Schwerpunkt: Einzelhandelsimmobilien

Geteiltes Deutschland - Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Fachmarktzentren

Dass Deutschland im Einzelhandel einen Investitionsstau hat, ist seit längerem bekannt. Dies wird vor allem an Shoppingcentern festgemacht, von denen je nach Studie 40 bis 50 Prozent sanierungsbedürftig sind. Weniger bekannt ist, dass es ein Einzelhandelsimmobiliensegment gibt, in dem die Situation noch sehr viel gravierender ist: Fachmarktzentren. Hier liegt der Anteil der Flächen mit Sanierungsstau bei erstaunlichen 70 Prozent, wie aus einer Erhebung der IVG Immobilien AG hervorgeht.

Grundsätzlich gilt: Kaum eine Immobilie unterliegt einem so hohen Anpassungsdruck wie die Handelsimmobilie. Neben der klassischen Überalterung der Gebäudesubstanz sind hierfür vor allem die hohe Wettbewerbsintensität sowie der permanente Wandel in der Einzelhandelslandschaft verantwortlich. Beide Faktoren tragen dazu bei, dass der Wertverlust der Immobilie häufig schleichend und unbemerkt erfolgt.

Ein Problem, viele Ursachen

Am Anfang des Prozesses stehen meistens kleinere Beschwerden unzufriedener Mieter, gefolgt von ersten Geschäftsaufgaben oder Standortverlagerungen. Die Ursachen für eine solche Entwicklung sind vielschichtig und nicht selten miteinander verquickt. Am augenfälligsten ist die Überalterung der Immobilie, das heißt ihrer Innen- und Außengestaltung, Architektur, Struktur und Gebäudetechnik. Wenn keine schwerwiegenden konzeptionellen Fehler vorliegen, lässt sich dieser Mangel vergleichsweise einfach durch Renovierung beziehungsweise ein "Face-Lifting" beheben.

Schwieriger wird es, wenn der Mangel konzeptioneller Natur ist, also wenn beispielsweise die Gebäudekonfiguration obsolet ist und vollständig überholt werden muss. In diesem Fall sind schwerwiegende Eingriffe in die Gebäudesubstanz unvermeidlich. Dies kann in Form eines Redevelopments, sprich einer Neuentwicklung von Teilen oder der gesamten Handelsimmobilie, erfolgen.

Eine weitere Variante ist die vollständige Restrukturierung, gleichbedeutend mit einer Veränderung der Nutzungsstruktur, was in der Regel ebenfalls nicht ohne Umbaumaßnahmen zu bewerkstelligen ist. Wenn sich aber der Markt nachhaltig verändert hat und daher weder die Nutzungsstruktur noch die Gebäudesubstanz marktgängig sind, dann bleibt nur noch das Instrument des Refurbishment, bei dem die Immobilie nicht nur restrukturiert, sondern auch neu positioniert werden muss. Die Insolvenz eines Ankermieters ist hierfür ein möglicher Auslöser.

Herkunft und Entwicklung des Fachmarktzentrums

Der hohe Anpassungsdruck im Einzelhandel hat in den vergangenen Jahrzehnten - wie bei keiner anderen Immobilienart - das Aufkommen einer Vielzahl neuer Betriebstypen mit unterschiedlichen Lebenszyklen begünstigt. Als ein Auto noch Luxusgut war, konzentrierten sich sämtliche Fachgeschäfte, Kauf- und Warenhäuser in den Innenstädten, wo sie gut mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar waren. Mit zunehmender Mobilisierung und der Stadt-Umland-Wanderung der Bevölkerung entstanden die ersten Vertriebstypen auf der "grünen Wiese".

Vorreiter waren in den sechziger und siebziger Jahren die Supermärkte, gefolgt von SB-Warenhäusern und Discountern, welche den Einwohnern in die Peripherie folgten. Gepaart mit der ausgeprägten Sparmentalität der Deutschen entstand hieraus in den späten achtziger und vor allem in den neunziger Jahren der Vertriebstyp der Fachmärkte, welcher sich ausgehend vom Baumarkt und Einrichtungshaus immer weiter ausdifferenzierte (zum Beispiel Elektro-, Textil-, Schuh-, Sport- und Tierfachmarkt). Parallel zu dieser Entwicklung kam es in den vergangenen Jahren zu einer immer stärkeren Konzentration dieser Handelsform an wenigen Standorten.

So wurden aus Stand-Alone-Fachmärkten erst Fachmarktagglomerationen und zuletzt moderne, aus einer Hand geführte Retail-Parks. Die jüngste Entwicklung in diesem Segment ist die Hybride Mall mit Shoppingcenter-Elementen wie beispielsweise der zentralen Mall, aber einem Mieterbesatz, der im Wesentlichen durch traditionelle Fachmarktmieter dominiert wird.

