EUROPA

"Wir haben einen Schutzschirm über die vorhandenen Einlagen aufgespannt" - Interview mit Robert Fedinger

Robert Fedinger, Foto: Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck eG

Die Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck versteht die Negativzinsen, die Neukunden berechnet werden, als Schutzschirm für die bestehenden Kunden, die eine echte Kundenbeziehung zur Bank unterhalten und nicht nur Einlagen dort parken wollen. Denn die Staffelzinsen der EZB stellen aus Sicht von Robert Fedinger nur eine begrenzte Entlastung dar. Das Sparverhalten lenken können Verwahr entgelte aus Fedingers Sicht jedoch nicht. Deshalb sei der Schutzschirm die bessere Variante als Negativzinsen auf alle Einlagen ab einer bestimmten Obergrenze. Red.

Die Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck ist im November 2019 in der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt worden als erste Bank, die von ihren Kunden ab dem ersten Euro Einlagen Negativzinsen verlangt. Wie sehr hat sie diese verkürzte Darstellung geärgert?

Zunächst einmal ist diese Darstellung in den Medien nicht nur verkürzt, sondern wirklich falsch! Denn für bestehende Einlagen verlangen wir von unseren Kunden überhaupt keine Negativzinsen. Die Formulierung "ab dem ersten Euro" ist deshalb auch nicht zutreffend, weil vorhandene Bestandsgelder nicht mit Negativzinsen belastet werden. Wenn beispielsweise ein Kunde bei uns 500 000 Euro an Einlagen hat, kosten diese Einlagen ihn nach wie vor nichts.

Auch die Darstellung unseres Hauses als "erste Bank", die Negativzinsen berechnet, kann nicht richtig sein. Denn der Auslöser für unsere Änderung des Preisaushangs war ja gerade der Punkt, dass verstärkt Nichtkunden bei uns nachgefragt haben, die bei ihrer bisherigen Bank schon Negativzinsen bezahlen und diese durch Eröffnung eines neuen Kontos vermeiden wollen.

Welche Reaktionen hat die Berichterstattung bei Ihren Kunden und vielleicht auch Kollegen aus anderen Instituten ausgelöst? Gab es einen "Shitstorm"?

Die Verunsicherung hielt sich in Grenzen. Die Bank hat sehr schnell kommunikativ reagiert Nach etwa zwei Minuten Erklärung der Tatsachen hat bisher noch jeder Kunde die von uns gewählte Strategie verstanden. Viele haben sich dann sogar bei der Bank für diese Vorgehensweise bedankt. Denn sie haben erkannt, dass dies zum Schutz der bestehenden Einlagen erfolgt ist.

Beim Thema Negativzinsen auf Ein lagen gibt es zwei unterschiedliche Vorgehensweisen: Manche Häuser definieren eine für alle Kunden geltende Obergrenze, ab der Verwahrentgelte berechnet werden, andere folgen Ihrem Beispiel und bepreisen Einlagen von Neukunden. Weshalb haben Sie sich für letztere Variante entschieden?

Die Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck hat viele Kunden, die seit Jahren, oftmals sogar seit Jahrzehnten mit der Bank zusammenarbeiten. Diese Treue und Verbundenheit mit unserem Hause wollen wir schützen. Aus diesem Grund haben wir gewissermaßen einen "Schutzschirm" über die vorhandenen Einlagen unserer Kunden aufgespannt.

Eine Obergrenze dagegen bedeutet "Begrenzung". Unsere langjährigen Kunden wollen wir jedoch unbegrenzt vor Negativzinsen schützen, ohne dafür ein Limit zu setzen, das die Kundenbindung beeinträchtigen könnte.

