DIGITALISIERUNG

Mit innovativen Methoden zu mehr Kundenservice

Ulrich Hoffmann, Foto: Zendesk

Kundenservice darf in der Finanzindustrie nicht länger auf das Serviceangebot in den Bankfilialen beschränkt werden. Sondern um der anspruchsvoller gewordenen Kundschaft der Digital Natives das bestmögliche Service Erlebnis zu bieten, rät der Autor dazu, ein digitales Service und Helpdesk zu installieren, das Hilfe zur Selbsthilfe mit Chatbots und gegebenenfalls der Überleitung an einen Mitarbeiter verbindet. Wichtig dabei ist die kanalübergreifende Konsistenz, um möglichst konkret auf das jeweilige Anliegen eingehen zu können. Red.

Die Herausforderungen deutscher Banken sind bekannt und haben sich in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verändert. Die wichtigste Einnahmequelle innerhalb des Geschäftsmodells, der Zinsüberschuss, existiert kaum; die Provisionserträge stagnieren. Für einige Institute wird die Luft immer dünner. Das zeigen auch die Monatsstatistiken der Bundesbank.

Der Blick auf die Kosten des Filialnetzes ist naheliegend. Denn längst sind nicht alle kostenintensiven Projekte der digitalen Transformation abgeschlossen. Zudem sind ständig neue regulatorische Vorgaben auch in Prozessen und technischen Systemen umzusetzen. In diesen Bereichen bietet sich somit kaum die Option, Kosten weiter zu senken. Neben den allgemeinen Änderungen des Umfelds sind zudem neue Mitbewerber in Form der Fintechs aufgetaucht. Die jungen Unternehmen, teilweise großzügig mit Venture-Kapital ausgestattet, operieren losgelöst von Bremsen wie Legacy-Systemen und kostenintensiven Filialnetzen. Als "Digital Natives" ist ihr größter Vorteil, dass sie vom ersten Tag an agil sind. Ganz offensichtlich treffen die jungen Anbieter aber einen Nerv bei der Kundschaft, was der Zulauf bei den Kontoeröffnungen zeigt.

Vorbild Fintechs?

Eine Konsequenz des Rückzugs aus der Fläche besteht darin, dass "Banking" sich in den digitalen Raum verlagert. Und dort spielen die Neobanken auf der großen Klaviatur des Online-Marketings. Die Kontoeröffnung ist mit wenigen Handbewegungen auf dem Smartphone abgeschlossen, inklusive der ebenfalls digital durchgeführten Identitätsprüfung. So verwundert es nicht, dass die Bankverbindungen von den Kunden noch nie so häufig gewechselt wurden. Eine Tendenz, die sich in der Corona-Krise noch verstärkt hat.1)

Auf Basis der im Zuge der PSD2 Richtlinien umgesetzten Schnittstellen bieten die Neobanken zudem häufig einen sehr einfachen Wechselservice an. Das von älteren Generationen vorgelebte Prinzip der "Hausbank" oder "ersten Bankverbindung" wird zunehmend obsolet, falls es denn überhaupt noch besteht. Was traditionellen Instituten zu denken geben sollte, ist der hohe Anteil an Kunden, die sich sogar vorstellen könnten, ein Girokonto bei Amazon, Apple oder Google zu eröffnen. Laut Bitkom sind das unter den 16- bis 29 Jährigen 50 Prozent. Die vor bald 30 Jahren als Provokation von Bill Gates geäußerte These "Banking is necessary, banks are not" scheint sich als Prophezeiung zu erfüllen.

Gen Z und "Banking"

Umfragen und Studien, die sich mit den Erwartungen und Befindlichkeiten der Generationen der Millennials, Generation Y und Generation Z beschäftigen, dürften mittlerweile ganze Regalmeter füllen. Abseits der dort geäußerten Eigenwahrnehmung lassen sich rein auf Basis von Beobachtung schon Präferenzen feststellen.

Für die jüngeren Generationen ist das Smartphone der Mittelpunkt des Lebens. Es ist gleichzeitig Informations- und Unterhaltungsquelle, Einkaufsplattform und Shopping-Begleiter und dient den Menschen auch als Mittel der Selbstdarstellung. Eine wichtige Rolle spielen im Alltag die sozialen Netzwerke, die ganz verschieden, aber täglich genutzt werden.

