Realkredit

Achtzehn Novellen und mehr - fast vier Jahrzehnte mit Hypothekenbanken

Zur Vergangenheit

"Sinn oder Unsinn der Beschäftigung mit der Vergangenheit ist von Anbeginn der Geschichtsschreibung an strittig gewesen. Wer glaubt, nicht zweimal in denselben Fluss steigen zu können, wer also nur das Werden, nicht dagegen das Sein in der Vergangenheit sieht, kann die Ereignisse allenfalls in ein Raritätenkabinett stecken und von Zeit zu Zeit bewundern. Wer dagegen die Wiederkehr des Gleichen, mehr die Statik als die Dynamik, mehr die Gesetzmäßigkeit als den Zufall in der Vergangenheit findet, dem wird die Historie zum Schlüssel der Gegenwart und der Rückblick zum Ausblick.

Je nachdem, welcher Grundanschauung man bewusst oder gefühlsmäßig anhängt, wird man eine Jubiläumsschrift, wie die des Verbandes privater Hypothekenbanken zum 75jährigen Bestehen einer berufsmäßigen Vertretung, aufschlagen oder weglegen, mit dem Ausruf "es war einmal" oder "es ist doch immer das Gleiche" kommentieren. Niemandem kann dieses Urteil abgenommen werden und, da es nicht möglich ist, den geschichtlichen Ablauf hier im Einzelnen zu schildern und im übrigen jede Schilderung von der persönlichen Entscheidung der Grundfrage abhängt, kann allenfalls der Versuch unternommen werden, die Dinge geistig vorzusortieren.

Da ist zunächst die Organisation der berufsständischen Vertretung selbst:

Am 14. Dezember 1902, also vor nunmehr 75 Jahren, wurde mit der Bildung eines "Sonderausschusses für das Hypothekenbankwesen" innerhalb des im Jahre 1901 gegründeten "Centralverbandes des deutschen Bank- und Bankiergewerbes" der Grundstein für diese berufsständische Vertretung gelegt. Dieser Zeitpunkt ist allerdings erstaunlich. Das Pfandbriefsystem konnte zu jener Zeit schon auf eine mehr als 100jährige Historie, viele Hypothekenbanken auf eine mehr als 25jährige Firmengeschichte zurückblicken. Die ungeregelte "Pfandbrieffrage" veranlasste zwar die Vorstände der meisten Hypothekenbanken, sich 1876 in Berlin erstmals zu treffen, um über eine gemeinsame Petition an den Reichstag zu beraten; eine verbandsmäßige Organisation ist daraus aber nicht hervorgegangen.

Daran änderte auch nichts, dass zu den Beratungen über das Hypothekenbankgesetz die Vertreter der Hypothekenbanken eingehend gehört wurden. Vielleicht waren es die bundesstaatlichen Grenzen, die eine gemeinsame Organisation verhinderten, und erst das Hypothekenbankgesetz als reichseinheitliche Regelung, die den Weg dazu frei machte. Jedenfalls bedurfte es eines Anstoßes von außen, der die Hypothekenbanken veranlasste, sich - im Rahmen des Centralverbandes - in dem für sie gebildeten Sonderausschuss zu organisieren." (1978)

Zur Sanierungsgemeinschaft

"... kann das Fazit nur lauten: Die Sanierungsgemeinschaft ist so, wie sie der Gesetzentwurf regelt, finanziell nicht lebensfähig. Die Alternativen, über die politisch zu entscheiden ist, liegen offen zutage. Wenn man der Sanierungsgemeinschaft als Organisation der Eigentümer, mit deren Gründung sie unter Einfluss der Gemeinde die Initiative für ein Sanierungsverfahren in die Hand nehmen, eine Chance geben will, muss man sie von der Finanzierungsseite her flügge machen. Dazu ist - wie dargestellt - erforderlich,

- dass die Zufuhr von Eigenkapital in der Ordnungs- und Bauphase den Finanzierungsanforderungen entsprechend möglich und attraktiv ist,

