DIGITALISIERUNG

"Kundenbewertungen sind im Netz die wichtigste Währung" Interview mit Mustafa Behan

Mustafa Behan, Foto: Who Finance

In vielen Branchen stellen Kundenbewertungen bereits nahezu einen "Hygienefaktor" dar. Das ist in der Finanzbranche noch anders, sagt Mustafa Behan. Doch auch hier werden Bewertungen wichtiger als die jeweilige Marke. Dass Anbieter seit März dieses Jahres verpflichtet werden, anzugeben, ob Bewertungen geprüft wurden, macht diese zugleich wertvoller. Es erfordert jedoch ausgeklügelte Prüfroutinen. Hier kommt die Plattform Who Finance ins Spiel, so Behan, die Anbietern diese Arbeit abnimmt und ihnen zugleich die Möglichkeit gibt, sich auf der Plattform zu präsentieren. Zu den großen Kunden zählen Deutsche Bank und Postbank. Red.

Im E-Commerce oder im Reisebereich sind Kundenbewertungen längst an der Tagesordnung. Wie sieht das im Finanzbereich aus - und was sind die Gründe dafür?

Die Finanzbranche ist in der Tat eine der Branchen, die am schnellsten digitalisiert haben. Der Fokus lag jedoch lange eher auf der Transaktions- als auf der Endkundenbasis. Insofern ist der Vergleich mit der Reisebranche nicht ganz fair. Inzwischen gibt es auch in der Finanzbranche Kundenbewertungen - wenn auch weniger als in der Touristik.

Die Finanzdienstleister holen jedoch bei der Digitalisierung auf. Neue Wettbewerber, die reine digitale Spieler sind, haben in den vergangenen Jahren den Digitalisierungsdruck auf etablierte Anbieter massiv erhöht - und Corona hat ein Zusätzliches getan, um die Digitalisierung zu beschleunigen. 92 Prozent der Kunden suchen im Netz nach Finanzdienstleistungen. Dort müssen Anbieter gut sichtbar sein - und zu dieser Sichtbarkeit gehören Kundenbewertungen: Für 84 Prozent der Kunden sind Bewertungen für die Kaufentscheidung genauso wichtig wie die Empfehlung von Freunden und Familie.

Besetzen Sie mit Who Finance eine echte Nische - oder gibt es hier mittlerweile schon mehr Angebote?

Finanzdienstleister wissen, dass jeder ihrer Kunden im Netz nach Finanzdienstleistungen sucht. Wenn Anbieter hier nicht präsent sind, fallen sie aus dem Entscheidungsprozess heraus, bevor sie wissen, was der Kunde mag. Kundenbewertungen sind im Netz die bei weitem wichtigste Währung - deutlich wichtiger als die Anbietermarke. 84 Prozent der Kunden vertrauen Kundenbewertungen.

Who Finance ist für das, was wir machen, einzigartig. Gerade die detaillierte Bewertungsprüfung ist ein Alleinstellungsmerkmal. Ebenso der Umstand, dass wir über die Jahre einen Marktplatz aufgebaut haben, auf dem pro Monat mehr als eine Million Kunden für ihren jeweiligen Bedarf eine Beratung suchen, ist in dieser Weise ein Alleinstellungsmerkmal.

Wir haben in unserer Plattform Technologien, Algorithmen und KI in riesigem Umfang eingebaut. Das ist in der Form ebenfalls einzigartig. Es gibt natürlich andere Bewertungsanbieter, die in ihren jeweiligen Modellen arbeiten. Keines davon ist jedoch mit WhoFinance vergleichbar. Von Anfang an haben wir uns entschieden, jede einzelne Bewertung zu prüfen - sowohl aus Verantwortung gegenüber den Kunden als auch gegenüber den Finanzdienstleistern, die sich den Bewertungen aussetzen. Das ist bei Bewertungsportalen überhaupt selten und für Finanzdienstleistungsportale einzigartig.

Selbstverständlich gibt es auch andere Unternehmen, die sich mit Bewertungen beschäftigen und dabei auch Finanzdienstleister miteinbeziehen. Hier ist Google natürlich ein wichtiger Spieler.

Mit welchem Mitbewerber vergleichen Sie sich am ehesten?

