Bausparen 2010

Bausparkassen in Zeiten niedriger Zinsen

Dass niedrige Kapitalmarktzinsen mitunter ungünstig auf das Geschäft von Bausparkassen wirken, ist bekannt. Sie verschieben die Nachfrage weg von Bauspardarlehen hin zu Bankkrediten und verändern so das Verhältnis von Bausparern zu Darlehensnehmern im Bausparkollektiv. Nach einiger Zeit steht einer großen Zahl Sparer mit hoher Guthabensverzinsung eine kleinere Zahl Darlehensnehmer gegenüber, die zudem noch niedrigere Darlehenszinsen bezahlt haben - das schmälert die Zinsspanne der Bausparkassen und damit deren Erträge.

Zinsänderungsrisiko bei Bausparkassen

Ein Blick in die Jahresabschlüsse sechs großer Bausparkassen zeigt, dass dieser Wirkzusammenhang keineswegs nur ein Gedankenspiel ist. Trotz abnehmenden Anlagegrads, zunehmender Liquidität und neuer Bestimmungen über die Anlage freier Gelder gelingt es den Kassen nicht immer, das Zinsergebnis zu steigern. Ein Hinweis darauf, dass die Kassen tatsächlich einem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt sind. Betrachtungen wie diese gewinnen an Bedeutung: Angesichts des derzeitigen Zinsniveaus, das im Zuge der Banken- und Wirtschaftskrise auf ein Rekordtief gefallen ist, werfen sie die Frage auf, wie die Grundsätze des Bausparens weiterentwickelt werden müssen, damit das beschriebene Zinsänderungsrisiko besser beherrschbar wird.

Erste Vorschläge für solche Neuerungen sind bereits erschienen. Einige davon beruhen auf mathematischen Modellen zur Risikosteuerung. Sie führen im Grunde den bereits in der Vergangenheit beschrittenen Ansatz fort, das im Grundsatz einfache Bausparen hinsichtlich Risikoerfassung und -steuerung an die Strukturen des wesentlich komplexeren Kapitalmarkts anzupassen. Andere Vorschläge setzen stattdessen auf die Anpassung bestehender Sicherungsvorschriften und -systeme mit dem Ziel, die Komplexität der Sicherung gering zu halten. Sie zielen etwa auf eine besser auf einzelne Kassen zugeschnittene Nutzung von Kennzahlen und Lageberichten sowie auf eine flexiblere Verwendung des Sicherungsfonds auch für die Absicherung gegen Niedrigzinsrisiken.

Der vorliegende Beitrag soll einige Anmerkungen aus Sicht der Wirtschaftsprüfung beisteuern. Er betrachtet die Risikosteuerungsverfahren in den Bausparkassen und deren Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der Prüferrolle und beleuchtet dabei denkbare Neugestaltungen zur Sicherung der Zinsspanne.

§ 3 Nr. 2 KWG sieht eine umfassende Fachaufsicht für das Bausparen vor, die heute von der Bankenaufsicht BaFin vorgenommen wird. Sie soll sicherstellen, dass die Bausparkassen in der Lage sind, ihren Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern nachzukommen sowie eine gleichmäßige Zuteilung von Bauspardarlehen aufrecht zu erhalten.

Die Aufsicht stützt sich bislang zum einen auf Meldungen, in denen die Kassen regelmäßig mittels gesetzlich vorgeschriebener Kennzahlen über die Entwicklung der Bauspar-Kollektive berichten. Diese Kennzahlen folgen dem statistisch-finanzmathematischen Modell des "Beharrungszustands". Es geht davon aus, dass Neuzugänge und Verhaltensweisen bei den Bausparern dauerhaft unverändert bleiben, weshalb der Markt auf lange Sicht eben einem Beharrungszustand zustrebt. In diesem Zustand reichen die Bauspareinlagen gerade aus, um die Bauspardarlehen in voller Höhe zu refinanzieren. Auf Grundlage der aus diesem Modell abgeleiteten Kassengleichung lassen sich Kennzahlen wie mittlere Wartezeit, Anspargrade und Zielbewertungszahlen errechnen, auf deren Grundlage die Risikosteuerung erfolgt.

Zum anderen greift die Aufsicht auf die Berichterstattung des Abschlussprüfers einer Bausparkasse zurück. Diese umfasst ein Urteil zur Einhaltung der in BSpkG und BSpkVO verankerten Kontingente für festgelegte bauspartechnische Kennzahlen sowie deren Ausnutzungsgrad, wie zum Beispiel individuelles oder kollektives Sparer-Kassen-Leistungsverhältnis, Anlagegrad, Brutto-Netto-Neugeschäft und so weiter. Ebenfalls enthalten ist eine umfassende Datenübersicht mit weiteren, von der BaFin geforderten Kennzahlen. Die Angaben sind ausschließlich vergangenheitsorientiert und bilden revolvierend einen Zeitraum von fünf Jahren ab. Die Abgabe eines Urteils über die Qualität der Daten sowie wertende Aussagen zu Risikosteuerungsmaßnahmen, die die Bausparkassen aus diesen Daten ableiten, wurde bis Ende des letzten Jahres gar nicht gefordert.

