NACHHALTIGKEIT

Wer seine Überzeugungen "verkauft"

Quelle: pixabay.com

Junge Leute gelten als besonders nachhaltigkeitsorientiert. Zumindest bei der Geldanlage ist dahinter weltweit ein Fragezeichen zu machen. Denn die sogenannten Millennials - Menschen zwischen 18 und 37 Jahren - investieren zwar häufiger in Nachhaltigkeitsfonds als andere Altersgruppen (51 versus 44 Prozent). Sie sind jedoch stärker als andere Altersgruppen bereit, entgegen ihren Überzeugungen zu investieren, solange die Rendite stimmt. Das geht aus der Schroders Global Investors Study 2020 hervor, für die im April 2020 insgesamt 23 000 Anleger in 32 Märkten befragt wurden, die in den kommenden zwölf Monaten mindestens 10 000 Euro (oder den Gegenwert in einer anderen Währung) anlegen wollen und in den letzten zehn Jahren Änderungen an ihren Investments vorgenommen haben.

Dabei zeigte sich: Je älter die Menschen sind, umso gefestigter sind ihre Überzeugungen auch gegenüber finanziellen Anreizen. Die Bereitschaft, in Anlagen zu investieren, die den eigenen Überzeugungen widersprechen, sinkt demnach mit dem Alter kontinuierlich. Am höchsten ist sie bei den 18- bis 37-Jährigen, von denen jedem Vierten die Rendite wichtiger ist, am niedrigsten fällt sie mit 16 Prozent bei den über 71-Jährigen aus.

In Deutschland ist es allerdings umgekehrt: Hierzulande würden nur 18 Prozent der Millennials zwischen 18 und 37 Jahre entgegen ihren Überzeugungen investieren, jedoch 20 Prozent der Generation X (zwischen 38 und 50 Jahre) und 25 Prozent der Babyboomer (zwischen 51 und 70 Jahre). Damit Anleger Abstriche bei ihren persönlichen Werten machen, müsste die Rendite allerdings hoch sein. Weltweit nannten Anleger dafür eine Rendite von 21 Prozent.

Generell hängt die Bereitschaft, die Rendite vor die eigenen Überzeugungen zu stellen, auch von den Kapitalanlagekenntnissen ab. Dabei gilt: Je informierter die Anleger, umso eher würden sie ihre Überzeugungen für mehr Rendite "verkaufen". Unter den Anfängern würden das nur 18 Prozent tun, unter denjenigen, die ihre Kenntnisse als durchschnittlich bewerten, 20 Prozent. In der Gruppe jener Anleger, die sich selbst als fortgeschritten oder sachkundig einschätzen, sind es hingegen 29 Prozent. Allerdings ist diese Zielgruppe mit 44 Prozent auch am häufigsten der Meinung, dass nachhaltige Fonds mehr Rendite bieten als andere. Für die Branche heißt das: Mehr Aufklärung tut Not.

Wer Europa für den Musterschüler in Sachen Sustainable Finance hält, sieht sich durch die Studie zumindest teilweise eines Besseren belehrt. So ist die Quote derjenigen Anleger, die für mehr Rendite entgegen ihren Überzeugungen investieren würden, in China mit 10 Prozent mit Abstand am niedrigsten, Italien folgt mit 18 Prozent. Deutschland belegt mit einer Quote von 21 Prozent gemeinsam mit den Niederlanden den fünften Platz.

Auch mit Blick auf die Quote derjenige Anleger, die eher in nachhaltige Fonds investieren als in solche, die keine Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, hat Europa noch Nachholbedarf. Sie liegt in Europa mit 44 Prozent deutlich niedriger als in Asien (49 Prozent) und Amerika (52 Prozent). Deutsche Anleger tragen immerhin zur Ehrenrettung bei: Von ihnen investieren 49 Prozent immer oder häufig in nachhaltige Fonds, weitere 32 Prozent zumindest gelegentlich und lediglich 19 Prozent selten oder nie. An den Renditeerwartungen nachhaltiger Fonds kann das nicht liegen. Denn in Deutschland ist die Ansicht, dass diese eine höhere Rendite erwirtschaften als Fonds ohne Nachhaltigkeitskriterien, mit 37 Prozent deutlich weniger verbreitet als in der Gesamtstichprobe (42 Prozent). Dagegen finden 51 der befragten Deutschen (weltweit sind es 47 Prozent, in Österreich allerdings 60 Prozent) nachhaltiges Investieren aufgrund der Auswirkungen auf die Umwelt interessant. Vielleicht sind die Deutschen also doch eher Überzeugungstäter. Dieses Potenzial sollte die Branche nutzen. Red.

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