Schwerpunkt: Facility Management

"Als nicht-captives Unternehmen sehen wir uns derzeit im Vorteil"

Was zeichnet einen guten Facility Manager aus? Ein guter Facility Manager verhält sich wie der Eigentümer der Immobilie. Wer heute im Gebäudemanagement erfolgreich sein will, darf sich nicht mehr als Lieferant verstehen, sondern muss mit offenen Augen durch ein Objekt gehen und aktiv werden, bevor der Kunde es wird. Das heißt, eine defekte Lampe sollte ausgetauscht sein, bevor der Gebäudenutzer den Defekt bemerkt oder gemeldet hat. Dazu gehören aber auch so einfache Dinge, wie das Aufheben von Papier, auch wenn der Mitarbeiter nicht zum Reinigungstrupp gehört. Diese scheinbar banalen Dinge, erzeugen beim Kunden Zufriedenheit. Das klingt gut und einleuchtend. Trotzdem ist das Image des Wirtschaftszweigs nicht das beste. Was ist zu tun? Die Branche hat in der Tat nach wie vor ein Imageproblem. Das hängt unter anderem mit dem heterogenen Berufs- und Tätigkeitsbild zusammen. Auf die Frage, was ein Facility Manager ist, kommen ganz unterschiedliche Antworten. So hat die Bild-Zeitung vor einem Jahr in einer Glosse Unverständnis darüber geäußert, dass sich der frühere Hausmeister jetzt Facility Manager nennt. Die Süddeutsche Zeitung hat erheblich bissiger kommentiert, dass mittlerweile auch bei einfachsten Tätigkeiten wie Reinigen, Reparieren und Absichern von Managementtätigkeiten gesprochen wird. Dieses Kommunikationsdefizit hat sich die Branche zu Herzen genommen. Zehn große Wettbewerber, darunter die Wisag, haben sich für eine Imagekampagne zusammengetan. Seit einiger Zeit werden Anzeigen und Plakate unter dem Slogan "Die Möglichmacher" geschaltet. Damit versuchen wir einerseits, den englischen Begriff Facility Management (FM) durch ein deutsches Wort zu ersetzen, und andererseits das Interesse für die vielfältigen Tätigkeiten zu wecken und die große Verantwortung der FM-Berufe zu vermitteln. Letztlich geht es dabei auch um Werben für Arbeitskräfte. Besteht denn in der Branche ein Mangel an Arbeitskräften? Allerdings. Allein die Wisag stellt jedes Jahr mehr als tausend neue Mitarbeiter ein. Dieses sind neue Arbeitsplätze, also ohne den Ausgleich von Fluktuationen gerechnet. Ein Teil der Zugänge erklärt sich aus Fusionen und Übernahmen, aber die Mehrzahl der neuen Stellen entsteht im Zuge des organischen Wachstums. Gute Leute finden wir aber nur, wenn die Branche ihr Image weiter verbessert. Besonders im Nachwuchsbereich haben wir ein Problem. Wir, damit meine ich die FM-Branche im Allgemeinen und die Wisag im Besonderen, wollen nicht die Letzten sind, die von Berufseinsteigern und Arbeitssuchenden gefragt werden. Die aktuelle Lünendonk-Studie weist ganz klar das Image und den Nachwuchs als die größten Behinderungsfaktoren der FM-Branche aus - vom Verdrängungswettbewerb einmal abgesehen. Folglich versuchen wir auf Jobbörsen und Ausbildungsmessen, sowie in Universitäten auf uns aufmerksam zu machen. Doch nicht nur bei den hochqualifizierten und technischen Tätigkeiten haben wir Probleme, geeignete Mitarbeiter zu finden, sondern auch in den Bereichen mit geringerem Qualifikationsanspruch wird es immer schwieriger. Kamen früher auf eine Stellenanzeige hundert und mehr Bewerbungen, so ist deren Zahl heute maximal zweistellig. Vor fünf Jahren war es für uns unvorstellbar, mit einer Imagebroschüre für die Berufe in unserem Unternehmen zu werben. Heute ist das selbstverständlich. Muss die Wisag aus der Not heraus auch im Ausland Personal werben? So hoch ist der Leidensdruck noch nicht. Wir haben ein sehr umfangreiches Ausbildungsprogramm, denn unsere Erfahrung zeigt, dass Menschen, die im Unternehmen groß werden und dessen Kultur miterleben und -prägen, auch im späteren Karriereverlauf erfolgreicher und unternehmenstreuer sind. Wie wichtig ist die Marke im FM? Da der Kunde dem FM-Dienstleister vertrauen muss, spielt die Marke eine nicht zu unterschätzende Rolle. Deshalb war es für uns entscheidend, die Einzelmarken unserer Sparten unter eine Dachmarke zu stellen. