Expo Real Special

Die Immobilienbewertung im Licht des Nachhaltigkeitsparadigmas

Auch im Wohnungsbau lohnt sich Nachhaltigkeit. Das steht für den Autor außer Frage. Für nachhaltig errichtete Immobilien prognostiziert er gegenüber nicht nachhaltigen Objekten bei der Wertentwicklung ein Auseinandergehen der Schere im Zeitverlauf. Diese Einschätzung sieht er auch dann nicht gefährdet, wenn gängige Bewertungsverfahren wie die Discounted-Cash-Flow-Methode eingesetzt werden. Gerade bei den dort verwendeten Parametern wie Fluktuation, Durchsetzbarkeit von Mieterhöhungen, Leerstandsquote und Betriebskosten bei Leerstand hält er solche Gebäude für besser in der Lage, die höheren Herstellungskosten wieder wettzumachen. Bei aller Sympathie für nachhaltiges Bauen mahnt er allerdings die Politik, für verlässliche Vorgaben zu sorgen und Sprunghaftigkeit zu vermeiden. (Red.)Nachhaltigkeit - der Begriff wird auf mehr und mehr Lebensbereiche angewendet, mitunter hängt ihm der Ruf des Modewortes nach. Als Allzweckwaffe sollte das Attribut zwar nicht dienen. Bezogen auf den Immobilienbereich ist "nachhaltig" jedoch keine leere Worthülle, es sind vielmehr konkrete Maßnahmen damit verbunden. Politiker, Unternehmer und private Immobilieneigentümer wägen seit Jahren das Für und Wider von energetischen Sanierungen und nachhaltigen Neubauten ab. Die zentrale Frage: Lohnt es sich für Eigentümer und Wohnungsunternehmen, auf eine nachhaltige Bauweise zu setzen? Die Antwort ist eindeutig: Ja. Wertstabilität durch langfristigen Anlagehorizont Insbesondere Bestandshalter, deren Anlagehorizont langfristig ist, sollten Neubau- und Sanierungsprojekte wenn möglich unter nachhaltigen Gesichtspunkten durchführen, denn sie werden in ihrem Immobilienbestand dadurch positive Effekte in Form von Wertsteigerung oder zumindest Wertstabilität erzielen. Können Immobilienbestände nicht mit den energetischen Anforderungen mithalten, wechseln Investoren und Mieter zur Konkurrenz. Nicht nachhaltige Gebäude werden auf lange Sicht an Wert verlieren und es auf dem Markt schwerer haben. Mit anderen Worten: Die Schere zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Objekten wird weiter aufgehen (siehe Abbildung). Mit dem Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1997 wurden erstmals klimapolitische Ziele auf internationaler Ebene vereinbart. Im europäischen Vergleich ist die Bundesregierung mit ihrem Energiekonzept aus dem Jahr 2010 über die europäischen Ziele hinausgegangen. So sollen die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent, im Vergleich zu 1990, reduziert werden. Analog zu den Vereinbarungen der Industriestaaten wird bis 2050 sogar eine Reduzierung um 80 Prozent angestrebt. Der Immobiliensektor ist von diesen Entwicklungen besonders betroffen. Wie sich das Prädikat "nachhaltig" auf sanierte oder neue Gebäude auswirkt, kann nur mit einer objektnahen Bewertung bestimmt werden. Denn nur so lässt sich klären, ob sich das Nachhaltigkeitsparadigma als Wertvernichter für nachhaltige Immobilien entpuppt. Die Wertstabilität spielt - als Ausdruck der ökonomischen Komponente der Nachhaltigkeit - für Eigentümer sicherlich die maßgebliche Rolle, wenn sie sich für einen nachhaltigen Bau oder eine entsprechende Sanierung entscheiden. Sie gehen davon aus, dass unter anderem über reduzierte Leerstände, höhere Mieten sowie über einen Imagezuwachs des Gebäudes die Risiken während der Haltezeit signifikant reduziert werden. Auf ökologischer Ebene stehen der Einsatz erneuerbarer Energien sowie die Minimierung des Verbrauchs nicht