Regulierung

EU-Einlagensicherung und Bankenunion konstruktiver diskutieren

Prof. Dr. Axel Wieandt, Honorarprofessor, WHU Otto Beisheim School of Management, Vallendar

Die Etablierung einer europäischen Einlagensicherung stärkt die Finanzstabilität im gemeinsamen Währungsraum, so Axel Wieandt. Anstatt den Vorschlag komplett abzulehnen, sollte sich die Diskussion auf konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung und Ausgestaltung konzentrieren. Fehlanreizen durch eine gemeinsame Einlagensicherung könne insbesondere durch eine risikokalibrierte Kalkulation der Versicherungsprämien sowie durch die Zusammenlegung mit dem europäischen Abwicklungsmechanismus entgegengewirkt werden. Und auch die Institutssicherung der beiden deutschen Verbünde könnte bei der Prämienberechnung berücksichtig werden. Red.

Die Entwicklungen in Italien im Zuge der Parlamentswahlen im Frühjahr und der Bildung einer links- und rechtspopulistischen Regierung unter der Führung von Guiseppe Conte haben deutlich gemacht, dass die Eurozone anfällig bleibt für Versuche von Mitgliedsstaaten, aus dem fiskalischen Korridor der Eurozone auszubrechen. Auch der sogenannte "doom loop", also die Verschränkung der Kursentwicklungen von Staatsanleihen und Bankaktien und -anleihen eines Landes ist noch nicht durchbrochen, wie sich an den Marktreaktionen in Italien im Frühjahr ablesen lässt. Während die Spreads der BTPs sich deutlich ausweiteten, rauschten italienische Bankaktien und -anleihen in den Keller.

Die Entwicklung an den Märkten machte aber nicht an der italienischen Grenze halt, sondern griff auf die Kapitalmärkte in der Eurozone und auch den Außenwert der gemeinsamen Währung über. Keine Wunder, denn obwohl der überwiegende Teil der italienischen Staatsanleihen im Inland liegt, haben insbesondere französische und deutsche Banken erhebliche Exposure in italienischen Schuldtiteln.

Um derartige Ansteckungsgefahren in der Eurozone zu bannen, hat die europäische Staatengemeinschaft die Bankenunion eingeführt.1) Die Bankenunion ruht auf drei Säulen, dem Single Supervisory Mechanism (SSM) als gemeinsame Aufsicht, dem Single Resolution Mechanism (SRM) als einheitlichen Abwicklungsmechanismus und einer europäischen Einlagensicherung, dem European Deposit Insurance Scheme (EDIS), dessen Einführung bisher am Veto - insbesondere auch aus Deutschland - gescheitert ist. Dieser Beitrag versucht, ausgehend von der Bedeutung von Einlagensicherungssystemen für die Finanzstabilität im All gemeinen, die Entwicklung konkreter Vorschläge für eine europäische Einlagensicherung nachzuzeichnen, um sich dann mit den deutschen Vorbehalten auseinanderzusetzen. Auf dieser Grundlage werden dann konkrete Voraussetzungen formuliert, unter denen die Einrichtung einer gemeinsamen Einlagensicherung für alle Beteiligten von Vorteil erscheint. Im Kern geht es darum, die Debatte um eine europäische Einlagensicherung konstruktiv zu führen.

In diesem Zusammenhang kommt der risikoadäquaten Kalibrierung der Versicherungsbeiträge auf gesamteuropäischer Ebene eine zentrale Bedeutung zu. Sie erlaubt es, die Unterschiede - insbesondere auch in puncto Staatsanleihen Exposures und Non-Performing Loans (NPLs) - in den Beitragssätzen abzubilden und schafft somit einen starken Anreiz zur Eingrenzung und zum Abbau der entsprechenden Exposures.

Banken sind inhärent fragil

Das moderne Finanzsystem in der westlichen Welt ist quasi eine "Public Private Partnership". Die Schaffung von Buchgeld hat der Staat weitgehend an private Banken delegiert. Die Vergabe von Banklizenzen ist entsprechend an strenge Vorgaben gebunden und Banken müssen sich einer strikten Regulierung und Aufsicht unterwerfen.

