Im Blickfeld

Erdland erzwingt Kulturrevolution bei W&W

Dass Alexander Erdland exakt 365 Tage nach seinem Amtsantritt als Vorsitzender des Vorstands im Bauspar- und Versicherungskonzern Wüstenrot & Württembergische AG, Stuttgart, die vorläufigen Ergebniszahlen für das Geschäftsjahr 2006 verkündete, ist gewiss kein Zufall. Schließlich kommt der Rückblick auf das erste Jahr nach der Reorganisation des Unternehmens auch einer persönlichen Bilanz gleich. Folglich trägt nicht nur das Zahlenwerk die Handschrift des neuen Konzerchefs, auch ihm selbst ist die Arbeit daran deutlich anzusehen.

Einheitliche Steuerung

Allein der Zeitpunkt und die Art, wie der Konzern die vorläufigen Zahlen verkündet, zeigt, dass es dem Vorstandsvorsitzenden ernst ist mit der Restrukturierung. Als Steuermann will er zusammen mit seinem Holding-Kollegium sowohl Richtung als auch Schlagzahl der W&W-Mannschaft vorgeben. Die bislang gepflegten "kulturellen" Unterschiede soll es künftig nicht mehr geben. Folglich dürfen Bausparkasse und Versicherungen ihre Zahlen nicht mehr separat verkünden. Indem nur noch die Holding den Geschäftsverlauf kommentiert, soll nach außen wie nach innen klar gemacht werden, dass es sich bei W&W um einen einzigen Vorsorgekonzern handelt.

Dazu war die Bündelung der Geschäftsfelder von fünf auf zwei - nämlich Bausparen/Bank sowie Versicherung - längst überfällig. Wurden so doch nicht nur die bürokratischen Abläufe vereinfacht, sondern durch die Installation eines übergreifenden Management-Boards endlich eine einheitliche Konzern-Steuerung geschaffen, die allerdings noch beweisen muss, dass sie effizienter arbeitet als die bisherige Dezentralität. Zumindest wird mit der Einrichtung von drei Group Boards - für Vertrieb, Risiko und Operations - zwischen dem Management Board und den Geschäftsfeldern ein eindeutiges Signal an den Markt, aber mehr noch an die eigene Belegschaft gesendet.

Was Erdland nach seinem ersten W&W-Jahr zu verkünden hatte, ist für den Markt keine Überraschung, denn bereits im Vorfeld erklärte sich der Vorstandsvorsitzende in der Fachpresse (siehe Immobilien & Finanzierung 01-2007, Seite 12). Bei der Bausparkasse verringerte sich das eingelöste Neugeschäft im Jahr 2006 erwartungsgemäß um 5, 5 Prozent auf 7, 3 Milliarden Euro, weil unprofitables und nicht nachhaltiges Geschäft gestoppt wurde. Denn der Außendienst wird inzwischen nicht allein nach Abschlüssen bezahlt, sondern die Provisionen richten sich auch nach der Güte der Besparung. Hätte Wüstenrot so weiterverkauft wie bisher, wären zusätzliche Neuabschlüsse von etwa einer Milliarde Euro möglich gewesen, erklärte Erdland. So jedoch sank der Marktanteil von 8, 0 auf 7, 6 Prozent, weil die Branche zeitgleich um ein Prozent zulegte. Rückläufig war auch das Neugeschäft in der Baufinanzierung von Wüstenrot Bausparkasse, Wüstenrot Bank AG Pfandbriefbank und Württembergische Leben, die zusammen Darlehen in Höhe von 4,12 Milliarden Euro ausreichten. Für dieses Minus um 13,8 Prozent wurden neben der geänderten Risiko- und Margenorientierung vor allem alte Schwächen bei den Systemen, Arbeitsprozessen und Bearbeitungszeiten genannt. Lediglich bei den Prolongationen gelang die Trendwende: Mit 550,7 Millionen Euro wurden 39,7 Prozent mehr Kredite als im Vorjahr verlängert.

