Persönliches

Erinnerungen an Volkher Kerl

Am 10. Mai 2006 ist Volkher Kerl in Berlin gestorben. Er ist, er war
ein Bankenaufseher, an den sich viele seiner "Betroffenen" gerne
erinnern. Zuletzt, als Abteilungspräsident des Bundesaufsichtsamts für
das Kreditwesen, hatte er zum Beispiel besonders den klassischen
Realkredit nach Gesetz und Ermessen im hoheitlichen Blick: die
Landesbanken, die Bausparkassen und vor allem auch die
Hypothekenbanken. Die existenzielle Grundlage dieser Institutsgruppen
glich sich trotz aller Unterschiede im Marktauftritt. Alle drei
nämlich waren dabei, sich von Novellierung zu Novellierung immer
stärker in die Freiheiten des Universalbankgeschäfts hineinzuschieben,
ohne auf den Schutz ihres Spezialbankprinzips verzichten zu wollen.
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Kerls ganz besondere Hochschätzung im Gewerbe beruhte auf seinem
Verständnis für die Nöte seiner Klientel: Er wusste um die Enge der
Nischen, in denen sich die Spezialinstitute zu bewegen hatten. Er sah
sehr genau, dass die Märkte vom traditionellen Realkredit zunehmend
mehr verlangten, als dieser "eigentlich" liefern und leisten durfte.
Ohne die Öffnung der Spezialisten für universellere Geschäfte, so
argumentierte auch Kerl, würden diese ihre Kunden verlieren - mit der
Öffnung jedoch verlöre das Spezialitätsprinzip zum Beispiel als
Grundlage des Pfandbriefprivilegs der Hypothekenbanken seine
Berechtigung. Kerls Besorgnisse wegen dieser Gratwanderung haben sich
inzwischen als berechtigt erwiesen. Die Pfandbriefemission ist
Universalbankgeschäft geworden, das Hypothekengesetz wich dem
Pfandbriefgesetz, weil das Dilemma immer nur größer wurde.
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Außerordentlich schön war es, mit Volkher Kerl über seinen "größten
Sündenfall" zu streiten - auf hohem Fachniveau selbstverständlich.
Worum es da ging, ist Bankgeschichte der besonderen Art - nämlich die
Fusion von Universal- und Hypothekenbank ohne Aufgabe des
Pfandbriefrechts, sowie die Wiederbelebung einst aufgegebener
Universalbankgeschäfte durch Hypothekenbanken: Das BAKred genehmigte
zum Erstaunen der Puristen, dass die Dresdner Bank ihre Realtöchter
Deutsche Hypo und Hamburger Hypo auf die "gemischte" Norddeutsche
Hypotheken- und Wechselbank fusionierte, und dieselbe in Deutsche Hypo
umbenannte. Dadurch wurde dann die neue Eurohypo aus Deutscher Hypo,
Rheinischer und alter Eurohypo zu einer neuen "gemischten" Großbank.
Hätte er, so meinte Kerl stets, anders entschieden, wären die Gerichte
gegen ihn gewesen. Auf jeden Fall ist auf diese Weise die Erosion der
deutschen Hypothekenbanken beispielhaft anregend betrieben worden.
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In einem seiner letzten Aufsätze in dieser Zeitschrift hat Volkher
Kerl im Jahre 2001 für den scheidenden Hauptgeschäftsführer des
Hypothekenbank-Verbandes (Dieter Bellinger) geschrieben: Es sei ja
gelegentlich zu beobachten, dass bei staatlichen Eingriffen
populistische Reaktionen auf die öffentliche oder veröffentlichte
Meinung eine Rolle spielten. Aber: "Diese Gefahr besteht bei
Entscheidungen und Beurteilungen der Bankenaufsicht kaum. Sie ist
dagegen dank fundierter Sachkenntnis und im Hinblick auf ihre
Verantwortung für sachgerechte Überwachung der Voraussetzungen, die
die nachhaltige Funktionsfähigkeit der Kreditinstitute sichern, im
Allgemeinen gefeit.
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Dennoch ist auch ihre Urteilsfähigkeit dadurch beeinträchtigt, dass
sie den sich schnell verändernden Marktbedingungen und den
Entwicklungen der bankgeschäftlichen Techniken stets nur mit
zeitlichem Abstand zu folgen vermag. Hinzu kommt, dass fehlende
Erfahrung aus der praktischen Handhabung der sich verändernden
Techniken immer nur ein unvollkommenes Bild zulässt.
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Dies wiegt umso schwerer, als es in den Bereichen staatlich
beaufsichtigter Geschäftstätigkeit kaum ein Gebiet gibt, das ähnlich
komplizierte und komplexe Zusammenhänge aufweist. Hinzu kommt, dass
der Bankenaufsicht nicht nur die Diagnose der vorhandenen Zustände und
die gewerbepolizeiliche Reaktion, sondern zugleich eine
ordnungspolitische Funktion zur Sicherung der dauerhaften
Funktionsfähigkeit des Bankenapparates zufällt."
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Und weiter: "Sie gewinnt mit der Globalisierung der bankgeschäftlichen
Abläufe und der internationalen Zusammenarbeit der
Bankenaufsichtsinstanzen immer größere Bedeutung. Daraus folgt
zwangsläufig, dass der ständige Kontakt zwischen Bankaufsichtsbehörde
und Kreditwirtschaft von großer Wichtigkeit ist. "
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Die Redaktion trauert um einen Freund in der Sache und im Geist.K.O.

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