RISIKOMANAGEMENT

Verschuldung durch Corona - eine Krise im Slow-Down-Modus

Andreas Kropp, Foto: EOS-Gruppe

Die Corona-Pandemie hat Privatpersonen und Unternehmen gleichermaßen getroffen. Unter den Privaten sind vor allem junge Leute überproportional von drohende Überschuldung betroffen - nicht zuletzt weil fehlende Finanzbildung zu unwirtschaftlicher Haushaltsführung führt. Bei den Unternehmen läuft die Krise im "Slow-Down-Modus" ab, so Andreas Kropp. Noch ist es deshalb schwierig, zu bewerten, welche Folgen sie haben wird. Regulatorik bleibt deshalb ein sensibles Thema. Aber auch Banken müssen ihre eigene Strategie nachjustieren, beispielsweise durch den Einsatz von Softwaretools im Risikomanagement oder auch durch den Verkauf von Forderungen. Red.

Die Corona-Pandemie hat die Welt seit über einem Jahr fest im Griff - viele Menschen sind von Kurzarbeit betroffen. Das hat tiefgreifende Auswirkungen auf die finanzielle Situation von Privatpersonen. Der aktuelle Covid-19-Finanzreport des Finanzdienstleisters und -investors EOS zeigt, dass sich infolge des Ausbruchs von Covid-19 12 Prozent der deutschen Verbraucher gezwungen sahen, Schulden aufzunehmen. Dabei betrug die Höhe der Schulden bei der Mehrheit (57 Prozent) bis zu 2 500 Euro, bei 40 Prozent der Verschuldeten lag sie darüber. Ein Großteil verschuldete sich, um lebensnotwendige Kosten zu decken: So haben 39 Prozent der verschuldeten Deutschen Geld für die laufenden Lebenshaltungskosten benötigt, gefolgt von Wohnkosten (29 Prozent) und Ausgaben für die Gesundheit (20 Prozent). Dass Menschen in einer kaum abzuschätzenden und schwer planbaren Ausnahmesituation, wie wir sie derzeit erleben, vor allem in diesen Bereichen Schulden aufnehmen, ist nachvollziehbar. Kritisch wird es aber, wenn sie ihren Verpflichtungen in der Folge nicht nachkommen können - das betrifft zwölf Prozent der Befragten. Sie gaben an, seit Beginn der Pandemie mindestens einmal in der Situation gewesen zu sein, Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen zu können.

Jüngere Menschen sind überproportional betroffen

Doch die Pandemie trifft nicht alle Altersgruppen gleichermaßen. Betroffen sind vor allem junge Menschen: 18 Prozent der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren gaben an, sich wegen der Pandemie verschuldet zu haben. Zudem waren 18 Prozent der jüngeren Generation nicht in der Lage, ihre Schulden zurückzuzahlen. In der Gruppe der 50- bis 65-Jährigen waren es hingegen jeweils nur 6 Prozent.

Dieser Unterschied zwischen den Bevölkerungsgruppen mag kaum überraschen: Offensichtliche Gründe liegen im fehlenden oder geringeren Einkommen junger Menschen im Vergleich zu Berufstätigen mit längeren Karrierewegen. Hinzu kommen fehlende Ersparnisse sowie teure Mietkosten, die bei der älteren Generation durch Eigenheime gegebenenfalls wegfallen. Wichtig ist aber auch der Blick auf einen anderen Grund für Ver- oder gar Überschuldung, der manchmal zu kurz gerät: die mangelnde Finanzbildung. Hier gilt es zwingend anzusetzen und gegenzusteuern - seitens der Politik und des öffentlichen Sektors, die dafür sorgen müssen, dass bereits in den Schulen Finanzwissen vermittelt wird. Aber die Gesellschaft generell ist gefragt. Zu oft sind Schulden ein absolutes Tabuthema, dass aus Gesprächen ausgeklammert wird.

Hauptgrund: unwirtschaftliche Haushaltsführung

Finanzielle Probleme, vor allem der jüngeren Generation, haben meist tiefe Wurzeln. Oft fehlt die Vorbereitung auf unvorhergesehene Ereignisse, das Haushalten mit Geld ist ungeübt und die fundamentalen Themen "Finanzen und Schulden" werden - wenn überhaupt - zu spät adressiert.

Die Folge: Unwirtschaftliche Haushaltsführung ist in Deutschland einer der Hauptgründe für Überschuldung. In Befragungen nennen 15,9 Prozent diese Ursache - bei den unter 25-Jährigen ist es mit 27 Prozent sogar mehr als jeder Vierte. So ist es keine Überraschung, dass der Großteil der Bevölkerung das eigene Finanzwissen als ziemlich schlecht einschätzt. Gerade bei Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren ist das Finanzwissen bei fast jedem Fünften mangelhaft.

