DIGITALWÄHRUNGEN

Positionen zu Libra von Facebook

Felix Hufeld, Foto: BaFin

Die Ankündigung von Facebook, eine digitale Brieftasche für eine eigene, neue digitale Währung einzuführen, hat große Wellen geschlagen. Bank und markt hat die ersten Kommentare und Stellungnahmen zusammengetragen. Vertreter der Fintech-Branche sind dabei wesentlich euphorischer als die Banken selbst. Viele Fragen sind jedenfalls noch ungeklärt - etwa, wie Libra reguliert werden kann und muss. Red.

"Die größte Hürde ist Facebook selbst"

Hartmut Giesen, Sutor Bank - Das Facebook-Libra-Projekt ist in Größe, Anspruch und Erfolgswahrscheinlichkeit wegweisend und kann die Verbreitung von Kryptowährungen enorm beschleunigen. Interessant dabei: In dem von Facebook gebildeten Konsortium sind zwar wichtige Akteure des globalen Finanzsystems dabei, aber keine Banken.

Mit dem Libra-Token sollen die Nutzer der Facebook-Plattformen - neben Facebook selbst auch Whatsapp und Instagram -, sich gegenseitig Zahlungen zukommen lassen können. Die Währung basiert wie andere große Kryptowährungen auf der Blockchain-Technologie, ist aber an reale, stabile Währungswerte gekoppelt - daher die Bezeichnung als "Stablecoin". Gemäß veröffentlichtem Whitepaper ist der Referenzwert des Libra keine Einzelwährung wie der US-Dollar, sondern ein Korb verschiedener Währungen. "Ein an stabile Referenzen gekoppelter Token gilt als Schlüssel für die breite Anwendung Blockchain-basierender Zahlungen in verschiedenen Kontexten wie Handel, Logistik oder Industrie - also dort, wo sie etwa Machine-to-Machine-Payments ermöglichen sollen. Denn sowohl Menschen als auch Unternehmen können mit Zahlungsmitteln, deren Wert stark schwankt - wie es etwa beim Bitcoin der Fall ist -, nichts anfangen.

Der Libra ist der erste Ansatz einer weltweit aktiven Plattform, gemeinsam mit einer Reihe weiterer starker Partner mit einem Massenkundengeschäft eine Kryptowährung mit globalem Massenanspruch zu kreieren. Unter den Partnern sind auch Firmen, die das Facebook-Vorhaben direkt angreift, wie Visa, Mastercard oder Paypal. Für die Akzeptanz bei den Nutzern dürfte die Einbindung etablierter und reichweitenstarker Partner förderlich sein. Um Stablecoins weltweit zu skalieren, müssen die Betreiber erstens die Mittel haben, um den Wert der kursierenden Coins mit den "echten" Referenzwerten zu hinterlegen und zweitens das Vertrauen der Nutzer genießen. Das Konsortium, das Facebook gebildet hat, bringt beides mit.

Interessant dabei ist, dass im Facebook-Konsortium zwar wichtige Akteure des globalen Finanzsystems dabei sind, aber keine Banken. Das könnte damit zu tun haben, dass das gesamte Libra-Setup ihnen am meisten weh tut, aber auch damit, dass sie die aufsichtsrechtlichen Komplikationen scheuen, die durch eine Mitgliedschaft im Konsortium entstehen können.

Die weltweite Durchdringung von Facebook, Whatsapp und Instagram in Verbindung mit dem künftig integrierten Wallet namens Calibra macht den Libra auf einen Schlag für Milliarden Menschen zumindest theoretisch sofort verfüg- und akzeptierbar. Dabei soll die neue Währung auch als Mittel finanzieller Inklusion dienen: In vielen Entwicklungsländern haben mehr Menschen einen Facebook-Account als ein Bankkonto. Darüber hinaus ist die Bevölkerung den Kapriolen ihrer Währungen ausgeliefert. Facebook kann vielen Menschen erstmals Zugang zu einem stabilen Zahlungssystem inklusive einer stabilen Währung verschaffen. Gerade für diese Nutzer spielt auch der Transfer von Geld aus dem Ausland, wohin sie des Verdienstes wegen auswandern, zu ihren Familien eine große Rolle. Der Libra könne den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr daher in großem Maßstab drastisch vereinfachen und verbilligen.

