Marktforschung

Kunden-Feedback statt Zufriedenheitsbefragung

Langsam nimmt bei Finanzdienstleistern Gestalt an, was im Automobilbereich bereits gang und gäbe ist: der individuelle Dialog mit dem Kunden. Er dient direkt der Vertriebsunterstützung, denn er geht dort weiter, wo der Marktforschung der Weg versperrt ist. Die Inhalte sind strikt zweckorientiert. Die Rückmeldungen der Kunden ermöglichen auf aggregierter Ebene eine Stärken-Schwächen-Analyse und auf individueller Ebene eine direkte Reaktion der Bank.

Um die Implementierung eines solchen Feedbacksystems bei Banken und Versicherungen zu erleichtern, können personalisierte Antworten vertraulich gehandhabt werden. Daten, die einzelnen Vertriebsmitarbeitern zuzuordnen sind, werden nur dem jeweiligen Berater oder Sachbearbeiter zugänglich gemacht. Das kann jeder autorisierte Personal- oder Betriebsrat prüfen. Nur die auf die Bearbeitungsprozesse abgestellten Fragen werden beraterübergreifend ausgewertet - anonym.

Der Übergang von einer einseitigen Zufriedenheitsabfrage zu einem vertriebsunterstützenden Kundendialog erfordert, dass der Finanzdienstleister das Kundenfeedback aufgreift und mit einer adäquaten Antwort erneut auf den Kunden zugeht. Der Beginn eines solchen Prozesses könnte beispielsweise erfolgen:

- nach einer Beratung oder einem Produktabschluss oder nach einem von dritter Stelle initiierten Beratungstermin, dem der Kunde zugestimmt hat, zu dem er aber nicht erschienen ist,

- nach einem außergewöhnlichen Serviceakt wie einer vorübergehenden Einräumung eines höheren Kreditrahmens bei einer Kreditkarte,

- nach einer besonderen Veranstaltung, zu der der Kunde eingeladen ist und die er auch besucht hat,

- vor einer nahenden Anschlussfinanzierung bei Immobilien, um die Chancen der eigenen Bank zu erhöhen oder fremde Offerten kennenzulernen und abzuwehren,

- bei einem bevorstehenden Kreditlaufzeitende, um die dann freie Summe für eine Geldanlage zu gewinnen,

- oder einfach nur, um mit dem Kunden in Kontakt zu bleiben und seine Kreditbedürfnisse oder Anschaffungspläne kennenzulernen.

Markt-, Kunden- und Vertriebsperspektive

Kundendialoge haben also nicht nur einen retrospektiven Fokus, sondern sind auch prospektiv zu nutzen. Dafür müssen nicht notwendigerweise konkrete Anlässe ins Haus stehen, es können auch Kundenentwicklungsmaßnahmen sein, die den Dialog initiieren. Dies bedeutet, dass Maßnahmen zielgruppenspezifisch auszusteuern sind. So könnten in einem ersten Schritt nicht Standardkunden adressiert werden, sondern die gehobene Privatkundschaft der Bank oder Sparkasse.

Der Unterschied zum Kampagnenmanagement liegt in der individuellen Ansprache, die nicht endet, wenn der Kunde nicht reagiert. Es werden die Gründe für die ausbleibende Reaktion eruiert und gleichzeitig wird vorgefühlt, inwieweit der Kunde überhaupt offen ist für das Anliegen des Geldinstituts. Inhaltlich bedeutet das, Marktgegebenheiten einerseits und das individuelle Potenzial andererseits zu erfassen. Die Marktgegebenheiten umfassen die Aktivitäten und Konditionen der Wettbewerber, das individuelle Potenzial drückt aus, inwieweit der Kunde überhaupt für einen Produktabschluss offen ist und welche Aktionen die Bank in welchem Zeitraum einleiten muss. Die Inhalte der Kundendialoge sollten also aus einer Markt-, einer Kunden- und einer Vertriebsperspektive gestaltet sein.

