RECHTSFRAGEN

Bereitstellungsprovision - sittlich gerechtfertigt oder nicht?

Matthias Vöcking, Foto: privat

Mit Urteil vom 12.10.2021 - Az. 17 U 545/20 - hat das Oberlandesgericht Karlsruhe eine Banken-AGB-Klausel über eine viertelprozentige monatliche Bereitstellungsprovision als Preisbestandteil nicht AGB-rechtlich geprüft, für sittlich unbedenklich gehalten und die Revision nicht zugelassen. Der Beitrag untersucht das Urteil näher und beleuchtet die Folgen für Banken und Sparkassen ebenso wie für die Darlehensnehmer. Red.

Eine Bank hatte im Rahmen ihrer AGB eine viertelprozentige monatliche Bereitstellungsprovision zugrunde gelegt. Ein Verbraucherverein hat die Klausel prüfen lassen. Das OLG Karlsruhe kam zu dem Ergebnis, die Klausel sei als Preisbestandteil nicht AGB-rechtlich kontrollfähig. Ein Verstoß gegen die guten Sitten sei zu verneinen. Vielmehr setzen Bereitstellungsleistungen den Beurteilungsrahmen dafür, ob das geforderte Entgelt sittenwidrig überhöht sei. Die Revision hat das OLG nicht zugelassen. Der Beitrag geht auf die Argumentation des Urteils näher ein.

Viertelprozentige monatliche Bereitstellungsprovision ein nicht AGB-rechtlich kontrollfähiger Preisbestandteil?

Auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen dürfen die Hauptleistungspflichten frei bestimmt werden. Bei Klarheit und Verständlichkeit sind Bedingungen, die vom Gesetz weder abweichen noch dieses ergänzen, nicht kontrollfähig.1)

Eine gerade AGB-rechtliche Problematik der Vereinbarung hat das OLG Karlsruhe zu Recht verneint.

Ist die viertelprozentige monatliche Bereitstellungsprovision sittlich bedenkenfrei?

Das OLG Karlsruhe gelangt zur Bedenkenfreiheit der Bereitstellungsprovision, indem es nur die Bereitstellungsentgelte als taugliche Vergleichsmaßstäbe annimmt. Solange die Vergütung, gemessen an Bereitstellungsentgelten, nicht sittenwidrig überhöht ist, komme eine Sittenwidrigkeit nicht in Betracht. Ferner müsse in der Niedrigzinsphase die Grenze des doppelten beim Entgelt gelockert werden. So wie in der Hochzinsphase die Verdoppelung des Hochzinses nicht gefordert wird, sondern eine absolute Abweichung bereits ausreicht. Ein Spread der Immobilienkreditkonditionen von 3 Prozentpunkten sei nach Ansicht des Senates hinzunehmen.2)

Wertungswidersprüche vermeiden

Es müssen bei der Beurteilung von Bereitstellungsprovisionen Wertungswidersprüche vermieden werden. Insbesondere zur Nichtabnahmeentschädigung bei vertragswidriger Nichtabnahme des vereinbarten Darlehens. So begrenzt § 502 Absatz 3 BGB die Vorfälligkeitsentschädigung bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen auf 1 Prozent des zurückgezahlten Kapitals, wenn das Kapital nicht innerhalb eines Jahres ab der vorzeitigen Rückzahlung zurückzuzahlen ist, bei fälliger Rückzahlung innerhalb eines Jahres auf 0,5 Prozent.3) Ist der vom Darlehensnehmer zu entrichtende Zins bis zur vereinbarten Rückzahlung geringer, ist dieser Zins maßgeblich.4)

Bei der Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode liegt der finanzielle Nachteil des Darlehensgebers in der Differenz zwischen den Zinsen, die der Darlehensnehmer bei Abnahme des Darlehens tatsächlich gezahlt hätte und der Rendite, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln ergibt. Der Differenzbetrag ist um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten zu vermindern und auf den Zeitpunkt der Leistung der Nichtabnahmeentschädigung abzuzinsen (BGHZ 136, 161 (171)).5)

Der vom Schuldner tatsächlich bei Darlehensabnahme gezahlte Zins stellt die Obergrenze wenigstens dann dar, wenn die Darlehensabnahme von ihm endgültig verweigert worden ist.6) Ein größerer Schaden ist aufgrund stärkerer Einschränkung bei Anlage des brachliegenden Kapitals wegen des weiterhin beanspruchten Abrufungsrechts des Schuldners nicht ausgeschlossen, vom Gläubiger aber darzulegen. Warum ist der Schaden größer als der Zins bei der vorgesehenen Anlage, wenn auch noch vermiedene Risikokosten und Verwaltungskosten abzuziehen und die vereinnahmten Zinseinnahmen abzuzinsen sind?

