Schwerpunkt: Bewertungsfragen

Beleihungswertermittlung für im Ausland gelegene Objekte

Die Pfandbrief-Refinanzierung hat seit der Subprime-Krise bei der Finanzierung von Immobilieninvestitionen durch die im In- und Ausland anerkannte Bonität des deutschen Pfandbriefs stark an Bedeutung zugenommen. In dem 2005 in Kraft getretenen Pfandbriefgesetz (PfandBG) wurde die Bewertung von Grundstücken als Voraussetzung für die Indeckungnahme von Hypothekendarlehen für alle Pfandbriefemittenten geregelt. Rund ein Jahr später (Mai 2006) trat die Verordnung über die Ermittlung der Beleihungswerte von Grundstücken nach § 16 Absatz 1 und 2 des PfandBG (Beleihungswertermittlungsverordnung - BelWertV) in Kraft.

Herstellung von Transparenz und Vergleichbarkeit

Mit der BelWertV wurde erstmalig die Bewertung von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten oder vergleichbaren Rechten einer ausländischen Rechtsordnung gesetzlich geregelt. Im Vordergrund stand dabei die Herstellung von Transparenz und Vergleichbarkeit der Wertermittlung für den Zweck der Pfandbriefdeckung für alle Beteiligten. Insgesamt gewährleistet die Anwendung des PfandBG, der BelWertV sowie der weiteren mit dem PfandBG ins Leben gerufenen Rechtsverordnungen eine hohe Sicherheit des Deckungsstocks von Pfandbriefen.

Auch von Banken, die keine Pfandbriefe emittieren, ist der Beleihungswert als Berechnungsgrundlage zu verwenden, sofern sie die Realkrediterleichterungen im Kreditwesengesetz in Anspruch nehmen. Das Beleihungswertkonzept bietet die Voraussetzungen, um eine stark expansive Kreditvergabe in überhitzten Märkten bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Nachhaltigkeit des Marktwertes des zu beleihenden Grundstücks zu vermeiden. Insgesamt haben diese Gesetze und Verordnungen ein Rechtssystem der Pfandbriefemission geschaffen, das durch einheitliche transparente Rahmenbedingungen eine verlässliche Grundlage bietet, die wesentlich zum Erfolg des Pfandbriefs als sicheres Kapitalmarktprodukt beigetragen hat. Angesichts der im In- und Ausland anerkannten Bonität des deutschen Pfandbriefs konnten die Pfandbriefemittenten auch nach Ausbruch der Subprime-Krise Liquidität zu kaum veränderten Konditionen aufnehmen.

Der Pfandbrief hat in den vergangenen Jahren als Refinanzierungsinstrument eine Internationalisierung erfahren und auch im Ausland stark an Anerkennung gewonnen, teilweise sogar zur Nachahmung geführt. Die europäische Expansion deutscher Pfandbriefbanken (früher Hypothekenbanken) als wichtigste Pfandbriefemittenten ist seit mehr als zehn Jahren zu beobachten.

Nachdem die rechtlichen Voraussetzungen zur Vergabe grenzüberschreitender Pfandbriefkredite geschaffen wurden, hat die stetige Zunahme grenzüberschreitender Immobilieninvestitionen durch internationale Investoren auch zu einem Anstieg der grenzüberschreitenden Finanzierungen beigetragen. Im Zeitraum Januar bis September 2007 sind nahezu die Hälfte aller Zusagen für Hypothekarkredite (rund 26 Milliarden Euro) durch Mitgliedsinstitute des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) für Beleihungen im Ausland getroffen worden, im Vorjahreszeitraum (Januar bis September 2006) waren es nur rund ein Drittel (rund zehn Milliarden Euro).1)

Die BelWertV gilt grundsätzlich weltweit für die Beleihungswertermittlung von Immobiliensicherheiten. Vor dem Inkrafttreten der Verordnung stand zur Ermittlung des Beleihungswertes von im Inland gelegenen Objekten das Grundsatzpapier "Ermittlung des Beleihungswertes auf der Grundlage ausländischer Bewertungen"2) zur Verfügung. Die BelWertV enthält nun im Abschnitt 5, § 25, die Vorschriften für die Ermittlung des Beleihungswertes nach § 16 Absatz 1 und 2 des PfandBG von außerhalb der Bundesrepublik Deutschland belegenen Objekten.

Grundsätzlich ist dabei die Ermittlung des Beleihungswertes, ebenso wie auch bei der Ermittlung des Beleihungswertes von in Deutschland gelegenen Objekten, nach den §§ 1 bis 23 und § 26 BelWertV durchzuführen, sofern in § 25 Absatz 2 bis 5 BelWertV nichts Abweichendes bestimmt ist. Die Erleichterungen bei der Vergabe von Kleindarlehen nach den Vorschriften des § 24 BelWertV für wohnwirtschaftlich genutzte Objekte beziehen sich ausschließlich auf im Inland gelegene Objekte.

