Geldanlage

Robo Advisor: Kooperation statt Konkurrenz

Gerald Klein, Geschäftsführer, growney GmbH, Berlin

Quelle: growney GmbH

Der große Kampf zwischen traditioneller Bankenwelt und digitalen Fintechs ist ausgeblieben. Statt auf Konkurrenz stehen die Zeichen heute auf Kooperation. In dem Bemühen der Kreditinstitute, sich auf die Digital Natives einzustellen, sind Fintechs inzwischen weniger ein Problem als vielmehr die Lösung, so Gerald Klein. Unter den Kooperationsmodellen wünschen sich die meisten Banken seiner Erfahrung nach eine Software-as-a-Service-Lösung. Bei der Wahl des richtigen Partners gilt es, zwischen reinen Softwareanbietern und Fintechs mit eigenem Marktauftritt zu entscheiden. Red.

Die Digitalisierung macht auch vor der Finanzwelt nicht halt. Fintechs und disruptive Innovationen bedrohen die schwerfällige Welt der Banken und Sparkassen - so das Szenario, das eine Weile durch die Medien gegeistert ist. Und tatsächlich beweisen digitale Newcomer wie Robo Advisors, dass moderne Geldanlage direkter und effizienter sein kann als im klassischen Bankgeschäft und dass Kunden dabei trotzdem auf eine individualisierte Beratung nicht verzichten müssen.

Doch tatsächlich liegen die Dinge heute etwas komplizierter. Der große Kampf ist bislang ausgeblieben. Die Bankenwelt ist aufgewacht, und auch Robo Advisors begreifen, dass sie schneller wachsen, wenn sie mit den Platzhirschen zusammenarbeiten. Das Gebot der Stunde heißt Kooperation.

Die Frage, ob wir in Zukunft noch Banken brauchen, wird immer häufiger mit "Ja" beantwortet - von beiden Seiten. Sicher ist nur, dass sich die Bank der Zukunft radikal wandeln muss. Robo Advisors können bei diesem Wandel eine zentrale Rolle spielen.

Banken müssen sich auf die Digital Natives einstellen

Robo Advisors holen die Kundschaft von morgen dort ab, wo sie heute schon ist: Für viele Kunden ist es schon lange selbstverständlich, ihre täglichen Geldgeschäfte online zu erledigen. Dass nach dem Zahlungsverkehr nun auch die Geldanlage dazukommt, ist für die Digital Natives nur der logische nächste Schritt. Wie in anderen Bereichen auch, fällen sie Entscheidungen gerne selbst und vertrauen bei der Orientierung nachvollziehbaren Algorithmen mindestens ebenso wie persönlicher Beratung. Kombiniert mit den Effizienzvorteilen passiver Anlageprodukte, ergibt dies ein explosives Gemisch, aus dem Robo Advisors ihre Anziehungskraft ziehen. Noch stehen die Digital Natives in den Startlöchern, doch in Zukunft werden sie auf gut bezahlte Jobs vorrücken und auch in der Geldanlage an Bedeutung gewinnen.

Daher ist auch den Banken längst klar: Wer sich heute allein auf angestammten Kundenbeziehungen und Vertriebsmacht ausruht, droht schon morgen den Anschluss zu verlieren. Sparbücher und Konten, die klassischen Anlageprodukte der Banken, sind in Zeiten niedriger Zinsen nicht mehr zukunftsfähig. Auch die persönliche Anlageberatung mit hoher Kostenquote ist für die meisten Privatkunden keine ideale Lösung.

Fintechs sind nicht das Problem, sondern die Lösung

Die Bankenwelt besinnt sich auf ihre Dienstleisterfunktion im Privatkundengeschäft und interpretiert diese für die Zukunft neu: Es geht darum, Kunden hochqualitative Anlageberatung zu bieten und ihnen die Produkte auf einem Weg zur Verfügung zu stellen, der bestmögliche Ergebnisse liefert. Fintechs haben den Banken gezeigt, dass es Alternativen zur persönlichen Beratung in der Bankfiliale gibt. Mittlerweile bezweifelt niemand mehr, dass automatisierte Beratungslösungen mit passiven Produkten in Zukunft auch für Bankkunden zum absoluten Standard gehören werden.

An der Digitalisierung der Kundenbeziehungen wird also langfristig kein Weg vorbeigehen. Viele Banken haben den Druck, ihre Vertriebs- und Betreuungsmodelle weiterzuentwickeln, längst verinnerlicht. Die Entwicklung ist rasant: Was früher fünf Jahre gedauert hat, geht heute in sechs Monaten.

Angesichts dieser Rasanz stehen die Banken vor einer Entscheidung: Sollen sie digitale Angebote selbst entwickeln oder etablierte Lösungen zukaufen? Wer sich diese Frage gestellt hat, begreift schnell, dass die kleinen, agilen Fintechs, die die Vorzüge passiver Anlageprodukte und digitaler Beratungs- und Vertriebswege kombinieren, nicht das Problem, sondern die Lösung sind.