Beispiel Beratung: Der Kunde war zu einer Beratung zur Altersvorsorge in der Bank gewesen. Der Berater bittet ihn, eine Website zu besuchen und dort einen Fragebogen zur Beratung zu beantworten. Alternativ kann der Kunde auch um sein Einverständnis für eine telefonische Befragung zur Beratung gebeten werden. Die Befragung findet innerhalb von 48 Stunden statt, die Ergebnisse werden in aggregierter Form ausgewertet und als individuelle Rückmeldung an den Berater geleitet. Sie sind in dieser Form bereits gegen Benchmarkwerte gespiegelt, sie geben damit dem Berater eine Orientierung, wie gut er im Kontext seiner anderen Beratungen abgeschnitten hat und sie geben ihm im Falle des Unterschreitens vorgegebener Mindestwerte die nachfolgenden Aktionen vor. Sogenannte Alarmsignale zeigen ihm, welche Kunden er schnell kontaktieren sollte, um Missverständnisse zu klären, fehlende Informationen nachzusenden und gleichzeitig auch die weitere Vorgehensweise zu bestimmen.

Ganz praktisch kann der Berater Kunden, mit denen er soeben ein Gespräch geführt hat, um eine Bewertung seiner Leistung bitten. Er nimmt eine Mobilnummer oder eine E-Mail-Adresse auf, an die er eine SMS beziehungsweise eine Mail schickt. Wenig später können die Kunden den Dialog öffnen und die dortigen Fragen beantworten, die ihnen wichtigen Punkte skizzieren und ihre Kommentare zum Prozess und zu Einzelheiten hinterlassen. Wenig später hat der Berater das individuelle Feedback auf seinem Schirm - und anonymisierte Daten laufen in Marketing oder CRM auf. Die an den Berater gerichteten kundenindividuellen Rückmeldungen dienen nicht nur dazu, Stärken und Schwächen der Beratung aufzuzeigen - sie sollten auch als Warnsignal fungieren, wenn Untergrenzen von Bewertungen unterschritten werden. Ein solcher Hot Alert gibt dem Berater die zeitnahe Möglichkeit, Missverständnisse zu klären, Fehler auszubügeln, sein Angebot nachzubessern. Gleichzeitig enthalten die kundenindividuellen Rückmeldungen auch die Hinweise für weitere Aktionen, die unmittelbar (wie das Zusenden von Informationen oder eines Vertragsformulars) erfolgen können oder weitere Betreuungsschritte einleiten sollen.

Anforderungen der digitalen Welt umsetzen

Um Feedback wird kaum noch mit einem schriftlich-postalischen Fragebogen und immer weniger per Telefon gebeten. Ersteres ist zeit- und kostenaufwendig, erbringt einen viel zu geringen Ertrag und lässt keine situative Reaktion des Absenders auf Antworten des Befragten zu. Es ist auch eine Befragung und kein Dialog, denn der Empfänger kann nur auf die gestellten Fragen (und nur auf diese) mit den vorgesehenen Antworten und in der Regel ohne Gestaltung der Antwort mit eigenen Worten reagieren. Die Telefonbefragung ist ebenfalls sehr zeitaufwendig, muss sich nach der Erreichbarkeit beziehungsweise Anwesenheit des Empfängers im häuslichen Netzbereich richten und bedarf eines Interviewers, der aus arbeitsrechtlichen Gründen nur zu bestimmten Zeiten arbeiten darf - und vergleichsweise mehr Kosten verursacht.

Online-gestützte Feedbacksysteme lassen sich einfach und kostengünstig automatisieren - es muss nur die Adresse der Kunden erfasst und eingespeist werden. Und schon ist die Mail beim Kunden.

Mehr Aufwand ist auf die formale und inhaltliche Gestaltung der Ansprache zu richten, um Kunden zum gewünschten Feedback zu motivieren. Die Motivation betrifft zum einen den Rücklauf an Antworten (Quantität) insgesamt, zum anderen die inhaltliche Qualität jedes einzelnen Bogens: Hier geht es um die Reduzierung der Zahl an unausgefüllten Antwortkategorien oder leeren Kommentarfeldern. Deshalb sollten Befragungen nach den neuesten Erkenntnissen der Kognitionspsychologie gestaltet werden. Das fängt mit der Ansprache durch die Bank beziehungsweise den Berater an, umfasst das Anschreiben und den Übergang zum Dialogbogen und muss mit dem abschließenden Bedanken nicht enden, denn eine nachgelagerte Mail mit einem wertschätzenden Dankeschön (und einem kleinen Präsent) bietet eine gute Gelegenheit, den Kunden noch einmal zu kontaktieren.