In § 2 BelWertV wird als Gegenstand der Wertermittlung neben dem Grundstück und grundstücksgleichen Rechten auch ein vergleichbares Recht einer ausländischen Rechtsordnung genannt. § 25 Absatz 2 BelWertV ermöglicht das Heranziehen landesspezifischer Gutachten, sofern diese Gutachten auf transparenten und von Fachkreisen anerkannten Bewertungsmethoden beruhen und sofern sie die wesentlichen Informationen zur Ermittlung des Beleihungswertes enthalten. Angaben, die dem Gutachten entnommen wurden, sind entsprechend kenntlich zu machen.

Besonders erwähnenswert ist die Ergänzung in § 25 Absatz 2 BelWertV, wonach die Gutachten nicht älter als zwei Jahre sein dürfen, sowie dass auf eine Besichtigung verzichtet werden kann, wenn im landesspezifischen Gutachten die im Rahmen der seinerzeitigen Besichtigungen gewonnenen Erkenntnisse ausreichend beschrieben und alle notwendigen Informationen (Lage, Ausstattung und Zustand des Objektes) enthalten sind.

Von Fachkreisen anerkannte Bewertungsmethoden

Im Bereich der Immobilienbewertung hat sich die Internationalisierung und die damit einhergehende Transparenz durch die international anerkannten - aber eben nicht normierten - Bewertungsmethoden wesentlich verbessert. Geschuldet ist dies nicht zuletzt der verbesserten Ausbildung der Akteure am Immobilienmarkt sowie dem wachsenden Bedürfnis, die Herangehensweise der aktiv am Markt agierenden Käufer und Verkäufer auch verstehen zu wollen. In der Bewertung erfolgt ja letztendlich nichts anderes als die Simulation des am Wertermittlungsstichtag herrschenden gewöhnlichen Geschäftsverkehrs.

Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch zwischen Qualitätsstandards der gutachterlichen Tätigkeit und der Normierung des methodischen Rechengangs (Bewertungsmethode). Grundsätzlich bestehen im internationalen Gutachterwesen keine Vorschriften darüber, welche Bewertungsmethode anzuwenden ist. Vorhanden sind dem gegenüber aber Qualitätsstandards, um gewissenhaft und verantwortungsbewusst zu arbeiten und eine Vergleichbarkeit herzustellen. Die Definition, Kontrolle und konsequente Anwendung dieser Qualitätsstandards ist dabei nicht der Gesetzgebung, sondern den Berufsverbänden vorbehalten.

Im Europäischen Raum haben sich im Wesentlichen die International Valuation Standards - IVSC (White Book), die European Valuation Standards - Tegova (Blue Book) sowie die RICS Valuation Standards - RICS (Red Book) durchgesetzt. In allen drei Standards ist ein und dieselbe Marktwertdefinition enthalten, auch das ist ein Erfolg der Internationalisierung. Dieses Marktwertkonzept unterscheidet sich lediglich in der Wortwahl vom Verkehrswert nach § 194 Baugesetzbuch, das ja auch seinerseits bereits um den Begriff Marktwert ergänzt wurde. Die wesentlichen Züge der Konzepte sind absolut kongruent.

Doch die Ermittlung einer transparenten und von Fachkreisen anerkannten Bewertungsmethode stellt für den Gutachter eine besondere Herausforderung dar. Einerseits ist nicht definiert, was überhaupt unter einer anerkannten Bewertungsmethode zu verstehen ist. Andererseits lässt sich aus dem landesspezifischen Gutachten diese Information alleine nicht ableiten.

Grundsätzlich kann sich der Anspruch auf die Verwendung einer von Fachkreisen anerkannten Bewertungsmethode nur auf das regionale Marktgeschehen beziehen. So gibt es schon im europäischen Ausland in Bezug auf die Bewertungsmethoden erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten - dies sogar teilweise auch innerhalb der nationalen Regelungen. Nur selten sind wie in Deutschland gesetzlich normierte Bewertungsmethoden vorhanden, die auch gleichzeitig als anerkannte Bewertungsmethoden im Sinne des § 25 Absatz 2 BelWertV angenommen werden können.

Wesentliche Informationen zur Ermittlung des Beleihungswertes

Nach § 25 Absatz 2 kann ein landesspezifisches Gutachten herangezogen werden, sofern dieses Gutachten unter anderem die wesentlichen Informationen zur Ermittlung des Beleihungswertes enthält. Ausländische Gutachten enthalten nur sehr selten alle wesentlichen Informationen zur Ermittlung des Beleihungswertes.

