Pro und Kontra

Beste Ware - wie viel Einzelhandel gehört ins

Unter Discountern und Filialisten tobt ein Expansionswettlauf. Investoren wähnen darin ihre Chance und haben Handelsimmobilien zum Anlageliebling erkoren. Gerald Feig hält diese Euphorie für gerechtfertigt, bietet doch der Handel langlaufende Mietverträge mit bonitätsstarken Mietern und Inflationsschutz durch Mietindexierung. Frank Schaich warnt jedoch vor einer Überbewertung des Einzelhandels im Portfolio. Denn längst nicht immer könnten die Händler die Inflation auf die Kunden abwälzen, und mit den neuen Bilanzierungsvorschriften drohen auch im Einzelhandel kurz- statt längerfristige Verträge die Regel zu werden. (Red.)PRO Dialog als Eintrittstor Einzelhandelsimmobilien sind bei Investoren gegenwärtig begehrter denn je. Viele Nutzer wie beispielsweise die großen Lebensmitteleinzelhandelsketten wollen expandieren - und gerade die Mietverträge bei Filialisten wie Rewe, Aldi oder Netto sind langfristig, der Cash-Flow ist vergleichsweise sicher und gut prognostizierbar. Einer Umfrage zufolge will sich fast jeder zweite Großflächenbetreiber weiter vergrößern: 47,5 Prozent der befragten Unternehmen gehen von einer erhöhten Flächennachfrage in ihrer Branche aus. Im Vorjahr waren es in der äquivalenten Umfrage lediglich 25 Prozent. Von einer sehr großen Nachfrage gehen 15 Prozent der Befragten aus, während es hier im Vorjahr lediglich 2,5 Prozent waren. Von einer geringen bis sehr geringen Nachfrage sei nur noch bei fünf Prozent (Vorjahr: 27,5 Prozent) die Rede. Allerdings sehen viele Einzelhändler baurechtliche Restriktionen als Engpass für ihre Pläne. Die Vorbehalte haben hier sogar zugenommen: Gaben in der vorherigen Umfrage nur 42,5 Prozent der Befragten an, dass baurechtliche Rahmenbedingungen das größte Hindernis für die Expansion in ihrer Branche darstellen, so waren es aktuell 72,5 Prozent. An zweiter Stelle der Probleme rangiert die Verfügbarkeit von geeigneten Grundstücken beziehungsweise Miet- oder Kaufobjekten mit 27,5 Prozent (Vorjahr: 17,5 Prozent). Um sowohl den baurechtlichen Hürden als auch den Sorgen der Einzelhändler in Expansionsfragen begegnen zu können, ist neben fundierten Kenntnissen im Baurecht ein zweiter Punkt maßgeblich: Viele Investoren sind zu sehr auf ihre Kalkulationen konzentriert und zu weit weg von der jeweiligen Immobilie und der Kommune. Neben der Arbeit mit Excel-Sheets ist das Gespräch mit der öffentlichen Hand und den Nutzern vor Ort von großer Bedeutung. Lokale Präsenz und Vor-Ort-Expertise werden jedoch nach wie vor oft unterschätzt. Das aktuelle Trendbarometer von Ernst & Young Real Estate zeigt: Acht von zehn institutionellen Investoren in Deutschland wollen 2011 verstärkt in Einzelhandelsimmobilien investieren. Auch im vergangenen Jahr stand der Retail-Sektor bereits auf der Wunschliste der Investoren, insbesondere in großen Städten. Bislang war vor allem das Interesse an 1a-Lagen in den Metropolen groß: Einer Untersuchung zufolge halten 67,3 Prozent der institutionellen Investoren in Deutschland Investments in 1a-Lagen in Metropolen für interessant. Es folgen mittlere und kleinere Großstädte mit 49,1 Prozent. Mittelstädte kommen auf 21,8 Prozent, kleinere Mittelstädte auf 5,5 Prozent (jeweils auch dort bezogen auf 1a-Lagen). Aufgrund der voraussichtlich anhaltenden Nachfrage dürften jedoch Einzelhandelsinvestments zu attraktiven Anfangsrenditen an A-Standorten in den Metropolen immer schwieriger zu realisieren sein. Es ist daher davon auszugehen, dass ein Teil der Investoren auf B-Standorte oder aber die Topstandorte in Mittelstädten ausweichen wird. Vor allem für solche Mittelstädte ist die Frage der baurechtlichen Kompetenz besonders wichtig: Großflächiger Einzelhandel ist in Kerngebieten vergleichsweise am einfachsten zu realisieren. Kerngebiete befinden sich meist in den Zentren der Städte - folglich sind in Städten mit großen Zentren auch die Kerngebiete flächenmäßig größer als in kleinen Städten, und das Genehmigungspotenzial ist tendenziell größer. In kleinen und mittleren Städten kommt es daher in noch größerem Maße darauf an, den