Fintechs brauchen Partner zum Wachsen

Denn auch die Fintechs sind zunehmend auf der Suche nach Partnern. Noch sind es vor allem Early Adopter, die sich von den Vorzügen neuer, digitaler Beratungsmodelle überzeugen lassen. Innerhalb dieser neuen Zielgruppe haben Robo Advisors große Erfolge gefeiert - doch nun folgen die Mühen der Ebene: Kunden und vor allem Kundenvertrauen zu gewinnen, ist für junge Unternehmen nicht leicht, und seien ihre Produkte noch so gut.

Das bedeutet nicht nur wachsenden Marketing-Aufwand. Robo Advisors, die wirklich in die Breite wollen, stehen mit einem reinen B2C-Ansatz vor einer grundsätzlichen Herausforderung: Denn die Beziehung zu einem Finanzdienstleister ist eine Vertrauensbeziehung. Und der Schritt weg von der eigenen Hausbank, hin zu einem Dienstleister, der nur als Online-Präsenz im Internet erfahrbar ist, erscheint vielen Kunden zu groß. Wer nicht auf den Generationenwechsel warten, sondern schon heute die nächste Wachstumsstufe erreichen will, braucht Verbündete.

Banken und Robo Advisors stehen also vor komplementären Herausforderungen.

- Banken mit etablierten Kundenbeziehungen suchen neue Technologien.

- Robo Advisors verfügen über diese Technologie und wollen neue Kundenbeziehungen aufbauen. Kein Wunder, dass sie zunehmend Kooperationen anstreben, von denen beide Seiten profitieren.

Doch wie sieht eine erfolgreiche Zusammenarbeit in der Praxis aus? Etablierte Kundenbeziehungen sind das wichtigste Kapital einer Bank. Deshalb wird kaum ein Haus bereit sein, seine Kunden einfach an einen Robo Advisor weiterzuempfehlen. Aus praktischer Sicht kommen folglich nur drei Kooperationswege infrage, die jeweils mit einer unterschiedlichen Integrationstiefe einhergehen: White-Labeling, Plattform-Ansatz und Softwareas-a-Service (SaaS).

Bei der Kooperation auf die Kernkompetenzen konzentrieren

Die einfachste und schnellste Variante ist eine White-Label-Lösung, bei der die Bank den Robo Advisor einfach in das eigene Corporate Design kleidet. Beratungsansatz, Produkte und Abwicklung werden vom Robo Advisor zur Verfügung gestellt. Diese Lösung ist zwar theoretisch möglich, doch Beratung und Entwicklung passender Produkte für den eigenen Kundenstamm gehören zur Kernkompetenz einer Bank. Für eine Bank, die ihre Kunden in ihrer eigenen Welt halten möchte, ist es entsprechend wichtig, weiterhin die eigenen Produkte anzubieten. Das umfasst neben den Anlageprodukten selbstverständlich auch den spezifischen Beratungsansatz.

Bei den beiden anderen Lösungen agiert der Robo Advisor folglich als reiner Dienstleister, der hilft, die Produkte der Bank mithilfe einer zeitgemäßen Technologie zur Verfügung zu stellen. Dabei nutzt er sein Knowhow im Bereich digitaler Kundenbeziehungen, um die spezifische Beratungsphilosophie des Hauses in einen nachvollziehbaren digitalen Prozess zu übersetzen. Der Bankberater bleibt auch weiterhin als persönlicher Ansprechpartner erhalten. Er kennt sich mit den angebotenen Produkten aus und steht im Zweifelsfall für eine persönliche Beratung zur Verfügung.

Bei der Plattform-Lösung kann der Robo Advisor zusätzlich Abwicklung und Depotführung übernehmen, bei der Umsetzung als Software-as-a-Service verbleiben auch diese Aufgaben bei der Bank.

Unserer Erfahrung nach wünscht sich die große Mehrheit der Banken eine SaaS-Lösung, und das mit gutem Grund: Denn so behält die Bank ihre spezifischen Kompetenzen - Produkte, Kundenbeziehungen, Beratung und Depotleistungen - im Haus und ist trotzdem schnell mit einem Angebot am Markt. Diese Lösung stellt folglich eine Ergänzung zum Geschäftsmodell der Bank dar und lässt sich im Haus ohne Bruch umsetzen.

Die Auswahl des Kooperationspartners ist entscheidend

Bei der Auswahl des Kooperationspartners geht es einerseits darum, dass der Robo Advisor in der Lage ist, die technischen und regulatorischen Anforderungen der Bank zu erfüllen. Die eigentliche Umsetzung ist in der Regel unproblematisch. Regulatorische Hindernisse dürfte es dabei in den meisten Fällen nicht geben, da der rechtliche Mantel weiterhin bei der Bank verbleibt.