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern erfordert mehrere Jahre, um Mitarbeiter und Kunden in diesem Prozess mitzunehmen. So wird gerade bei Zukäufen zunächst der volle Name des Unternehmens übernommen und weitergeführt, nach einiger Zeit kommt das Label Wisag hinzu, aber der alte Name befindet sich noch im Untertitel. Schließlich bleibt nur noch der Name Wisag mit der Bezeichnung des Gewerkes, in dem das Unternehmen tätig ist. Jüngstes Beispiel für diesen Markenwandel ist Thyssen-Krupp Hiserv, aus der zunächst Hiserv Gebäudemanagement und über mehrere Stufen die heutige Firmierung Wisag Gebäude- und Industrieservice wurde. Kann das Image auch durch Zertifikate aufgebessert werden? Ja, vor allem im technischen FM fragen die Kunden Zertifikate explizit nach. Das muss ein Dienstleister, der wie wir aus dem infrastrukturellen FM kommt, lernen. Denn im Reinigungsgewerbe werden Zertifikate allenfalls zur Kenntnis genommen, sie sind aber bei der Auftragsvergabe nicht von so entscheidender Bedeutung. Angefangen hat die Wisag als infrastruktureller Facility Manager. Wie verteilen sich die Bereiche technisches, infrastrukturelles und kaufmännisches FM heute? Heute decken wir alle drei Bereiche ab, weil es zwischen diesen Segmenten Synergien gibt. Das Verhältnis zwischen infrastrukturellem und technischem FM ist mittlerweile ausgewogen. Dagegen macht das kaufmännische Gebäudemanagement zurzeit nur fünf Prozent des Umsatzes aus. Hier ist in den nächsten Jahren sicherlich noch Wachstum möglich. Allerdings hat ein Teil der Kunden dabei eine andere Auffassung als der Gebäudemanager. Denn viele Kunden möchten nicht, dass das kaufmännische, das infrastrukturelle und das technische FM in einer Hand liegen. Sie sehen die Gefahr, dass sich der Dienstleister selber kontrolliert. Andere Kunden gehen nüchterner an das Problem heran. Sie haben sich Benchmarks aus dem Markt besorgt und solange diese eingehalten werden, kann der Dienstleister auch das kaufmännische FM übernehmen. Für die Wisag hatte aber in den vergangenen Jahren die Stärkung des technischen Teils der Dienstleistungspalette Vorrang. Dies ist durch Zukäufe der GTE und der Hiserv gelungen. Dies war notwendig, weil das infrastrukturelle FM alleine keine erfolgreiche Zukunft sichert. Zudem genießt das technische FM höheres Ansehen. Die Kunden haben kein Problem damit, von einem Anbieter des technischen FM auch infrastrukturelle Dienstleistungen erbringen zu lassen. Umgekehrt trauen sie einem Anbieter von infrastrukturellem FM aber nicht zu, auch ihre Haustechnik warten zu können. Wie hoch ist das Marktpotenzial für integriertes FM? Diese Frage beschäftigt derzeit die gesamte Branche. Denn nur 20 Prozent aller FM-Aufträge sind bislang als Paket, also faktisch als "integrierte Dienstleistungen" vergeben. Die übrigen 80 Prozent sind Einzelaufträge, oft an unterschiedliche Anbieter. Das erklärt auch, warum die Wisag nach wie vor nach Sparten aufgestellt ist. Jede unserer Sparten kümmert sich um ihren Markt und zusätzlich verfügen wir über sogenannte Segmente, die sich um die gebündelte Auftragsvergabe bemühen. Diese Organisation ist notwendig, um flexibel auf die unterschiedlichen Schnittstellen bei den Kunden reagieren zu können. Deren Verwaltung ist oft noch nicht darauf ausgerichtet, FM-Dienstleistungen gebündelt zu vergeben. Welche Entwicklungen erkennen Sie am deutschen FM-Markt? Nach