erneuerbarer Ressourcen im Vordergrund. Die Immobilie wird nicht nur über eine kurze Periode hinweg betrachtet, sondern während ihres gesamten Lebenszyklus mit allen potenziell anfallenden Kosten. Die soziokulturelle Dimension zielt vor allem auf die Verbesserung des Arbeits- und Lebensklimas in den Gebäuden. Mit Nachhaltigkeitsparametern den Immobilienwert bestimmen Nachhaltigkeit muss insbesondere durch die Auswahl von Baumaterialien und die Betrachtung von Energieeffizienz- und Lebenszykluskosten mit höheren Baukosten verbunden sein. Dem stehen wirtschaftliche Vorteile gegenüber, etwa geringe Bewirtschaftungskosten, Marketingund Imagevorteile sowie stabilere Cash-Flows, da ein geringeres Vermietungsrisiko anzunehmen ist. Solche Objekte verfügen in aller Regel über höhere Mietsteigerungspotenziale und ein geringeres technisches Ausfallrisiko. Nachhaltige Immobilien sind zudem energie- und flächeneffizienter sowie funktionaler als ihre nichtnachhaltige Konkurrenz. Um den Einfluss nachhaltiger Baumaßnahmen und Neubauten auf den Wert einer Immobilie zu bestimmen, sollte eine Methode gewählt werden, die möglichst detaillierte Prognosen ermöglicht. In diesem Zusammenhang bietet sich die Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF) an. Beim DCF-Modell werden die zukünftigen Cash-Flows eines jeden Anlageobjekts in Bezug auf den Bewertungsstichtag festgelegt und diskontiert. Der so berechnete Barwert (Gegenwartswert) oder auch der Kapitalwert ist der aktuelle Marktwert der Immobilie. Zu unterscheiden sind dabei zwei Phasen: Die erste Phase dauert in der Regel zehn Jahre an und spiegelt den Cash-Flow der Detailprognose wider. In der zweiten Phase wird der Endwert, auch Terminal Value genannt, als "ewige Rente" des Cash-Flows am Ende des Betrachtungszeitraums im Jahr zehn unterstellt (vergleiche Jones Lang Lasalle GmbH). Um den Immobilienwert beziehungsweise dessen Beeinflussung durch nachhaltige Maßnahmen zu bestimmen, bieten sich folgende Bewertungsparameter an: erstens Zinsparameter wie Diskontsatz und Kapitalisierungszinssatz, und zweitens Parameter, die die jeweiligen Zahlungsströme in den Perioden direkt beeinflussen, zum Beispiel höhere Mieten und niedrigere Instandhaltungskosten. Die Parametertypen wirken sich unterschiedlich stark auf den Verkehrswert einer Immobilie aus. Parameter mit direktem Einfluss auf die Zahlungen bilden sich später im Kapitalwert in den Barwerten der einzelnen Jahre ab. Dazu zählen die Fluktuationsrate, die jährliche Nettomiete, Leerstandsquoten, Betriebskosten bei Leerstand und laufende Instandhaltungskosten. Beispiel Fluktuation: Beim Mieterwechsel ist bei Wohn- wie auch Gewerbegebäuden zwar mit erhöhten Instandhaltungsaufwendungen zu rechnen. Es sind aber auch Mietanpassungen nach oben möglich. Unterliegen nachhaltige Immobilien aufgrund ihres Mehrwerts einer geringeren Fluktuation, so verringern sich die möglichen Kosten für Neu- und Wiedervermietungen gegenüber denen von nicht nachhaltig erstellten Gebäuden. Kalt- und Warmmiete sind für Mieter gleichermaßen wichtig. Geringere Energiekosten werden somit, zumindest teilweise, die Bereitschaft erhöhen, eine höhere Nettomiete zu akzeptieren. Gebäude, die sich im Wettbewerb befinden und mittelfristig dem Nachhaltigkeitsgedanken nicht mehr entsprechen, müssen mit einem spürbaren Abschlag auf die tatsächlich bezahlten Mieten rechnen. Es ist zudem absehbar, dass Mietsteigerungen bei nachhaltigen Gebäuden ausgeprägter umgesetzt werden können als bei Gebäuden, die dieses Merkmal nicht aufweisen. Auswirkungen auf