Auskunfteien

Neue Diskussion um die Schufa-Scores

Die Schufa-Bonitätsscores sind eine "Black Box". Niemand kann genau nachvollziehen, wie die Score-Werte berechnet werden, da die Berechnungsformel nicht veröffentlicht wird. Wie das mit Geheimnissen fast immer so ist, weckt genau dies das Bedürfnis, es zu lüften. Die Frage, ob dem Durchschnittsverbraucher die Kenntnis des Algorithmus überhaupt etwas nützen würde, um die Berechnung seines persönlichen Score-Wertes nachvollziehen zu können, spielt bei dieser Diskussion keinerlei Rolle.

Die Berechnungsformel für die Bonitätswerte wird freilich aus gutem Grund nicht veröffentlicht - mit Blick auf den Wettbewerb, aber auch, um mögliche Manipulationen und damit Bonitätsbetrug auszuschließen. Das hat die Schufa immer wieder betont. Die Geheimhaltung der Formel hat auch den höchstrichterlichen Segen des Bundesgerichtshofs. Das hat der BGH bereits 2014 so entschieden.

Die Diskussion darüber, dass die "Black Box" Schufa Tür und Tor für Fehler und Ungerechtigkeiten bei der Bonitätsbeurteilung öffnet, ist damit aber nie verstummt - im Gegenteil. Im Frühjahr 2018 hat die Initiative Open Schufa Verbraucher aufgefordert, ihre Schufa-Daten zu spenden, um damit die Schufa "knacken" - sprich den Algorithmus entschlüsseln und die vermuteten Ungerechtigkeiten, die sich daraus bei der Kreditvergabe ergeben können, aufdecken zu können. Ende November wurden nun erste Ergebnisse veröffentlicht.

Die Formel ist nicht geknackt

Ergebnis Nummer eins: Die Formel ist nicht geknackt - damit ist man mit einer Basis von gerade knapp 3 000 zur Verfügung stehenden Datensätzen, die der Initiative zugesandt wurden, viel zu weit von einer repräsentativen Größenordnung entfernt. Nach Angaben der Schufa beträgt die Stichprobengröße gerade einmal 0,0042 Prozent der 67,5 Millionen bei der Schufa gespeicherten Personen.

Dass die Datenbasis zu klein ist, um auf dieser Basis valide Aussagen über die Berechnungsformel für den Scorewert zu treffen, gibt die hinter Open Schufa stehende Open Knowledge Foundation Deutschland offen zu - zumal die Personen, die ihre Schufa-Daten gespendet haben eingestandenermaßen "vor allem aus bestimmten gesellschaftlichen Milieus stammen". Man wird wohl vermuten dürfen, dass dies vor allem solche Verbraucher sind, deren Bonität nicht als erstklassig bewertet wurden und die deshalb geneigt sind, Fehler oder Ungerechtigkeiten des Systems zu unterstellen.

Junge Männer benachteiligt?

Trotz dieser Einschränkungen wird der Schluss gezogen: "Das Scoring-Verfahren ist kaputt". Der Algorithmus sei fehleranfällig, weil offensichtlich Faktoren wie Alter oder Geschlecht eine Rolle spielten, obgleich man nicht sagen könne, wie genau diese Faktoren in die Berechnung eingehen.

Ob dem so ist, sei einmal dahingestellt. Man wird aber schon fragen dürfen, ob es so wirklich so falsch ist, wenn das Kreditrisiko bei jungen Männern höher eingeschätzt wird, wenn die Überschuldungsquoten in dieser Bevölkerungsgruppe allen Schuldnerstatistiken zufolge - nicht nur laut denen der Schufa - trotz eines allmählichen Rückgangs der Unterschiede immer noch deutlich höher ausfallen als in allen anderen Segmenten. So funktioniert nun einmal Statistik, ohne die eine automatisierte Bonitätsbewertung überhaupt nicht möglich wäre.