- dass die Einbringung von "sonstigen Mitteln", zum Beispiel Bauspardarlehen, zulässig ist,

- dass der Sanierungsgemeinschaft ein Anspruch auf Sanierungsfördermittel, auch in der Form des Vorschusses, eröffnet wird,

- dass - ebenso wie beim Sanierungsträger - die Gemeinde die Gewährleistung für Darlehen übernimmt, die von der Gemeinschaft mit Zustimmung der Gemeinde aufgenommen werden; dabei sollte die Gemeinschaft einen Anspruch auf Erteilung dieser Zustimmung haben, sofern die Darlehensaufnahme zur Finanzierung der Sanierung erforderlich ist.

Wird der Sanierungsgemeinschaft diese finanzielle Ausstattung nicht mitgegeben, so wird sich der Gesetzentwurf aus dem Feuer der Kritik nicht erheben. Ohne den Aufwind von der Finanzierungsseite wird er das Schicksal des arabischen Wundervogels Phönix, der sich aus seiner eigenen Asche zu neuem Leben erhebt, nicht teilen." (1974)

Zu den öffentlichen Banken

"Mich hat immer gewundert, dass 1927 bei der Schaffung des Öffentlichen Pfandbriefgesetzes nicht intensiver über das Wettbewerbsverhältnis zu den Öffentlichen Banken nachgedacht worden ist. Auch die abweichenden Formulierungen über das Hypotheken- und Pfandbriefgeschäft - so fehlt zum Beispiel eine Definition der Beleihungsgrenze und eine Bestimmung über die Wertermittlung - sind offensichtlich nicht Gegenstand von Stellungnahmen oder nur verbandsinternen Beratungen gewesen. Der größere Freiraum der Öffentlichen Banken wurde hingenommen. Das Wettbewerbsverhältnis wurde von steuerlichen Regelungen abgesehen - erst Anfang der neunziger Jahre nach der wundersamen Eigenkapitalvermehrung bei der West-LB durch die Integration der WFA und der mehrstufig gewährleisteten Westdeutschen Immobilienbank ein Thema.

Wenig bekannt ist drittens, dass die Hypothekenbanken den Bausparkassen in den Sattel geholfen haben. Und zwar einerseits dadurch, dass sie 1936 den Vorschlag des Reichswirtschaftsministeriums ablehnten, nachrangige Wohnungskredite, refinanziert durch sonstige Schuldverschreibungen, zu gewähren und andererseits, dass sie 1939 die erststelligen Kredite der Bausparkassen übernahmen und sie damit in die Lage versetzten, gemäß der neuen Bausparkassenverordnung tätig zu werden." (2002)

Zum Schweizer Pfandbrief

"Die Schweiz verbindet nämlich den Weltrekord niedrigster Zinsen mit dem der höchsten Hypothekarverschuldung. 136,3 Milliarden Franken Hypotheken Ende 1978 bedeutet 21 540 Franken Belastung pro Einwohner, im Vergleich: 6 782 Franken je Einwohner in der Bundesrepublik Deutschland. Da zugleich die Eigentumsquote mit 28 Prozent sehr niedrig ist, wirken sich Zinsveränderungen stark auf das Mietenniveau aus.

Diese politische Empfindlichkeit wird dadurch noch erhöht, dass in der Schweiz für etwa die Hälfte der Hypothekarschulden weder feste Rückzahlungsraten noch die Annuitätentilgung vorgesehen ist. Auf solche , ewige Hypotheken' muss jede Erhöhung des Spareckzinses empfindlich durchschlagen. Kein Wunder also, dass sich, wie eingangs geschrieben, die Zürcher Kantonalbank der Vorwürfe gegen die Banken erwehren muss ...

