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Bankwerbung: Abschied von Stereotypen

Jacqueline Bourke, Foto: Getty Images

Visuelle Kommunikation spielt in der digitalen Welt eine wachsende Rolle, sagt Jaqueline Bourke - und damit auch die Auswahl der richtigen Bilder. Der Geschäftsmann im Anzug ist seit der Finanzkrise in der Bankwerbung weniger gefragt - er kommt bei den Adressaten nicht gut an. Im Trend liegen stattdessen Motive, die zwischenmenschliche Interaktion zum Ausdruck bringen, gerne auch mit echten Mitarbeitern. Nachholbedarf hat die Kommunikation von Banken nach Einschätzung der Autorin noch bei Diversität. Die sei wichtig, damit sich möglichst alle Kunden angesprochen fühlen. Red.

Der deutsche Finanzmarkt ist in Bewegung: Neue Wettbewerber mit digitalen Geschäftsmodellen treten in den Markt ein und Angebote verändern sich rasant schnell. Verbraucher können bei der Vielzahl der Möglichkeiten schnell den Überblick verlieren: Es gibt eine solche Menge an Optionen, in Fonds zu investieren, Girokonten mit den unterschiedlichsten Konditionen zu eröffnen oder Sparkonzepte zu wählen, dass es den Kunden bei den vielen Namen und Portfolios schwerfallen kann, zu differenzieren. Die Folge: Sie verlieren sich im Dschungel der Möglichkeiten, die Unternehmen werden für sie schlicht austauschbar. Einer Finanzmarke verbunden fühlen sich heutzutage vermutlich nur noch wenige Verbraucher.

Das bedeutet: Für Banken und Finanzdienstleister werden visuelle Kommunikation und die Wahl von relevanten Botschaften zu einem enorm wichtigen Instrument, um die Beziehung zu bestehenden Kunden zu verstärken und Neukunden von sich zu überzeugen. Sie müssen sich durch ihre Werbung und Kommunikationsmaßnahmen klar vom Wettbewerb abgrenzen.

Wie dies gelingen kann, hat Getty Images in den vergangenen zwei Jahren untersucht. Dazu hat das Team nicht nur die Bilder und Videos, welche zu den Topsellern im Financial Services Bereich gehören sowie die Suchbegriffe auf der Website, sondern auch die Brand Guidelines von internationalen und deutschen Unternehmen aus dem Finanzsektor analysiert. Acht Interviews mit globalen Brand Managern, eine Analyse durch die AI-Plattform Cortex, die ein Partner von Getty Images ist, und eine Studie bei Verbrauchern, welche Getty Images zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen Yougov durchgeführt hat, runden die Ergebnisse ab.

Nur elf Prozent der Deutschen vertrauen auf Bankwerbung

Wichtige Grundlagen für die Entwicklung oder Neuausrichtung der Kommunikation zeigt die repräsentative Umfrage unter deutschen Verbrauchern auf. Sie illustriert deutlich, wie die derzeitige Situation auf dem Finanzmarkt aussieht:

- Gerade einmal elf Prozent der Deutschen empfinden Werbung als hilfreich bei der Entscheidung für einen Anbieter aus der Finanzbranche, die Unternehmenswebsite hat mit 18 Prozent einen ähnlich niedrigen Stellenwert.

- Viel wichtiger sind für die Verbraucher persönliche Empfehlungen, beispielsweise von Freunden und Familie (43 Prozent) oder die Angaben auf Vergleichsportalen (31 Prozent).

Ob nun die Vielzahl der Angebote oder strukturelle Veränderungen der Grund sind - Fakt ist: 34 Prozent aller Befragten glauben, in den vergangenen sechs Monaten keine Werbung für Produkte und Services aus dem Finanzsektor gesehen zu haben. Weitere 19 Prozent können sich nicht bewusst daran erinnern. Wird die Werbung "gesehen", bleibt sie nicht in der Erinnerung haften. Zusammengefasst: Banken und Finanzdienstleister stehen vor einer immensen Herausforderung. Zu einer Zeit, in der die direkte Kommunikation über eigene Kanäle mit Endverbrauchern an Bedeutung zunimmt, um sich vom Wettbewerb abgrenzen zu können, dringen die Botschaften der Unternehmen schlichtweg nicht zur Zielgruppe durch.

Visuelle Botschaften hinterfragen

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche investieren in Deutschland tatsächlich immer mehr Geld in Werbung. So stieg laut Werbemarktanalyse Banken 2018 das Werbevolumen hierzulande zwischen 2016/17 und 2017/18 von 657 auf rund 700 Millionen Euro. Das entspricht einem Plus von fast sieben Prozent innerhalb von einem Jahr. Mehr als 50 Prozent dieser Werbung wird zudem im deutschen Fernsehen ausgestrahlt, auf Platz zwei liegen Online-Werbebanner - die Unternehmen nutzen also auch die reichweitenstärksten Kanäle für sich.

