NACHHALTIGKEIT

Nachhaltigkeit in der Leasingbranche - (k)ein Wolf im Schafspelz

Dr. Claudia Conen, Foto: BDL

Die Leasingbranche ist für das Thema Nachhaltigkeit gut gerüstet, so Claudia Conen. Denn durch die Steuerung über Restwertgarantien und Rückkaufvereinbarungen war das Nachhaltigkeitsmanagement seit jeher Teil des Geschäftsmodells von Leasinggesellschaften. Positiv hebt die Autorin die von der BaFin gewährte Methodenfreiheit hervor, die vor allem im Mengengeschäft die Clusterbildung und Betrachtung von Portfolios erlaubt. Ein Wunsch der Leasingbranche wäre es, aufgrund des geringeren Risikogehalts des Leasinggeschäfts bei den aufsichtlichen Anforderungen zwischen Banken und Leasingunternehmen zu unterscheiden. Red.

Das Thema Nachhaltigkeit, noch vor einigen Jahren ein Nischenthema, beherrscht seit geraumer Zeit die öffentliche Diskussion sowohl auf internationaler, europäischer und auch nationaler Ebene und wird in der Intensität aktuell nur von der Corona-Krise übertroffen. Nachhaltigkeit umfasst eine Vielzahl wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Aspekte. Gesellschaftspolitischer Konsens herrscht über das globale Ziel, ein Konzept für nachhaltiges Wirtschaften zu entwickeln, das die Möglichkeiten und Lebensgrundlagen künftiger Generationen nicht beeinträchtigt. Dies lässt - je nach Betrachter - Spielräume für Interpretation und den Weg dorthin zu.

Die Bundesregierung will ihre EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft mitzugestalten. Schwerpunkte dafür sind unter anderem eine ambitionierte Klima- und Umweltschutzpolitik. Die Maßnahmen durchdringen dabei alle Bereiche: von der CO2 -Reduzierung, über Facetten der Sharing Economy und innovativer Mobilitätskonzepte bis zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in konkreten Geschäftsmodellen, wie dem Kreditgeschäft. Und so strebt auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin an, dass Nachhaltigkeitsrisiken in der Finanzwirtschaft angemessen berücksichtigt werden, und macht Nachhaltigkeit daher zu einem ihrer zentralen Punkte im aufsichtlichen Dialog.

Leasing-Unternehmen sind sich der Relevanz des Themas Nachhaltigkeit sehr bewusst und schaffen durch Weiterentwicklung der Unternehmenskultur und Anpassungen in den Geschäfts- und Risikostrategien die Voraussetzungen für ein umfassendes Nachhaltigkeitsmanagement. Sichtbare Hinweise dafür finden sich in der internen und externen Kommunikation, im Stakeholder- und Reputationsmanagement. Darüber hinaus beeinflussen Nachhaltigkeitsrichtlinien und -vorgaben des nationalen und europäischen Gesetzgebers und der Aufsicht das Geschäftsmodell Leasing zunehmend und verlangen eine angemessene Berücksichtigung von Klimarisiken.

Gestiegene Anforderungen an das Leasing-Management

Leasing ist fast 60 Jahre nach seiner Etablierung in Deutschland attraktiver denn je. In 2019 feierte die Branche Rekordergebnisse mit einem jährlichen Neugeschäft von rund 75 Milliarden Euro und einer Mobilien-Leasingquote von 24 Prozent. Garant für den nachhaltigen Erfolg ist neben Expertise und Innovationskraft der Leasing-Gesellschaften ihre mittelständische Struktur sowie ihre Vielfalt mit hersteller-, bankenverbundenen und unabhängigen Leasing-Gesellschaften.

Mit den Wünschen der Kunden nach individuellen, maßgeschneiderten Investitionslösungen anstelle einer reinen Finanzierung ist in den vergangenen Jahren nicht nur das Produkt Leasing anspruchsvoller geworden, auch die Anforderungen an das Management von Leasing-Gesellschaften sind gestiegen. So nimmt der Regulierungsdruck, der auf der mittelständischen Branche seit ihrer KWG-Unterstellung vor gut zehn Jahren lastet, kontinuierlich zu. Hinzu kommt nun die Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten, die sich in zahlreichen politischen Initiativen und regulatorischen Bestimmungen zeigt und die ihren vollständigen Niederschlag oder eine handhabbare Klarheit noch längst nicht gefunden haben.

