Facility Management

Wachstum und Wandel eines heterogenen Marktes

Die international agierende ISS-Gruppe gehört zu den übernahmefreudigsten Unternehmen der Branche für Facility Management (FM). Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2006 kaufte der dänische Dienstleistungskonzern knapp 70 Wettbewerber weltweit - darunter Firmen aus Mexiko, Chile oder den Philippinen. Insgesamt ist ISS heute in 47 Ländern vertreten und erwirtschaftet einen Umsatz von mehr als 6,3 Milliarden Euro.

Verteilung der Umsätze

Dass die Gruppe den in Hinblick auf die Gesamtzahlen eher bescheidenen Anteil der deutschen Tochtergesellschaft ISS Facility Services von rund 240 Millionen Euro künftig kräftig erhöhen will, unterstrich das Unternehmen im April mit dem Kauf der Münchner Kindl Gebäudedienste und Vertrieb GmbH und jüngst Mitte November mit dem Erwerb von Debeos. Die Übernahme der 100-prozentigen FM-Tochter der Daimler Chrysler AG sichert ISS in der kommenden Bilanz nicht nur ein Umsatzplus von 94,5 Millionen Euro, sondern gleichzeitig den Automobilkonzern als lukrativen Kunden.

Akquisitionen wie diese stellen im deutschen Markt für Facility Management keinen Einzelfall dar, sondern gehören inzwischen fast zur Tagesordnung. Diese aktuellen Entwicklungen und Hintergründe hat das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Lünendonk GmbH, Bad Wörishofen, jetzt in der umfassenden Studie "Führende Facility-Management-Unternehmen für infrastrukturelles und technisches Gebäudemanagement in Deutschland" untersucht.

Das Gesamtvolumen des reinen infrastrukturellen und technischen FM-Marktes wurde demnach inklusive der captiven Unternehmen (die ihre Leistungen vorwiegend dem Mutterunternehmen und teilweise auch Dritten anbieten, Anmerkung der Redaktion) auf ungefähr 47 Milliarden Euro berechnet.

Ohne die Berücksichtigung der captiven Unternehmen liegt das Gesamtvolumen des deutschen FM-Marktes bei rund 42 Milliarden Euro. Hierbei erwirtschaften die 61 von Lünendonk befragten Anbieter durchschnittlich 46 Prozent ihres Umsatzes mit infrastrukturellen Dienstleistungen. Darunter fallen beispielsweise Tätigkeiten wie Catering, Sicherheit oder Gebäudereinigung.

39 Prozent der Umsätze werden mit technischen FM-Services wie Gebäudetechnik oder Instandhaltung generiert. Die restlichen 15 Prozent kommen aus dem dritten großen Geschäftsfeld, den kaufmännischen Leistungen, die neben der Verwaltung auch Property und Asset Management umfassen. Insgesamt fällt auf, dass es sich bei über einem Drittel aller erbrachten Dienstleistungen um Gebäudereinigung handelt, während knapp ein Viertel der Umsätze mit Gebäudetechnik erzielt wird.

Grundsätzlich lässt sich der deutsche FM-Markt in fünf verschiedene Unternehmenstypen einteilen.

- In die erste Gruppe fallen die Tochterunternehmen der großen Baukonzerne. Hierzu zählen unter anderem Bilfinger Berger, Hochtief und ABB, deren externer Umsatzanteil bei mehr als 75 Prozent liegt. Gerade Hochtief konnte durch die Übernahmen der Gebäudemanagement-Sparten von Siemens und Lufthansa seine Position in den vergangenen Jahren deutlich stärken.

- Zur zweiten Gruppe gehören Unternehmen, die traditionell sehr stark im infrastrukturellen Facility Management tätig sind, so beispielsweise Dussmann, Wisag oder Klüh. Durch gezielte Zukäufe und organisches Wachstum lassen sich diese Anbieter jedoch inzwischen zu den Gesamtdienstleistern zählen. So baute Wisag mit dem Kauf von Thyssen Krupp Hiserv zum Beispiel das Segment Gebäudetechnik aus.

