Wohnungspolitik 2011

Herausforderungen der hessischen Wohnungspolitik

In der Wohnungspolitik spiegeln sich schon immer die wechselnden Herausforderungen wider, vor denen eine Gesellschaft steht. In Deutschland war ihre Hauptaufgabe von der Nachkriegszeit bis etwa in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein die Beseitigung des Wohnungsmangels. Heute kann - trotz weiter bestehender regionaler Engpässe insbesondere in den Ballungsräumen - das rein quantitative Problem weitgehend als gelöst gelten.

Neue Probleme, neue Lösungen

Dies ist aber kein Anlass, sich zurückzulehnen. Denn längst treten uns neue Fragestellungen entgegen, deren Lösung vielleicht sogar noch komplexer ist. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen. In den kommenden Jahren müssen wir mit einer erheblichen Zunahme der Zahl älterer Menschen rechnen. Das hat mittel- und langfristig erhebliche Folgen für die Stadt- und Siedlungsentwicklung.

Die Nachfrage nach altengerechtem Wohnraum steigt. Bisher ist nur ein geringer Teil des Wohnungsbestands so ausgestaltet, dass er den Bewohnern auch im hohen Alter noch eine selbstständige Lebensführung und damit ein möglichst langes Verbleiben in der eigenen Wohnung erlaubt. Altengerecht heißt aber nicht nur eine Anpassung der "Hardware", also der Wohnungen und ihrer Umgebung.

Es geht ebenso um zusätzliche Dienstleistungen, die älteren Menschen das Leben erleichtern können. Freilich sind die Anpassung des Wohnraums und der Aufbau eines Dienstleistungsangebots teuer. Noch teurer ist es aber, ältere Menschen in besonderen Einrichtungen unterbringen zu müssen.

Die Aufgabe der altengerechten Anpassung der Bestände trifft auf eine immer vielfältigere Nachfrage, denn die Lebensstile älterer Menschen differenzieren sich immer stärker. Gutsituierte mobile, aktive Senioren haben andere Ansprüche und Bedürfnisse an das Wohnen als ihre Altersgenossen mit geringerem Aktionsradius, schmalerem Budget und eher häuslicher Orientierung. Dies bedeutet, dass neue Wohnmodelle für das Zusammenleben älterer Menschen, generationenübergreifendes Wohnen, betreutes Wohnen sowie neue Formen nachbarschaftlicher Unterstützung und Freizeitangebote immer wichtiger werden.

Vielfältige Nachfrage und vielfältige Bedürfnisse gibt es indes nicht nur bei den Älteren. Insgesamt hat sich in den letzten Jahren eine Reihe unterschiedlicher Lebensformen und Lebensstile herausgebildet: Singles, nichteheliche Lebensgemeinschaften mit und ohne Kinder, Alleinerziehende und Wohngemeinschaften sind heute weit verbreitete Haushaltstypen mit jeweils völlig unterschiedlichen Ansprüchen an ihren Wohnraum und ihre Wohnumgebung. Und natürlich bleibt auch die "klassische" Familie, die in den zurückliegenden Jahrzehnten prägend auch für die Wohnungswirtschaft war, weiterhin ein wichtiger Nachfragefaktor auf dem Wohnungsmarkt.

Mit der Alterung der Gesellschaft und dem Wandel der Lebensstile nimmt die durchschnittliche Haushaltsgröße ab. Eigentlich sollte damit auch die Nachfrage nach größeren Wohnungen nachlassen und die nach kleineren steigen. Doch andererseits wachsen die Bedürfnisse: Der Einzelne wünscht mehr Raum. Und viele Ältere bleiben nach dem Auszug der Kinder oder dem Tod des Partners in ihrer bisherigen, jetzt eigentlich zu großen Wohnung.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Entwicklung der Wohnungsnachfrage sind Menschen mit Migrationshintergrund. Sie leben vor allem in den Ballungsräumen und suchen hauptsächlich im unteren Segment des Angebots. Jedoch ist auch innerhalb dieser Gruppe eine große Vielfalt unterschiedlicher Wohnverhältnisse festzustellen.

Regionale Entwicklungen

Die Komplexität des Markts erhöht sich durch regional sehr unterschiedliche Entwicklungen. Weiterhin expandierenden Ballungsräumen mit andauerndem Zuzug stehen schrumpfende Regionen mit Abwanderungsproblemen gegenüber. So erfordern zusätzliche Nachfrage und Angebotsengpässe für unterdurchschnittlich verdienende Haushalte Wohnungsneubau in den Ballungsräumen, während an anderen Standorten Leerstände entstehen, die eventuell sogar einen Abriss - oder euphemistisch "Rückbau" - erforderlich machen.

Dies gilt selbstverständlich auch für ein prosperierendes Bundesland wie Hessen: Dem Rhein-Main-Gebiet mit einer auch in den kommenden Jahren wachsenden Nachfrage stehen Regionen in Nord- und Mittelhessen mit sinkender Bevölkerungszahl und partiellen Wohnungsleerständen gegenüber. Doch auch an schrumpfenden Standorten kann punktueller Neubau notwendig sein, wenn sich ein Teil der differenzierter werdenden Nachfrage nicht aus dem vorhandenen Wohnungsbestand befriedigen lässt oder wenn Ersatz für nicht mehr nutzbaren Wohnraum geschaffen werden muss.