Mit Blick auf die Umsetzung gilt es jedoch noch einige Hürden zu überwinden. Dazu zählen insbesondere Fragen des Aufsichtsrechts: Wie müssen Nutzer identifiziert werden, welche Anti-Geldwäsche-Pflichten müssen eingehalten werden, welche Steuervorschriften gelten? Ist der Token als Zahlungsinstrument oder als Security Token anzusehen, was wiederum unterschiedliche Regulierungsvorschriften nach sich zieht. Zudem könnte es in einigen Staaten starken gesetzlichen Widerstand geben, um eine breite Kapitalflucht in den Libra zu verhindern: "Gerade die Staaten, für deren Bürger der Libra am interessantesten sein könnte - etwa in der inflationsgeplagten Türkei -, dürften am wenigsten Interesse daran haben, dass eine leicht zugängliche Parallelwährung entsteht, die sich durch die staatliche Geldpolitik nicht beeinflussen lässt", erklärt Hartmut Giesen.

Eine der größten Hürden für den Libra-Erfolg dürfte Facebook selbst sein: Es gibt wenig Zweifel daran, dass Facebook technisch das Libra-System aufbauen kann. Doch gerade beim Thema Datennutzung schlägt Facebook schon heute ein großes Maß an Misstrauen entgegen. Die Verbindung der bereits auf den Plattformen kursierenden Daten mit den dann verfügbaren weltweiten Zahlungsdaten sorgt für große Befürchtungen, was Facebook mit dem Wissen, das aus der Vernetzung der Daten entsteht, wohl anstellen werde - auch wenn im Whitepaper ausdrücklich betont wird, dass Finanz- und Personendaten getrennt voneinander gehalten werden.

Nicht zuletzt widerspricht das Facebook-Konzept dem, was die Krypto-Community mit der Erfindung des Bitcoin eigentlich erreichen wollte: ein offenes dezentrales Zahlungssystem. Mit Libra wird man nun ein multizentrales Währungsnetzwerk in der Hand eines Konsortiums kommerzieller Privatunternehmen haben. Im Zuge der Libra-Lancierung wird es eine Reihe von Nebeneffekten geben, ganz gleich, ob Libra ein Erfolg wird oder nicht. Mittelfristig werden Milliarden Menschen zum ersten Mal mit Kryptowährungen in Berührung kommen und sehen, dass es sich nicht um geheimnisvolle, risikoreiche Zahlungsmethoden aus den dunklen Untiefen des Internets handelt. Deshalb ist damit zu rechnen, dass nach einer angemessenen Lernkurven-Zeit viele Menschen auch auf das "Original", den Bitcoin, zugreifen könnten. Zudem könnte Libra als Blaupause für die Entwicklung einer Vielzahl weiterer Stablecoins auch für andere Anwendungsfälle fungieren. Auch die generelle Regulierung von Kryptowährungen sollte vom Facebook-Projekt profitieren, da Staaten allein aufgrund der hohen Verbreitung des Libra-Tokens schnell aufsichtsrechtlich Klarheit schaffen müssten.

Insgesamt lässt Facebooks Libra die Umrisse der bisher nur prophezeiten Blockchain-Revolution des Bankings erkennen: Erstmals erscheint die reale Möglichkeit, dass ein banken- und staatenunabhängiges Zahlungssystem entsteht, auch wenn es nicht wirklich dezentral und unabhängig ist.

"Ein seismischer Moment für die Finanzwelt"

Yoni Assia, CEO, eToro - Dies ist ein seismischer Moment für die globale Finanzwelt. Es ist das erste Mal, dass ein Technologieriese und zugleich einer der FAANGS mit einer Kryptowährung einen großen Schritt in die Finanzwelt macht - und das mit dem Launch einer dezentralen, allen offenstehenden Blockchain, die Milliarden von Menschen zur Verfügung stehen wird.