Sanierungsdruck: ein strukturelles Problem

Die Gründe für den hohen Anteil sanierungsbedürftiger Fachmarktzentren (70 Prozent) sind besonders oft struktureller Natur. Ein sehr junger und moderner Bestand steht im Fachmarktsegment einer enorm großen Zahl von Leerstandsobjekten gegenüber, die nicht mehr marktfähig sind. Das Problem wird dadurch potenziert, dass die Nutzungsdauer von Fachmarktzentren im Vergleich zu anderen Einzelhandelstypen eher kurz ist.

Während vor zwei Jahrzehnten in der Regel noch alle 15 bis 20 Jahre ein Face-Lifting oder eine Renovierung ausreichte, hat sich dieser Zyklus aufgrund des sich immer schneller wandelnden Zeitgeistes und Einkaufsverhaltens drastisch verkürzt. Heute müssen Eigentümer bereits nach durchschnittlich sieben Jahren in das Objekt investieren, um es konkurrenzfähig zu halten. Wohlgemerkt: Dies gilt für Objekte, die grundsätzlich gut konzipiert sind. Wenn es konzeptionelle Mängel gibt, verkürzen sich die Zeiträume nochmals - bei gleichzeitig steigendem Investitionsbedarf.

Die kurzen Investitionszyklen könnten ein Indikator dafür sein, dass sich das Problem künftig sogar noch verschärft. Denn ein großer Anteil von Einzelhandelsimmobilien mit Sanierungsstau in Deutschland wird nach wie vor von ausländischen Investoren gehalten - die Studie der IVG sieht bei ihnen unter anderem mangelndes Know-how als Grund für den Sanierungsstau.

Herkulesaufgabe Fachmarktzentren

Ein weiterer Grund dürfte die Strategie vieler ausländischer Investoren gewesen sein. Bekanntermaßen hatten viele das Ziel, die Objekte rasch weiterzuveräußern. Gelder für die Sanierung wurden dementsprechend überhaupt nicht oder nur unzureichend budgetiert. Verstärkt sich der bereits jetzt bedenkliche Sanierungsstau im Fachmarktsegment in Deutschland, könnte dies also auch implizit eine Spätfolge der Krise sein. Die bereits jetzt sichtbare Zwei-Klas-sen-Gesellschaft droht sich zu verstetigen.

Insgesamt gilt: Die Halter deutscher Handelsimmobilien stehen in den kommenden Jahren vor einer Herkulesaufgabe - nämlich ihre Immobilien fit für die Zukunft zu machen. Nicht jede Revitalisierung wird dabei Erfolg haben. Erlaubt das vorliegende Planungsrecht überhaupt die gewünschten Maßnahmen? Hier stehen oftmals Flächen-, Sortiments- und Nutzungsbeschränkungen einer raschen Umsetzung im Wege, wobei die involvierten Parteien Politik, Entwickler/Eigentümer und Handel häufig unterschiedliche Ziele verfolgen. Deshalb kann allein der Planungsprozess für größere Maßnahmen inzwischen bis zu fünf Jahre verschlingen.

Das neue Konzept sowie die geplante Neupositionierung müssen zudem auf den jeweiligen Standort und die Verbraucherstrukturen zugeschnitten werden, es muss eine Marke gebildet werden. Damit die Handelsimmobilie wiederum als Marke angenommen wird, muss sie sich von vergleichbaren Immobilien unterscheiden und für den Verbraucher einen Mehrnutzen bringen. Ein Griff in die Schublade und das "Klonen" von bekannten Konzepten erübrigen sich daher.

Allerdings sind auf der anderen Seite die Wertschöpfungspotenziale, die sich durch die Revitalisierung ergeben, häufig attraktiv. Es lohnt daher, den Weg zu gehen. Am Ende steht in vielen Fällen die Aussicht auf nachhaltiges Mietwachstum für den Investor, wenn durch die Revitalisierung die Performance des Mieters so gesteigert wird, dass er nachhaltig höhere Mieten zahlen kann, die er aufgrund eines höheren Umsatzes generiert. Und mit den Mieten wird sich auch der Wert der Immobilie erhöhen.

Besonders groß ist die Herkulesaufgabe bei Fachmarktzentren. Denn hier offenbart sich in Deutschland eine besonders geteilte Welt - mit modernen Objekten auf der einen und strukturell sanierungsbedürftigen Objekten auf der anderen Seite. Diese Teilung fällt deutlich drastischer aus als in anderen Immobiliensegmenten. Strukturellen Leerstand und Sanierungsstau kennen zwar beispielsweise auch die Büroimmobilien- und Wohnimmobilienmärkte. Einen Anteil von 70 Prozent gibt es dort jedoch gottlob nicht.

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