- Unternehmen, die so genannte Com-modity-Services anbieten, werden zur dritten Gruppe gerechnet. Diese Anbieter - beispielsweise Piepenbrock - zeichnen sich durch eine hohe Mitarbeiterzahl bei niedrigem Pro-Kopf-Umsatz aus und werden von anderen FM-Dienstleistern für einige Aufgabengebiete als Subunternehmer eingesetzt.

- Klassische Nischenanbieter, die entweder ein sehr spezialisiertes Leistungsspektrum aufweisen oder lediglich regional agieren, bilden die vierte Gruppe.

- Die fünfte Gruppe schließlich sind captive Unternehmen, deren Umsätze größtenteils aus konzerninternen Dienstleistungen erwirtschaftet werden. Hierzu zählen beispielsweise DB Services und De-Te-Immobilien.

Fortschreitende Konsolidierung

Die Unterschiedlichkeit der Anbieter verdeutlicht, wie heterogen sich der Markt für Facility-Management-Dienstleistungen darstellt. Wie auch Unternehmen anderer Wirtschaftsbranchen unterliegen die FM-Dienstleister zahlreichen Herausforderungen, die Auswirkungen auf die jeweilige strategische Ausrichtung und das Leistungsportfolio haben.

So kooperieren Anbieter, die bislang nur in lokalen Märkten tätig waren, um ihre Präsenz überregional auszudehnen. Ein Beispiel hierfür sind die Bayern Facility Management GmbH und die HSH N Facility Management mit Standorten in Hamburg und Kiel. Mit der Zusammenarbeit regieren beide Firmen auf den Trend von Großunternehmen, Leistungspakete an ausschließlich einen Dienstleister zu vergeben.

Doch der Wettbewerb wird nicht nur für kleinere und mittelgroße FM-Anbieter härter, auch die deutlich größeren Facili-ty-Management-Einheiten deutscher Konzerne geraten von zwei Seiten her unter Druck. Einerseits bekommen sie von den Muttergesellschaften strikte Vorgaben, als Profit-Center auf dem externen Markt erfolgreich zu agieren. Andererseits erhalten sie nicht mehr aus Selbstverständlichkeit die lukrativen internen Aufträge ihrer Konzerne, sondern müssen sich zunehmend über Ausschreibungen mit externen Wettbewerbern messen.

Dies hat zur Folge, dass Unternehmen wie De-Te-Immobilien, Deutsche Bahn Services oder Infraserv Hoechst ihren derzeitigen externen Umsatzanteil von weniger als 25 Prozent künftig deutlich erhöhen müssen. Gelingt dies mittelfristig nicht, kann der Mutterkonzern auch einen Verkauf der gesamten FM-Sparte in Betracht ziehen, so wie dies bei Siemens und der Lufthansa der Fall war oder bei der RAG-Tochter Riag demnächst der Fall sein wird.

Wichtig bei den getroffenen strategischen Entscheidungen der FM-Unternehmen sind die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden. 87,9 Prozent der in der Lün-dendonk-Studie befragten Anbieter sehen sich in der Rolle eines "dauerhaften Partners" ihres Kunden.

Um diesen Anspruch zu erfüllen, geben sie ihren Auftragebern Werteversprechen. So erklären 82,4 Prozent der FM-Dienstleister, ihre Kunden bei der Konzentration auf das Kerngeschäft zu unterstützen. 73,5 Prozent wollen sich anhand ihrer Effizienzsteigerung beurteilen lassen, während 47,1 Prozent ihre Kunden bei der Kostensenkung unter die Arme greifen. Besonders die beiden letztgenannten Aspekte stellen aus Sicht der Kunden wesentliche Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit dar. Dies gilt ebenso für das Angebot einer kompletten Dienstleistungspalette.

Auf der Suche nach Wachstum orientieren sich die FM-Unternehmen nicht nur an dem Ausbau ihrer Angebotspalette, sondern auch an neuen Märkten. Zu einem der am intensivsten diskutierten Themen gehört momentan das Gesundheitswesen. Sowohl die demographische Entwicklung als auch die leeren öffentlichen Kassen können dazu führen, dass bis zum Jahr 2008 jedes vierte öffentliche Krankenhaus schließen muss, wie es eine Studie der Unternehmensberatung Mc Kinsey prognostiziert. So wundert es nicht, dass die meisten FM-Dienstleister das Segment Health Care als "wichtigen Teil der Unternehmensstrategie" bezeichnen und sich bis zum Jahr 2011 ein jährliches Wachstum von 9, 6 Prozent erhoffen.