Wir begrüßen, dass sich Facebook für eine dezentralisierte Open-source-Variante entschieden hat. Wir freuen uns darauf, Libra sowohl auf eToroX, unserer Kryptobörse, als auch auf unserer Trading- und Investmentplattform eToro.com mit über 11 Millionen registrierten Nutzern in 140 Ländern zu listen. Wir glauben, dass dies nur der Anfang ist. Schon bald werden weitere Technologieriesen nachziehen und das Potenzial der Blockchain zur Disruption traditioneller Finanzdienstleistungen ausschöpfen. Bereits 2017 sprach Mark Zuckerberg in seiner Harvard-Eröffnungsrede darüber, dass der Zugang zu Geld eine wichtige Voraussetzung ist, damit Menschen ihre Lebensziele erreichen können. Mit 2 Milliarden Nutzern hat Facebook das Potenzial, eine der größten Finanzplattformen der Welt zu schaffen.

Bei der Kryptoadaption geht es um mehr als nur Geld. Es geht um globale und lokale Politik und die Trennung von Staat und Geld. Es könnte ein mächtiges Werkzeug werden und das Wirtschaftssystem nachhaltig verändern. Facebook Libra könnte eine größere finanzielle Inklusion und einen besseren Zugang zur digitalen Wirtschaft bedeuten. Die Kryptorevolution hat eine Ära des nichtstaatlichen Geldes ausgelöst. Geld, das auf Technologie und nicht auf dem Vertrauen der Regierung basiert.

Derzeit haben mehr als 2,5 Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zu einer Bank, während die Mehrheit der Weltbevölkerung wenig liquide oder ineffiziente lokale Währungen verwendet. Daher besteht dank der Technologie eine große Chance, Milliarden von Menschen durch eine technologiebasierte Währung in einem Wirtschaftssystem zu vereinen. Eine verbleibende Schwäche des Krypto-Ökosystems ist die Usability und User Experience, die nach wie vor recht technisch ist. Aber es gibt viele Start-ups, die daran arbeiten, eine besseres User Experience für Kryptowährungen zu entwickeln. Wir erwarten, dass die Entwicklung immer schneller voranschreiten wird, je weiter die Kryptoadaption fortschreitet.

"Die Chancen für einen kometenhaften Aufstieg stehen gut"

Dr. Jörn Quitzau, Volkswirt, Bankhaus Berenberg - Die geplante "Facebook-Währung" Libra schlägt hohe Wellen - und das wohl völlig zu Recht. Denn aufgrund der im Whitepaper skizzierten Merkmale würde sich die neue Währung maßgeblich vom bisherigen "Marktführer" Bitcoin und anderen Kryptowährungen unterscheiden. Als wichtigste Eigenschaften der Währung, deren Start für das erste Halbjahr 2020 angestrebt wird, sind zu nennen:

Libra soll ein auf Blockchain basierendes Transaktionsmittel werden, das einfach, kostengünstig und global einsetzbar sein wird. Damit ist es insbesondere für Menschen aus Ländern mit unzureichend entwickelten Finanzsystemen interessant. Im Libra-Whitepaper wird explizit auf das Problem hingewiesen, dass weltweit 1,7 Milliarden Erwachsene vom Finanzsystem ausgeschlossen sind und keinen Zugang zu einer herkömmlichen Bank haben. Es geht also auch um finanzielle Inklusion.

Die Währung wird vollständig "durch eine Reihe an stabilen und liquiden Vermögenswerten" gedeckt. Neue Libra-Einheiten werden geschaffen, wenn durch Libra-Nutzer neue Nachfrage danach besteht. Der daraus resultierende "Verkaufserlös" wird in risikoarme Anlagen wie Bankguthaben und Staatsanleihen mit hoher Bonität investiert. Etwaige Zinserträge werden genutzt, um Betriebskosten zu decken, die Transaktionsgebühren niedrig zu halten und Dividenden an Investoren auszuzahlen.