Der Fragebogen zeichnet sich durch eine spielerische Visualisierung der Themenkomplexe aus. Bilder können den Berater oder die Filiale zeigen, so erfasst der Kunde sofort, um was es sich im Folgenden handelt. Darstellungen und Fragen im Layout des Absenders unterstreichen die Kommunikation, Farbgebungen erleichtern Bewertungen, Zustimmungsskalen lassen sich nicht nur durch Klicks, sondern auch durch Schieberegler bearbeiten. Emoticons wie Smileys verändern ihre positive oder negative Gestalt je nach Bewertungsrichtung.

Der Generation E-Mail/Internet, zu der heute fast alle Kunden unter dem Renteneintrittsalter gehören, sind Entertainment-Elemente der digitalen Welt geläufig, deshalb können sie zur Aufheiterung und Motivation in Maßen genutzt werden. Balken am Rand des Befragungsfensters markieren nicht nur den Fortschritt, sie gestalten auch den Kommunikationsprozess angenehmer. Denn der Kunde geht im Dialog nicht verloren, er sieht jederzeit, wie kurz die Kommunikation eigentlich ist. Damit sind Balken auch ein Zeichen der Wertschätzung.

Überspringen von Fragen zulassen

Zur Wertschätzung gehört auch, Fragen nicht als Pflichtfragen zu konzipieren (sie können also auch übersprungen werden) - Kunden haben das Recht, keine Antwort geben zu dürfen. Kunden antworten immer freiwillig, sie sind zu nichts verpflichtet. Pflichtfelder führen zu höheren Abbruchquoten oder unpassenden Antworten. Denn entweder will der Kunde keine Antwort geben, was zu respektieren ist, oder er kann mangels Erfahrung keine Antwort geben. Wird er in eine Antwortkategorie gezwungen, wird er den Fragebogen nicht mehr ernsthaft beantworten.

Mehr als bloße Befragung

Eine Interaktion mit der Zielgruppe gewinnt ihre Kraft aus der Möglichkeit, Kunden nicht nur Antworten geben zu lassen, sondern ihre Sicht der Vorgänge in den eigenen Worten schildern zu lassen. Deshalb ist die Ansprache und Diskussion der für die Kunden relevanten Themen mit offenen Fragen ein Kennzeichen des Dialoges - und damit die wesentliche Unterscheidung zur Befragung.

Dem Nachteil der fehlenden oder nichtssagenden Antworten in gängigen Zufriedenheitsbefragungen ist mit zwei Maßnahmen zu begegnen: Kunden nehmen nur zu den für sie relevanten Themen Stellung - alle anderen werden nicht weiter vertieft. Und Kunden werden über einfach zu steuernde Nachfragen gebeten, ihre Begründungen detaillierter darzustellen, wenn sie nur wenige Begriffe in ein Leerfeld eingeben oder wenn sie Begriffe benutzen, die für den Auftraggeber besonders interessant und deshalb in einer hinterlegten Schlüsselwörterliste verzeichnet sind. Diese Liste kann im Laufe der Dialogaktion mit allen Kunden stetig erweitert werden. Auf diese Weise können mit Hilfe des sogenannten Probing-Verfahrens eine deutliche Zunahme an Begründungen überhaupt (quantitativer Zuwachs) und an individueller Detailliertheit (qualitativer Zuwachs) erreicht werden.

Neue inhaltsanalytische Softwareprogramme kategorisieren bei fach- und zielgerechter Programmierung mit mehr als 90-prozentiger Sicherheit die von den Kunden beschriebenen Inhalte und ermitteln dadurch verständliche Handlungsprioritäten sowohl für die Berater als auch die Verantwortlichen in Stab und Vertriebsführung - ohne dass der individuelle Datenschutz des einzelnen Beraters gefährdet wird.