Entsteht dadurch aber nicht mit der Zeit eine Art Zweiklassengesellschaft unter ihren Kunden - einerseits die Altkunden ohne Begrenzung, andererseits Neukunden, denen es nicht nur darum geht, Negativzinsen bei anderen Kreditinstituten zu vermeiden, sondern die eine echte Kundenbeziehung zu Ihrem Haus unterhalten, mit der Zeit aber auf dem Girokonto vielleicht doch über die Grenze von 20 000 Euro hinauskommen?

Das sehe ich nicht so. Denn wir verstehen uns als Beraterbank. Das heißt: Die Berater stehen im laufenden Kontakt mit den Kunden. Änderungen, die sich im Bedarf ergeben, werden laufend besprochen. Je nach den individuellen Zielen und Wünschen des Einzelnen bieten wir den Kunden so verschiedene Lösungen an.

Wagen Sie eine Prognose, wie lange Sie Bestandskunden noch vor Negativzinsen bewahren können?

Das ist kaum möglich, ohne in die Zukunft schauen zu können. Eine Kristallkugel haben wir leider nicht. Unser Ziel ist es jedenfalls, den jetzt aufgespannten Schutzschirm so lange aufrecht zu erhalten, wie es irgend möglich ist.

Das heißt natürlich nicht, dass wir unseren Kunden nicht außerdem Alternativen zu Sichteinlagen und Spareinlagen anbieten und auf deren bessere Rentabilität hinweisen. Denn auch dann, wenn keine Verwahrentgelte berechnet werden, ist das Sparen auf Girokonten, Tagesgeldkonten oder Sparkonten im Dauerniedrigzinsumfeld auf Dauer keine gute Strategie.

In welcher Höhe wurden Sie bisher 2019 mit "vagabundierenden" Vermögen von Nichtkunden konfrontiert? Und wie viel Negativzinsen musste die Bank dafür zahlen?

In welchem Umfang Nachfragen zur Verlagerung von Einlagen von anderen Banken zu uns gestellt wurden, haben wir nicht statistisch erfasst. Das Gesamtvolumen kann ich deshalb nicht nennen, da diese Nachfragen sich auf 23 Geschäftsstellen verteilen.

Inwieweit lässt sich das Kreditgeschäft überhaupt noch ausweiten, um die Liquidität zu verringern? Es braucht dafür ja auch die entsprechende Nachfrage seitens der Unternehmen und Privatkunden - und die Ausweitung des Kreditgeschäfts darf ja auch nicht zulasten des Risikomanagements gehen ...

Die Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten jeden erfüllbaren Kreditwunsch erfüllt. Das dabei die Risikopolitik eine Rolle spielt und spielen muss, ist unbestritten, aber letztlich ist es ja auch im Interesse des Kunden, keine Kredite zu vergeben, die den Kreditnehmer absehbar in Schwierigkeiten bringen werden.

Welche Entlastung können Staffelzinsen bringen?

Wir bezahlen den EZB-Satz für das Volumen, das wir dort parken (müssen). Dabei wird nicht unterschieden, ob wir das Geld von Privatkunden oder von Firmenkunden haben - und auch nicht, in welcher Größenklasse uns diese Mittel zugeflossen sind.

Wenn das Sechsfache der Mindestreserve von Negativzinsen verschont bleibt, müsste dieser Quasi-Freibetrag aber doch eine gewisse Entlastung bringen?

Eine Entlastung ja - aber das stellt keine vollständige Lösung des Problems dar. Denn alleine die Guthaben auf den Girokonten unserer Kunden belaufen sich bereits auf rund das Siebenfache dieses von der EZB gewährten Freibetrags.

Die EBA hat kürzlich davor gewarnt, Negativzinsen auf Einlagen könnten das Einlegerverhalten verändern und damit die Refinanzierung von Banken gefährden. Teilen Sie diese Bedenken?

Das hängt sicherlich wesentlich von der weiteren Entwicklung des EZB-Satzes ab: Wie entwickelt sich dieser in der Zukunft noch? Wie lange bleibt es bei Negativzinsen?