Die Menge der umlaufenden Libra ist somit nicht begrenzt, das Angebot folgt der Nachfrage. Dies ist ein gravierender Unterschied zum Bitcoin, denn aufgrund des völlig elastischen Angebots eignet sich Libra nicht für spekulative Zwecke.

Die Nützlichkeit einer Währung steigt durch die Anzahl derer, die diese Währung nutzen beziehungsweise als Zahlungsmittel akzeptieren. Während andere Kryptowährungen einen schweren Kampf um eine breite Akzeptanz bei potenziellen Nutzern führen müssen (und dabei bisher nur bescheidene Erfolge verzeichnen konnten), verfügt Facebook weltweit über mehr als zwei Milliarden Nutzer. Zudem gehören der Libra Association weitere namhafte Unternehmen wie Mastercard, Paypal, Spotify oder Vodafone an. Somit stehen die Chancen gut, dass Libra vom Start weg eine hohe Verbreitung finden und eine vergleichsweise hohe Reputation haben wird.

Aufgrund dieser Eigenschaften stehen die Chancen für einen kometenhaften Libra-Aufstieg gut. Es ist deshalb kein Wunder, dass Notenbanken, Regulatoren und Geschäftsbanken weltweit alarmiert sind und sich um die Finanzstabilität beziehungsweise Geschäftsanteile sorgen. Tatsächlich sind zum jetzigen Zeitpunkt viele Detailfragen kaum einzuschätzen.

Auf Basis der im Whitepaper skizzierten Pläne stellt sich Libra für die potenziellen Nutzer in erster Linie wie ein einfaches, günstiges und sicheres Zahlungsmittel dar. Tatsächlich hat die Libra Association aufgrund der Libra-Reserve aber eine gewisse Ähnlichkeit zu Kapitalsammelstellen. Denn das Geld der Nutzer, die Libra als Transaktionswährung erwerben, wird wie oben erwähnt in Bankguthaben, Staatsanleihen und gegebenenfalls andere Wertpapiere investiert. Mit zunehmender Verbreitung werden die Assets der Libra Association also weiter ansteigen. Eine potenzielle Obergrenze ist dabei nicht in Sicht. So ist vorstellbar, dass nach einer erfolgreichen Markteinführung erste Arbeitnehmer auf die Idee kommen, sich von ihrem Arbeitgeber nicht mehr in Landeswährung wie Euro oder Dollar bezahlen zu lassen, sondern in Libra. Damit bekäme das System nochmal zusätzliche Dynamik, weil dann nicht mehr nur ein kleinerer Teil der Einkommen für Transaktionszwecke in Libra getauscht würde, sondern zumindest einige Menschen einen kompletten Systemwechsel vollziehen würden.

Die Libra Association selbst stellt die Zahlungsmittelfunktion und die finanzielle Inklusion für die Menschen mit unzureichendem Zugang zum etablierten Finanzsystem in den Vordergrund. Daneben können aber auch weniger selbstlose Motive eine Rolle spielen. Die Erträge aus der Verwaltung der Reserve dürften dabei vorerst nicht relevant sein, denn im Nullzinsumfeld ist mit sicheren Anlageformen kaum Geld zu verdienen. Allerdings könnte Facebook seine Kunden durch Libra auch noch finanziell transparent machen. Es könnte aber auch um Macht gehen, denn mit einem potenziell gewaltigen Portfolio an Staatsanleihen könnte Facebook beziehungsweise die Libra Association erheblichen politischen Einfluss nehmen.

"Gut für die Finanzbranche"

Von Harsh Sinha, Chief Technology Officer, Transferwise - Es ist gut für die Finanzbranche und für die Verbraucher, wenn ein internationales Unternehmen wie Facebook daran arbeitet, den weltweiten Zahlungsverkehr zu verbessern. Dies kann dazu beitragen, dass Aufsichtsbehörden dazulernen, das Zahlungsverkehrssystem schneller zu modernisieren und die Kosten für den Geldversand zu senken. Der Start von Libra und die Notwendigkeit der Aufsichtsbehörden sich mit dem neuen Konsortium auseinanderzusetzen, kann zu größerer, weltweiter Akzeptanz gegenüber Nichtbanken beitragen. Somit hoffe ich, dass sich diese Entwicklung auch positiv auf unsere Gespräche mit Regulatoren für einen schnelleren Zugang zu Zahlensystemen auswirkt. Derzeit sind die Prozesse noch zu stark auf die Banken ausgerichtet.