Aus technischer Sicht muss der Robo Advisor lediglich in der Lage sein, die gewünschten Funktionen innerhalb dieses Rahmens zur Verfügung zu stellen und die entsprechenden Schnittstellen (APIs) zur Bank programmieren zu können. Die Bank fungiert so als Frontend, während der Robo Advisor das Backend - und falls gewünscht auch die zugrundeliegenden Depotleistungen - zur Verfügung stellt.

Andererseits sollten Banken sich genau mit dem Geschäftsmodell ihres Dienstleisters auseinandersetzen. Dessen Aufgabe ist es, die Beratungs- und Produktleistungen der Bank in die digitale Welt zu übersetzen. Dabei ist es keineswegs sicher, dass diese Übersetzungsleistung auch beim Kunden ein Erfolg wird.

Die Fintech-Branche teilt sich im Wesentlichen in zwei Gruppen von Akteuren: Neben Anbietern, die selbst Kundenleistungen anbieten, existieren auch reine Software-Häuser ohne eigenen Marktauftritt, die sich darauf konzentriert haben, lediglich eine technologische Plattform zur Verfügung zu stellen oder für ihre Kunden zu programmieren. Es ist wichtig, sich den Unterschied zwischen diesen Akteuren vor Augen zu führen, denn es kommt nicht alleine auf die technische Kompetenz an.

Robo Advisors richten sich selbst an Kunden, und wenn sie für eine Kooperation in Frage kommen, sind sie dabei in aller Regel auch erfolgreich. Daher bringen sie die klassischen Vorzüge digitaler Start-ups mit: Sie wissen, wie man die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt, um Kunden passende Produkte auf einfachere und effizientere Weise zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Knowhow steht und fällt ihr ganzes Geschäftsmodell. Nur wer weiß, wie man eine Plattform programmiert, die Kunden gerne einsetzen und die Transparenz und Vertrauen vermittelt, ist am Markt erfolgreich. Genau dieses Knowhow kauft eine Bank bei einer Kooperation ein. Die Auswahl des richtigen Partners kann also den Unterschied machen zwischen einer technisch einwandfreien Lösung, die sich nahtlos in die internen Prozesse im Konzern einfügt - und einem Angebot, das Kunden wirklich begeistert.

Das gilt wohlgemerkt auch in die andere Richtung. Auch Robo Advisors wissen in der Regel sehr genau: Nur wenn die Bank gleichermaßen aus Kundensicht denkt, stehen die Chancen gut, dass man auch dauerhaft zusammenpasst.

Ein Markt in Bewegung

Banken sind dabei nicht die einzigen Finanzdienstleister, die für Robo Advisors als potenzielle Kooperationspartner infrage kommen. Auch andere Bereiche der Finanzwelt spüren die Auswirkungen der Digitalisierung. Einige, wie etwa Makler und Finanzvertriebsdienstleister, aber auch Fondsportale, spüren den gleichen Veränderungsdruck, mit dem auch die Banken umgehen müssen. Für andere ist die Digitalisierung vor allem eine Chance, neue Geschäftsfelder zu eröffnen.

Zur zweiten Gruppe zählen nicht zuletzt auch viele Versicherungen. Genau wie Banken verfügen sie über feste und vertrauensvolle Kundenbeziehungen. Dabei befinden sich die Versicherer häufig in einer komfortablen Lage: Denn insbesondere, wenn sie noch über wenig Bestandsgeschäft verfügen, besteht für diese Akteure keine Gefahr, sich selbst mit einem automatisierten Anlageangebot Konkurrenz zu machen. Eine Kooperation mit einem Robo Advisor ist für diese Akteure eine Möglichkeit, auf ihre Kundenbeziehungen aufzubauen und in das hochattraktive Geschäft mit Basiswertpapieren einzusteigen. So können sie schnell als neue Akteure am Markt aktiv werden - und stärker als heute in Konkurrenz zu den Banken treten.

Automatisierte Beratungslösungen werden zum Erfolgsfaktor

Die Digitalisierung verändert also nicht nur die Kundenbeziehungen. Sie wird höchstwahrscheinlich auch das Akteursfeld am Markt nachhaltig verändern. Eine attraktive automatisierte Beratungslösung, die den Kunden in den Mittelpunkt stellt, wird dabei in Zukunft ein entscheidender Erfolgsfaktor sein.

Banken, die das Privatkundengeschäft für diese Zukunft rüsten und ihren Kunden weiterhin das bestmögliche Angebot machen wollen, sollten daher genau prüfen: Gibt es bereits ein Angebot, das zu unserem Geschäftsmodell passt und mit dem wir schnell am Markt sind? Robo Advisor und andere Fintechs begreifen sich zunehmend als Dienstleister, die etablierte Akteure bei dieser Transformation unterstützen.

Unüberwindliche technische Hürden gibt es nicht und Zaudern zahlt sich nicht aus. Noch hat niemand Erfahrung mit der Bank der Zukunft, aber die, die bereit sind, Erfahrungen zu machen, werden in Zukunft einen Vorsprung haben.

Zum Autor Gerald Klein, Geschäftsführer, growney GmbH, Berlin

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