Stärker im Fokus der Aufsicht

Das Nachhaltigkeitsmanagement von Finanz- und Finanzdienstleistungsinstituten verändert sich fortlaufend. Galten bisher nur Transparenzpflichten für Finanzinstitute mit mehr als 500 Mitarbeitern (CRS-Richtlinie) zeichnet sich mit dem Aktionsplan Nachhaltige Finanzierung der EU-Kommission 2018 und dem BaFin-Merkblatt von September 2019 (Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken) ab, dass dem Management von Nachhaltigkeitsrisiken zukünftig deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, und zwar von allen Finanzinstituten.

Unter Nachhaltigkeitsrisiken versteht die BaFin Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG), deren Eintreten, tatsächlich oder potenziell, erhebliche negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines Unternehmens haben können. Darunter fallen auch klimabezogene Risiken in Form von physischen Risiken und Transitionsrisiken. Gesetzgeber und Aufsicht haben signalisiert, dass sie ESG-Risiken künftig stärker in den Fokus nehmen und in aufsichtlicher Hinsicht eine systematische Befassung mit potenziellen Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement erwarten. Dies hat auch enormen Einfluss auf Leasing-Unternehmen als Finanzdienstleistungsinstitute, die unter Berücksichtigung von Proportionalität und der Risikorelevanz des Geschäftsmodells angemessene Formen der Umsetzung entwickeln müssen.

Fakt ist, dass Nachhaltigkeit sehr zielgerichtet, mit inhaltlicher Tiefe bearbeitet werden muss und als Managementaufgabe zu verstehen ist. Die Ankündigung der BaFin, dass Nachhaltigkeitsrisiken (Fokus Klimarisiken) zukünftig ins Risikomanagement integriert werden sollen, führen im gesamten Finanzsektor zu erheblicher Unsicherheit und schaffen Unterstützungsbedarf durch Branchenverbände und externe Expertise.

Aufsichtliches "Ambitions-Niveau" wird konkreter

Bereits die Aufsichtsschwerpunkte der BaFin 2020 deuten auf ein Konzept und eine Strategie zur Konkretisierung des aufsichtlichen "Ambitions-Niveau" hin.

- Ab 2021 sollen Nachhaltigkeitsrisiken systematisch durch bestehende Aufsichtsinstrumente der BaFin erfasst und adressiert werden.

- Zugleich agiert die BaFin als Beobachterin im Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung und unterstützt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) national und international auf dem Gebiet der nachhaltigen Finanzwirtschaft.

Das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken mit den darin formulierten "unverbindlichen" aufsichtlichen Erwartungen und Empfehlungen stellt daher nur einen Baustein dar, den BaFin und Bundesbank in ihrem Maßnahmenpaket 2020 entwickelt haben.

Das Ziel, Nachhaltigkeitsrisiken zeitnah systematisch in den aufsichtlichen Prozess zu überführen, ist gesetzt. Bei der Wahl der Ansätze und Methoden sind die BaFin-beaufsichtigten Leasing-Unternehmen dagegen weitgehend frei.

Bewertung des Kundenrisikos wird komplexer

Klima- und ESG-Risiken werden von der BaFin als Teilaspekt der bekannten Risikoarten im Sinne der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) angesehen. Sie sind daher - als Parameter des Risikomanagementkreislaufs - implizit bei der Umsetzung der MaRisk zu berücksichtigen. Dies erfordert, dass Leasing-Unternehmen die eigene Geschäfts- und Risikostrategie kritisch dahingehend überprüfen, inwieweit Branchen der Leasing-Nehmer, Gruppen von Leasing-Gütern, aber auch Länder und Regionen von physischen und Transitionsrisiken besonders betroffen sein können. Etwaige Strategieanpassungen umfassen gegebenenfalls das gesamte Portfolio und beeinflussen auch Vertriebs- und Pricingstrategien.

Von außen werden zudem technische Entwicklungen, neue Geschäftsfelder und die Digitalisierung von Prozessen Einfluss auf Kunden, deren wirtschaftliche Verhältnisse und damit die Bonität haben. Die Analyse und Bewertung des Kundenrisikos werden damit komplexer und unterliegen einer zeitlichen Volatilität. Auch wird die Analyse zunehmend mehr Daten als bisher erfordern.

Leasing-Gesellschaften gut gerüstet

Nun sind diese Risiko-Überlegungen den Leasing-Unternehmen grundsätzlich nicht neu: Aufgrund der besonderen Objekt-Fokussierung haben Leasing-Unternehmen schon immer die Bonität ihrer Kunden, die Werthaltigkeit der Objekte und die Objektverwertungsmöglichkeiten in Abhängigkeit der Leasing-Laufzeiten im Blick. Die Steuerung über Restwertgarantien und Rückkaufvereinbarungen gehören zur Kernkompetenz von Leasing-Gesellschaften und finden sich in der Vertragsgestaltung wieder.