Die spezifischen Anforderungen an die Beleihungswertermittlung, wie beispielsweise das Zwei-Säulen-Prinzip oder das anzusetzende Modernisierungsrisiko, sind derzeit im Ausland eher untypisch und unbekannt, da es sich bei der Beleihungswertermittlung um eine eigenständige normierte deutsche Bewertungsmethodik handelt. Sofern auf bereits fertiggestellte Gutachten zurückgegriffen wird, ist eine Nachbesserung des Gutachtens nur in den seltensten Fällen möglich. Bei Neubeauftragung eines landesspezifischen Gutachtens ist eine Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen an die wesentlichen Informationen für die Beleihungswertermittlung denkbar und sinnvoll. Dabei steht die Darstellung und Ausweisung der spezifischen Anforderungen im Gutachten im Vordergrund und nicht deren kalkulatorische Einbindung in die Bewertungsmethodik.

Anders als für inländische Objekte stehen dem Gutachter für außerhalb Deutschlands gelegene Objekte weder spezifische Bandbreiten der Einzelkostenansätze für die Ermittlung der Bewirtschaftungskosten noch Erfahrungssätze für die Nutzungsdauer baulicher Anlagen oder Erfahrungssätze für Kapitalisierungszinssätze zur Verfügung. Für Kapitalisierungszinssätze gibt § 25 Absatz 3 BelWertV lediglich vor, dass bei der Ableitung des anzusetzenden Kapitalisierungszinssatzes in dem jeweiligen Markt nicht nur kurzfristig erreichte Spitzenwerte angemessen zu gewichten sind.

§ 25 Absatz 4 BelWertV ermöglicht die Verwendung einer Restnutzungsdauer von 100 Jahren, sofern die geringere tatsächliche Restnutzungsdauer durch Gebäudeabschreibungen im Rahmen der Abzüge für Bewirtschaftungskosten kompensiert wird. Grundvoraussetzung dabei ist, dass eine wirtschaftliche Restnutzungsdauer im Sinne des § 12 Absatz 2 in landesspezifischen Wertermittlungen unüblich oder nicht ausgewiesen ist. Letztendlich erfordert auch die richtige Anwendung des § 25 Absatz 4 BelWertV die Kenntnis über die tatsächliche Restnutzungsdauer, sodass diese auch direkt angesetzt werden kann und somit zu einer besseren Vergleichbarkeit der Beleihungswertermittlung beiträgt.

Der § 25 Absatz 5 BelWertV enthält eine vergleichbare Hilfestellung für den Abzug von Bewirtschaftungskosten. Sofern die landesspezifische Bewertungsmethodik üblicherweise einen Abzug von Bewirtschaftungskosten nicht oder nur in stark verminderter Form vorsieht, kann der in § 11 Absatz 3 BelWertV vorgeschriebene Mindestabzug auch in Form eines ergebnisgleichen Äquivalents durch Ansatz eines erhöhten Kapitalisierungszinssatzes erfolgen. Auch hier muss im Rahmen der Beleihungswertermittlung die Kenntnis über die vollständig anzusetzenden Bewirtschaftungskosten vorhanden sein, sodass diese auch direkt angesetzt werden können und ebenfalls zu einer besseren Vergleichbarkeit der Beleihungswertermittlung beitragen.

In § 4 Absatz 1 BelWertV ist eine Besichtigung des zu bewertenden Objektes zwingend vorgeschrieben. Die Besichtigung hat dabei grundsätzlich auch durch den Gutachter persönlich zu erfolgen. Laut § 25 Absatz 2 BelWertV kann bei im Ausland gelegenen Objekten auf eine Besichtigung verzichtet werden. Voraussetzung dafür ist, dass im landesspezifischen Gutachten die im Rahmen der seinerzeitigen Besichtigungen gewonnenen Erkenntnisse ausreichend beschrieben und alle notwendigen Informationen zu Lage, Ausstattung und Zustand des Objektes enthalten sind.

Zudem dürfen die Gutachten bis zu zwei Jahre alt sein. Damit besteht ein nicht unerhebliches Risiko, dass sich der Zustand des Objektes seit Erstellung des inländischen Gutachtens verändert hat und der Beleihungswertgutachter hierüber keine Kenntnis im Rahmen der Beleihungswertermittlung erlangt.

