Digitalisierung verändert die Gewerbeversicherung

Gewerbeversicherungen erwachen aus ihrem Dornröschenschlaf. So lautet das Fazit des "Report Gewerbeversicherung 2021" von des Münchner Insurtech-Unternehmens Finanzchef 24, das sich genau auf dieses Themenfeld konzentriert. Fast alle großen Versicherer haben das Thema auf der Agenda - immerhin geht es um einen Markt mit einem Prämienvolumen von rund 13 Milliarden Euro. Doch nicht nur die bekannten Größen, sondern auch neue Anbieter werden am Markt aktiv - beispielsweise Mailo, Andsafe oder Thinksurance.

Für den Bankvertrieb heißt das: aufpassen. Denn noch ist der digitale Vertrieb in der Gewerbeversicherung eine Nische. Allerdings wächst diese Nische überproportional und greift eine interessante Klientel ab. So verweist Finanzchef 24 darauf, dass die eigenen Neukunden im Schnitt deutlich jünger sind als Gewerbetreibende im Marktvergleich und die Unternehmen eine deutlich größere Entwicklungsdynamik aufweisen, aus der sich im Lauf der Unternehmensentwicklung beträchtliche Potenziale ergeben.

Noch sei es schwer, mit Online-Beratung auch jene Kunden abzuholen, die in gewachsenen Strukturen ihre Gewerbeversicherungen seit Jahren offline abschließen. Allerdings hat - genau wie in anderen Bereichen - die Corona-Pandemie neue Dynamik in die Entwicklung gebracht. Das Zeitfenster für die Anpassung des Bankvertriebs an die neuen Gegebenheiten könnte also knapper bemessen sein als gedacht. Anbieter mit digitalen und hybriden Vertriebsformen werden wohl auch in der Gewerbeversicherung die Gewinner sein. Die Autoren des Reports sind sich jedenfalls sicher, dass das Internet das Regionalitätsprinzip auflöst, von dem Sparkassen und VR-Banken über Jahrzehnte hinweg profitiert hätten.

Schon 2017 schrieb der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), in der Gewerbeversicherung sei aufgrund der Unterschiedlichkeit der Betriebe und ihrer Situation zwar noch vieles beratungsintensive "Handarbeit" - die Digitalisierung verändere auch hier die Spielregeln. Bereits damals hatte fast jedes kleine oder mittelgroße Unternehmen schon einmal eine Versicherung online abgeschlossen. Bei Finanzchef 24 sind es inzwischen zwei Drittel. Auch wenn ein Insurtech hier sicher nicht repräsentativ für den Gesamtmarkt steht, deutet diese Zahl doch den Entwicklungspfad an: Es geht darum, in kürzerer Zeit individueller zugeschnittene Abschlüsse möglich zu machen.

Betriebsschließungsversicherungen mit Kommunikationsbedarf

Ein Trend in der Gewerbeversicherung ist laut Finanzchef 24 die Hybridisierung vieler Berufe. Denn das Nebeneinander von Offline und Online bringt auch ganz neue Anforderungen in Sachen Absicherung mit sich. So ist im Handwerk häufig nicht mehr allein die Betriebshaftpflicht ausreichend, sondern immer häufiger werden dazu Ergänzungen benötigt. Damit müssen Beratung und Produkte individueller werden.

Wachsende Nachfrage, so der Report, gibt es bei Elementarversicherungen sowie Betriebsschließungsversicherungen. Während es bei der Elementarschadenversicherung so aussieht, als könnten die Policen aufgrund des gestiegenen Bewusstseins für die Gefahren des Klimawandels künftig auch ohne aktuelle Anlässe wie die Flutkatastrophe im Sommer dieses Jahres verstärkt nachgefragt werden, ist die Betriebsschließungsversicherung für den Vertrieb ein zweischneidiges Schwert. Denn da die meisten Versicherer Pandemie und Allgemeinverfügung ausschließen, ist das zumindest mit einem erhöhten Kommunikationsbedarf gegenüber den (potenziellen) Kunden verbunden.

Cyberrisk-Versicherungen vielen Unternehmen noch zu teuer

Geringer als erwartet ist das Interesse an Cyberrisk-Versicherungen. Das liegt dem "Report Gewerbeversicherungen 2021" zufolge weniger darin, dass Unternehmen die möglichen Gefahren von Hackerangriffen oder mögliche Schäden durch IT-Probleme unterschätzen. Allerdings seien Cyber-Risk-Versicherungen vielen Gewerbetreibenden als Stand-alone-Produkte noch zu teuer. Als Baustein anderer Produkte funktionieren sie demnach jedoch auch bei Selbstständigen und kleinen Mittelständlern immer besser.

Als neuer Trend wird "Green Insurance" ausgemacht. Hier zahlen erste Versicherer bei "grünen" Produkten im Schadenfall bis zu 20 Prozent mehr, wenn dafür ökologische, nachhaltigere oder sparsamere Materialien verbaut oder nachhaltigere Firmen beauftragt werden. Auch Veränderungen in der Mobilität fließen in die Produkte ein, etwa Absicherung von E-Ladestationen.

Unterschiedliche Trends bei der Prämienentwicklung

Bei der Prämienentwicklung wird in den einzelnen Sparten eine unterschiedliche Entwicklung beobachtet. Besonders augenscheinlich sind Zuwächse bei Organ- und Managerhaftpflicht- sowie Rechtsschutzversicherungen (D&O). Dennoch spielen diese Sparten in der Gewerbeversicherung weiterhin eine untergeordnete Rolle. Bei Finanzchef 24 entfielen 2020 und 2021 jeweils 4 Prozent der Anfragen auf dieses Produkt, nach jeweils 3 Prozent in den beiden Vorjahren.

In den wichtigsten Sparten Betriebshaftpflicht, Vermögensschadenhaftpflicht und Geschäftsinhalt haben die Prämien in der Tendenz leicht nachgegeben.

  • In der Betriebshaftpflicht sind nach einer Musterberechnung von Finanzchef 24 die jährlichen Prämien für exemplarische Kleinst- und Kleinunternehmer von 2018 bis 2021 von etwa 300 auf rund 240 Euro gesunken - was einem Minus von circa 20 Prozent entspricht.
  • Die Prämien für Vermögensschadenhaftplicht-Versicherungen haben sich nach einem deutlichen Preisrutsch 2014 und 2015 seit 2018 bei knapp unter 500 Euro eingependelt.
  • Inhaltsversicherungen, gewissermaßen die Hausratsversicherung für Unternehmen haben im Schnitt um etwa 5 Prozent zugelegt - auch deshalb, weil die Elementardeckung teilweise bereits in die Tarife integriert ist.
Noch keine Bewertungen vorhanden


X