Doch um Überschuldung zu verhindern, muss der richtige Umgang mit Geld gelernt sein - je früher desto besser. Zu oft fällt es jungen Menschen schwer, den Überblick über ihre finanzielle Situation zu behalten und mit ihren Mitteln hauszuhalten. Ändert sich dann auch noch unerwartet die persönliche oder berufliche Situation, wie wir es in der Corona-Pandemie erleben, kommt es schnell zu finanziellen Engpässen. Und in Anbetracht sinkender Renten und einer steigenden Lebenserwartung sollten sich gerade die Jüngsten der Gesellschaft generell mehr Gedanken über ihre finanzielle Absicherung machen.

Frühestmögliche Finanzbildung

Entsprechend wichtig ist es, frühestmöglich finanzielles Grundwissen zu vermitteln. Denn der Bildungsbedarf in diesem Bereich ist groß: 92 Prozent der deutschen Schüler wünschen sich das Fach "Finanzen" in der Schule, 49 Prozent sogar als Pflichtfach. Von allein wird sich diese Wissenslücke aber kaum schließen - hier braucht es ein konkretes Angebot. Genau aus diesem Grund haben Mitarbeitende der EOS Gruppe im November 2019 die Finlit Foundation gegründet. Die gemeinnützige Organisation will für alle "Financial Literacy" - sprich Finanzkompetenz - im Alltag ermöglichen. Konkret sollen dafür die Themen Geld und Schulden enttabuisiert, die Finanzkompetenz der Bürger verbessert und so ein Beitrag gegen private Überschuldung geleistet werden.

Um speziell die junge Generation zu unterstützen und dort anzusetzen, wo der Bedarf am größten ist, wurde die Initiative Mano Moneta ins Leben gerufen. Das kostenlose Programm zur Förderung der Finanzbildung von Schülern der Klassenstufen drei bis sechs, ist im Oktober 2020 gestartet und hat seither knapp 10 000 Kinder in mehr als 100 Schulen erreicht. Ziel ist es, die Schüler frühestmöglich für den verantwortungsvollen Umgang mit Geld zu sensibilisieren und dadurch langfristig einen Beitrag zur Schuldenprävention zu leisten. Gemeinsam mit erfahrenen Pädagogen wurden Lerninhalte entwickelt, die den Kindern anhand alltagsnaher Themenfelder, wie Medien, Konsum, Arbeit oder Wohnen, Finanzwissen vermitteln.

Corona-Krise treibt jede(n) Zehnte(n) in die Schulden Quelle: EOS/Dynata

Banken wappnen sich gegen anstehende Firmeninsolvenzen

Doch nicht nur die Verbraucher hat die Corona-Krise teilweise hart getroffen. Ganze Branchen sind infolge der Pandemie ohne Umsatz und die Politik schnürt Rettungspakete in ungeahnter Höhe. Dennoch ist es wohl vor allem der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zu verdanken, dass eine größere Welle an Firmeninsolvenzen bislang ausgeblieben ist. So rückt in der aktuellen Situation das Risikomanagement der Banken wieder verstärkt ins Blickfeld.

Entscheidend ist jetzt, den Doppelschlag aus Angebots- und Nachfrageeinbrüchen, den die Unternehmen gerade erleben, so gut wie möglich abzufedern. Je besser das gelingt, desto besser werden die Banken durch diese Krise kommen. Insgesamt ist die Branche vielfach krisenerprobt und weiß, auf die Entwicklungen zu reagieren.

Mittelfristige Folgen schwer abzusehen

Die spannende Phase steht allerdings noch aus, da wir eine Krise in Slow Motion erleben. Das hat verschiedene Gründe:

  • Einerseits kommen wir aus einer zehnjährigen Hochkonjunktur, Unternehmen haben nicht überinvestiert und im Vergleich zur Dotcom-Krise um die Jahrtausendwende haben sie ihr Eigenkapital im Schnitt verdoppelt.
  • Andererseits werden die größten Rettungspakete der Geschichte geschnürt und die Fiskalpolitik hat sofort mit starken Impulsen auf die Krise reagiert. Solche Dimensionen haben wir so noch nie erlebt - und diese verlangsamen das Krisengeschehen wesentlich.

Die Folge: Es ist aktuell schwierig zu bewerten, welche Auswirkungen sich mittelfristig ergeben werden. Wie viele Insolvenzen wird es letztlich geben? Greifen die politischen Maßnahmen wie erhofft und helfen den Unternehmen, die kurzfristigen Ausfälle zu überbrücken und nach der Krise zu alter Stärke zurückzukehren? Warnungen werden jedenfalls lauter, drohende Kreditausfälle sorgfältiger zu bilanzieren, also Risiken angemessen zu beurteilen, einzustufen und zu bemessen. Denn die richtigen Einschläge stehen uns noch bevor und werden gegebenenfalls erst im nächsten Jahr ihre gesamte Wirkung entfalten - ganz abhängig vom Erfolg der politischen Rettungsmaßnahmen. Erst dann wird sich das gesamte Ausmaß der Unternehmensinsolvenzen offenbaren.