Bisher nur Absicherung von Liquiditätsrisiken

Diese bis vor kurzem bestehende Ausgestaltung zielt vor allem auf die Vermeidung von Liquiditätsengpässen ab nicht jedoch auf die Gewährleistung einer ausreichenden Zinsspanne. Mit der Novellierung des BSpkG 1990 wurde das ursprünglich bestehende Sicherungssystem zwar um den Fonds zur bauspartechnischen Absicherung (FzbtA) erweitert. Doch die Regelungen zur Konstruktion des FzbtA entstanden unter dem Eindruck der damaligen Hochzinsphase. Entsprechend spielten die Risiken, die durch ein dauerhaft niedriges Zinsniveau entstehen, bei der Verabschiedung des Gesetzes keine große Rolle.

Als das Zinsniveau in den Jahren nach 1990 zu sinken begann, begegneten die Kassen der Entwicklung mit der Schaffung neuer Tarife und neuer Möglichkeiten zum Wechsel zwischen einzelnen Tarifen. In der Folge mussten die bestehenden Mess- und Kontrollverfahren verbessert werden, damit die Kassen die neue Tariflandschaft angemessen steuern konnten. Verfahren für Bausparkollektive, die vor allem grundsätzlich langfristige Analysen erfordern, wurden zunehmend mit Steuerungsmechanismen des Kapitalmarktes verwoben - und die Steuerung wurde damit zunehmend komplexer.

Neue Anforderungen an die Anschlussprüfer

So führten die Bausparkassen etwa die bausparmathematische Kollektivsimulation ein. Nach anfänglicher Zurückhaltung gegenüber den Simulationsmodellen hat die BaFin diese inzwischen nicht nur anerkannt, sondern auch deren Einsatz als Grundlage für die Verwendung überschüssiger Kollektivmittel zugestimmt: Bausparkassen dürfen seither ausgehend von solchen Simulationen beispielsweise Vor- oder Zwischenfinanzierungskredite vergeben, vorausgesetzt, sie unterhalten ein Risikomanagementsystem auf Grundlage der MaRisk und erstellen jährlich einen "kollektiven Lagebericht", der auf der Kollektivsimulation beruht.

Außerdem wurde die Berichterstattung durch den Abschlussprüfer verändert. Die bisherige Berichterstattung mit jahresabschlussorientierter Bilanz- und Erfolgsquellenanalyse im Rahmen der geschäftlichen Entwicklung einerseits und der reinen Fortschreibung fest vorgegebener Kennzahlen zum Kollektivgeschäft andererseits wurde aufgegeben.

Stattdessen wurden Auswahl und Umfang der Kennzahlen weitgehend in das Ermessen des Abschlussprüfers gestellt. Der Prüfer hat künftig nicht nur das Kollektivsimulationssystem darzustellen. Er muss auch über die Auswirkungen von Zuteilungsszenarien berichten sowie über deren Auswirkungen auf die kollektive Liquidität und Ertragslage, namentlich über den Zusammenhang von niedrigverzinslichen Darlehensansprüchen und hochverzinslichen Renditeverträgen und den entsprechenden Auswirkungen - auch unter Darstellung entsprechender Stressszenarien. Die Folge: Für die Prüfung der Jahresabschlüsse von 2009 verlangt die neue PrüfBV neben der reinen Darstellung des Kollektivgeschäfts erstmals ein Urteil über die künftige Zuteilungssituation. Hinsichtlich der Ertragslage fordert sie neben dem vergangenheits- und jahresabschlussorientierten Vorjahreszahlenvergleich überdies ein Urteil über die Ertragslage. Für dieses Urteil sind nicht nur Erkenntnisse aus der Entwicklung bis zum jeweiligen Stichtag heranzuziehen, sondern auch die weitere, auf Grundlage der Kollektivsimulation prognostizierte Entwicklung.

Diese jüngeren Entwicklungen führen zu einer höheren Flexibilität der Berichterstattung - und damit zu steigenden Ansprüchen an den Abschlussprüfer. Er hat - abhängig von der wirtschaftlichen Situation der Bausparkasse - nicht mehr nur vorgegebene Kennzahlen wiederzugeben, sondern muss die Berichterstattung angemessen gestalten. Dabei kann und darf er sich nicht mehr darauf verlassen, den in der Vergangenheit üblichen Kennzahlenkatalog unverändert beizubehalten. Stattdessen muss er sich gegebenenfalls auch bisher in diesem Zusammenhang nicht verwendeter Techniken bedienen, um die für die wirtschaftliche Situation der fraglichen Kasse bestgeeigneten Kennzahlen auszuwählen. Die zunehmende Komplexität von Steuerungsinstrumenten und deren Prüfung wird dazu führen, dass Abschlussprüfer vermehrt auf das Wissen von

Finanzmathematikern zugreifen. Dadurch wird der Prüfungsaufwand steigen - und das bei ohnehin zunehmendem Wettbewerb auf dem Markt für Abschlussprüfungsleistungen.