Schadensminderung kann so weit gehen, dass ein Geschädigter zur Schonung des Schädigers den Arbeitsplatz wechseln muss. Grundsätzlich ist der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen der Zumutbarkeit an Umschulungsmaßnahmen teilzunehmen. Ein Bejahen der Pflicht setzt (nur) voraus, es besteht eine Aussicht, die Umschulung ist erfolgreich und eine nutzbringende Tätigkeit in dem neuen Beruf ist möglich.7)

Auch der Gläubiger schuldet in einer mit dem Schuldner einvernehmlich eingegangenen Sonderverbindung jedenfalls kein geringeres Schadensminderungsengagement als ein Geschädigter, der ohne seine Zustimmung über die Verletzung hinaus in die Verlegenheit gebracht wird, im Interesse des Schädigers Schadensminderungsengagement zu entfalten.

Die freie Verfügung der Geschäftsführung über Einlagemittel ist dann nicht ausgeschlossen, wenn mit dem Einlagebetrag ein Darlehenssaldo zurückgeführt wird, der die Linie eines der Gesellschaft eingeräumten Rahmenkredites nicht überschreitet. Denn in diesem Falle steht der Gesellschaft weiterhin Liquidität in Höhe des gezahlten Einlagebetrages zur Verfügung.8)

Soweit wenigstens in Höhe des brachliegenden Darlehenskapitals die Bank Kredite bei der EZB zum Spitzenrefinanzierungssatz aufnimmt und bei zwischenzeitlicher Rückführung wieder aufnehmen kann, ist wenigstens diese Chance zu nutzen, den Schaden zu mindern. So wie der Einlagebetrag der Geschäftsführung zur Verfügung steht, steht auch der zurückgeführte Kredit zum Spitzenrefinanzierungssatz der Bank zur Verfügung, wenn das Darlehen vom Schuldner später abgerufen wird.

Folgen der Nullzinsen

Mit geldpolitischem Beschluss der EZB vom 10. März 2016 wurde der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte auf null Prozent und die Spitzenrefinanzierungsfazilität auf 0,25 Prozent abgesenkt.9) Auf dieser Höhe liegen die Zinssätze noch immer.10) Die viertelprozentige Spitzenrefinanzierungsfazilität ist, wenn die Bank wenigstens in Höhe des Darlehenskapitals an dem Verfahren bei der EZB partizipiert, ebenso wie vermiedene Risiken und Verwaltungskosten von den Zinsen abzuziehen und die Differenz ist auf den Zeitpunkt der Nichtabnahmeentschädigungsleistung abzuzinsen.

Bedenkenfrei ist die viertelprozentige monatliche Bereitstellungsprovision nicht. Sie schließt nicht aus, die Bank verdient aus der Nichtabnahme des Darlehens. Das geschuldete Schadensminderungsengagement der Bank kann nicht hinter den Pflichten zurückbleiben, die selbst ein Deliktsgeschädigter im Interesse des Schädigers auf sich nehmen muss. Wenn das Gesetz die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung nicht beschränkt, wird die Bank neben vermiedenen Verwaltungs- und Risikokosten auch mit der Spitzenrefinanzierungsfazilität verzinstes Fremdkapital der EZB bis zur Höhe des Darlehens zurückführen müssen.

Wird das Darlehen abgerufen, kann die Bank das Fremdkapital bei der EZB zur Spitzenrefinanzierungsfazilität wieder aufnehmen. Dies gilt wenigstens solange nicht mit einem Anstieg der Zinsen gerechnet werden muss. Infolge Corona sind die (konsolidierten) Staats schulden der Länder der Eurozone allein von 2019 auf 2020 von 83,6 Prozent auf 97,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen.11) Vorläufig ist mit einem Anstieg der Zinssätze nicht zu rechnen. Die EZB nimmt auf die Schuldentragfähigkeit der Mitgliedsstaaten Rücksicht.

Die Nichtzulassung der Revision durch das Oberlandesgericht Karlsruhe:

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Revision nicht zugelassen. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt das Vorliegen einer bedeutsamen, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage voraus, auf die es für die Entscheidung in der Sache ankommt.12) Das OLG Karlsruhe beruft sich nicht auf eine höchstrichterliche Erkenntnis. Es führt vielmehr aus: Vielmehr müsste in Niedrigzinsphasen - spiegelbildlich zur Hochzinsphase eine absolute Abweichung des effektiven Vertragszinses vom marktüblichen Effektivzins als Grenze zur Sittenwidrigkeit herangezogen werden, wobei nach Ansicht des Senats ein Spread der Immobilienkreditkonditionen von 3 Prozentpunkten hinzunehmen wäre.

Ob das spiegelbildliche Anwenden eines absoluten Abweichens des effektiven Vertragszinses vom marktüblichen Effektivzins in Hoch- wie Niedrigzinsphasen angebracht ist, ist eine bedeutsame Rechtsfrage.

Für die Sachentscheidung kommt es auf das Beantworten dieser Frage an. Der herkömmliche relative Vergleich, nur für die Hochzinsphase ist ein die Sittenwidrigkeit vorverlegendes absolutes Abweichen etabliert, gelangt hier zur Sittenwidrigkeit. Nur weil das OLG eine spiegelbildliche Anwendung der absoluten Abweichung befürwortet, gelangt es zur Rechtfertigung des viertelprozentigen monatlichen Bereitstellungsentgeltes.