Banken sind inhärent fragile Gebilde. Die Fragilität liegt insbesondere in der Fristentransformation und den damit verbundenen Risiken begründet. Täglich verfügbare Spareinlagen werden durch Banken in langfristige, illiquide Kreditverträge transformiert. Somit stehen Banken als Intermediäre zwischen Sparern und Unternehmen.

Die Bilanzen von Banken sind im Gegensatz zu den Bilanzen anderer Marktakteure durch hohe Verschuldung gekennzeichnet. Das macht Banken besonders anfällig für Probleme bei der Rückzahlung von Krediten und/oder dem schnellen Abzug von Einlagen im Zuge eines "Bank Runs". Dabei kommt es nicht darauf an, ob es zu tatsächlichen Kreditausfällen gekommen ist. Gerüchte über Verluste reichen bei Banken aus, um das Vertrauen der Einleger zu erschüttern und einen Bank Run auszulösen. Erforderliche Fire-Sales von Vermögensgegenständen führen zu Verlusten, sodass sich eine Liquiditätskrise schnell in eine Solvabilitätskrise wandeln kann.

Einlagensicherung reicht zur Erhöhung der Finanzstabilität nicht aus

An dieser inhärenten Fragilität von Banken setzt die Einlagensicherung an. Durch die Erhöhung des Vertrauens der Anleger, dass ihre Einlagen auch in einem solchen Krisenszenario zurückgezahlt werden, werden die Anreize zum Abziehen von Einlagen bei vermuteten Solvenzproblemen reduziert. Die Einlagensicherung kommt also insbesondere kleineren Banken zugute, die eben nicht von impliziten Staatsgarantien profitieren.

Allerdings gibt es auch - wie bei jeder Art von Versicherung - Risiken für Fehlanreize, sogenannter "Moral Hazard". Insbesondere die Aktionäre könnten auf eine Erhöhung von Risiken drängen, denn die Einlagensicherung wirkt wie eine Put-Option2) für sie. Je höher die Volatilität auf der Assetseite der Bankbilanz, desto höher der Wert dieser Put-Option. Sollten dann die Verluste so groß sein, dass das Eigenkapital der Bank aufgezehrt ist, können die Eigentümer einfach "die Schlüssel zur Bank bei der Einlagensicherung abgeben". Auch Einleger haben mit einer Einlagensicherung weniger Anreize, die Bank "zu überwachen".

Deshalb reicht eine funktionierende Einlagensicherung allein nicht aus, um die Finanzstabilität nachhaltig zu erhöhen. Es bedarf in der Regel einer effektiven Regulierung, einer strengen Aufsicht und einem "Lender of Last Resort" um die Finanzstabilität abzusichern. Und die Einlagensicherung sollte so ausgestaltet werden, dass das "Moral-Hazard-Risiko" eingegrenzt wird, insbesondere durch

- umfangreiche Prüfungs- und Eingriffsrechte für die Einlagensicherung,

- Risiko-basierte Versicherungsbeiträge,

- klare Sicherungsgrenzen und

- entsprechende Selbstbehalte sowie

- gegebenenfalls auch entsprechende Freistellungserklärungen der Eigentümer.

Etablierte Systeme

Einlagensicherungssysteme haben sich erst im letzten Jahrhundert als Teil der Finanzinfrastruktur in der westlichen Welt etabliert. In den USA wurde das Einlagensicherungssystem in den dreißiger Jahren eingeführt, davor gab es häufiger Bankenkrisen und "Bank Holidays". Es dauerte bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts, bis sich Einlagensicherungssysteme auch in anderen westlichen Ländern etablierten: 1980 gab es Einlagensicherungssysteme in 20 Ländern, 2003 waren es schon 87 Länder und 2013 dann 112 Länder mit Einlagensicherungssystemen.3) Seit Ende der neunziger Jahre empfiehlt auch der IWF die Einführung von Einlagensicherungssystemen zur Erhöhung der Finanzstabilität.

In der EU wurden 1994 Vorgaben zur Minimum-Harmonisierung der nationalen Einlagensicherungssysteme verabschiedet:

- Mindestschutzniveau von 20 000 Euro pro Einleger,

- Selbstbehalt von maximal 10 Prozent,

- keine Deckung für Interbankeinlagen, Kapitalinstrumente und Einlagen im Zusammenhang mit Geldwäsche.