Die Gründung des Libra-Konsortiums mit Beteiligungen unter anderem von Visa und Mastercard ist ein kluger strategischer Schachzug. Denn wenn das Projekt nicht von der Zahlungsbranche akzeptiert wird, ist es bereits vor dem Start zum Scheitern verurteilt.

Mit dem Konsortium verfügt Libra über einen Pool von internationalen Unternehmen, die ein gemeinsames Interesse daran haben, dass Libra eine breite Akzeptanz findet. Die beteiligten Unternehmen können mit ihren reichweitenstarken Plattformen dazu beitragen, Verbraucher mit der Nutzung der neuen Kryptowährung vertraut zu machen."

"Ein weiterer disruptiver Moment"

Dr. Guido Zimmermann, Chefvolkswirt, LBBW - Die neue blockchainbasierte Kryptowährung Libra, die von Facebook verkündet und in der ersten Hälfte 2020 lanciert werden wird, ist nach Bitcoin der nächste große Versuch, eine Kryptowährung auf globalem Niveau zu implementieren. Libra ist im Gegensatz zu Bitcoin oder Ether eine sogenannte Stable Coin, das heißt mithilfe eines Reservepools an Aktiva (Bankeneinlagen, kurzfristigen Staatsanleihen) ist Libra zu 100 Prozent gedeckt. Inflation ist damit nicht möglich. Das System entspricht in etwa dem geldpolitischen Konzept der sogenannten Real-Bills-Doktrin, die die theoretische Grundausrichtung der Federal Reserve 1913 war, wonach jeder US-Dollar durch reale Aktiva (damals Gold) gedeckt sein sollte. Noch heute streiten sich die Geldtheoretiker und Wirtschaftshistoriker, ob dies eine gute Idee war oder nicht.

Die Libra Blockchain ist im engeren Sinne keine Blockchain wie zum Beispiel Bitcoin, sondern ein anderes System der Distributed-Ledger-Technologien. Es handelt sich zunächst um ein Netzwerk von 28 großen Tech- und Zahlungsdienstleistungsfirmen, die als Netz werkknoten die Organisation der Libra Reserve und der "Blockchain" beziehungsweise der dezentral verteilten Datenbank übernehmen. Facebook ist hier zumindest nominal ein Spieler mit gleichen Rechten und Pflichten. Langfristig soll die Libra Blockchain quasi ein öffentliches Gut darstellen und zu einer öffentlichen Blockchain auf globalem Niveau mutieren.

Indem Facebook es durch die neue Computersprache Move den Nutzern ermöglicht, eigene Smart Contracts auf dieser Libra Blockchain zu bauen, erhofft sich Facebook implizit, dass hier zukünftig ein paralleles Finanzsystem entsteht. Da es auch in Zukunft mit Sicherheit kein Computerprogramm geben dürfte, das ohne Fehler operiert, ist auch in der Libra Blockchain neben einer höheren Komplexität mit wiederholten Problemen in den computergesteuerten Abläufen zu rechnen.

Die Banken dürften dieser neuen Konkurrenz zu Recht mit der Forderung nach Besteuerung und Regulierung dieses neuen Finanznetzwerks entgegentreten. Facebook macht mit Libra den Versuch, sich als privates, verschlüsseltes Netzwerk neu zu erfinden und via Libra den Link zwischen seinem Werbegeschäft und dem E-Commerce herzustellen. Facebook folgt hiermit der "Super App" Wechat in China. Facebook fokussiert sich vor allem auf die Nutzer in den Schwellenländern, denn Facebook stellt vor allem dort quasi die einzige digitale Plattform für KMUs dar.