Höchstrichterliche Klärung wäre wünschenswert

Höchstrichterlich geklärt ist das Anwenden einer absoluten Abweichung in der Niedrigzinsphase, die Sittenwidrigkeit zurücknimmt, nicht. Die Rechtsfrage ist auch bedeutsam. Für ihre Verneinung spricht, gerade in Zeiten billigen Geldes stiftet die Risikoübernahme wesentlichen Kundennutzen. Solange das Kapital nicht abgerufen wird, in der Kontrolle des Gläubigers verbleibt, entfällt diese Komponente einer Darlehensgewährung völlig. Dagegen ist der erwartete Geldwertverlust und der Preis für Konsumverzicht in den vereinbarten Zins eingepreist. Gemessen an dem erwarteten Schadensminderungsengagement eines Geschädigten ist das Zurückführen mit der Spitzenrefinanzierungsfazilität vergüteten Fremdkapital sowie der Abzug vermiedener Risiko- und Verwaltungskosten sowie ein Abzinsen der Differenz auf den Zeitpunkt der Entschädigungszahlung für Gläubiger nicht unzumutbar. Wesentlich schlechter stehen sie zwingend, wenn die Vergütung auf 1 Prozent oder 0,5 Prozent beschränkt ist.

Es wäre notwendig gewesen, die Revision aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. An die Revisionszulassung wäre der Bundesgerichtshof nach § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO gebunden.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat zu Recht in dem betrachteten Urteil angenommen, die bestimmte Bereitstellungsprovision für ein nichtabgerufenes Darlehen unterliege keiner AGB-rechtlichen Kontrolle.

Die Nichtzulassung der Revision war fehlerhaft. Aufgrund grundsätzlicher Bedeutung hätte die Revision zugelassen werden und dem BGH eine höchstrichterliche Klärung ermöglicht werden müssen. In seinem Urteil beruft sich das OLG darauf, spiegelbildlich müsste auch in der Niedrigzinsphase ein absolutes Abweichen nicht wie in der Hochzinsphase genügen, sondern erforderlich sein, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen. Nach Ansicht des Senates sei ein dreiprozentiger Spread hinzunehmen.

Die viertelprozentige Bereitstellungsprovision ist sittlich bedenklich. Sie lässt, da den vereinbarten Zins sogar übersteigend, ein Verdienen des Gläubigers am Nichtabrufen des Darlehens zu. Schadensminderungsengagement, wie es die Rechtsprechung auch von Verletzten eines Deliktes noch über ihre Beschwer und ohne jede Selbstbestimmung zugunsten des Täters fordert, gilt erst Recht im rechtsgeschäftlichen Bereich. Von dem zu erwartenden Darlehenszins sind jedenfalls neben ersparten Risiko- und Verwaltungskosten auch der vermiedene Zins in Höhe der Spitzenrefinanzierungsfazilität abzuziehen, wenn entsprechendes Fremdkapital der EZB seitens des Kreditinstitutes bis zum Abrufen des Darlehens zurückgeführt wird.

Fußnoten

1) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Eine gerade AGB-rechts widrige Vereinbarung liegt nicht vor. Möglich ist ein Verstoß gegen die guten Sitten, der aber nicht gerade AGB-rechtliche Bedenken begründet.

2) Vgl. Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 12.10.2021 Aktenzeichen 17 U 545/20 Leitsätze 2 und 3.

3) § 502 Abs. 3 Nr. 1 BGB.

4) § 502 Abs. 3 Nr. 2 BGB.

5) Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. November 2000 XI ZR 27/00 Urteilsseite 10; 2 a) aa) = BGHZ 146, 5.

6) Darum hat das Oberlandesgericht als Vorinstanz den Bereitstellungszins als eigenen Abzugsposten abgelehnt, ihn aber als Teil der Nichtabnahmeentschädigung gewährt. Der Bundesgerichtshof stützt den Anspruch ebenda auf positive Forderungsverletzung.

7) Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Oktober 1990 VI ZR 291/89 Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1991, 1412.

8) Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 18. März 2002 Az. II ZR 363/00 Amtliche Entscheidungssammlung (BGHZ) Band 150, Seite 197.

9) Europäische Zentralbank | Eurosystem Geldpolitische Beschlüsse; 10. März 2016 https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2016/html/pr160310.de/html

10) Zinsschritte der Europäischen Zentralbank (EZB) www.leitzinsen.info/eurozone.htm

11) D-Statis Statistisches Bundesamt Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung: Schuldenstandsquoten der EU-Mitgliedstaaten, Bruttoschulden (konsolidiert) in Prozent des Bruttoinlandsproduktes, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnung-Inlandsprodukt

12) Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. Mai 2015 1 BvR 2096/13 NJW 2015, 2173.

Matthias Vöcking , Assessor, Philippsthal
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