Neue Marktpotenziale

Noch größere Entwicklungschancen mit erwarteten 13,2 Prozent sehen die FM-Anbieter indes im Public Private Partnership (PPP). Auch hier ebnen die leeren öffentlichen Kassen den Weg zum Bau und Betrieb von Bildungseinrichtungen bis hin zu Justizvollzugsstätten. Vorteil des PPP-Modells für die FM-Dienstleister: Die meisten Verträge werden über lange Laufzeiten - bis zu 30 Jahre geschlossen und bieten so eine stabile Kalkulationsgrundlage. Nachteil: Aufgrund der komplexen Konzeption eignet sich PPP vor allem für große FM-Unternehmen.

Eine Schlüsselfrage, die sich immer wieder stellt, dreht sich um die Erbringung von kaufmännischen Dienstleistungen. Hier zeigt die Studie ein gespaltenes Bild. Während 75 Prozent der FM-Anbieter kaufmännisches Facility Management für ein interessantes Geschäftsfeld halten, schätzen sie die Bereitschaft der Kunden, diese Prozesse auch auszulagern, noch zurückhaltend ein. Dennoch ist der Weg zum Angebot integrierter Leistungen nach Einschätzungen der meisten Anbieter der richtige in die Zukunft.

Die größten Sorgen bereitet den FM-Anbietern der immer härter werdende Wettbewerb über den Preis, der in vielen Leistungsfeldern kaum noch Gewinnmargen zulässt und daher wirtschaftlicher Vernunft kaum noch nachzuvollziehen ist. Dennoch scheint ein Ende des Preiskampfes nicht in Sicht zu sein, oder wie es ein Befragter formulierte, dass bei null Euro Stundensatz Schluss sei. Auch die langwierigen Entscheidungsprozesse im öffentlichen Sektor - gerade bei wachstumsträchtigen PPP-Projekten - stellen für die FM-Dienstleister einen wesentlichen Behinderungsfaktor im Wettbewerb dar. Zudem leidet die Branche nach eigener Einschätzung an ihrem schlechten Image in der Öffentlichkeit. Hier gilt indes: Je größer das Unternehmen, desto geringer die Sorge um das Ansehen der Branche.

Vertrieb ist Chefsache

Um diese Widerstände zu durchbrechen, wollen die FM-Unternehmen ihre Marketing- und Vertriebsaktivitäten verbessern. Nach wie vor sehen die meisten FM-Anbieter den Vertrieb als "Chefsache" an, den sie ungern aus der Hand geben. Bis 6,1 Prozent des Gesamtumsatzes ist den Unternehmen diese Maßnahme wert. Dennoch stellt sich für 52,6 Prozent der Befragten der Akquisitionsaufwand im Vergleich zum Projektvolumen mit einem Verhältnis von weniger als 10 zu 90 dar.

Trotz aller zu lösenden Herausforderungen und der fortschreitenden Konsolidierung verfügt der Markt für Facility Management in Deutschland noch über deutliches Entwicklungspotenzial. Zugute kommt den FM-Anbietern die verstärkte Bereitschaft vieler Unternehmen, Aufgabengebiete, die nicht zum unmittelbaren Kerngeschäft gehören, an externe Dienstleister auszulagern.

Zwar besteht aufgrund der momentanen und sicherlich auch andauernden Preissituation nur noch bedingt die Möglichkeit, organisch zu wachsen beispielsweise in neuen Feldern wie Health Care -, doch lässt sich dieses Manko mit dem Ausbau des Portfolios zu einem Gesamtdienstleister ausgleichen. Dies kommt dem Kundenmarkt entgegen, der immer häufiger Komplettdienstleistungen nachfragt, die überregional oder international erbracht werden sollen. Eine Einschätzung, die auch die von Lünendonk befragten Unternehmen teilen: Sie rechnen für die kommenden fünf Jahre mit einem Wachstum von jährlich 6, 5 Prozent.

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