Tatsächlich schauen wir eher auf Amazon, weil Amazon in den Prüfungen von Bewertungen und dem Vermitteln von Angeboten auf Basis von Bewertungen besonders gut ist. Bewertungsportale, die sich ausschließlich auf Finanzdienstleistungen konzentrieren, gibt es gar nicht so viele.

Wie stark unsere Marktposition ist, merkt man zum Beispiel daran, dass die Deutsche Bank und die Postbank sich entschieden haben, beim Thema Kundenbewertungen auf Who Finance zu setzen. Hier konzentrieren wir uns viel stärker darauf, unsere Kunden zu unterstützen und Verbrauchern zu helfen, als dass wir uns mit dem Wettbewerb vergleichen. Mittlerweile haben wir auch Volksbanken und die ersten Sparkassen auf dem Marktplatz. Das hält uns schon ein bisschen auf Trab.

Nach welchen Kriterien bewerten Kunden - und wie lassen sich Bewertungen prüfen?

Die Kunden bewerten auf einzelnen Beratungsthemen (Baufinanzierung, Geldanlage, Altersvorsorge, Versicherungen et cetera). Nach eben diesen Themen können Interessenten dann auch nach Beratung suchen. Die Bewertung wird auf den Dimensionen Beratungskompetenz, Produktangebot, Servicequalität, Kommunikation und Preis abgegeben. Schließlich - und auch als Stärkstes gewichtet - bewertet der Kunde seine Weiterempfehlungsbereitschaft mit einem bis fünf Sternen. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, einen freien Text zu schreiben - und abschließend fragen wir, was den Kunden besonders gut oder nicht so gut gefallen hat. Bewertungen haben einen so großen Einfluss auf die Kaufentscheidungen, dass sie zu einem Asset geworden sind - und damit auch zum Ziel von Manipulationen.

Die Prüfung von Bewertungen ist auch durch eine Änderung zum 28. Mai dieses Jahres im UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) noch einmal dringend wichtig geworden. Finanzdienstleister, die mit Bewertungen werben, müssen jetzt dabei angeben, ob und wie diese geprüft wurden. Dies gilt dann für sämtliche Bewertungen, also auch für Bewertungen, die in den vergangenen Jahren eingeholt wurden. In der Praxis werden nicht geprüfte Bewertungen damit nahezu wertlos - und geprüfte im Gegenzug sehr wertvoll.

Who Finance prüft seit jeher jede einzelne Bewertung vor Veröffentlichung. Die Prüfung erfolgt sowohl durch Menschen als auch durch KI-Algorithmen, die wir selbst entwickelt haben. Im Kern lässt sich eine einzelne Bewertung mit wenigen Ausnahmen kaum beurteilen. Theoretisch könnte ein Kunde uns einen abgeschlossenen Vertrag zuschicken, um nachzuweisen, dass eine Beratung tatsächlich stattgefunden hat. Das tun Kunden jedoch nicht und Berater dürfen es nicht. Bewertungsportale brauchen also ein eigenes Prüfsystem. Im Zweifelsfall entscheiden wir uns immer gegen eine Veröffentlichung. Das führt dazu, dass 20 bis 30 Prozent der Bewertungen nicht freigeschaltet werden.

Wie verhindern Sie, dass Nutzer dann den Eindruck erhalten, Bewertungen würden nur freigeschaltet, wenn sie positiv ausfallen, wie es auf manchen Portalen der Fall zu sein scheint?

Jeder Anbieter, der mit Who Finance einen Vertrag unterschreibt, unterschreibt damit auch, dass negative Kundenbewertungen der Berater nicht unterdrückt werden. Denn die Anbieter verstehen, dass ein Portal, das nur positive Kundenmeinungen zulässt, unsinnig wäre.

Dennoch überwiegen positive Bewertungen bei Weitem. Das lässt sich damit erklären, dass Kunden nach einem Kauf vor allem ihre eigene Kaufentscheidung bewerten. Deshalb sind Bewertungen kurz nach einer Kaufentscheidung eher positiv. Dieser Hang zu positiven Bewertungen ist normal. Dennoch muss man Verbrauchern die Möglichkeit geben, auch negative Urteile abzugeben, und das nicht so schwer machen, dass die Nutzer die Lust verlieren, negative Bewertungen abzugeben.