Auch auf die Gefahr hin, als Fremder und aus deutscher Sicht voreilig zu urteilen, zeigt sich hier in der Einschaltung von Emissionszentralen ein Nachteil gegenüber dem deutschen Hypothekenbankprinzip. Wenn gleichzeitig am Kapitalmarkt Pfandbriefe zu einem bestimmten Zins ausgegeben und die Mittel von derselben Bank mit einer gewissen Marge an Hypothekennehmer ausgereicht werden, so ist dies ein durchsichtiger Vorgang. Mischkalkulationen sind weniger transparent und für den Kunden auf der Passiv- oder auf der Aktivseite verdächtig.

Um das Ausmaß der Schwierigkeiten Schweizer Banken zu verstehen, muss man wissen, dass den einzelnen Hypothekennehmern Darlehen mit jederzeitiger Kündigungsmöglichkeit gewährt werden, so dass die Hypotheken sich einer Zinssenkung jeweils anpassen müssen. Die Banken haben also bei einer Zinssenkung den Anlegern im Falle einer Konversion der Pfandbriefe, bei einer Zinssteigerung den Hypothekennehmern die veränderte Situation klarzumachen, was durch die Mischkalkulation sicherlich nicht erleichtert wird." (1981)

Zur Bankenaufsicht

"Bei dem Jahresgespräch des Verbandes deutscher Hypothekenbanken mit dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen am 24. Februar 1999 würdigten wir das Wirken von Volkher Kerl als "wesentlichen Bestandteil" des Realkredits. Für diesen Begriff gibt es eine Legaldefinition: § 93 BGB bestimmt, dass Bestandteile einer Sache, die von einander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird, wesentliche Bestandteile seien. Die besondere Bankaufsicht ist tatsächlich ein Wesenselement des Pfandbriefgeschäfts und sie verkörpert sich seit mehr als drei Jahrzehnten in der Person von Volkher Kerl.

In diesen Jahrzehnten bewegter Hypothekenbankgeschichte trug er die Verantwortung für den Realkredit aus der Sicht der Bankaufsicht. Die politisch wohl schwierigste Auseinandersetzung lief Anfang der siebziger Jahre ab, als es um die Kursverluste der sogenannten "niedrigverzinslichen Schuldverschreibungen" und die Hilfsaktion zugunsten der privaten Sparer ging. Das Bundesaufsichtsamt unterstützte damals ebenso sachkundig wie couragiert die Position der privaten und öffentlich-rechtlichen Pfandbriefinstitute, dass nämlich aus den Rückflüssen der entsprechenden Darlehen die durch Hochzins und Inflation entstandenen Kursverluste nicht ausgeglichen werden können.

Seit Jahren - und nicht nur heute steht das Spezialbankprinzip einerseits und die Anpassung des Geschäftskreises der Hypothekenbanken andererseits im Mittelpunkt der Diskussion. Das Bundesaufsichtsamt hat sich im Sinne der Risikobeschränkung und der erhöhten Transparenz für die Aufrechterhaltung des Spezialbankprinzips eingesetzt.

Volkher Kerl hat pointiert immer wieder die Auffassung vertreten, dass aufgrund der Erfahrung der Bankenaufsicht das Spezialbankprinzip wichtiger als das Deckungsprinzip ist." (1999)

Zum Konkursvorrecht "Für den Sicherheitsstandard der Pfandbriefe ist das Konkursvorrecht der Pfandbriefanleger von entscheidender Bedeutung. Der vor 100 Jahren geschaffene und in seiner Konzeption unveränderte § 35 HBG sieht ein Vorzugsrecht innerhalb des Konkurses vor. Inzwischen verbinden sich allerdings mit dieser Vorschrift verschiedene Probleme:

Bis heute ist die Einordnung des Vorrechts zwischen einer formalen verfahrensrechtlichen Rechtsposition und einer materiell rechtlichen Absonderung schwierig. Die im Jahre 1999 in Kraft tretende Insolvenzverordnung hat die Rechtsposition der Pfandbriefgläubiger nicht geklärt, so dass zum Beispiel das Verhältnis zu den Ansprüchen der Arbeitnehmer aus dem Sozialplan weiterhin Fragen aufwirft.