Damit sich die Investition in Kommunikation auch im positiven ROI widerspiegelt, müssen die Inhalte von Verbrauchern also nicht nur gesehen, sondern bewusst als informativ und vertrauenswürdig wahrgenommen werden. Finanzdienstleister müssen ihre visuellen Inhalte und Botschaften deshalb stark hinterfragen und überdenken. Doch wie kann dies erfolgreich gelingen?

Finanzkrise als Zäsur in Sachen Vertrauen

Dass Vertrauen eine Schlüsselposition für Marken aus dem Finanzsektor einnimmt, wird vielen Kommunikationsverantwortlichen bekannt sein. Interessant wird es allerdings, wenn man sich anschaut, wie Vertrauen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten von den Unternehmen visuell dargestellt wurde.

Am eindrucksvollsten ist das Beispiel der Finanzkrise 2008. Dominierten Anfang der 2000er zuerst noch Darstellungen von glücklichem häuslichen Leben und die Darstellung von Frauen nahm zu, stellt die Finanzkrise dann eine Zäsur dar: Als das Vertrauen der Verbraucher regelrecht erschüttert waren, tauchte "Guru Joe", wie wir ihn nannten, auf: ein Mann mittleren Alters und mit kaukasischem Aus sehen, der oft einen Anzug trägt, und mit anderen Männern mittleren Alters und weißer Hautfarbe interagiert. Die Botschaft dahinter soll klar aussagen: Wir waren schon vor der Krise da und haben das Fachwissen und die Kompetenz, unsere Kunden auch durch schwerere Zeiten zu begleiten. Von den Kunden wurde dies allerdings nicht angenommen - es entstand ein großer Mangel an Vertrauen. Die Marken spürten, dass sie nahbarer werden mussten. Die Figur verschwand aus der Kommunikation und Bilder mit einem Look und Feel, dem man sich mehr verbunden fühlen konnte, fanden Einzug in die Kommunikation.

Der typische Geschäftsmann kommt nicht mehr an

Der typische Geschäftsmann kommt nicht mehr gut bei Endkunden an. Die Männer in Anzügen schnitten dabei ab 2016 eher schlecht ab, sie erzeugen kein Vertrauen, keine Nähe und Identifikation mehr. Was allerdings gut funktioniert, so zeigt eine aktuelle Analyse von Daten aus 2018, sind Bilder von Menschen, die zusammenarbeiten und Kollektivität verkörpern. Dies bestätigt auch die Untersuchung der Brand Guidelines der Kunden von Getty Images, die im Finanzsektor tätig sind.

Emotionen zu zeigen und Menschen, die an der Erreichung eines gemeinsamen Zieles arbeiten, sind derzeit immens wichtig, um Identifikation und Vertrauen bei Endkunden zu schaffen. Die Relevanz von Vertrauen zeigt sich auch in der Bildsuche auf der Getty Images Website: In Deutschland nahm die Suche nach dem Begriff allein im letzten Jahr um 40 Prozent zu.

Innovation illustrieren - ein Gesicht vor Augen

Auch die Umfrage unter deutschen Verbrauchern belegt, wie Vertrauen durch Nähe und persönlichen Kontakt entstehen kann: Obwohl Digitalisierung in aller Munde ist, die Internetnutzung (beispielsweise laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2018) stetig steigt und Social-Media-Plattformen boomen, kommunizieren noch immer 45 Prozent, also knapp die Hälfte aller Bundesbürger, am liebsten von Angesicht zu Angesicht mit ihrem Finanzdienstleister und vereinbaren beispielsweise einen Termin mit ihrem persönlichen Betreuer. Nur knapp dahinter liegen mit 41 Prozent E-Mail- Nachrichten und mit 40 Prozent Telefongespräche - also ebenfalls die di rekte, bilaterale Interaktion auf eher klassischen Kommunikationskanälen. Mit drei beziehungsweise vier Prozent liegen private Chats und öffentliche Postings auf sozialen Kanälen weit abgeschlagen: Nur wenige Verbraucher nehmen diese Möglichkeiten aktiv wahr.

Gleichzeitig haben, wie eingangs beschrieben, digitale Geschäftsmodelle und neue Technologien mittlerweile einen großen Einfluss auf den Finanzsektor. Viele Unternehmen möchten ihre Kompetenzen auf diesem Feld deshalb auch in ihrer Kommunikation darstellen. Allein in Deutschland sind die Suchen nach dem Begriff "Innovation" auf der Getty Images Website im vergangenen Jahr um neun Prozent gestiegen.