Auch bei uns gibt es natürlich Regeln dazu, was nicht in der Bewertung stehen darf. Neben Schmähkritiken gehört dazu auch, dass über nichts geschrieben werden darf, was aktuell vor Gericht verhandelt wird. Anbieter haben auch die Möglichkeit, gegen negative Bewertungen Einspruch zu erheben, dann wird zwischen beiden Seiten vermittelt. Das geht dann zu 80 bis 90 Prozent zugunsten des Bewerters aus, zu etwa 10 Prozent für den Anbieter.

Wenn Banken selbst eine Bewertungsfunktion auf ihren Seiten einbauen wollen, müssten sie diese jetzt auch prüfen. Und wenn eine Bank eine nicht authentische negative Bewertung löscht, hat sie schnell einen gewaltigen Shitstorm. Eine Plattform wie Who Finance hingegen kann das tun.

Namentlich im Reisebereich gibt es das Problem mit Fake-Bewertungen. Stellen Sie das auch fest?

Den größeren Teil dessen, was wir nicht veröffentlichen, bewerten wir als falschpositiv. Falsch-negative Bewertungen sind seltener, aber auch sie kommen vor. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn vom Server eines Finanzvertriebs im großen Stil Berater eines Wettbewerbers negativ bewertet würden.

Wie sieht eigentlich das Geschäftsmodell von Who Finance aus? Basiert es auf Kooperationen mit Anbietern und Provisionen? Oder wie finanziert sich die Plattform?

Das war zu Beginn eine wichtige Diskussion: Wie kann ein Geschäftsmodell aussehen, bei dem wir gleichzeitig unabhängig bleiben? Kooperationen vereinbaren wir deshalb nicht und eine Provision kann es niemals geben. Nutzer können auf unserer Plattform jeden Berater jedes Anbieters in Deutschland bewerten. Wenn er auf der Plattform noch nicht auffindbar ist, können sie ihn anlegen.

Anbieter können bei uns Kunde werden und eine Profilseite anlegen - für den einzelnen Berater, die einzelne Filiale oder das Institut. Diese Seiten sind gestaltbar. Beispielsweise lassen sich dort aktuelle Angebote hochladen, Fragen und Antworten, Videos oder Podcasts. In diesem Premiummodell gibt es eine Grundgebühr und eine klickabhängige Performancegebühr pro Monat. Zudem gibt es Zusatzleistungen wie die Finolix-App, ein Baukasten für Finanzberater, die ihre eigene App haben wollen, um mit Kunden in Kontakt zu bleiben.

Eine weitere Zusatzleistung ist die Abbildung der geprüften Bewertungen auf Anbieterseiten, die einen echten Mehrwert für die Anbieter darstellen. Institute, die geprüfte Bewertungen in ihre Websites einbauen, haben bessere Kontakt- und Abschlussquoten auf der Website und müssen weniger Geld für Marketing ausgeben.

Wie viele Kunden, die diese Angebote nutzen, haben Sie inzwischen?

Wir haben aktuell knapp 10 000 Kunden, die in der genannten Form mit uns zusammenarbeiten. Angefangen hat es mit freien Finanzberatern und der Quirin Bank, die seit Anfang an auf der Plattform sind. Inzwischen gibt es wenige Bereiche, die wir nicht abdecken. Die Deutsche Bank und die Postbank haben beide jeweils um die 1 000 Berater bei uns. Gemeinsam mit der Hypoport AG und der Finanzinformation beziehungsweise deren Tochter Finmas haben wir eine Kooperation, in deren Rahmen eine Reihe von Sparkassen hinzugekommen ist. Einige Sparkassen sind bereits sehr aktiv auf Who Finance, andere beginnen gerade - genauso wie die ersten Genossenschaftsbanken. Und natürlich sind Finanzvertriebe und freie Berater auf der Plattform.

Wie umfassend ist der Marktüberblick, den eine solche Plattform liefern kann? Wie gut sind beispielsweise regionale Kreditinstitute wie Volksbanken und Sparkassen mit Bewertungen auf der Plattform vertreten? Gibt es ausgeprägte regionale Schwerpunkte - also etwa viele Bewertungen für Anbieter/Berater in den Ballungsräumen, aber nur wenige außerhalb davon - wie es zum Beispiel bei Bewertungen von Ärzten oft der Fall ist?