Auch dürften Menschen in Venezuela, Iran, Zimbabwe und ähnlichen Ländern mit hoch instabilen Währungen froh um diese dann vergleichsweise stabile Währung Libra sein. Ob Facebook aber wirklich den rund 1,7 Milliarden Personen ohne Bankkonto dieser Welt hilft und die finanzielle Inklusion fördert, bleibt abzuwarten, da für die mangelhafte Inklusion von Menschen in Schwellenländern oft nicht unzureichende Bankensysteme, sondern soziologische Ursachen verantwortlich sind. Die Einführung von Libra ist auf jeden Fall ein weiterer disruptiver Moment für traditionelle Spieler im Finanzsektor und dürfte den Regulierungs-, Datenschutz- und Polizeibehörden weitere Alpträume bereiten.

Ist Libra Geld, ein Wertpapier, ein Fonds, eine Bank und nimmt Facebook Einlagen? Diese Fragen sind bislang nicht geklärt. Da Libra Reserve Geld seitens der Konsortiumsmitglieder einsammelt, das Geld investiert, Zinsen auf die investierten Gelder verdient und Tokens im Austausch gegen die eingesammelten Fiatgelder emittiert, müsste Facebook eigentlich wie ein Investmentvehikel oder eine Bank reguliert werden. Eine Regulierung ist aber sicher das Letzte, was Facebook will. Diese ungeklärten Fragen zeigen, dass sich die Regulierungsbehörden verstärkt um eine konsistente Regulierung des Kryptosektors kümmern müssen. Es ist zu erwarten, dass Facebook und die Libra Association neue Standards im regulatorischen Bereich für sogenannte "Stable Coins" setzen könnten.

Das größte Problem für Facebook dürfte sein, die Standards in Bezug auf Geldwäsche und Cybercrime zu erfüllen. Die neuen EU-Regelungen in Bezug auf Geldwäsche, die ab Januar 2020 in Kraft treten, gelten nämlich auch für den Kryptosektor. Sollte Libra Blockchain funktionieren und skalieren - und das ist eine heroische Annahme -, so dürfte jeder traditionelle Spieler im internationalen Zahlungsverkehr in der einen oder anderen Weise negativ betroffen sein. Sehr wahrscheinlich dürfte daher der Bankensektor, der durch dieses neue Finanzsystem weiter unter Druck geraten dürfte, zu Recht von der Regulierung verlangen, dass auch Libra der Besteuerung, der Regulierung und der Einlagensicherung unterliegt. Facebook dürfte Mühe haben, die Regulierung davon zu überzeugen, nicht reguliert zu werden. Wie die Bank of England in einem ersten Kommentar meinte: Die Regulierung empfängt Libra mit einem "open mind", nicht aber mit "open doors."

Facebook strebt an, dass sich durch den Bau von Smart Contracts auf der Blockchain in Zukunft auch komplexere Finanzdienstleistungen seitens der Nutzer entwickeln. Hierzu dürften den Nutzern entsprechende Vorgaben ("Templates") zur Verfügung gestellt werden. Es ist gut möglich, dass das letztendliche Ziel der Libra Association gar nicht so sehr das Angebot von Libra Coin, sondern von dezentralisierten Finanzapplikationen (DApps) ist.

"Wir können ganz sicher nicht einfach zugucken. Wir werden in irgendeiner Form angemessen reagieren müssen. Ich kann nur hoffen, dass es uns gelingt, mindestens europäisch, wenn nicht global ein paar Grundstandards zu entwickeln. "Felix Hufeld, Präsident, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
 
"Wir sollten verhindern, dass im Geldsystem der Wilde Westen zurückkehrt. Es ist eine Errungenschaft, dass unabhängige Notenbanken für stabiles und sicheres Geld sorgen. Gelänge es Facebook, dass Libra als Zahlungsmittel eine führende Rolle einnimmt, könnte die Bedeutung der staatlichen Währung abnehmen. Implikationen für die Banken und die Geldpolitik sind daher nicht auszuschließen. "Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands, Deutsche Bundesbank
Hartmut Giesen , Business Development Digital Partners, Fintech & Blockchain/Crypto , Max Heinr. Sutor oHG, Hamburg

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