Online heißt heute "mobile" - der PC war gestern

Ein sehr gewichtiges, aber oft unterschätztes Phänomen ist die sich schnell verbreitende Nutzung von Tablets oder Smartphones. Kunden empfangen auf diesen Geräten E-Mails und SMS und versuchen auch, die einmal geöffneten Fragebögen zu beantworten. Aus kognitionspsychologischer wie auch aus praktischer Sicht bedeutet das, den Fragebogen bereits für "mobile" zu konzipieren, also nicht nur für die Beantwortung auf einem großen PC-Bildschirm, sondern auch auf kleineren Tablets oder Smartphones. Fragen müssen dafür kürzer und Skalen nicht als komplexe Grids gestaltet werden. Die Abstände zwischen den Antwortkategorien müssen groß genug sein, um auch dickeren Daumen ein einwandfreies Antippen einer Antwortkategorie zu ermöglichen. Farben wirken auf einem kleinen Screen noch markanter als auf einem großen PC-Bildschirm, Symbole (wie beispielsweise Smileys) ersetzen lange Begriffe, spielerische Elemente fesseln die Befragten, wecken ihre Neugier und machen Lust auf weitere Fragen.

Spätestens hier wird deutlich, dass die Gestaltung des Fragebogens als Kundendialog intensive Kommunikation mit dem Kunden bedeutet - und nicht nur, ein paar Fragen zu stellen, um ein paar Antworten zu erhalten. Spannend gestaltete Dialoge laden ein, wieder mitzumachen - und möglicherweise finden sie als Empfehlung sogar Eingang in Social Media Sites.

Die Notwendigkeit und der Einfluss der IT

Heute muss die Kundenkommunikation - und Marketing und Vertrieb ist nichts anderes als Kommunikation - nicht nur die kognitionspsychologischen Anforderungen an einen Dialog beachten, sondern sich auch mit den speziellen technischen Anforderungen der Kommunikationsübermittlung und den Betriebssoftware-spezifischen Gegebenheiten der Empfängergeräte auskennen. Jeder digitale Austausch muss auf dem verwendeten Betriebssystem eines Smartphones oder Tablets optimal gestaltet werden können - sonst bricht der Kunden den Vorgang ab. Und schlimmer: Fehlendes Know-how in der adäquaten Gestaltung fällt auf den Absender zurück, der Positionierung auf der Imageebene ist das nicht förderlich.

Kundendialog ist nicht nur retrospektiv

Als Fazit lässt sich festhalten: Die Marktforschung setzt die Fragetechnik ein, um strukturelles Wissen zu erlangen. Auf kundenindividueller Ebene darf sie nicht arbeiten, das verbieten in Deutschland die Standesregeln der organisierten Marktforscher. Aber Marketing und Vertrieb können Kundendialoge initiieren, damit die Berater mit ihren Kunden in Kontakt zu bleiben, um Vertriebsmaßnahmen zu optimieren, um Kommunikation zielgerichtet zu gestalten. Der Anlass ist zweckgetrieben, zuweilen reicht es, einfach einen bestehenden Kontakt nicht abreißen zu lassen. Unter Geschäftskollegen nennt man das Netz werken, unter Nachbarn klatschen und tratschen, beim Gemüsehändler Kundenpflege. Nur, im Gegensatz zu Banken und Versicherungen fragt der Gemüsehändler auch mal die Nachbarn, wenn er seinen Kunden länger nicht mehr gesehen hat.

Warum es also nicht ähnlich gestalten? Gehen Sie auf Kunden zu, holen Sie sich deren Meinung und Wissen über einen strukturierten Dialog ins Haus! Und belassen Sie es nicht beim Thema Zufriedenheit - Kunden geben auch Auskunft zu Wettbewerbern und Investitionsabsichten. Der Dialog mit dem Kunden ist also nicht nur retrospektiv einsetzbar, um Schwachstellen im Betriebsablauf aufzudecken - prospektiv genutzt lassen sich auch zukünftige Absatzpotenziale identifizieren.

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