich blieb ein um Sondereffekte bereinigter Jahresüberschuss von 1,1 Milliarden Euro, was einer Steigerung von 10,3 Prozent entsprach.
Aufschlussreich ist auch der Blick auf die Segmentberichterstattung. Der Handel mit Wertpapieren, auf Xetra, in Frankfurt und auf dem Handelsplatz Tradegate ist zwar das, was die meisten Menschen als erstes mit dem Namen Deutsche Börse assoziieren, aber schon lange nicht mehr das wichtigste Segment, gemessen an Erlösen und Ergebnisbeitrag, wo die Sparte nur noch jeweils auf Rang 4 notiert. Der Anteil beträgt jeweils nur noch etwas mehr als sieben Prozent. Wichtigste Sparte ist der Finanzderivatehandel (Eurex), gefolgt vom Nachhandel (Clearstream). Selbst die noch recht junge Tochter European Energy Exchange (EEX) hat mittlerweile einen größeren Erlös- und Ergebnisanteil. Der Wertpapierhandel war- neben dem Sicherheitenmanagement (GSF) - das einzige Segment, das sowohl bei den Erlösen als auch dem Ergebnis einen Rückgang gegenüber 2018 zeigte. Ursache war das 2019 deutlich von 1,72 Billionen Euro auf 1,5 Billionen Euro eingebrochene Handelsvolumen.
Die beiden größten Segmente Eurex (plus 5,6 Prozent) und Clearstream (plus 9,5 Prozent), die zusammen für fast 60 Prozent der Erlöse stehen, zeigten hingegen Zuwächse beim operativen Gewinn und legten damit die Basis für das ordentliche Ergebnis der Gruppe. Spannend ist aber der Blick auf die dynamischsten Geschäftsfelder. Mit der EEX, 360T (Devisenhandel) und Investmentfund Services (IFS) haben drei Segmente ihr Ergebnis um mehr als 20 Prozent gesteigert, IFS sogar um mehr als 30 Prozent. Da dürfte vor allem auch die Übernahme des australischen Fondsdienstleisters Ausmaq im Berichtsjahr beigetragen haben. Die EEX hat auch die eine oder andere Übernahme getätigt. Im Devisenhandel wollte Weimer den Devisenhandel FXall von Refinitiv abkaufen, bis die London Stock Exchange dazwischengrätschte und gleich für den ganzen Refinitiv Konzern ein Übernahmeangebot unterbreitete. Damit wäre auch schon das Thema genannt, das die Branche schon das ganze Berichtsjahr in Aufruhr hielt: Übernahmen. Denn das klassische Handelsgeschäft bietet kaum noch Raum für organisches Wachstum.
Das letzte größere Übernahmeangebot in der Branche kam von der Schweizer SIX Group für den spanischen Börsenbetreiber Bolsas y Mercados Españoles (BME). Verglichen mit den 2019 deutlich zurückgegangenen Handelsvolumina der Deutschen Börse, würde die SIX Group bei erfolgreicher Übernahme der BME zur Nummer zwei in Europa werden. Auch wenn der Handel wie erwähnt nur einen eher kleinen Erlösanteil hat, geht es doch um das Prestige. Dadurch ist es wohl zu erklären, dass Weimer auf der Bilanzpressekonferenz auch weitere Akquisitionen ankündigt hat, man wolle ja schließlich nicht durch gereicht werden. Die "Firepower" liegt bei gut zwei Milliarden Euro plus eigene Aktien von nochmal etwas mehr als einer Milliarde Euro.
Im Jahr 2018 wuchs der Jahresüberschuss noch um knapp 17 Prozent. 2019 waren es nur noch zehn Prozent, in der Prognose für 2020 versprach Weimer 8,5 Prozent. Der Plan, offensiv nach Übernahmen zu schauen, ist richtig, denn die Gewinndynamik lässt nach. Zwar wird der Zielkorridor des Strategieprogramms "Roadmap 2020" aller Voraussicht nach erreicht, aber eher in der Mitte als am oberen Rand. Allerdings gibt der Markt auch nicht mehr allzu viele sinnvolle Ziele für Zukäufe her. Mal sehen, ob die Deutsche Börse einen geeigneten Kandidaten findet. Denn eines hat Weimer auch klar gemacht: Es wird nicht gekauft, nur um zu kaufen. Sondern nur, wenn es einen guten Deal gibt.