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Die Banken haben die Zeichen der Zeit erkannt

Dorothee Bär, Foto: 2018 tokography_Tobias Koch

Die These, dass Fintechs Banken über kurz oder lang überflüssig machen würden, scheint sich nicht zu bewahrheiten, sagt Dorothee Bär. Zwar lässt sich nicht pauschal beurteilen, ob die Geschäftsmodelle der Kreditinstitute flexibel genug sind. Die Branche hat jedoch die Zeichen der Zeit erkannt und stellt sich dem digitalen Wandel - beispielsweise durch Kooperationen mit Fintechs. Bei all dem sollte allerdings niemand zurückgelassen werden, so der Appell von Dorothee Bär an die Kreditwirtschaft. Es braucht also auch Lösungen für technisch weniger versierte Kunden. Red.

Das Internet und die Digitalisierung haben bereits viele Wirtschaftsbereiche massiv verändert und machen auch vor der Finanzbranche keinen Halt. Denken Sie nur einmal daran, wie die Digitalisierung das Banking in den letzten Jahren verändert hat: Früher habe ich Überweisungsträger händisch ausgefüllt und in den Briefkasten eingeworfen oder am Schalter abgegeben.

Danach habe ich Überweisungen an einem SB-Terminal getätigt. Dann kam das Online-Banking am heimischen Computer. Heute kann ich mit meinem Smartphone an nahezu jedem Ort und zu jeder Zeit in Sekundenschnelle eine Überweisung in Auftrag geben oder bezahlen. Mithilfe von Chatbots verbessert sich das Kundenerlebnis. Diese Entwicklung fasziniert mich und sie macht mich neugierig auf die Zukunft.

Fintechs, also Unternehmen, die innovative Technologien mit Finanzdienstleistungen verbinden, befördern die Digitalisierungsdynamik in der Finanzbranche. Sie zielen darauf ab, den Kundennutzen durch Vorteile wie leichte Bedienbarkeit, Effizienz, Transparenz oder Automatisierung zu erhöhen.

Fintechs schaffen neue Möglichkeiten

Durch innovative Produkte und Dienstleistungen schaffen sie neue Möglichkeiten und können einen wesentlichen Beitrag leisten, um Finanzkunden den Alltag zu erleichtern. Das sehen wir bereits heute in verschiedenen Bereichen:

- Im Segment Finanzierung reduzieren sie den Aufwand für Privatpersonen und Unternehmen durch die Vermittlung von Krediten.

- Im Segment Anlageberatung und Vermögensverwaltung besteht neben der Anlageberatung in der Bankfiliale heute auch die Option, eine digitalisierte, automatisierte Anlageberatung und Vermögensverwaltung (sogenannte "Robo Advisors") zu nutzen.

- Innovative Software- oder Appbasierte Dienstleistungen erleichtern zudem die private Finanzplanung.

- Im Segment Zahlungsverkehr schaffen Fintechs im Bereich E-Commerce neue Optionen bei der Zahlungsabwicklung.

Datenschutz bringt einen Wettbewerbsvorteil

Der Erfolg von Fintechs hängt davon ab, dass auch in Zukunft innovative Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden. Ich höre in diesem Zusammenhang immer wieder, Deutschland sei ein schwieriger Markt, beispielsweise, weil die Deutschen beim Thema Datenschutz besonders sensibel sind.

Viele Menschen zögern beispielsweise, Bezahldienste zu nutzen, weil sie unsicher sind, was mit ihren Daten passiert. Das bedeutet jedoch im Umkehrschluss, innovative Produkte und Dienstleistungen, die ein hohes Maß an Datenschutz gewährleisten, haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Banken werden nicht überflüssig

Wenn es um das Verhältnis von Banken zu Fintechs geht, war eine weitverbreitete These vor einigen Jahren, Fintechs würden Banken in absehbarer Zeit überflüssig machen. Diese Annahme scheint sich nicht zu bewahrheiten.

Die Frage nach dem Verhältnis von Banken zu Fintechs wird heute nach wie vor lebhaft diskutiert. Dabei stellen sich oft reflexartig die gleichen Fragen: Freunde oder Feinde? Konkurrieren oder kooperieren? Wird das Geschäftsmodell ergänzt oder ersetzt? Diese Fragen lassen sich nicht pauschal beantworten, der Trend deutet jedoch in Richtung verstärkte Kooperation.

Beim Verhältnis von Fintechs zu Banken geht es auch um die Frage, inwiefern die Geschäftsmodelle der Banken geeignet sind, um den fundamentalen Veränderungen in der Finanzwirtschaft zu begegnen, ob sie innovativ, schnell und flexibel genug sind, um Bankdienstleistungen an veränderte Kundenerwartungen anzupassen. Weil das Geschäftsmodell bankspezifisch ist, lässt sich auch diese Frage nicht pauschal beantworten. Mein Eindruck ist, dass die Banken die Zeichen der Zeit erkannt haben: Das Thema Digitalisierung ist einer der Topprioritäten, die Investitionen in diesem Bereich sind hoch. Einige Institute setzen sich zudem mit agilen Arbeitsmethoden auseinander.