Neue Generationen sind technologieoffen und verfügen über entsprechende Erfahrungen mit technischen Geräten, Apps und Services. Von daher können sie auch beurteilen, wann etwa eine App eine gute Nutzererfahrung bietet. Und weil die genannten US- Konzerne in ihren Produkten genau das anbieten, ist die Schwelle niedrig, von diesen Firmen auch Finanzdienstleistungen zu nutzen. Eine reibungslose und bequeme Kundenerfahrung und Convenience gehört hier einfach dazu. Ob im E-Commerce oder auch in Sachen Finanzen soll alles möglichst einfach sein, am besten zu jeder Zeit und von überall verfügbar.

Kundenservice als Basis für neue Erlösquellen

Banken, Finanzdienstleister und Versicherungen zeigen sich aktuell gleichermaßen offen gegenüber dem Plattformgedanken. Das strategische Ziel in vielen Unternehmen lautet, Teil von Ökosystemen zu werden oder als Orchestrator eines eigenen Ökosystems aufzutreten, um darüber die Bindung der Kundschaft zu erhöhen, mehr Touchpoints zu generieren und letztlich weitere Erlösquellen zu erschließen. Schließlich liegt es auf der Hand, dass die Reduzierung von Kosten ein Ende finden wird und als alleinige Maßnahme die Ertragssituation nicht verbessern kann.

Technologie und Digitalisierung bilden hier die Basis. Kreativität und Agilität in der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Services bauen darauf auf. Allerdings sind potenzielle Wettbewerber nur eine Wischgeste und einen Fingertipp entfernt. Damit die Kunden ein Angebot gern und häufig nutzen, muss die Nutzererfahrung überzeugen. Und das umfasst mehr als reine technische Funktionen.

In der Finanzwirtschaft spielt auch Vertrauen eine entscheidende Rolle. Vertrauen in diesem Zusammenhang beinhaltet nicht nur, dass die Kunden das Gefühl haben müssen, dass ihre Einlagen geschützt sind und verantwortungsvoll mit ihren persönlichen Daten und Informationen umgegangen wird. Sondern Vertrauen speist sich auch aus dem Gefühl der Verlässlichkeit heraus. Die Kundschaft will sicher sein, dass das Unternehmen verlässlich an ihrer Seite steht, bei Fragen und Problem erreichbar ist und schnell reagiert. Und dies am besten rund um die Uhr, was durch Automatisierung unterstützt wird.

Wer unter diesem Aspekt einmal die Angebote vieler Fintechs untersucht, wird rasch feststellen, dass es den jungen Playern gelingt, genau dieses Gefühl zu vermitteln. Ein wichtiger Baustein, um dieses Gefühl zu schaffen, nimmt der Kundenservice ein.

Hilfe zur Selbsthilfe

Um im Kundenservice, nicht nur bei den besonders anspruchsvollen jüngeren Zielgruppen zu überzeugen, geht es um mehr als nur darum, wahllos technische Lösungen zu etablieren und ziellos unzählige Touchpoints zu eröffnen. Es bedarf einer individuellen Strategie, die sich anhand von einigen Leitfragen ableiten lässt.

  1. Über welche Kanäle kommunizieren die Kunden am häufigsten? Sind es E-Mail, Telefon oder Social Media? Wie sieht die zeitliche Verteilung der Anfragen aus?
  2. Welche Informationen erhalten die Kunden, um Probleme selbstständig lösen zu können?
  3. Welche Optionen gibt es für die Kunden, um mit den Mitarbeitern in Kontakt zu treten, um etwa Feedback und Kritik zu übermitteln?

Hilfe zur Selbsthilfe ist für viele Kunden wichtig. Wer sich dafür entscheidet, ein Konto bei einer Neobank zu eröffnen, weiß, dass es kein Filialnetz gibt, das im Zweifel genutzt werden kann. Für sein Geld selbst die Verantwortung zu übernehmen, dürfte bei der Entscheidung für Finanz Apps Gewicht haben. Sich im Zweifel bei Problemen selbst zu helfen, sich auch selbstständig über Produkte und Services zu informieren, kommt diesen Kunden entgegen.