Auch der Vorwurf, die Schufa bewerte selbst Personen, aus deren Wirtschaftsleben zum Teil nur drei Informationen vorliegen (im Open-Schufa-Datenbestand betrifft dies knapp 20 Prozent der Verbraucher), ist unter diesem Aspekt zu betrachten. Natürlich könnte man festlegen, dass mindestens 100 Informationen über eine Person vorliegen müssen, damit überhaupt ein Scorewert ausgewiesen werden kann. Der wäre dann wirklich individuell - um den Preis, dass die Berechnung einen Teil der Verbraucher völlig ausschließen würde. Jungen Menschen etwa, die erst ins Wirtschaftsleben starten, könnte dann überhaupt kein Kredit gewährt werden, Waren könnten sie dann oft nur noch gegen Vorkasse bestellen. Auch dann käme das Stichwort "Diskriminierung" wieder aufs Tapet.

Aus dem Ende Oktober veröffentlichten Gutachten des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen (SVRV) zum Thema "Verbrauchergerechtes Scoring" leiten die Initiatoren von "Open Schufa" und die Schufa selbst naheliegender Weise unterschiedliche Schlussfolgerungen ab. Die Auskunftei verweist darauf, dass im Gutachten die "gesamtgesellschaftlichen Vorzüge des Bonitäts-Scorings" betont werden, während die Open Knowledge Foundation sich vor allem auf im Gutachten erwähntes Minderheitsvotum bezieht, demzufolge "stets sämtliche in einen Score eingehende Merkmale gegenüber dem Verbraucher offenzulegen sind und ihr relatives Gewicht in der Score-Berechnung anzugeben ist. Etwaige Geheimhaltungsinteressen der Scoring-Anbieter und -Nutzer" hätten "insoweit gegenüber dem Auskunftsinteresse der Verbraucher zurückzustehen, wobei das Geschäftsgeheimnis der Entwicklung und Programmierung eines Scores gewahrt bleiben sollte."

Transparenz versus Geheimhaltungsinteresse

Der Rat als Ganzes fordert indessen nur, dass Scoring-Anbieter den Verbrauchern die für sie wesentlichen Merkmale, auf deren Basis sie gescort werden, sowie möglichst auch deren Gewichtung auf verständliche Weise offenlegen sollen - ohne Geschäftsgeheimnisse dadurch zu verletzen. Festzustellen, welche Merkmale für Verbraucher wesentlich sind, kann dem Gutachten zufolge nicht nur Aufgabe des Gesetzgebers sein, sondern sollte auch die von Verbraucherorganisationen oder der "Marktwächter" der Verbraucherzentralen sein. Eine vollständige Offenlegung der Scores und ihrer Eigenschaften gegenüber Aufsichtsbehörden sei in jedem Fall notwendig.

Ruhe wird an dieser Front also so bald wohl nicht einkehren. Die Crux könnte darin liegen, wie sich die Forderung nach noch größerer Transparenz mit dem höchstrichterlich festgestellten Geheimhaltungsinteresse der Scorer in Einklang bringen lässt. Dieses Interesse liegt laut BGH-Urteil vom 28. Januar 2014 (Aktenzeichen VI ZR 1556/13) "regelmäßig dann vor, wenn die Prognoseleistung des Scoring-Verfahrens dieses wirtschaftlich wertvoll und damit als Unternehmensgeheimnis schützenswert macht... Wenn bekannt wird, wie das algorithmische Verfahren der Score-Berechnung im Einzelnen ausgestaltet ist, verliert es seinen Charakter als Geschäftsgeheimnis und kann von Konkurrenten übernommen werden." Der BGH erkennt zudem ein Geheimhaltungsinteresse der Allgemeinheit, da bei Offenlegung des Scoring-Verfahrens dessen Prognosekraft abnimmt. Ein Allgemeininteresse an zuverlässigen Bonitätsbewertungen sei aber ist nicht von der Hand zu weisen. Red.

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