Sichtlich Freude macht Erdland die Entwicklung des Versicherungsgeschäfts. Besonders stolz sei er auf das Leben-Geschäft, wo die Neubeiträge von 462,0 auf 578,5 Millionen Euro gewachsen sind. Mit diesem Plus von 25,2 Prozent liegt der Konzern sogar über dem Branchendurchschnitt von 19,1 Prozent. Hauptträger war dabei die Württembergische Lebensversicherung AG, die allein um 39,0 Prozent zulegte. Zu verdanken sei dies vor allem der Vereinfachung bei den Riester-Produkten. Deren Absatz stieg binnen Jahresfrist von 17 401 Verträge auf 57 681 Policen im Jahr 2006 ein Zuwachs um 231,5 Prozent. Letztlich führte das starke Neugeschäft wegen der gleichzeitig hohen Zahl auslaufender Verträge nicht zu einem Anstieg der Bruttobeiträge im Bestand. Die Branche verbuchte dagegen ein Zuwachs um 3,2 Prozent.

Freude über die Versicherungen

Auch im Komposit-Geschäft der Württembergische Versicherung AG (inklusive Württ-UK und der Karlsruher Versicherung) musste ein Beitragsabrieb um 0,4 Prozent auf 1,611 (1,617) Milliarden Euro hingenommen werden. Allerdings bewegt sich die Branche bei einem Minus von 1,1 Prozent. Dass die Neubeiträge bei der Württembergischen um 3,4 Prozent auf 160,4 Millionen Euro gesteigert wurden, konnte jedoch die Neugeschäftsverluste bei der Karlsruher nicht vollständig kompensieren, sodass sich für den Konzern ein Rückgang um 1,7 Prozent auf 178,6 Millionen Euro ergibt.

Wüstenrot im Cross-Selling besser

Bei den dargestellten Vertriebsleistungen gilt es jedoch zu beachten, dass der Wüs-tenrot-Außendienst wesentlich erfolgreicher im Cross-Selling aktiv war als die Versicherungsvertreter. So entfielen nicht nur 64 Prozent des Fonds-Absatzes der Gruppe in Höhe von 387 Millionen Euro (plus 25,2 Prozent), sondern auch ein Drittel des Neugeschäfts bei den Lebensversicherungen auf die Bausparkasse ohne dass ein äquivalenter Teil des Bausparneugeschäfts von der Assekuranz kam. An dieser Stelle müssen Erdland und seine Vorstandskollegen trotz allen Lobs für die Versicherungen noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Zeigt sich doch gerade in diesem Bereich, dass der Konzern von einer gemeinsamen Identität noch weit entfernt ist. Zusammen kamen Wüstenrot und Württembergische auf einen Überkreuzabsatz von rund 230 000 Produkten - ein Fünftel mehr als 2005. Zur Steigerung trug insbesondere der Absatz von mehr als 28 000 Riester-Verträgen über den Wüstenrot-Außendienst bei.

Die nach HGB erstellte Bilanz für 2006 wurde wie angekündigt vor allem durch die Bausparkasse und durch die Bank belastet. So musste für mögliche Kreditausfälle bei beiden Tochtergesellschaften eine Vorsorge in Höhe von 106,5 Millionen Euro gebildet werden, während im Jahr 2005 noch 89,5 Millionen Euro angesetzt wurden - im Wettbewerbsvergleich zu hohe Werte, wie Erdland selbst feststellt. Zusätzlich fiel in beiden Unternehmen ein vor allem durch Personalabbau geprägter Restrukturierungsaufwand von 74,4 Millionen Euro vor Steuern beziehungsweise 45,7 Millionen Euro nach Steuern an.

Da hiervon auf die Bausparkasse 63,7 Millionen Euro entfielen, schloss diese mit einem Minus-Ergebnis von 78 Millionen Euro ab, während das korrigierte Vorjahresergebnis noch bei plus 29,2 Millionen Euro lag. Für die Wüstenrot Bank betrug der Restrukturierungsaufwand (vor Steuern) 10,7 Millionen Euro, sodass zusammen mit den erhöhten Wertberichtigungen auf Kredite und Wertpapiere ein Nachsteuerergebnis von minus 45,9 Millionen Euro herauskam. 2005 waren hier noch plus 3,2 Millionen Euro ausgewiesen worden.

Zudem korrigierte der Konzern die Jahresabschlüsse der Bausparkasse für 2004 und 2005, da für Zinsboni und die Rückerstattung von Abschlussgebühren bei Bauspar-Alttarifen nicht ausreichend Rückstellungen gebildet wurden. Der ermittelte Fehlbetrag von 90, 4 Millionen Euro (nach Steuern) verteilt sich mit 32, 6 Millionen Euro auf 2004, mit 34 Millionen Euro auf 2005 und mit 23, 8 Millionen Euro auf 2006.