Fügt man also die Ergebnisse der Umfrage und die Präferenzen der Unternehmen zusammen, ist Folgendes wichtig zu sehen: Wenn es um finanzielle Fragen geht, haben die Menschen bei aller Liebe zur innovativen Kommunikation noch immer am liebsten ein Gesicht vor Augen und damit eine reale Person, mit der sie ihre Wünsche, Ansprüche und vielleicht auch Sorgen besprechen können.

Relevanz von Menschen als Visuals ist erkannt

Besonders zwischenmenschliche Interaktionen sind für die Kunden wichtig und sollten deshalb auch bei Visuals, welche Technik und Innovationen zeigen, nicht außer Acht gelassen werden. Die Message lautet: Technologie kann Menschen dabei helfen, ein erfülltes Leben zu leben. Die Unternehmensmarke sollte also auch bei der Darstellung von neuen Technologien Menschen, idealerweise reale und damit authentische Personen, in den Mittelpunkt stellen.

Zudem ist eine Differenzierung des eigenen Unternehmens wichtig, um eine Abgrenzung zum Wettbewerb zu schaffen. So stellen beispielsweise sämtliche Brand Guidelines, die im Rahmen der Recherche analysiert wurden, Storytelling mithilfe von Menschen in den Vordergrund. Die Relevanz haben Unternehmen also bereits erkannt.

Weniger ist mehr

Wichtig ist nun, dies in Maßnahmen zu überführen und dies darüber hinaus auf eine frische und vor allem nicht klischeehafte Art zu tun. Dazu gehört beispielsweise der Leitsatz "weniger ist mehr":

Einfache Kompositionen von Menschen, die zusammenarbeiten, funktionieren ideal. Dazu kommt, dass die Bilder auch in verschiedenen Größen und Ausschnitten nutzbar sein sollten. Bei der Erstellung können Unternehmen also auf Multi-Format-Design achten.

Echte Mitarbeiter in der Werbung wirken

Ungestellte, realitätsnahe und natürliche Bilder, mit denen sich die Zielgruppen identifizieren können, bilden den Schlüssel, um eine Verbindung zwischen Kunde und Finanzdienstleister herzustellen. Einfach gesagt:

Die dargestellten Personen sollten auf der einen Seite das Unternehmen als authentischen Berater in allen Lebenslagen darstellen. Dies ist beispielsweise möglich, indem echte, reale Mitarbeiter in der Werbung gezeigt werden. Die Kunden bekommen so ein besseres Gefühl dafür, wer sich um ihre Finanzen kümmert.

Auf der anderen Seite sollten abgebildete Personen auch das realistische Kundenspektrum der Bank oder des Dienstleisters darstellen.

Nachholbedarf bei Diversität

Die gute Nachricht ist: Wir sehen Diversität bereits in den Fokus rücken. Ein Bild einer Frau mit nicht-kaukasischem Aussehen war sowohl in Deutschland als auch global das am meisten gedownloadete Bild auf der Getty Images Website von Kunden aus dem Finanzsektor (Bild auf Seite 18). Auf der an deren Seite müssen Marken ihre Bemühungen im Bereich Diversität noch verstärken.

Nur neun Prozent aller Deutschen geben an, schon einmal Menschen mit Behinderung in der Werbung von Banken und Finanzdienstleistern gesehen zu haben. Und dies, obwohl laut einem Bericht des statistischen Bundesamtes Ende 2017 fast jeder zehnte Deutsche mit einer Schwerbehinderung lebt. So ist diese Bevölkerungsgruppe derzeit noch stark unterrepräsentiert.

Auch Alleinerziehende wurden nur von sechs Prozent der Befragten wahrgenommen, LGBTQI+ Individuen sogar lediglich von vier Prozent. Und doch gehören diese Menschen genauso zu den Kunden von Banken und Finanzdienstleistern.

Durch das genaue Eingehen auf diverse Zielgruppen können Unternehmen also sicherstellen, dass ihre Kommunikation eine Vielzahl von Verbrauchern inkludiert und direkt anspricht. In anderen Worten: Wie in allen Branchen ist es wichtig, die Abbildung von Stereotypen zu verhindern. Das betrifft sowohl die Darstellung von Endverbrauchern selbst als auch die der Mitarbeiter. Nur dadurch wird die Kommunikation authentisch und realistisch - und bleibt im Gedächtnis haften.

Jacqueline Bourke, Senior Manager Creative Insights & Planning, Getty Images, Inc., London
Jacqueline Bourke , Senior Manager Creative Insights & Planning, Getty Images, Inc., London

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