Das Management von Nachhaltigkeitsrisiken war daher stets Teil des Geschäftsmodells im Leasing, auch wenn dies in der Vergangenheit nicht so deutlich hervorgetreten ist. Zudem unterstützt das Geschäftsmodell Leasing nachhaltiges Wirtschaften: Technisch weiterentwickelte, umweltfreundlichere und energetisch modernere Leasing-Güter lösen ältere Gebrauchsgüter ab. Die Gebrauchtgüter wiederum werden im Sinne der Kreislaufwirtschaft aufbereitet und an weitere Nutzer vermarktet.

Je nachdem, ob und inwieweit diese Überlegungen bereits in der Geschäfts- und Risikostrategie von Leasing-Gesellschaften enthalten sind, ergibt sich hier aus (k)ein Aktualisierungsbedarf in der Dokumentation und dem Risikomanagementkreislauf.

Methodenfreiheit ermöglicht Clusterbildung

Hinsichtlich der "range of best practises", wie sie die BaFin nach ihrem Merkblatt erwartet, sind Proportionalitätsüberlegungen angebracht. Der Vorstand/die Geschäftsleitung muss darlegen, dass und inwieweit sie sich strategisch mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt hat. Die von der BaFin dabei gewährte Methodenfreiheit ermöglicht es, nicht jeden Leasing-Nehmer individuell betrachten zu müssen, sondern - wo angebracht und sinnvoll - Cluster zu bilden und Portfolios zu betrachten. Dies ist besonders beim Kleinst- und Mengengeschäft angebracht. Auf diese Art können geeignete Aktiva identifiziert und (un)wesentliche Risiken abgebildet werden. In der Praxis ist davon auszugehen, dass die meisten Leasing-Unternehmen diese Abbildungen bereits vorsehen.

Um die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken in die Bonitätsprüfung zu integrieren, können verschiedene Szenarien simuliert werden. Da dem Leasing jedoch gerade die Würdigung der Objektqualität und deren Verwertbarkeit immanent ist und diese somit in Bonitäts- und Objektrisiko eingebunden werden, ist eine darüber hinausgehende Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsrisiken redundant. In den Prozessen dokumentiert sollte sie gleichwohl sein.

Doppelte Proportionalität ist gefordert

Absolut angebracht und letztlich nur konsequent wäre es schließlich, die Anforderungen an die Kreditvergabe für CRR-Institute der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA Guidelines on Loan Origination vom Mai 2020) von den Anforderungen an Leasing-Unternehmen hinreichend zu unterscheiden. Aufgrund eben dieses (wesentlich geringeren) Risikogehalts des Leasing-Geschäfts bedarf es für Leasing-Unternehmen einer angemessenen Umsetzung. Die doppelte Proportionalität muss sich dabei auch in den Anforderungen an die Aufbau- und Ablauforganisation, das Berichtswesen, die Dokumentation und nicht zuletzt auch in den Anforderungen an die Methoden und Verfahren wiederfinden, die für die Risikotragfähigkeitsrechnung, die Kapitalplanung und bei der Durchführung von Stresstests gefordert werden. Zudem sollten Nachhaltigkeitsaspekte nicht nur als "Tone from the Top" der Geschäftsleitung, sondern perspektivisch auch von besonderen Verantwortungsträgern, zum Beispiel im Risiko-Controlling, in der Compliance- und der Internen Revision berücksichtigt werden.

Auch in Zukunft gilt es, das Geschäftsmodell Leasing weiterzuentwickeln und die eigene Expertise auf Aspekte der Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsrisiken kontinuierlich auszubauen. Die Leasing-Gesellschaften als ausgewiesene Objekt- und Marktexperten sind dafür bestens gerüstet, das Know-how über Leasing hinaus weiterzuentwickeln und es auf Aspekte der Nachhaltigkeit und regulatorische Rahmenbedingungen - teilweise bis in sehr granulare Bereiche - auszuweiten. Zudem ist sich die Leasing-Branche als Bindeglied zwischen Real- und Finanzwirtschaft ihrer Verantwortung bewusst und wird ihren Teil beitragen, die Unternehmen bei ihrem Wandel zum nachhaltigen Wirtschaften zu unterstützen und innovative umweltfreundlichere Technologien in die Märkte einzuführen.

Dr. Claudia Conen, Hauptgeschäftsführerin, Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e.V. (BDL), Berlin
 
Dr. Claudia Conen , Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher-Leasing-Unternehmen e.V. (BDL), Berlin

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