Vorteile von Fintechs und Banken ergänzen sich

Bei der Anpassung an veränderte Kundenerwartung spielen Schnelligkeit und Flexibilität eine entscheidende Rolle. Es geht darum, als Erster einen digitalen Service anzubieten, als Erster eine innovative App an den Markt zu bringen. In der Finanzbranche spielt jedoch auch Vertrauen eine entscheidende Rolle. Vertrauen ist die Grundlage jeder Geschäftsbeziehung. Ohne Vertrauen kann kein Unternehmen langfristig erfolgreich sein. Der Kunde will sich beispielsweise darauf verlassen können, dass die verwendete App sicher ist. Daraus ergibt sich ein schwieriger Spagat für Banken und Fintechs.

Fintechs gelten allgemeinhin als agiler und kundenfokussierter als Banken. Wenn es um Schnelligkeit geht, sind sie tendenziell im Vorteil. Durch teilweise langjährige Geschäftsbeziehungen mit ihren Kunden genießen Banken jedoch ein hohes Maß an Vertrauen. Sie sind finanzstark und haben eine große Kundenbasis. Das sind entscheidende Wettbewerbsvorteile, die man nicht aus dem Auge verlieren sollte. Da sich die Vorteile von Fintechs und Banken gut ergänzen, ist der Trend hin zu mehr Kooperation durchaus nachvollziehbar.

Alle drei Säulen des Bankensystems ziehen mit

Der verstärkte Austausch zeigt sich in jeder der drei Säulen des deutschen Bankensystems:

- So hat sich der Bundesverband deutscher Banken beispielsweise bereits 2017 weiter für Unternehmen aus der Fintech-Szene geöffnet. Im Projektausschuss Digital Banking, einem hochkarätigen Gremium auf Ebene der Chief Digital Officer der Banken und führenden Köpfen der deutschen Fintech-Szene, wird das Querschnittsthema Digitalisierung noch weiter vorangetrieben.

- Mit der Symbioticon, einer Fusion aus Konferenz, Hackathon und Networking-Event, hat das Sparkassen Innovation Hub ein Tech-Festival etabliert, das als interaktiver Treffpunkt für Entwickler, Kreative, Fintechs, Finanzprofis und Speaker aus unterschiedlichen Branchen fungiert.

- Auch zahlreiche Genossenschaftsbanken kooperieren mit Fintechs.

Diese Entwicklung finde ich spannend. Ich denke, diese Kooperationen haben großes Potenzial für die Digitalisierung der Finanzbranche.

Auch das Bundesministerium der Finanzen hat das Potenzial erkannt und lässt Veränderungen der Finanzbranche durch Experten begleiten und hat daher im März 2017 den Fintech-Rat ins Leben gerufen. Der Fintech-Rat berät das Ministerium zu Fragen der digitalen Finanztechnologie, insbesondere zu (informations-)technologischen Entwicklungen, ihren Potenzialen sowie zu Chancen und Risiken. Der Fintech-Rat setzt sich aus 29 Mitgliedern zusammen. Dabei handelt es sich um Vertreter von Fintechs, Banken und Versicherungen sowie Wissenschaftlern, die zur Digitalisierung des Finanzsektors forschen.

Es ist mir ein wichtiges Anliegen, beim rasch voranschreitenden digitalen Wandel niemanden zurückzulassen. Ich denke, das liegt auch im Interesse von Banken und Fintechs. Sicherlich werden innovative digitale Produkte und Dienstleistungen zunächst von technisch versierten Kunden in Anspruch genommen. Es gilt aber auch, Lösungen für Kunden zu entwickeln, die technisch weniger versiert sind, aber dennoch Interesse an innovativen Produkten und Dienstleistungen haben. Denn: Der Mensch steht im Mittelpunkt der Digitalisierung.

Der digitale Wandel der Finanzbranche wird maßgeblich durch den Bedarf der Verbraucher nach digitalen Lösungen bestimmt. Ich denke, der Erfolg von Fintechs und Banken hängt maßgeblich davon ab, die Bedürfnisse der Menschen zu erkennen und einfache, nutzerfreundliche, personalisierte und vertrauenswürdige, also sichere Lösungen anzubieten.

Insbesondere beim Thema Zahlungsverkehr sehe ich den Aufbau nutzerfreundlicher Lösungen mit hoher Marktakzeptanz als Alternative zu den Angeboten der Bigtechs als große Herausforderung für die deutsche Finanzbranche. Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Institutsgruppen sowie Kooperationen zwischen Banken und Fintechs scheinen mir hier ein vielversprechender Weg. Ich glaube an Innovationen made in Germany und ich bin optimistisch, dass die deutsche Finanzbranche diese Herausforderungen meistern und auch in Zukunft innovative Lösungen liefern wird.

Dorothee Bär, MdB, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, Berlin
Dorothee Bär , MdB, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, Berlin
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