NEGATIVZINSEN II

Per Strafzins zur Wertpapierkultur

Wertpapieranlage als Alternative zum Verwahrentgelt gewinnt an Akzeptanz Quelle: Investors Marketing

Die Zeiten, in denen Kreditinstitute fast flächendeckend beteuerten, Negativzinsen für Privatkunden "so lange wie möglich" vermeiden zu wollen, sind endgültig vorbei. Immer mehr Institute bewerten das als nicht mehr möglich. So ist es kein Wunder, dass die Thematik einer Umfrage von Investors Marketing zufolge 86 Prozent der Bankkunden bekannt ist. Noch vor zwei Jahren waren es erst zwei Drittel. Unter jungen Kunden zwischen 18 und 29 Jahren herrscht zwar auch weiterhin ein hoher Grad an Unkenntnis. Von ihnen hat fast jeder Dritte (31,3 Prozent) noch nichts von Verwahrentgelten gehört. Bei den über 60-Jährigen hingegen wissen 60 Prozent um die Zahlungsverpflichtung von Banken gegenüber der EZB. Dass sich Ältere offenbar intensiver mit dem Thema befasst haben, muss vermutlich nicht verwundern. Schließlich sind es meist nicht die ganz Jungen, deren Sparguthaben an Volumina heranreichen, die von Negativzinsen betroffen sind.

Mehr als die Hälfte der Sparer (54 Prozent) rechnet der Umfrage zufolge damit, von Strafzinsen auch in Zukunft nicht betroffen zu sein. 1,9 Prozent zahlen heute schon Verwahrentgelte - ein Anteil, der demnächst vielleicht deutlich ansteigen könnte. Immerhin wurden 14,9 Prozent bereits von ihrer Bank auf Strafzinsen angesprochen, zahlen bislang jedoch nichts. Und weitere 29,2 Prozent erwarten, dass ihre Bank sie in den nächsten sechs Monaten diesbezüglich kontaktieren wird.

Auf die Frage nach der wahrscheinlichen Reaktion auf die Einführung von Verwahrentgelten, von denen sie persönlich betroffen wären, steht noch immer der Wechsel zu einer anderen Bank an erster Stelle. 45 Prozent der Befragten würden auf diese Weise versuchen, den Negativzinsen auf ihre Einlagen zu entgehen. Das sind allerdings deutlich weniger als noch vor zwei Jahren. 2019 hatten noch 52 Prozent den Bankwechsel als Ausweichreaktion genannt. Offenbar sind viele Kunden inzwischen realistisch genug, um zu erkennen, dass nicht nur die Auswahl an Banken ohne Verwahrentgelte kleiner geworden ist, sondern dass auch bei ihnen die Wahrscheinlichkeit wächst, dass sie dem Branchentrend hierbei folgen werden.

Die "Umerziehung" vom Sparen zum Investieren scheint dagegen zu funktionieren: Die Akzeptanz von Wertpapieren als Option zur Umgehung von Strafzinsen ist seit 2019 von 22 auf 40 Prozent gestiegen. Bei Kunden mit einem großen Anlagevermögen von mehr als 300 000 Euro ist dieser Anteil mit 54,4 Prozent besonders hoch. Auch bei den jungen Kunden können sich 50,6 Prozent ein Umschichten in Wertpapiere vorstellen.

Für die Banken ist das sicher eine gute Nachricht - vor allem mit Blick auf die nach wie vor überschaubare Akzeptanz der Negativzinsen, für die 60 Prozent der insgesamt 1 000 befragten Finanzentscheider ab 18 Jahren mit einem Haushaltsanlagebetrag von mindestens 25 000 Euro keinerlei Verständnis haben: Der Widerstand bröckelt. Dass die Sparer auf dem Umweg über den Negativzins nolens volens zum Wertpapiersparen kommen, stärkt die Wertpapierkultur, wenngleich es sicher besser wäre, die Menschen würden aus Überzeugung in Aktien und Fonds investieren.

Wertpapieranlage als Alternative zum Verwahrentgelt gewinnt an Akzeptanz Quelle: Investors Marketing

Obwohl Kreditinstitute versuchen, Einlagen in Wertpapierdepots umzulenken, geben rund 30 Prozent der Befragten an, von ihrer Bank noch nie auf Wertpapiere angesprochen worden zu sein. Wirklich überraschen muss das nicht: Es wird in erster Linie eine Kapazitätsfrage sein. Schließlich ist es naheliegend, dass die Banken ihre Kundschaft nach der Höhe ihrer Einlagen von oben nach unten abarbeiten. Wenn sie damit schon zu zwei Drittel durch sind, ist das doch gar nicht so schlecht. Red.

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