Die damalige Gesetzesbegründung und ihr folgend die Literatur gehen davon aus, dass alle Schuldverschreibungen bei Eröffnung des Konkursverfahrens fällig sind. Es besteht wirtschaftlich aber kein Anlass, Schuldverschreibungen gesunder Deckungsmassen fällig zu stellen, zumal die Insolvenzordnung das Ziel hat, Unternehmen, die in wirtschaftliche Probleme geraten, nach Möglichkeit wieder zu reorganisieren.

Außerhalb des Konkurses wird die Deckungsmasse gegen den Fremdzugriff nicht gedeckter Gläubiger nach § 34a HBG zwar geschützt, in der Literatur werden allerdings unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob Gläubiger, die nicht zugleich Pfandbriefgläubiger sind, aufrechnen dürfen oder nicht. Schließlich wirkt die Konkursvorschrift auch schon während des in die Zuständigkeit des Bundesaufsichtsamtes fallenden Vorverfahrens und es ist unklar, ob bei dem Erlass eines Zahlungsmoratoriums über eine Hypothekenbank Pfandbriefe, denen eine gesunde Deckungsmasse gegenüber steht, weiter bedient werden dürfen.

Alle diese Probleme sollen dadurch gelöst werden, dass die Deckungsmasse für den Insolvenzfall gesetzlich als Sondervermögen ausgestaltet wird. Dies bedeutet, dass nur im Falle einer insolventen Deckungsmasse für die Pfandbriefgläubiger ein Sonderinsolvenzverfahren zu eröffnen ist." (1997)

Zu Pfandbriefgesetz und Zukunft

"Aus der keineswegs geradlinigen Geschichte der Hypothekenbanken und des Pfandbriefs vom 19. zum 21. Jahrhundert sollte man heute etwas lernen:

1. Die Entscheidung des HBG-Gesetzgebers, den Geschäftskreis der Hypothekenbanken zu beschränken, war wegen der unbegrenzten Übergangsregelung und der Sonderregelung für die öffentlichen Banken unbefriedigend. Es ist insofern zu begrüßen, dass es nun eine einheitliche gesetzliche Grundlage für die Pfandbriefausgabe geben soll; allerdings wird dieses Harmonisierungsziel nur unzureichend erreicht werden, wenn nicht auch die aufsichtliche Zuständigkeit vereinheitlicht wird. Die frühere Aufsicht über die Hypothekenbanken durch die Bankaufsicht einerseits, die Aufsicht über die öffentlichen Banken durch die Länderministerien andererseits hat die einheitliche Handhabung des deutschen Pfandbriefrechts - trotz gelegentlicher Koordinierungen - nicht sichergestellt.

2. In der Öffentlichkeitsarbeit der Pfandbriefinstitute, aber auch in den Begründungen von Gesetzesnovellen sind über Jahre die Spezialität und die besondere Bankenaufsicht als gesetzliche Regelungen zum Schutz der Pfandbriefinhaber herausgestellt worden.

Wenn sie nun entfallen, müssen aus der Sicht der Pfandbriefqualität adäquate Regelungen an deren Stelle treten. Dabei muss sowohl das zukünftige Emissionsstanding der Pfandbriefinstitute als auch das riesige umlaufende Pfandbriefvolumen bedacht werden.

3. Die Umstellung der gesetzlichen Emissionsgrundlage sollte von verstärkten Aufklärungs- und Werbemaßnahmen begleitet werden. Der Pfandbrief hat in den neunziger Jahren eine ungeahnte Renaissance erlebt. Der Übergang zum Jumbo-Pfandbrief und die Internationalisierung der Öffentlichkeitsarbeit machten ihn zu einem dominierenden Kapitalmarktinstrument in Europa. Die neue einheitliche Regelung des deutschen Pfandbriefrechts legt es nahe, an die lange Tradition der Zusammenarbeit zwischen den Pfandbriefverbänden anzuknüpfen und in Richtung einer einheitlichen Interessenvertretung auszubauen ..." (2005)

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