Auch bei der Bank waren die Jahresabschlüsse 2004 und 2005 rückwirkend zu korrigieren. Denn bei der Überprüfung des Hedge-Accounting wurde festgestellt, dass gebildete Fair-Value-Hedge-Beziehungen tatsächlich nicht bestanden, weil exakt kongruente Konditionen bei Grund- und Sicherungsgeschäft nicht gegeben waren. Folglich wären positive Teilergebnisse aus der Zukunft vorgezogen worden - zu Lasten der folgenden Jahresabschlüsse. Der ermittelte Korrekturbedarf von 24,8 Millionen Euro nach Steuern verteilt sich mit 3,5 Millionen Euro auf 2004, mit 11,3 Millionen Euro auf 2005 und mit 10,0 Millionen Euro auf 2006. Für die HGB-Bilanz der W&W AG schrieb der Konzern insgesamt 45 Millionen Euro auf den Buchwert der Bank ab, die folglich nur noch mit 280,5 (325,5) Millionen Euro bewertet wird.

Konzerngewinn dank Assekuranz

Diese Ergebnisbelastungen von Bank und Bausparkasse konnte die Versicherungssparte nicht vollständig kompensieren. Da jedoch die Württembergische Versicherung einen um 13,3 Prozent höheren Überschuss von 24,7 (21,8) Millionen Euro und die Württembergische Lebensversicherung 15,2 Millionen Euro nach Steuern (plus 25 Prozent) an die W&W AG abführten, schaffte der Konzern 2006 gerade so ein positives HGB-Ergebnis von 10,7 (93,5) Millionen Euro nach Steuern.

Zur Personalentwicklung erklärte das Unternehmen, dass von dem bis 2009 geplanten Abbau von 1 750 Stellen (Vollzeit), bereits 450 bei den Versicherungen und 250 bei Bank und Bausparkasse wegfielen. Vor allem Aufhebungsverträge, Altersteilzeit und Vorruhestandsregelungen wurden bisher genutzt. Vom weiteren Personalabbau werden aber vornehmlich die 15 dezentralen Kredit-Bearbeitungs-Zentren mit ihren 300 Mitarbeitern betroffen sein, während nach Auskunft des Vorstands bei der Karlsruher Versicherung mehr Personal abgewandert ist, als geplant war. Hier beklagt das Unternehmen inzwischen Engpässe. Neueinstellungen sind vor allem im Wüstenrot-Außendienst vorgesehen, der bis 2008 um 300 Mitarbeiter auf zunächst 3 500 ausgeweitet werden soll. Zusätzliche Beschäftigungseffekte verspricht der Vorstand auch durch den Neuaufbau des Maklervertriebs bei den Württembergischen Versicherungen.

Ehrgeizige Neugeschäftsziele

Dadurch sollen bis 2009 pro Jahr durchschnittlich fünf Prozent Neugeschäftswachstum geschafft werden. Für 2007 hat der Vorstand die Gewinnung von 400 000 Neukunden, vorwiegend bei Baufinanzierungen und Bausparen, als Ziel formuliert. Darüber hinaus will der Konzern innerhalb seiner vorhandenen Basis von sechs Millionen Kunden weiteres Cross-Selling-Geschäft abschließen. Durch die jüngst vereinbarte Vertriebskooperation mit der Santander Bank wird ein jährliches Bausparneugeschäft von 800 Millionen Euro erwartet.

Nachdem die Kapitalrendite durch die Bilanzkorrekturen im vergangenen Jahr nur 1,9 Prozent betrug - nach 2,6 Prozent im Jahr 2005 - strebt der Konzern für 2007 etwa 5,3 Prozent an. Bis 2009 soll die Kennzahl schließlich auf neun Prozent gesteigert werden. Danach will Erdland über zehn Prozent erreichen. Der bislang erfolgte Konzernumbau schafft zumindest die Voraussetzungen, diese Ziele erreichen zu können. Das allein überwindet freilich noch nicht die kultivierten Differenzen zwischen Bausparkasse und Versicherungen. Ein gemeinsames Symbol wie die "Springerle"-Nadel, die jeder Mitarbeiter am Revers "über dem Herzen" tragen soll, ist dafür gewiss ein Identität stiftendes Hilfsmittel. Mehr noch dürfte der Erfolg des Projekts W&W jedoch von der Integrationskraft Erdlands abhängen. Daran zu zweifeln, besteht zumindest derzeit kein Grund. (Red.)

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