Der Marktüberblick ist nach unterschiedlichen Aspekten sehr unterschiedlich. Wenn man die Beratungsqualität eines großen Instituts vergleichen möchte, gelingt das sehr gut, weil es hier schon viele Daten gibt. In Ballungsräumen sind wir - wie jedes Online-Portal - stärker als in ländlichen Gebieten. Das ist nicht nur typisch für Online-Portale, sondern auch für den Finanzdienstleistungsmarkt insgesamt. Anders gesagt: Das Problem, das Sie beschreiben, existiert und ist ernst. Wir geben uns Mühe, Lücken zu schließen, um Nutzern überall in Deutschland eine gute Auswahl geben zu können. Einige Ortsbanken bewegen sich ja schon in Richtung Who Finance, es ist also auch eine Frage der Zeit.

Zudem hat die Videoberatung in den vergangenen beiden Jahren vielen Anbietern dabei geholfen, Kunden zu betreuen, die nicht um die Ecke sind. Das wird dennoch die Ausnahme bleiben. Das sehen wir auch in den Suchen auf der Plattform: Die Suche nach Beratung vor Ort wächst stärker als die Suche nach Videoberatung. Wir glauben an die Beratung in der Nähe und arbeiten weiter an einer Flächenabdeckung.

Lässt sich sagen, was für Anbieter in Sachen Kundenbewertung am besten abschneiden? Oder ist das eher Berater-individuell?

Die Bewertungen geben - schon allein durch die schiere Menge - einen guten Aufschluss über die Beratungsqualität der einzelnen Anbieter - in einzelnen Regionen und für einzelne Beratungsthemen und das im Zeitverlauf. Die Einblicke, die diese enorme Datenmenge liefert, sind extrem wertvoll für Finanzdienstleister. So erstellen wir beispielsweise immer wieder Rankings der besten Anbieter für Baufinanzierungs- oder Geldanlageberatung, sowohl auf Einzelberater- als auch auf Institutsebene.

Die Beratungsqualität innerhalb der einzelnen Häuser divergiert massiv. Es ist keineswegs so, dass beratungsunterstützende Tools dazu führen, dass ein Berater genauso gut berät wie der andere - nicht einmal bei kleinen Instituten.

Es gibt jedoch strukturelle Auffälligkeiten. Einfach gesprochen, sagen die Bewertungen, dass Anbieter, die ihre Kunden ernst nehmen, dafür auch mit loyalen Kunden belohnt werden. Über die einzelnen Vertriebe hinweg kann man genau das aus den Bewertungen herauslesen. Wo Filialen geschlossen werden, lässt sich auch das aus Bewertungen herauslesen. Zum einen sind Kunden enttäuscht - gerade auf dem Land. Gleichzeitig sind sie dankbar für Filialen, die noch weiterbetrieben werden.

Können Anbieter aus den Bewertungen auch echten Handlungsbedarf ableiten?

Ja und nein. Verbesserungsbedarf bei einzelnen Mitarbeitern ist den Instituten meist auch ohne uns bewusst. Manchmal zeigt sich jedoch, dass die Wahrnehmung beim Kunden eine ganz andere ist als erwartet oder der Kunde auf Dinge achtet, die die Bank selbst gar nicht im Fokus hatte. Vor allem markentechnisch relevante Dinge begreift man sehr gut aus der Analyse von Kundenbewertungen.

Punkt zwei ist die Auswertung der thematischen Suchen: Pro Monat starten mehr als eine Million Nutzer eine Suchanfrage auf der Plattform. Daraus lässt sich beispielsweise herauslesen, wie sich der Bedarf der Kunden in einem bestimmten Postleitzahlengebiet aktuell entwickelt. Diese Daten ermöglichen es Anbietern, ein Stück vor dem Markt zu sein.

Können positive Bewertungen einzelner Berater für die Anbieter auch zum Problem werden, wenn Kunden plötzlich nur noch von besonders positiv beurteilten Beratern beraten werden möchten?

Das Problem, dass es einen Ansturm auf Beratungsgespräche mit bestimmten Personen gibt, ist in der heutigen Gesamtproblematik sicher ein untergeordnetes. Viel gefährlicher ist es, wenn Banken sich aus der Fläche zurückziehen und sich gleichzeitig bei der digitalen Sichtbarkeit zurückhalten.

Mustafa Behan , Geschäftsführer , WhoFinance GmbH, Kleinmachnow

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