Auf Vorgaben zur Verwaltung, Finanzierung und Prämiengestaltung wurde hingegen verzichtet.4)

Stand der Gesetzgebung auf europäischer Ebene

Im Zuge der globalen Finanzkrise und der sich anschließenden Eurokrise wurden die Vorgaben für die nationalen Einlagensicherungssysteme in der EU verschärft. Durch die Richtlinie zur Einlagensicherung von 2014 wurde die Grundsicherung für Sparer in Europa weiter verbessert.5) Die nationalen Einlagensicherungssysteme in der EU müssen jetzt mindestens 100000 Euro je Einleger und Bank absichern. Dieser Betrag erhöht sich auf bis zu 500 000 Euro für Einlagen, die für die Lebensführung des Einlegers von besonderer Bedeutung sind (zum Beispel der Erlös aus dem Verkauf der selbst genutzten Immobilie).

Bis 2024, so die Vorgabe der Richtlinie, sollen die nationalen Sicherungssysteme Mittel in Höhe von 0,8 Prozent der Spareinlagen angesammelt haben, zur Vorfinanzierung möglicher Schäden. Die Auszahlungsfrist im Einlagensicherungsfall wurde auf sieben Tage verkürzt. Banken müssen ihren Kunden bessere Informationen zur Einlagensicherung zur Verfügung stellen. Die Richtlinie ist aber noch nicht in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt.

Im Zuge der Einführung der Bankenunion hat die EU-Kommission 2015 den Entwurf einer Verordnung vorgelegt, nach dem ein einheitliches europäisches Einlagensicherungssystem (European Deposit Insurance Scheme - EDIS) die nationalen Einlagensicherungssysteme in drei Phasen ersetzen soll.6) Im Kern steht der Aufbau eines European Deposit Insurance Funds (DIF). Der DIF hat eine Zielgröße von 0,8 Prozent der besicherten Einlagen, was per 2011 46 Milliarden Euro entspricht, also rund 5,8 Milliarden Euro Beiträge pro Jahr über einen Zeitraum von acht Jahren.

Der Aufbau dieses Fonds soll "kostenneutral" für die Banken erfolgen, das heißt die entsprechenden Beiträge zum DIF sollen von den Beiträgen für die nationalen Einlagensicherungssysteme abgezogen werden. Verwaltet werden sollte der DIF durch das Single Resolution Board. Voraussetzung für einen Beitritt ist die Umsetzung der Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD) in dem jeweiligen Land.

Die EDIS-Einführung soll in drei Phasen erfolgen, einer Rückversicherungsphase bis 2020, einer Mitversicherungsphase ab 2020 und der vollen Gemeinschaftsversicherung ab 2024. In der Rückversicherungsphase sichert EDIS nur die Spitzen ab, und zwar die Verluste, welche die Kapazität der nationalen Einlagensicherungssysteme übersteigen, bis zu einer Höhe von 20 Prozent der abgesicherten Einlagen. In dieser Phase werden die nationalen Einlagensicherungssysteme bereits von dem Single Resolution Board überwacht. Die Beiträge zum DIF werden auf nationaler Ebene kalibriert.

In der Mitversicherungsphase beginnt die Verlustübernahme bei Einlagensicherungsfällen mit dem ersten Euro der Verluste und steigt von 20 Prozent Verlustübernahme im Jahr 2020 auf 80 Prozent Verlustübernahme im Jahr 2023 an. Ab dieser Phase werden die risikobasierten Prämien nicht mehr auf nationaler Ebene, sondern innerhalb der gesamten Bankenunion kalibriert.

Mit Beginn der Gemeinschaftsversicherung ab 2024, so der Entwurf der Verordnung, werden alle Verluste ab dem ersten Euro zu 100 Prozent vom DIF abgedeckt. Offen ist, ob der European Stability Mechanism (ESM) als Back-Stop für den SRM/DIF fungieren soll.

2017 hat die EU-Kommission die Verordnung abgeschwächt, um den Kritikern entgegenzukommen.7) In der Rückversicherungsphase finanziert EDIS jetzt nur noch Verluste; weitere Risikoreduktion, insbesondere Abbau von NPLs, Level 3 Assets, und Ähnliches ist Voraussetzung für den Beginn der Mitversicherungsphase. Und für den Beginn der Gemeinschaftsversicherungsphase gibt es keinen festen Zeitpunkt mehr.