konstruktiven Dialog mit der öffentlichen Hand zu suchen. Der Autor Gerald Feig Vorsitzender des Vorstands, FLEX Fonds Capital AG, Schorndorf KONTRA Nicht zu stark gewichten Einzelhandelsimmobilien sind gegenwärtig bei Investoren und Bestandshaltern beliebt wie selten zuvor. Und die Argumente sind durchaus nachvollziehbar: Gerade im großflächigen Einzelhandel werden die Mietverträge oft für lange Laufzeiten abgeschlossen, die Einnahmen sind entsprechend gut und langfristig prognostizierbar. Dennoch sollten Einzelhandelsimmobilien in den Portfolios nicht übergewichtet werden. Denn es gibt auch Risiken, die gegen eine zu große Dominanz sprechen. Hierzu zählen die Inflationsgefahr und die möglichen neuen Bilanzierungsregeln für Leasing-Mietverträge. Zwar gelten Immobilien im Allgemeinen als Sachwerte, die vergleichsweise guten Inflationsschutz bieten. Das Ausmaß variiert allerdings je nach Nutzungsart. Dem Einzelhandel wird dabei im Vergleich zu Büro- oder Wohnimmobilien ein eher geringer Inflationsschutz attestiert. So zeigt beispielsweise eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), dass die Renditen von Einzelhandelsimmobilien in der Vergangenheit durchschnittlich weniger stark gestiegen sind als die Inflationsrate. Das IW nennt als Grund, dass die Händler die Inflation nicht vollständig an ihre Kunden weitergeben können - dies spiegele sich entsprechend in den oft umsatzabhängigen Mieten wider. Ein weiterer Punkt, ist die Gestaltung der Mietverträge. Viele Filialisten haben in ihren Mietverträgen zwar eine Klausel, die die Anpassung der Miete an die Inflation regelt. Die Anpassung greift aber häufig nicht sofort, sondern erst nach mehreren Jahren. Und selbst wenn die Miete zeitverzögert angepasst wird, geschieht dies oft nicht in vollem Umfang, sondern gleicht die Teuerungsrate nur teilweise aus. Ein weiterer Aspekt: Die Bilanzierungsregeln für Leasing-Mietverträge nach IFRS stehen vor einer Novelle. Gegenwärtig müssen Leasing-Verträge für Immobilien nicht zwangsläufig bilanziert werden. Dies könnte sich jedoch ändern. Dem aktuellen Vorschlag des International Accounting Standards Board (IASB) und das Financial Accounting Standards Board (FASB) sollen alle Leasing- und Mietverhältnisse sowie die daraus resultierenden Nutzungsrechte und Verbindlichkeiten künftig in der Bilanz des Leasingnehmers erfasst werden. Bei Mietern gewerblicher Immobilien werden sich die neuen Regeln erheblich auf die Bilanzsumme und damit negativ auf die Eigenkapitalquote auswirken - denn die Verbindlichkeiten werden erhöht. Ernst & Young Real Estate zufolge sind die Auswirkungen umso größer, je länger die Laufzeit des Miet- oder Leasingvertrages ist. Einzelhandelsmieter mit ihren teilweisen sehr langen Mietlaufzeiten könnten also in besonderem Maße betroffen sein. Hinzu kommt, dass gerade die großen Filialisten eine Vielzahl von Immobilien nutzen, sodass sich das Problem für sie noch potenziert. Eine mögliche Folge ist, dass Einzelhandelsnutzer künftig kürzere Vertragslaufzeiten anstreben, um ihre Verbindlichkeiten zu reduzieren. Der aus Sicht der Investoren wünschenswerte Vorteil der langen Laufzeiten ist somit in Gefahr. Die Fair Value REIT AG wird auch weiterhin auf Einzelhandelsimmobilien setzen - die Vorteile der gegenwärtig noch langen Laufzeiten bei momentan noch moderater Inflationsentwicklung liegen auf der Hand. Was die relativen Anteile betrifft, wird allerdings der Büroanteil mittelfristig erhöht und der Einzelhandelsanteil gesenkt werden. Sollten sich die Inflationssorgen als unbegründet erweisen, muss diese Strategie allerdings erneut auf den Prüfstand gestellt werden. Zudem gilt, dass jede Immobilie individuell beurteilt werden muss. So gibt es einer Studie von Bulwien Gesa zufolge bei der Frage, ob die Einzelhandelsmieten stärker oder schwächer als die Teuerungsrate gestiegen sind, je nach Einzelhandelslage deutliche Unterschiede. Kleinere Standorte zeigten beispielsweise meist eine stabile Entwicklung. Der Autor Frank Schaich Mitglied des Vorstands Fair Value REIT AG, München

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