Denn der Zustand vieler Wohngebäude entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Dies gilt zum einen in technischer Hinsicht, da viele Gebäude noch aus Zeiten stammen, in denen Energiekosten eine Größe waren, die man vernachlässigen konnte. Zum anderen passen viele Wohnungszuschnitte

nicht mehr auf die heutige Nachfragestruktur. Folglich muss sich das Angebot anpassen - durch Abriss und Neubau, vor allem aber durch Umbau. Bauen im Bestand wird deshalb sehr stark an Bedeutung gewinnen, denn die Anbieter von Wohnraum müssen dafür sorgen, dass ihr Angebot marktgängig bleibt. Dies verlangt beträchtliche Anstrengungen.

Begrenzte Förderung

Mittel aus öffentlichen Haushalten werden für diese Aufgaben nur in sehr begrenztem Umfang verfügbar sein. In Hessen können wir die Wohnraumförderung unabhängig vom Landeshaushalt aus einem Sondervermögen finanzieren. Dieses besteht aus in früheren Jahren vergebenen Darlehen, deren Rückflüsse aus Zinsen und Tilgungen erneut für Förderzwecke verwendet werden. Im Jahr 2011 werden daraus 62 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Die wohnungspolitischen Programme des Landes Hessen setzen an den bestehenden Problemen an. Ziel der Förderung des Mietwohnungsbaus ist vorrangig der soziale Aspekt: die angemessene Versorgung von Haushalten, die sich am Markt nicht selber mit Wohnraum versorgen können, durch Neubau und Modernisierung. In den Ballungsräumen betrifft dies nicht nur Haushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen, sondern auch Normalverdiener. Hier kann "mittelbare Belegung" helfen. Dabei werden geförderte Wohnungen an Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen vermietet. Gleichzeitig stellt der Vermieter aus seinem Bestand Wohnungen für Geringverdiener, die eigentliche Zielgruppe der Förderung, zur Verfügung - zu meist deutlich günstigeren Mieten als bei Neubauten.

Angesichts der unterschiedlichen Situation auf den regionalen Wohnungsmärkten hat das Land Hessen die Förderung des Neubaus von Mietwohnungen auf den südhessischen Ballungsraum konzentriert. In Nord- und Mittelhessen ist eine Neubauförderung nur bei nachgewiesenem Wohnungsbedarf oder im Rahmen städtebaulicher Projekte möglich. Über die Hälfte der geförderten Objekte werden alten- oder behindertengerecht gebaut oder weisen ein Betreuungsangebot auf. Dieser Anteil wird weiter steigen und ist deshalb auch ein Zeichen dafür, dass die Anpassung der Wohnungsbestände auf dem Weg ist.

Die Modernisierung von Wohnraum kann auch ein Beitrag zur sozialen Stabilisierung problematischer Quartiere sein. Erfolg hat sie aber nur im Zusammenklang mit zusätzlichen Maßnahmen, zum Beispiel im Rahmen städtebaulicher

Programme. Eine engere Verzahnung der Fördermöglichkeiten aus Wohnungswesen, Städtebau und Dorferneuerung wird deshalb zurzeit vorbereitet. Bei allen unseren Programmen vermeiden wir Konkurrenz zu Fördermaßnahmen anderer Träger. So sind zum Beispiel energetische Maßnahmen von der Landesförderung ausgeschlossen, soweit hierfür Mittel der KfW zur Verfügung stehen. Diese beiden Förderquellen können allerdings miteinander kombiniert und gleichzeitig bei der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen beantragt werden.

Wohneigentumsbildung

Mit unseren Eigentumsprogrammen unterstützen wir Schwellenhaushalte bei der Bildung von selbst genutztem Wohneigentum. Hiermit leisten wir auch einen Beitrag zur Bewältigung der Probleme des demografischen Wandels. Mietfreies Wohnen kann im Alter das verfügbare Einkommen beträchtlich erhöhen. Allerdings müssen die investierenden Haushalte auch die sich abzeichnenden Veränderungen der Wohnungsmärkte mit in ihre Entscheidungen einbeziehen: Im Gegensatz zu früheren Jahren sind keine Wertsteigerungen mehr garantiert. Sollte einmal ein Verkauf notwendig werden, sind auch Verluste möglich. Insoweit werden Immobilien zu einer "normalen" Vermögensanlage mit Chancen, aber auch Risiken.

Veränderte Rahmenbedingungen

In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für die soziale Wohnraumförderung wesentlich geändert. Mit der Föderalismusreform sind die Zuständigkeiten für dieses Politikfeld auf die Bundesländer übergegangen. Mit der Freiheit ist aber auch die Verantwortung der Länder für diese Fragen gewachsen.

Wir sind gerade dabei, die Optionen zu prüfen, die sich uns bieten - auch im Hinblick auf die Vorgaben der EU, die den neugewonnenen Spielraum wieder einengen können. Auch wenn die soziale Wohnraumförderung als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse von einer Notifizierung freigestellt ist, muss das Beihilferecht beachtet werden. Dies bedeutet insbesondere, dass die Förderung mit einem öffentlichen Auftrag verbunden sein muss.

Die vielfältigen Probleme des Wohnens lassen sich nur in einer produktiven Kooperation aller regionalen und überregionalen Akteure lösen. Das Land Hessen ist bereit, seinen Beitrag hierzu zu leisten.

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