wie vor wird der gesamte deutsche FM-Markt auf 50 bis 55 Milliarden Euro geschätzt. Dabei wächst jedoch der Anteil des externen FM, also der fremdvergebenen Dienstleistungen. Allerdings ist der Wettbewerb weiterhin so massiv, dass auch in den nächsten Jahren mit einer Fortsetzung in der Konsolidierung gerechnet werden muss. Nicht alle werden das hohe Tempo durchhalten, das der Markt aktuell vorgibt. Die Konzentration wird vor allem in der Spitze stattfinden, wo voraussichtlich zehn bis zwölf große Anbieter übrig bleiben. Daneben wird es eine Vielzahl kleiner, regionaler Unternehmen geben, die durchaus ihre Berechtigung haben, denn sie leben oft von der persönlichen Beziehung eines Kunden zu einem örtlichen Dienstleister. Zum Teil fühlen sich kleine Unternehmen bei einem kleinen FM-Anbieter eben besser aufgehoben. Trifft dieses Manko der Größe auch auf die Wisag zu? Auf den lokalen und regionalen Wettbewerb hat sich die Wisag mit regionalen Gesellschaften eingestellt, die vor Ort wie ein eigenständiges Unternehmen agieren. Dadurch sind sie viel beweglicher als zentral gesteuerte Einheiten. Zudem vereinen wir auf diese Weise Generalisten und Spezialisten. Im infrastrukturellen Facility Management, also bei der Reinigung, Bewachung, Hausmeisterdiensten und anderem, ist der Generalist im Vorteil. Dagegen verlangt die Wartung von technischen Anlagen Spezialistenwissen. Welche Folgen erwarten Sie von der Übernahme der DeTe-Immobilien durch die Strabag? Damit hat ein dritter Baukonzern seine Wertschöpfungskette im deutschen Markt um das Gebäudemanagement verlängert. Zukünftig könnte daraus ein weiterer, kraftvoller Anbieter entstehen, denn die DeTe-Immobilien will und muss vor allem außerhalb des Deutsche-Telekom-Universums Aufträge suchen, während das ehemalige Mutterunternehmen sein FM-Auftragsvolumen an die DeTe-Immobilien sukzessive zurückfährt. Es wird eine Weile dauern, bis die Strabag die Potenziale dieser Integration so nutzen kann, wie sie sich das vorstellt. Ändert sich durch diese Übernahme die Konkurrenzsituation spürbar? Große Verwerfungen im Wettbewerb wird es nicht geben. Zusammengenommen erreichen die zehn größten FM-Unternehmen nur einen Marktanteil von etwa 15 Prozent. Mindestens 85 Prozent des Marktes werden von mittleren und zum Teil sehr kleinen Unternehmen abgedeckt. An dieser Struktur ändert auch der Einstieg der Strabag nichts Wesentliches. Welche Vorteile hat ein nichtcaptiver FM-Anbieter im Wettbewerb? Viele captive FM-Anbieter, also Einheiten, die innerhalb eines Konzerns bisher exklusiv für diesen im Gebäudemanagement tätig sind, müssen aufgrund des Kostendrucks zunehmend extern um Aufträge und Kunden werben. Auf diese Herausforderungen sind die Unternehmen und ihre Vertriebsmannschaften aber noch nicht eingestellt. Für uns als nicht-captives Unternehmen ist das dagegen Alltag. Insofern sehen wir uns derzeit im Vorteil. Ein weiteres Problem der captiven FM-Anbieter, die sich jetzt in den Wettbewerb vorwagen müssen, ist, dass ihre Kapazitäten bisher vollständig auf einen Auftraggeber ausgerichtet und zugeschnitten waren. Aber jeder Auftraggeber hat andere Anforderungen und Wünsche, denen zu entsprechen ein Maß an Flexibilität erfordert, die captive FM-Unternehmen bisher kaum haben. Viele FM-Unternehmen sind - unabhängig von der Größe eigentümergeführt. Passt diese Struktur besser zum Geschäft? Wir fühlen uns als eigentümergeführtes Unternehmen sehr wohl, weil wir nicht permanent bei Investoren und Analysten um Aufmerksamkeit buhlen müssen. Wir sind bei Entscheidungen sehr schnell und müssen dabei nicht ständig auf die Öffentlichkeit achten. Nicht dem Diktat der Börse mit ihren Wachstumserwartungen zu unterliegen, lässt ein