Direktbanken

ING-Diba ist Spitze

Jahrelang schaute man am Finanzplatz Frankfurt vor allem auf Deutsche und Commerzbank, auf DZ Bank, Helaba und Deka - zumindest dann, wenn man den Fokus auf die großen, erfolgreichen Banken richtete. Weitestgehend unter dem Radar flog dabei die ING-Diba. Das dürfte sich nun endgültig geändert haben, was aber keineswegs mit der Schwäche manches Spielers am Standort Frankfurt, sondern ganz eindeutig an der Stärke der ehemaligen Direktbank liegt. Diese hat sich voll in der Spitzengruppe der erfolgreichen Banken etabliert.

1,234 Milliarden Euro vor Steuern bedeuten nicht nur ein neues Rekordergebnis. Das ist man nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre fast schon gewöhnt. Aber zum ersten Mal lässt die ING-Diba damit auch fast alle Wettbewerber hinter sich - die Deutsche Bank auf jeden Fall, die Commerzbank auch, die Deka und Helaba wohl ebenfalls und die DZ Bank zumindest dann, wenn man auf das AG- und nicht das Konzernergebnis abstellt. Sonst wird das Spitzeninstitut der Genossenschaftlichen Finanzgruppe vermutlich auch in diesem Jahr nicht zu schlagen sein. Und nicht zuletzt steuert die ehemalige Allgemeine Deutsche Direktbank damit rund ein Fünftel zum Gesamtgewinn des holländischen ING-Mutterkonzerns bei. Gemessen an der Kundenzahl ist die ING-Diba drittgrößte Bank Deutschlands und verwaltet insgesamt ein Geschäftsvolumen von 269 Milliarden Euro.

Das alles gelang in einem Umfeld, das ING-Diba-Chef Roland Boekhout als "sehr speziell" bezeichnet. Die politischen Unsicherheiten nehmen zu, die Probleme der Bankenbranche, allen voran die Niedrigzinsphase, die Regulatorik und die Digitalisierung, sind keineswegs neu, aber verschärfen sich. Und gerade die Digitalisierung wird in den Augen von Boekhout noch unterschätzt. Er ist sich sicher, dass sich die Bankenbranche in Deutschland stärker verändern wird, als bislang zu erwartet ist. Sein Haus ist dafür gut gerüstet, denn die ING-Diba ist keine Direktbank mehr, sondern eine Digitalbank. Und sie ist längst nicht mehr nur auf das kostenlose Girokonto zu reduzieren, sondern kann als vollwertige Bank die ganze Breite der Klaviatur bespielen und so dem Zinsdruck ein wenig ent kommen. Die Spareinlagen sind auf inzwischen 12 Milliarden Euro gestiegen. Dem stehen aber 68 Milliarden Euro an Baufinanzierungen (allein 2016 wurden fast zehn Milliarden Euro Neugeschäft geschrieben), 6,5 Milliarden an Verbraucherkrediten und 26 Milliarden Euro an Firmenkrediten gegenüber. Für 2017 ist eine Steigerung des gesamten Kreditvolumens um rund zehn Prozent geplant. Die Verbindung des Privatkundengeschäfts mit dem 2011 gestarteten Wholesale-Banking macht die Bank stabiler, inzwischen entfällt rund ein Viertel des Gesamtergebnisses auf das Firmenkundengeschäft.

Und es wird weiter munter an der Zukunft gebastelt. "Die ING-Diba ist heute eine ganz andere Bank als vor fünf Jahren, und sie wird in fünf Jahren eine noch ganz andere Bank sein", so Boekhout. Ziel ist eine neue Organisation mit einer komplett neuen Infrastruktur. Das Projekt mit dem schönen Namen "Welcome" soll die Effizienz steigern, die IT hin zur modular aufgebauten IT-Welt entwickeln, die als offene Plattform konzipiert ist, und die Zusammenarbeit mit Fintechs erleichtern und ausbauen. Die ING-Diba will so weg von einer produktgesteuerten Bank hin zu einer Bank mit maßgeschneiderten Lösungen.

Von einigen Grundstärken rückt die ING-Diba aber nicht ab. Filialen wird es auch künftig nicht geben, denn "Filialen sind eher Last als Lust". Und vom kostenlosen Girokonto rückt die ING-Diba ebenfalls nicht ab. Im Gegenteil: "In einem Markt, in dem immer mehr Wettbewerber Kontogebühren einführen, wird unser Angebot immer attraktiver", so Boekhout, der von den Forderungen der Aufseher nach höheren Preisen gar nichts hält. "Deutschland ist nicht das billigste Land in Europa, höhere Preise würden Deutschland schaden." All das hat Hand und Fuß! P.O.

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