Regulatorik bleibt ein sensibles Thema

Ein entscheidender Zeitpunkt, an dem sich zeigen wird, ob Banken noch eine Kreditvergabefähigkeit und -bereitschaft besitzen. Nicht alle werden darauf optimal vorbereitet sein. Hierfür gilt es schon jetzt, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. So ist es beispielsweise essenziell, dass regulatorische Erleichterungen in der Bilanzierung auch dann noch bestehen, wenn die Banken wirklich gefordert sind - nicht nur aktuell.

Insgesamt bleibt die Regulatorik ein sensibles Thema, da es dem Staat gelingen muss, einen geeigneten gesetzlichen Rahmen zu setzen und gleichzeitig den Aufwand der Banken für die Umsetzung der politischen Vorgaben in Grenzen zu halten.

Liquiditätsmanagement gegen die Krise

Doch auch Unternehmen sollten jetzt handeln. Gerade in Krisenzeiten spielt das Liquiditätsmanagement eine entscheidende Rolle. Denn wenn Lieferketten unterbrochen sind, Filialen geschlossen bleiben und Auftraggeber abwarten, zählt vor allem eines: Liquidität. Wie wichtig ein Blick in die Zukunft ist, hat der Ausbruch von Corona deutlich gemacht. Unternehmen sollten aus diesem Grund nicht nur die Ist-Zahlen im Blick haben, sondern darauf aufbauend alternative Szenarien entwerfen. Dazu gehört es, dass die Zahlen täglich gemonitored und prognostiziert werden - auch um Banken oder andere Kreditgeber schnell informieren zu können.

  • Das Erkennen von Ausfallrisiken bei der Vermeidung von Liquiditätsengpässen ist in solchen Situationen fundamental und nicht alle Unternehmen sind darauf vorbereitet.
  • So sollten Bonitätsprüfungen Standard sein, um Risikokunden bereits von Beginn an richtig einzuwerten.
  • Bei der Erkennung und Beurteilung von Ausfallrisiken sind innovative Technologien hilfreich. Softwaretools, die beispielweise "predictive forecasts" erstellen, sind aktuell äußerst ratsam, da sie Trends erkennen und so frühzeitig auf alarmierende Veränderungen aufmerksam machen können.

Darüber hinaus kann der Verkauf notleidender Forderungen an einen professionellen Finanzdienstleister ein wichtiger Teil des Liquiditätsmanagements sein. Durch die Veräußerung generieren die Unternehmen sofortige Liquidität und senken, beispielsweise über einen Forward-Flow-Vertrag, mittel- bis langfristig die Kosten des eigenen Forderungsmanagements. Gleichzeitig verringern sie ihr Ausfallrisiko beziehungsweise haben Klarheit über die Werthaltigkeit der Forderungen und einen planbaren Liquiditätsbeitrag des Forderungsbestands. Auch Banken bietet sich über einen solchen Verkauf die Möglichkeit, ihre NPL-Quote auf konstant niedrigem Niveau zu halten.

Für kriselnde Unternehmen ist eines in jedem Fall klar: Sich auf den versprochenen Hilfsgeldern auszuruhen und abzuwarten, kann nicht das Gebot der Stunde sein. Es wird hingegen von zentraler Bedeutung sein, ob sie die durch die Förderungsmaßnahmen gewonnene Zeit nutzen, um die eigene Strategie zukunftsfähig zu machen und die operative Effizienz zu verbessern. Wer diese Themen jetzt nicht aktiv angeht, beziehungsweise bereits angegangen ist, wird auch von den Staatshilfen nicht gerettet werden können. Das Leid wird dann etwas später kommen, aber es kommt. Und es trifft dann im Zweifel auch die Geldgeber.

Lehren aus der Corona-Krise

Krisen wie die Corona-Pandemie haben tiefgreifende Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft - aus privater, unternehmerischer und politischer Sicht. Doch das bietet zeitgleich die Möglichkeit, grundlegende Strategien zu überdenken und Maßnahmen für das zukünftige Krisenmanagement anzupassen. Die Bildungslücke in Deutschland in Bezug auf die Finanzkompetenz muss geschlossen werden, indem bereits die jüngste Generation von Beginn an sensibilisiert und geschult wird. Vor allem dem Problem der Überschuldung könnte so besser begegnet werden. Banken sollten sich neben der aktuellen Finanzlage auch auf die Nach-Corona-Zeit vorbereiten und ihre Kreditvergabefähigkeit und -bereitschaft hinterfragen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Krise weiter entwickelt und welche Auswirkungen sich in den nächsten Monaten auf dem deutschen wie europäischen NPL-Markt zeigen werden. Unternehmen sollten in jedem Fall ihr Liquiditäts- und Forderungsmanagement weiter professionalisieren, damit für künftige Krisenfälle alle Prozesse etabliert sind und die Liquidität sicher gestellt ist. Die einmalige oder regelmäßige Veräußerung notleidender Forderungen an spezialisierte Finanzdienstleister kann hierbei ein wichtiger Baustein sein.

Fußnoten

1) Quelle: SchuldenAtlas Deutschland 2020

2) Quelle: comdirect Jugendstudie 2019

3) Quelle: comdirect Jugendstudie 2019

Andreas Kropp , Geschäftsführer, EOS-Gruppe, Hamburg

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