Vorteile einer gemeinsamen Einlagensicherung

Die Einführung einer gemeinsamen Einlagensicherung in Europa hat eine Reihe von offensichtlichen Vorteilen:

- Eine größere Einlagensicherung bringt Risikodiversifikations- und Versicherungseffekte durch Vergrößerung der Haftungsmasse.

- Sie verhindert die grenzüberschreitende Verschiebung von Einlagen, insbesondere im Krisenfall.

- Sie zerschlägt den "Devilish Nexus" (zusammen mit der entsprechenden Risikogewichtung von Staatsanleihen) und verhindert so ein Übergreifen von Staatsschuldenkrisen auf die Banken.

- Schließlich hilft sie auch, die Anforderungen an den Liquiditätspuffer zu reduzieren und so die Freiräume für langfristige Kreditvergabe zu erhöhen.

- Und letztlich ermöglicht sie effizienteres Cross-Border-Banking und erhöht die Irreversibilität der Europäischen Währungsunion.

Risikosensitive Versicherungsbeiträge vermeiden Transferunion

Dennoch ist die Umsetzung der Verordnung bisher am Veto aus Deutschland gescheitert. Von den Bankenverbänden werden vor allem vier Argumente gegen eine gemeinsame Einlagensicherung ins Feld geführt, die sich allerdings nicht zwingend als stichhaltig erweisen.

Zum einen wird darauf hingewiesen, dass eine gemeinsame Einlagensicherung Anreize für "Risikotransfer" schafft und konkret den Peripherieländern Staatsfinanzierung zulasten der Einlagensicherung ermöglicht. In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff "Transferunion" benutzt. Dieser Hinweis ist aber dann nicht mehr stichhaltig, wenn die Einführung der Einlagensicherung Hand in Hand mit einer weiteren Risikoreduzierung beziehungsweise der Erhebung risikosensitiver Versicherungsbeiträge geht.

Prämienberechnung: Institutssicherung kann berücksichtigt werden

Zum anderen kommt insbesondere aus dem Lager der Genossenschaftsbanken und Sparkassen der Vorwurf, dass die Absenkung des Sicherungsniveaus auf 100 000 Euro je Einleger nicht mit der Institutssicherung vereinbar seien.

Abgesehen davon, dass auch die Einlagensicherung der Sparkassen und privaten Banken Lücken in der Finanzkrise offenbart hat, was sich an staatlichen Rettungsmaßnahmen im Landes- und Privat-Bankensektor ablesen lässt, kann die Institutssicherung durchaus auch bei der Bemessung der Prämien berücksichtigt werden. Der Genossenschaftssektor und die Sparkassenverbände würden aus Sicht der europäischen Einlagensicherung quasi als ein Institut betrachtet werden. Die jeweiligen Sicherungseinrichtungen müssten sich aber auf jeden Fall der Kontrolle durch die europäische Einlagensicherung unterwerfen.

Anreizprobleme lassen sich eingrenzen

Schließlich werden rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Verordnung vorgebracht. Es steht der Vorwurf des Übergehens der nationalen Gesetzgeber beziehungsweise des Verstoßes gegen das Subsidiaritäts- und Proportionalitätsprinzip im Raum. Analog der Einführung beim SRM könnte auch hier ein Inter Governmental Agreement (IGA) greifen.

Zu allerletzt wird auch noch die grundsätzliche Frage nach einer privaten Lösung aufgeworfen. Letztlich ist EDIS ja eine privat finanzierte Versicherung in der Trägerschaft einer europäischen Behörde. Die ohne Zweifel durch Einlagensicherungssysteme generell beförderten Anreizprobleme können aber durch eine risikoadjustierte Berechnung der Versicherungsprämien für die einzelnen Institute eingegrenzt werden. Es kommt also nicht zum "Brandlöschen durch Benzin", sondern, um in dem Bild zu bleiben, zum Einziehen von Brandmauern.