Markt- versus Beleihungswert Zur Ermittlung des Beleihungswertes muss der Gutachter über sehr gute Kenntnisse des lokalen Marktes verfügen. § 16 Absatz 2 PfandBG fordert daher auch die Ermittlung des Marktwertes. Die Formulierungen des § 25 BelWertV müssen im Hinblick auf die Zielsetzung, das Risiko einer Immobiliensicherheit möglichst für die gesamte Dauer der Kreditvergabe einzuschätzen, noch überarbeitet werden. Laut dem Verband deutscher Pfandbriefbanken handelt es sich bei den mit Immobilien besicherten Pfandbriefkrediten im europäischen Ausland zu über 95 Prozent um Gewerbeimmobilien, darunter vorrangig größere Objekte mit hohem Fremdmittelbedarf.3) Auch hier wird deutlich, dass die Ermittlung des Beleihungswertes von außerhalb der Bundesrepublik Deutschland belegenen Objekten denselben strengen Vorschriften unterliegen muss, wie die der innerhalb von Deutschland belegenen Objekte.

Im Vergleich zum stichtagsorientierten Marktwert soll der Beleihungswert einen langfristigen, über die gesamte Kreditlaufzeit erzielbaren, Wert darstellen. Der Beleihungswert bildet die langfristige Untergrenze des Wertes des jeweiligen Objektes. Die Anforderung an die Nachhaltigkeit der grundlegenden Parameter der Ertragswertermittlung im Rahmen der Beleihungswertermittlung bringt den Unterschied zwischen Marktwert und Beleihungswert zum Ausdruck.

Einem landesspezifischen Gutachten kann man in der Regel nicht die Nachhaltigkeit der Mieterträge im Sinne des § 10 BelWertV, der Mindestbewirtschaftungskosten nach § 11 BelWertV oder der Kapitalisierung der Reinerträge nach § 12 BelWertV entnehmen. Auch die erforderlichen Begründungen und Darlegungen der Voraussetzungen für eine Ersatzbebauung nach § 13 Absatz 3 BelWertV in den Fällen, in denen der Bodenwert mehr als 50 Prozent des Ertragswertes ausmacht, oder die erforderliche nachvollziehbare Begründung nach § 4 Absatz 3 BelWertV für Fälle, in denen der Sachwert oder der Vergleichswert des Beleihungsobjektes um mehr als 20 Prozent hinter dem Ertragswert zurückbleibt, sind ohne regionales Know-how und ohne persönliche Besichtigung nur eingeschränkt zu erbringen.

Das alleinige Heranziehen von landesspezifischen Gutachten zur Ermittlung des Beleihungswertes kann den Anforderungen der BelWertV nicht gerecht werden, es sei denn, dass im Gutachten dazu ausnahmslos Stellung bezogen wird. Auch wenn es sich bei dem Beleihungswert nicht um einen stichtagsbezogenen Wert handelt, dürfte ein Gutachten mit einem Alter von bis zu zwei Jahren gerade vor dem Hintergrund der Volatilität der Immobilienmärkte im europäischen Raum ebenfalls ein hohes Risiko in der Heranziehung für die Beleihungswertermittlung enthalten. Dies trifft insbesondere auf die osteuropäischen Wachstumsregionen zu, in denen es noch keine hinreichenden Erfahrungen über Marktzyklen gibt.

Eine Ermittlung des Beleihungswertes von außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Objekten nach den §§ 1 bis § 23 und § 26 BelWertV sollte daher grundsätzlich nur in Zusammenarbeit mit einem Gutachter erfolgen, der sowohl über die Kenntnisse des betreffenden lokalen Marktes, wie auch über Kenntnisse der regionalen rechtlichen Gegebenheiten verfügt. Die direkte Beauftragung eines landesspezifischen Gutachtens durch die Pfandbriefbank ermöglicht grundsätzlich eine Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen an die wesentlichen Informationen für die Beleihungswertermittlung.

Am vorteilhaftesten erscheint hier die Beauftragung von Gutachtern aus international agierenden Sachverständigenverbänden sowie international tätigen Bewertungsdienstleistern. Somit können, unter Wahrung der hohen Qualitätsanforderungen der BelWertV, sowohl das auf die Beleihungswertermittlung abgestimmte landesspezifische Gutachten, wie auch das Beleihungswertgutachten selbst quasi aus einem Haus angeboten werden.

Fußnoten

1) Quelle: http://www.pfandbrief.de/d/internet. nsf/0/D27792F8252F055EC1257401004629EA/$FIL E/VDP13_2007_09d.pdf?OpenElement; Stand 18. August 2008

2) Verband der Hypothekenbanken (VdH); "Ermittlung des Beleihungswertes auf der Grundlage ausländischer Bewertungen", 2001

3) Quelle: http://www.pfandbrief.de/d/internet. nsf/0/D27792F8252F055EC1257401004629EA/$FIL E/VDP13_2007_09d.pdf?OpenElement; Stand 18. August 2008.

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