Kann sich an dieser Stelle das Beharrungsvermögen der deutschen Sparer womöglich - je nach Szenario - auch als vorteilhaft erweisen, weil sie eben nicht alle Sparguthaben ins Wertpapiersparen investieren und diese also weiterhin zur Refinanzierung zur Verfügung stehen?

Alles auf eine Karte zu setzen, ist meines Erachtens niemals der richtige Weg, unabhängig davon, ob alles auf dem Sparbuch liegt oder alles in Wertpapiere investiert wird. Eine ausgewogene Mischung, abgestimmt auf die persönlichen Ziele und Wünsche des Kunden ist langfristig der bessere Weg.

Taugen Negativzinsen als Steuerungsinstrument, um Kunden verstärkt zum Wertpapiersparen zu gewinnen?

Negativzinsen, die wir den Kunden berechnen, sind für uns kein Instrument, sondern lediglich die Berechnung beziehungsweise Weitergabe des aktuellen EZB-Satzes. Einlagen bepreisen wir so mit dem Selbstkostenpreis.

Wir empfehlen von jeher unseren Kunden eine Streuung der Vermögensanlage. Ob und in welchem Umfang dies für den einzelnen Kunden die richtige Lösung ist, hängt von dessen Zielen und Wünschen ab, nicht vom Negativzins.

Deutsche Banken sind von den Negativzinsen der EZB in Europa am stärksten belastet. Gleiches gilt für Regulierung und Meldewesen, die kleinere Banken - und damit ebenfalls vor allem Banken in Deutschland - überproportional belastet. Fehlt es den europäischen Institutionen an Verständnis für den deutschen Markt?

Wenn eine kleine Regionalbank die gleichen Regulierungsvorschriften erfüllen muss wie eine international agierende Großbank, dann geht das sicher am Ziel vorbei.

Was bringt die "Small Banking Box", die kleine und mittelgroße Banken entlasten soll, wirklich?

Das hängt ganz wesentlich davon ab, wie hier "klein und mittel" konkret definiert wird und ob diese Festlegungen die vorhandene (funktionierende) Bankenstruktur - nicht nur, aber auch in Deutschland - richtig abbilden.

Neues Thema der EU-Kommission ist die Nachhaltigkeit. Erwarten Sie unter dem Label "Nachhaltige Finanzwirtschaft" eine neue Regulierungslawine?

Die Neueinführung einer Regulierung ist auch eine Chance, die Regelung so zu gestalten, dass es sich um eine echte Verbesserung handelt. Wird das richtig gemacht, dann kann sich daraus ein klarer Nutzen für die Kunden ergeben.

Werden regionale Banken unter den gegebenen Rahmenbedingungen über kurz oder lang zum Auslaufmodell?

Letztlich entscheidet der Verbraucher, mit welchem Partner er seine Finanzgeschäfte abwickeln möchte. In der Finanzkrise waren die Volks- und Raiffeisenbanken die einzige Bankengruppe, die ohne staatliche Zuschüsse auskam. Beratungsbanken vor Ort und Internetbanken lassen sich nicht direkt miteinander vergleichen. Sie bieten andere Leistungen, müssen damit aber auch andere Konditionen berechnen. Der Verbraucher entscheidet dann, was ihm wichtig ist.

Ist das nicht ein bisschen wie mit der Bio-Landwirtschaft? Die finden zwar fast alle Verbraucher gut - achten beim Lebensmittelkauf aber dennoch häufig primär auf den Preis.

Da bin ich optimistisch. Ein faires Miteinander zwischen der Bank und ihren Kunde schafft Vertrauen. Das wird sich - natürlich in Kombination mit Service und Leistung - letztlich immer auszahlen.

Aber Sie haben natürlich recht: Letztlich entscheidet der Kunde, mit welcher Bank er seine Geschäfte abwickelt.

Robert Fedinger, Mitglied des Vorstands, Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck eG, Fürstenfeldbruck
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