Die Etablierung eines digitalen Service- und Help-Centers geht auf die Bedürfnisse dieser Personen ein. Die Inhalte sollten einfach via App und Website zugänglich sein. Dazu gehört mehr als eine umfassende Suchfunktion. Als Ergänzung kann die Nutzung eines Chatbots sinnvoll sein. Er steht rund um die Uhr zur Verfügung und geht direkt auf die Anfragen der Kunden. Kommt er nicht weiter, leitet er auf einen Mitarbeiter weiter. Die Unabhängigkeit von Servicezeiten bestärkt das Gefühl der Eigenkontrolle und Selbstständigkeit. Die Option, sich bei weiteren Fragen mit einem Mitarbeitenden aus dem Service in Verbindung setzen zu können, stärkt das Vertrauen.

Ferner sollte die Strategie den Gesichtspunkt der Konsistenz berücksichtigen. Es schränkt die Kundenerfahrungen ein und verwirrt am Ende auch die Kundschaft, wenn die Unterstützungsleistungen in den verschiedenen Kanälen unterschiedlich sind. Viele Kunden bedienen sich gern verschiedener Kanäle, um das gleiche Problem zu lösen oder Information zu beschaffen.

Konsistenz bei der Nutzung unterschiedlicher Kanäle

Damit die Konsistenz gelingt, benötigen Banken und Fintechs eine Support Lösung, die Servicekanäle zusammenführen kann. Diese Konsistenz schreibt sich dann bei der Bearbeitung konkreter Anliegen fort. Eine Support Lösung, die Omnichannel Ansätze unterstützt, ermöglicht es den Mitarbeitern, mehr über die Kunden zu erfahren als lediglich die konkrete Anfrage.

Historie anderer Anfragen, Abruf von Informationsmaterial oder generelle Kundenhistorie sind alles wichtige Daten, die den Support in die Lage versetzen, sich auf die Kunden individuell einzustellen und somit jederzeit auf deren konkrete Fragen zu reagieren. Das schafft Vertrauen und ein positives Erlebnis. Wie eine von Zendesk beauftragte Befragung zeigt, sind 80 Prozent der deutschen Kunden bereit, mehr Geld bei einem Unternehmen auszugeben, welches den Kundenservice personalisiert. 2)

Eine einmal begonnene Konversation auf unterschiedlichen Kanälen fortsetzen zu können, stärkt das Gefühl der Konsistenz: Agenten können zum Beispiel eine via E Mail übermittelte Anfrage auch inhaltlich auf einem anderen Kanal beantworten, wenn es eine Nachfrage gibt. Das können aktuelle cloudbasierte Softwarelösungen leisten, sofern der Datenaustausch in den Unternehmen nicht durch Silos behindert wird.

Die Vorlieben der Kunden ändern sich rasch, wie die Pandemie gezeigt hat. Nach einer Analyse von Zendesk wuchsen bei kleinen und mittleren Unternehmen die Anfragen über Whatsapp überproportional. Die Integration von neuen Kanälen muss also kurzfristig möglich sein, um den Wünschen der Kunden nicht hinterherzuhinken.

Vom Feedback lernen

Wie im Zusammenhang mit der Generation Z erwähnt, ist für diese Zielgruppe die Nutzung von Social Media und Netzwerken ganz selbstverständlich. Die Plattformen werden aber nicht allein zur Kommunikation genutzt, sondern auch zum Äußern von Kritik und Anregungen. Daraus lassen sich wichtige Erkenntnisse zur Akzeptanz eines Produkts gewinnen. Feedback, Anregungen und Ideen stecken aber auch in direkten Anfragen oder E-Mails.

Für Banken und Finanzdienstleister ist es bedeutsam, zu erkennen, wo sie im Vergleich mit anderen stehen. Sinnvoll ist es indes auch, solche Meinungsbilder nicht allein zu aggregieren und auszuwerten. Für den Support spielt im Umgang mit Kunden auch eine Rolle, wie die jeweilige Haltung und Stimmung ist. Lösungen für den Kundensupport lesen im Idealfall solche Informationen ein.

Ein schwieriges Marktumfeld, Herausforderungen durch neue Player, Regulatorik und Kostendisziplin verweisen Banken und Finanzdienstleister in Richtung neuer Erlösquellen und Produktangebote. Deren Erfolg hängt von einer exzellenten Kundenerfahrung ab. Banken und Finanzdienstleister sollten dem Thema Kundenservice auch außerhalb von Bankfilialen eine größere Priorität einräumen, um dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben zu können.

Fußnoten

1) https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Studienbericht-Digital-Finance-2021

2) https://www.zendesk.de/customer-experience-trends/#report

Ulrich Hoffmann , Director EMEA DACH , Zendesk GmbH, Berlin
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