Wie eingangs erwähnt, ist die jüngere Diskussion über die Weiterentwicklung der Kassen-Absicherung geprägt von Vorschlägen zur Anwendung von für den Kapitalmarkt entwickelten, teilweise hochkomplexen mathematischen Modellen.1) Diese würden die oben dargestellte Entwicklung noch beschleunigen, die Komplexität der Sicherung erhöhen und den Aufwand für Abschlussprüfungen nochmals zusätzlich in die Höhe treiben.

Weitere Anpassungen als nächster Schritt?

Aus Prüfersicht scheint daher ein anderer Denkansatz der Verfolgung wert. Die hier angestellten Betrachtungen zu den jüngeren Entwicklungen bei Aufsicht und Prüfung zeigen, dass die bisherigen Anpassungen bestehender Regeln geeignete erste Schritte hin zur Steuerung von Zinsrisiken sind. Daher ist zu prüfen, inwieweit weitere Anpassungen den Bausparkassen zusätzlich nützen können. Eine seit längerem bestehende Überlegung: Die Anpassung der Regeln über den Fonds zur bauspartechnischen Absicherung kann eine einfache, aber wirksame Maßnahme darstellen.

Als Grundlage einer solchen Anpassung könnte die vom Gesetzgeber 1990 vorgeschriebene Ermittlungssystematik dienen. Dann wären nur die Kriterien der Fondsbildung zu überarbeiten - zum Beispiel durch die Definition einer Kennzahl "unzureichende kollektive Zinsspanne" - sowie ein möglichst einfaches und nachvollziehbares Rechenmodell zu verankern, um den Aufwand für Datenerfassung, -auswertung und -prüfung in Grenzen zu halten. Grundlage hierfür könnten die Daten aus dem kollektiven Lagebericht sein2), die um Daten aus der Gewinn- und Verlustrechnung zum Provisions- und Verwaltungsaufwand zu erweitern wären. Ähnliche Überlegungen hat es während der Hochzinsphasen bereits gegeben, als von einzelnen Bausparkassen die Frage nach der Zulässigkeit einer "Zinsrückstellung" diskutiert worden ist. Einer der Gründe, warum sich diese "Rückstellung" nicht durchsetzen konnte, war die fehlende steuerliche Anerkennung. Der Gesetzgeber ist daher aufgefordert, die Erweiterung des Bausparsicherungssystems gegebenenfalls auch unter dem Aspekt einer wenigstens teilweisen steuerlichen Anerkennung zu prüfen.

Risikoorientierte Berichterstattung

Die aktuellen Änderungen bei gesetzlicher Regulierung und Aufsicht hin zu einer künftig stärker risikoorientierten Berichterstattung auch bei den Bausparkassen ist zu begrüßen. Die Betrachtung der jüngsten Veränderungen zeigt, dass die mit ihnen verbundenen Anforderungen die Abschlussprüfer der Bausparkassen vor neue Herausforderungen stellen. Die Forderung nach der Abgabe eines Urteils über die wirtschaftliche Entwicklung und einer Beurteilung der Zuverlässigkeit von Kollektivsimulationen steigert die Verantwortung des Prüfers, dessen Ermessen und Fachkunde zukünftig eine bedeutend größere Rolle spielen wird als bisher.

Dies könnte einer Diskussion über denkbare Erwartungslücken im Verhältnis zwischen BaFin und Abschlussprüfer oder sogar zwischen Kasse und Abschlussprüfer Vorschub leisten. Vor dem Hintergrund der jüngst von der BaFin bekundeten Absicht, eine Datenbank zur Qualität von Prüfungsberichten aufzubauen, wird der Berufsstand insbesondere dem ersten Gesichtspunkt besondere Aufmerksamkeit widmen müssen.

Angesichts dessen scheint die Weiterentwicklung des FzbtA zu einem Stand sinnvoll, auf dem der Fonds den Bausparkassen auch in länger anhaltenden Niedrigzinsphasen ausreichende Zinsspannen sichert. Denn die hierdurch erreichbar scheinende Komplexitätsreduktion bietet einen Vorteil gegenüber der Komplexitätssteigerung durch den Einsatz kapitalmarktähnlicher mathematischer Modelle: Sie bietet bei ähnlichem Schutz der Zinsspanne die bessere Nachvollziehbarkeit und hilft so, die Aufwendungen für Risikosteuerung und deren Überprüfung in einem vernünftigen Rahmen zu halten.

Fußnoten

1) Vergleiche zuletzt Steffan/Schürle/Püntmann, Überlegungen zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken im Bausparen, Immobilien & Finanzierung 2009, S. 460ff.

2) Vgl. auch Miehe, Neukonzeption des Bausparsicherungssystems, Immobilien & Finanzierung 2008, S. 554ff.

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