bAV: Jetzt ist die Politik am Zug

In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die amtierende große Koalition zum Ziel gesetzt, die private und betriebliche Altersvorsorge zu stärken. Vor allem soll die bAV auch für Mitarbeiter kleiner und mittlerer Unternehmen verständlich werden, sollen Hemmnisse abgebaut und die Rahmenbedingungen verbessert werden, damit Betriebsrenten auch in den kleineren Unternehmen hohe Verbreitung finden.

Im Jahr 2014 hatte das Bundesfinanzminsterium dazu in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Forschungsauftrag an die Universität Würzburg vergeben, um Optimierungsmöglichkeiten bei den Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung auszuloten. Mitte April haben die Wissenschaftler nun das Gutachten vorgelegt.

Einsparung von Lohnnebenkosten für Arbeitgeber kein bAV-Argument

Wenig überraschend kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Kenntnisstand von Arbeitgebern in kleinen und mittelgroßen Unternehmen zum Thema betriebliche Altersvorsorge sehr gering ist - vor allem mit Blick auf die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung. Das Steuer- und Sozialversicherungsrecht für sich genommen stellt der Studie zufolge jedoch kein entscheidendes Hemmnis bei der Einführungsentscheidung dar.

Allerdings ist auch die Einsparung von Lohnnebenkosten infolge der Sozialversicherungsersparnis des Arbeitgebers für die kleineren Unternehmen offenbar kein Anreiz, eine betriebliche Altersvorsorge aktiv anzubieten beziehungsweise ihren Mitarbeitern zu empfehlen. Eine Motivation dazu fehlt den Betrieben zudem deswegen, weil sie für ihre Beschäftigten keinen klaren Vorteil der bAV im Vergleich zu anderen, privaten Vorsorgeformen sehen.

Doppelbelastung mit Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung

Aufseiten der geringverdienenden Arbeitnehmer, die besonders in den Fokus genommen wurden, ist ein erstes Ergebnis ebenfalls bekannt: Viele Niedrigverdiener sehen keinen ausreichenden finanziellen Spielraum, um an einer bAV-Maßnahme teilzunehmen.

Ein Hemmnis stellt vor allem die Belastung von Leistungen aus der bAV in der Rentenphase mit dem vollen Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner dar - zumal dieser Umstand auch über die Presseberichterstattung in seiner Wahrnehmung verstärkt wird. Die doppelte Beitragserhebung in der Kranken- und Pflegeversicherung bei der riestergeförderten betrieblichen Altersvorsorge ist dem Gutachten zufolge überdies eine nicht systemgerechte Doppelbelastung, die einer sinnvollen Integration der Riester-Förderung in das System der bAV entgegensteht.

Als weiteres Problem machen die Wissenschaftler die Einbußen bei den gesetzlichen Sozialleistungen, insbesondere der gesetzlichen Rentenversicherung infolge der Beitragsfreiheit zur Sozialversicherung in der Anwartschaftsphase aus. Diese Beitragsbefreiung wirkt also weder positiv auf das bAV-Engagement der Arbeitgeber noch auf die Bereitschaft der Arbeitnehmer, entsprechende Maßnahmen abzuschließen.

Aus diesen grundlegenden Erkenntnissen wurden im Rahmen des Gutachtens Reformüberlegungen abgeleitet und daraufhin überprüft, ob durch eine Umsetzung in geltendes Recht eine weitere Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge bei den Zielgruppen, den kleinen Unternehmen auf der Arbeitgeber- sowie den Geringverdienern auf Arbeitnehmerseite, erreicht werden könnte.

Reformvorschlag 1: Verpflichtender Arbeitgeberzuschuss

Als erstes empfiehlt das Gutachten, eine gesetzliche Verpflichtung zu einem Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung zu schaffen. Durch diesen Zuschuss soll der Arbeitnehmer vorab für die erhöhte Abgabenlast durch Kranken- und Pflegeversicherung in der Leistungsphase entschädigt werden.

Weil aber eine solche Zuschusspflicht die Begeisterung der Arbeitgeber nicht eben erhöhen dürfte, müsste zusätzlich eine steuerliche Abzugsmöglichkeit für Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern eingeführt werden, dank der sie jährlich 50 Prozent der Beiträge außerbilanziell gewinnmindernd von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abziehe könnten.

Wie sich die Zuschusspflicht auf Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern auswirken könnte, wird indessen nicht thematisiert - obwohl auch diese sicher noch zu den kleinen und mittleren Unternehmen gezählt werden können.

Dem Gutachten zufolge stellt die Zuschusspflicht der Arbeitnehmer zwar keine Mehrbelastung im eigentlichen Sinne dar. Denn auch mit dem Zuschuss stehen sie sich aufgrund der Befreiung von den Sozialversicherungsbeiträgen genauso, als hätte der Arbeitnehmer keine bAV abgeschlossen.

Durch eine Zuschusspflicht in Höhe der ersparten Sozialversicherungsbeiträge erfahren Arbeitgeber somit keinen Nachteil gegenüber der Lohnzahlung. Diese Erkenntnis muss sich aber erst einmal durchsetzen. Ein echter Abbau von Hemmnissen ist durch diesen Reformvorschlag insofern vielleicht nicht zu erwarten.

Reformvorschlag 2: "bAV-Förderbetrag"

Reformempfehlung Nummer 2 sieht vor, die Arbeitnehmerförderung im Rahmen der bAV zu verbessern, etwa durch eine verbesserte Riester-Förderung in der betrieblichen Altersversorgung. Dazu müsste zunächst die ökonomisch nicht zu rechtfertigende Doppelverbeitragung beseitigt werden, indem entweder die Beiträge zu einer riestergeförderten bAV in der Anwartschaftsphase oder die Leistungen in der Rentenphase sozialversicherungsfrei gestellt werden.

Alternativ wird ein neues Fördermodell, der sogenannte "baV-Förderbetrag" vorgeschlagen. Er soll der Höhe nach der Riester-Grundzulage entsprechen und an Arbeitgeber gezahlt werden, die für einen Arbeitnehmer mindestens den Mindestbeitrag nach § 1a Abs.1 Satz 4 BetrAVG (2015 waren das 212,63 Euro jährlich) als Arbeitgeberbeitrag in eine bAV einzahlen. Diese Zulage würde dann auf die Altersvorsorgezulage des Arbeitnehmers angerechnet.

Dieses Modell hat den Wissenschaftlern zufolge drei Vorteile:

- Für Arbeitgeber wäre es einfach zu administrieren, da eine Abwicklung über das Lohnsteuerabzugsverfahren weitgehend automatisiert möglich ist.

- Zudem würde der zur Erlangung der Zulage erforderliche Eigenbeitrag nicht vom Arbeitnehmer, sondern in Form eines Arbeitgeberzuschusses erbracht. Damit würde die Akzeptanz aufseiten der Beschäftigten vermutlich erheblich steigen.

- Und - für die Politik nicht unerheblich: Weder das Steueraufkommen noch die Einnahmen der Sozialversicherungsträger würden durch den Vorschlag merklich beeinträchtigt.

Jetzt ist die Politik am Zug, was sie aus dem Gutachten machen will. Wofür sie sich auch entscheidet - sie sollte es bald tun. Denn solange diskutiert wird, stockt die Vorsorgebereitschaft. Und die aktuellen Forderungen, das Absinken des Rentenniveaus mindestens einzufrieren, tun den Bemühungen der Anbieterseite, Verbraucher von der Notwendigkeit von Vorsorgemaßnahmen zu überzeugen, auch nicht eben gut.

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