Diskussion konstruktiver führen

Wenn man die Diskussion verfolgt, erscheinen die Argumente gegen eine europäische Einlagensicherung im Kern auf die Angst vor exzessivem Risikotransfer von Süd nach Nord zurückzugehen. Befürchtet wird ein Kontrollverlust. Unterschwellig kann man fundamentale Vorbehalte gegen das Projekt Europa und die Gemeinschaftswährung wahrnehmen.

Die deutschen Banken sollten ihre Verweigerungshaltung aufgeben und die Diskussion über eine europäische Einlagensicherung wieder konstruktiver führen: Es sollte nicht um das "Ob", sondern das "Wie" gehen: Wie und unter welchen Bedingungen wollen wir eine europäische Einlagensicherung einführen?

Risikotransfer - Ergebnisse einer Auswirkungsstudie

In diesem Zusammenhang ist eine jüngste Auswirkungsstudie der EZB interessant, die dem Vorwurf des Risikotransfers nachgeht.8) Grundlage sind die Bilanzen von 1 675 Banken per Ende 2015, die rund 75 Prozent der Gesamtaktiva der Banken in der Eurozone ausmachen. Ein europäischer Einlagensicherungsfonds mit einem ex ante Volumen von 0,8 Prozent der gesicherten Einlagen würde ausreichen, um vollen Versicherungsschutz in Krisenfällen zu gewähren.

Wenn in einem gemäßigten Krisenszenario 3 Prozent der "riskantesten" Banken 15 Prozent der Aktiva im Rahmen einer Abwicklung verlieren, müsste es keine Auszahlungen geben. Bei einem durchschnittlichen Verlust von 20 Prozent der Aktiva käme es zu 3 Milliarden Euro Auszahlungen. Selbst in einem verschärften Krisenszenario, in dem 10 Prozent der "riskantesten" Banken im Rahmen einer Abwicklung Verluste in Höhe von 20 Prozent der Aktiva tragen müssten, käme es nur zu 30,4 Milliarden Euro Auszahlungen (von insgesamt 38 Milliarden Euro im Fonds). Keine systematische Benachteiligung kleiner Banken.

Entscheidend ist, dass bei der Bemessung der Versicherungsprämien die Risikoprofile einzelner Banken und damit die Unterschiede zwischen den nationalen Bankensystemen auf europäischer Ebene kalibriert werden. Dabei kommt es aber nicht nur auf den Risikogehalt der Aktivseite an, sondern auch auf die Höhe der verlusttragenden Verbindlichkeiten.

Systematische Benachteiligung kleinerer Banken oder eine systematische Quersubventionierung von einzelnen Bankensystemen konnte nicht festgestellt werden. Ein gemischtes System, in dem die nationalen Sicherungssysteme zunächst die Schäden abfedern, bevor die europäische Einlagensicherung in Anspruch genommen wird, führt eher zu einer Quersubventionierung, weil dann die anteiligen nationalen Beiträge (zum Beispiel bis zu 0,4 Prozent der gesicherten Einlagen) nicht mehr auf europäischer Ebene kalibriert würden.

Die Gründe für die Ergebnisse liegen zum einen in der bereits erfolgten signifikanten Risikoreduktion in den Bankbilanzen und dem Anstieg der verlustragenden Verbindlichkeiten, die im Abwicklungs- und damit auch im Einlagensicherungsfall nachrangig zu den gesicherten Einlagen stehen.

Nicht alle Aspekte berücksichtigt

Als Einschränkung der Auswirkungsstudie müssen berücksichtigt werden, dass

- die Stichprobe in den Krisenländern Zypern und Irland unterrepräsentiert ist,

- die Methodik zur Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeiten (PD) von Banken noch nicht validiert ist und

- mögliche Ansteckungsgefahren nicht berücksichtigt werden (zum Beispiel wenn Anleger in Deutschland das Vertrauen in die europäische Einlagenversicherung verlieren würden, wenn es im Ausland zu größeren Krisen- und damit Versicherungsfällen kommt, die den Fonds aushöhlen könnten).

Noch offen und final zu kalibrieren ist in jedem Fall die genaue Bemessung risikoadjustierter Beitragszahlungen.

