Das Conundrum der Devisenmärkte

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt, Assenagon

Quelle: Assenagon

Ein bisschen abergläubig sind wir alle. Man soll es daher nicht beschreien, was sich derzeit an den Devisenmärkten tut. Sonst könnte die schöne neue Welt schnell wieder vorbei sein. Aber es ist schon bemerkenswert, wie stabil die Währungsrelationen in den letzten zwei Jahren waren. Das gilt vor allem für die Entwicklung des Euro-Dollarkurses. Er schwankte seit Anfang 2015 kaum mehr als zu Zeiten des alten Bretton-Woods-Systems mit seinen festen Wechselkursbändern. Wenn man den Mittelkurs mit 1,10 US-Dollar je Euro festlegen würde, dann ist er nur im April 2016 einmal für kurze Zeit mit Kursen von 1,15 US-Dollar nach oben ausgebrochen. Seit November ist er mit Kursen von 1,05 bis 1,07 etwas zu niedrig. Eine so lange Periode relativer Wechselkursstabilität zwischen den beiden Währungen hat es seit Beginn des Euro noch nie gegeben.

Was besonders bemerkenswert ist: Das alles passierte in einer Zeit, in der es an dramatischen Ereignissen weiß Gott nicht fehlte. In den USA ist ein neuer Präsident an die Macht gekommen, der die gesamte Handels- und Währungspolitik der Nachkriegszeit - den Washington Konsensus - auf den Kopf stellen will. Er warf nicht nur den Europäern Währungsmanipulation vor. Er sprach von einem neuen Währungskrieg. Umgekehrt gab es in Europa Einschnitte, wie es sie noch nie vorher gegeben hatte. Zum ersten Mal hat ein Mitglied beschlossen, die Union zu verlassen. In der Bevölkerung machen sich antieuropäische Strömungen breit. Neben Griechenland hat auch das ungleich wichtigere Italien mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es gibt massive Kapitalflucht vor allem aus Italien und Spanien nach Deutschland.

All das hat die Devisenmärkte aber offenbar kalt gelassen. Wie kann das sein? Es gibt hier zwei Theorien. Die eine geht davon aus, dass wir uns in einem labilen Gleichgewicht befinden. Die Kräfte, die den Dollar stärken, halten sich mit den Kräften, die ihn schwächen, die Waage. Was dem Dollar hilft, ist vor allem die Geldpolitik mit inzwischen drei Anhebungen der Leitzinsen in den Vereinigten Staaten und einer weiter ultralockeren Haltung der Europäischen Zentralbank. Dazu kommt der Bonus, den jede neue Administration in Washington genießt. Was den Dollar eher drückt, sind unter anderem das vergleichsweise hohe Wirtschaftswachstum in Europa, der Leistungsbilanzüberschuss des Euroraums, das entsprechende Defizit bei den Amerikanern und die Unsicherheit über die weitere Politik der USA.

Solch ein Gleichgewicht der Kräfte kann freilich schnell kippen. In den Banken gibt es nach wie vor starke Fraktionen einerseits derer, die den Dollar bis zur Parität und darüber hinaus steigen sehen, und andererseits derer, die eher mit einem starken Euro in der Größenordnung von 1,20 Euro je Dollar rechnen. Beide können nicht recht haben.

Daneben gibt es aber noch eine andere Theorie. Sie hat ihren Ursprung eher im Okkulten. Es gibt das Gerücht, dass sich die Finanzminister und Notenbankchefs der großen Industrienationen auf dem G20-Treffen in Shanghai im Februar 2016 auf einen Geheimpakt zur Stabilisierung der Wechselkurse geeinigt hätten. Danach sollen die Amerikaner bei ihrer Zinspolitik vorsichtig vorgehen und auf die Rückwirkungen an den Devisenmärkten achten. Umgekehrt sollte sich die EZB bei ihren expansiven Maßnahmen bemühen, die Währungsrelationen nicht in Unordnung zu bringen. Die Chinesen, die Japaner und die Briten schlossen sich dem Pakt an. Allerdings sollten sie zuerst das absolute Niveau ihrer jeweiligen Wechselkurse in Ordnung bringen, bevor sie sich um Stabilität bemühen.

Wie die Zentralbanken diese Ziele erreichen wollen, insbesondere ob sie intervenieren oder die Märkte mit anderen Maßnahmen steuern wollen, wurde nicht gesagt. Im Kommuniqué heißt es nur ganz nüchtern "We will consult closely on exchange markets." (Wir stimmen uns eng über die Devisenmärkte ab). Exzessive Wechselkursschwankungen und ungeordnete Marktbewegungen hätten nachteilige Wirkungen auf die wirtschaftliche und monetäre Stabilität.

Ein "Geheimpakt" der Zentralbanken hat für die Beobachter der Devisenmärkte natürlich Charme. Er regt die Phantasie an, was da alles hinter den Kulissen ausgehandelt worden sein könnte. Andererseits sollte man sich von solchen "Verschwörungstheorien" nicht zu weit tragen lassen. Die Zentralbanken können durch ihre Maßnahmen viel bewirken. Wir wissen aber aus den Zeiten des Bretton-Woods-Systems, dass wirtschaftliche Fakten am Ende immer stärker sind als alle politischen Beteuerungen.

Vor allem, wenn man über den Tellerrand des Euro-Dollarkurses schaut, zeigt sich wie fragil die Währungsverhältnisse in der Welt nach wie vor sind. Das britische Pfund ist durch den Brexit ins Schlingern gekommen. Es hat sich zuerst stark abgewertet, dann aber nach der Ankündigung von Neuwahlen wieder kräftig erholt. Für die Zukunft hängt alles davon ab, wie sich die Verhandlungen über den Brexit gestalten und - noch wichtiger - wie sich die britische Wirtschaft ohne den Binnenmarkt in der Welt positioniert.

An den Rändern des Euro bröckelt es. Die Schweizer Notenbank muss nach wie vor massiv intervenieren, um den Kurs des Franken nicht zu stark werden zu lassen. In den letzten zwölf Monaten erhöhten sich ihre Währungsreserven um über 100 Milliarden Schweizer Franken. Das ist keine stabile Situation. In letzter Zeit sind auch die tschechische und die dänische Krone unter Druck geraten. Es könnte sein, dass sie nach einer Periode relativer Stabilität ihre Bindung an den Euro aufgeben müssen.

Der chinesische Renminbi hat sich lange Zeit abgeschwächt. Selbst Interventionen in Höhe von 1 000 Milliarden US-Dollar konnten die Abwertung nicht stoppen. Erst in jüngster Zeit scheint sich die Lage etwas beruhigt zu haben. Die Probleme können aber selbst in einem Land, das so stark reguliert ist wie China, jederzeit wieder hochkommen und zu neuen Währungsunruhen führen. Das würde dann wieder die Amerikaner mit dem Vorwurf von Währungsmanipulationen auf den Plan rufen.

Schließlich gibt es auch beim japanischen Yen Probleme. Er hat sich in den letzten zwölf Monaten deutlich abgeschwächt. Die Wettbewerbsposition der japanischen Exportunternehmen hat sich dadurch verbessert. In jüngster Zeit hat sich die Situation wieder etwas beruhigt.

Das zeigt, dass man die Erfahrungen mit dem Euro-Dollar nicht verallgemeinern darf. Die Situation auf den Devisenmärkten ist nach wie vor labil. Es bedarf nicht viel, um die Lage eskalieren zu lassen und dann tatsächlich einen Währungskrieg auszulösen. Es ist gut, sich in so unruhigen Zeiten gegen Währungsunruhen abzusichern.

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