Unternehmen in unserer Branche besser arbeiten. Dennoch können wir durchaus interessante Geschichten erzählen. So haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen, auch anspruchsvolle Integrationen zu bewältigen. Dies regt die Fantasie von Investoren an und manche fragen schon, wann wir an die Börse gehen. Doch ehrlich gesagt, passt die Börse nicht zu unserem Geschäft. Reine Finanzbetrachtungen führen zu einer anderen Unternehmenskultur, als wir sie haben und brauchen. Die Betrachtung durch die Brille der Rendite und Kostenoptimierung über kurze Zeiträume schadet dem Verhältnis zum Kunden, das möglichst langfristig angelegt sein soll. Ein eigentümergeführtes Unternehmen entspricht damit besser dem FM-Geschäft als die Mechanismen des Kapitalmarktes. Viel Wettbewerb findet über den Preis statt. Sind dabei noch angemessene Renditen zu erwirtschaften? Derzeit beträgt unsere Rendite etwa vier Prozent. Fünf Prozent streben wir an und wären damit auch zufrieden. Denn eine zweistellige Umsatzrendite ist in unserem Geschäft unrealistisch. Wie entwickelt sich die Expansion im Ausland? Wir sind in der Schweiz, in Österreich, in Luxemburg und in Polen tätig. Aber jeweils mit kleinen Einheiten. Wir halten uns mit dem Wachstum im Ausland zurück, weil wir die Konsolidierung im deutschen Markt nicht verpassen möchten. Wir haben aber durchaus durch unser internationales Engagement sehr viel über die Vergabeprozesse, die Märkte und die Kundenbeziehungen im Ausland gelernt. Vielleicht können wir das in der Zukunft einmal besser nutzen als es uns derzeit möglich ist. Welche Innovationen bringt der FM-Markt derzeit hervor? Wir haben unsere Kunden gefragt, wann sie sagen würden, dass wir innovativ wären. Die Antwort ist sehr nüchtern ausgefallen. Die Kunden sagten: Ihr seid innovativ, wenn ihr uns sagen könnt, was wir in unserer Organisation verbessern können. Das Argument dabei war, dass der Facility Manager das beauftragende Unternehmen und seine Abläufe im Detail kennt, aber immer noch den Blick von außen hat. Es ist also unsererseits nicht der "große Roboter" gefragt, sondern einfach Aufmerksamkeit. Dieses Ergebnis der Befragung fließt bei uns inzwischen in die Aus- und Weiterbildung sowie in die Kommunikation mit dem Kunden ein. Welche Wünsche hätten Sie an den Gesetzgeber, insbesondere in Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um das Entsendegesetz? Wo sehen Sie Regelungs- oder Kontrollbedarf? In der Gebäudereinigung gibt es bereits einen branchenweiten Mindestlohn, den wir sehr begrüßt haben. Wir würden uns freuen, wenn der Sicherheitsbereich ebenfalls möglichst bald einen Mindestlohn bekommt, damit Wettbewerb wieder über Qualität und Innovation stattfindet und nicht über Lohndumping. Wir sind eines der wenigen Unternehmen, die offensiv diesen Mindestlohn fordern, wohl wissend, dass diese Forderung in der Wirtschaft nicht sehr populär ist. Aber wir haben in der Gebäudereinigung gesehen, dass der gesetzliche Mindestlohn ein "Hygienefaktor" ist, der letztlich dem Kunden zugute kommt. Energieeinsparung wird von der Wirtschaft - der Industrie, aber auch den Dienstleistungsbereichen - immer bewusster wahrgenommen. Inwieweit werden die FM-Anbieter gefordert? Mich überrascht, wie wenig offensiv die Branche dieses Thema zurzeit noch angeht. Wir diskutieren immer häufiger mit den Kunden die technischen Möglichkeiten der Energieeinsparung. Denn wir kennen seine Technik und wissen, was möglich ist. Ich würde mir wünschen, dass die FM-Branche die Möglichkeiten der Energieeinsparung auch im Sinne der Imageverbesserung stärker in den Fokus nimmt. Womit wir wieder am Anfang unseres Gesprächs wären.

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