Anreize zum Risikoabbau schaffen

Als Fazit lässt sich festhalten: Die Etablierung einer europäischen Einlagensicherung stärkt die Finanzstabilität im gemeinsamen Währungsraum. Anstatt den Vorschlag komplett abzulehnen, sollte sich die Diskussion auf konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung und Ausgestaltung konzentrieren.

Entscheidend ist zum einen die risikoadäquate Kalibrierung der Versicherungsprämien auf europäischer Ebene. Banken in der Peripherie müssen also höhere Beiträge zahlen, weil sie zum Beispiel mehr Non-Performing Loans und riskantere Staatsanleihen in ihren Bilanzen haben. So werden umgekehrt Anreize zum Risikoabbau geschaffen.

Zusammenlegung mit dem Abwicklungsmechanismus

Ein konsequenter nächster Schritt wäre dann zum anderen die Zusammenlegung des europäischen Einlagensicherungsfonds mit dem Abwicklungsmechanismus zu einer European Deposit Insurance and Restructuring Agency (EDIRA). Eine solche Institution hätte schon aus Eigeninteresse einen hohen Anreiz, frühzeitig und konsequent Restrukturierungs- und Abwicklungsmaßnahmen einzuleiten, um die Mittel der Einlagensicherung selber zu schützen. Entsprechend der Hierarchie der Verbindlichkeiten in der Bankbilanz schützt der Bail-in nämlich vorrangig die Mittel der Einlagensicherung.

Mit dem expliziten Backing durch den ESM könnte eine solche Institution dann die gleiche Schlagkraft wie die US-amerikanische Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) entfalten und so die dringend erforderliche strukturelle Bereinigung der europäischen Bankenlandschaft durch vermehrte Bankenschließungen und grenzüberschreitende Fusionen beschleunigen. Ein solches Szenario bietet sicherlich auch attraktive Wettbewerbschancen für die heimische Finanzindustrie.

Die Reaktionen der Finanzmärkte auf die jüngsten politischen Ereignisse in Italien haben gezeigt, dass die Eurokrise noch nicht vollständig überwunden ist. Im Geist von Jean Monnet sollten wir die Krise nutzen, um Europa voranzubringen und die Einlagensicherung endlich auf die europäische Ebene heben.

Fußnoten

1) European Commission (2012): Communication from teh Commission to the European Parliament and the Council, "A Roadmap towards a Banking Union", COM (2012) 510 final, 9.9.2012.

2) Vgl. Merton, Robert (1977): An Analytic Derivation of the Cost of Deposit Insurance and Loan Guarantees, in: Journal of Banking and Finance (1), pp 3-11.

3) Vgl. Demirgüc-Kunt, A. Kane, E. and Laeven, L. (2008): Deposit Insurance Design and Implementation: Policy Lessons from Research and Practice, in Demirgüc-Kunt, A., Kane, E. and Laeven, L. (Hrsg.): Deposit Insurance around the World - Issues of Design and Implementation, the MIT Press, Cambridge, MA, London, England, pp. 3-26. Und Demirgüc-Kunt, A. Kane, E. and Laeven, L. (2014): Deposit Insurance Database, IMF Working Paper, WP/14/118, July.

4) Vgl. Directive 94/19/EC of the European Parliament and the Council of 30 May1994 on deposit-guarantee schemes, O.J.L., 31.5.1994, pp 5-14.

5) Vgl. European Commission (2014): Deposit Guarantee Schemes - Frequently Asked Questions, MEMO/14/296.

6) Vgl. European Commission (2015): Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Central Bank, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions, "Towards completion of the Banking Union", COM(2015) 587 final, Strasbourg, 23.11.2015.

7) Vgl. European Commission (2017): Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Central Bank, the European Economic and Social Committtee and the Committee of the Regions,"On completing the Banking Union", COM(2017) 592 final, Brussels, 11.10.2017.

8) ECB Occasional Paper Series No. 208 / April 2018: Carmassi, J., Dobkowitz, S., Evrard, J., Parisi, L., Silva, A., and Wedow, M.: Completing the Banking Union with a European Deposit Insurance Scheme: who is afraid of cross-subsidization?

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag auf dem 18. Kapitalmarktforum am 21. Juni in München.

Zum Autor Prof. Dr. Axel Wieandt, Honorarprofessor, WHU Otto Beisheim School of Management, Vallendar
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