Mietpreise und Leerstandsquoten Auch auf die Leerstandsquoten wirkt sich Nachhaltigkeit unmittelbar aus. Nachhaltige Gebäude am Markt werden sich künftig voraussichtlich besser durchsetzen. Eine geringere Leerstandsquote wirkt sich zusammen mit einem geringeren Mietausfallrisiko direkt auf die erwartbaren Zahlungsströme aus. Eigentümer energieeffizienter Gebäude können zudem mit geringeren Leerstandskosten rechnen. Die nicht umlegbaren Betriebskosten werden wohl weniger als die marktüblichen ein bis 1,50 Euro pro Quadratmeter betragen. Auch die laufenden Instandhaltungskosten, um beispielsweise gegen Schäden durch Abnutzung, Alter, Witterungs- und Umwelteinflüsse vorzugehen, werden bei energieeffizienten Gebäuden deutlich geringer ausfallen als bei nicht optimierten Altbauten. Durch eine nachhaltige Bauweise können sie unter den sonst üblichen zwölf bis 16 Euro pro Quadratmeter liegen. Gemäß den aufgeführten Parametern sind nachhaltige Gebäude gegenüber nicht nachhaltigen, auch ökonomisch betrachtet, im Vorteil. Die positive Tendenz bestätigen auch zwei weitere einflussreiche Nachhaltigkeitsparameter: der Diskontsatz und der Kapitalisierungszinssatz. Der Diskontsatz beruht auf dem Prinzip, dass die erwarteten Zahlungen durch einen risikoadjustierten Zinssatz diskontiert werden. Er besteht aus einem risikolosen Zins sowie einer Risikoprämie. Ein von der Gebäudequalität abhängiger Diskontierungszuschlag zwischen 0,25 Prozent und 0,5 Prozent ist durchaus üblich. Der Nachhaltigkeitsaspekt hat zwar keinen Einfluss auf den risikolosen Zins, senkt jedoch den Risikoaufschlag, der beispielsweise von Mietminderungsrisiken, marktzyklischen Einflüssen oder der Gebäudequalität signifikant beeinflusst wird. Die einzelnen abgezinsten Zahlungen in den jeweiligen Perioden fallen bei nachhaltigen Gebäuden somit in der Summe höher aus als bei nicht nachhaltigen Immobilien. Der Kapitalisierungszinssatz dient dazu, den stabilisierten Jahresreinertrag des zehnten Jahres als "ewige Rente" zu kapitalisieren. Er basiert auf der jeweiligen Diskontierungsrate, die alle mit dem Investment verbundenen Risiken abbildet. Auch bei der Kapitalisierungsrate spielen somit der Gebäudezustand wie auch weitere objektbezogene Risiken eine wichtige Rolle. Reduziert sich auch hier entsprechend der Diskontierungsrate die Risikoprämie von 0,5 Prozent auf 0,25 Prozent, hätte das, zusammen mit dem vergleichbaren Effekt beim Diskontsatz, einen Einfluss auf den Verkehrswert von zirka fünf Prozent. Der positive Bewertungseffekt aus Kapitalisierungs- und Diskontierungszins sollte die Mehrkosten aus der Planungs- und Bauphase ausgleichen. Im Idealfall kann ein positiver Wertsaldo erzielt werden. Bewertungen versus politische Vorgaben Der Abgleich mit den DCF-Parametern hat gezeigt: Werden Nachhaltigkeitsaspekte beim Neubau oder bei der Sanierung von Bestandsimmobilien berücksichtigt, erhöht sich mittel- bis langfristig der Wert der Immobilie. Eigentümer sollten künftig die bewertungsspezifischen Auswirkungen nachhaltigen Bauens und die damit verbundenen Mehrkosten in ihre Investitionskostenanalysen und Bewertungen einbeziehen. So können sie langfristige Immobilienentscheidungen auf einer stabilen Grundlage treffen. Doch Eigentümer und Wohnungsunternehmen sind auch auf verlässliche politische Vorgaben angewiesen. Werden diese innerhalb von wenigen Jahren immer wieder verworfen oder radikal verändert beziehungsweise verschärft, fällt es schwer, ein Portfolio langfristig nachhaltig zu betreuen und weiterzuentwickeln. Es hängt also in erheblichem Maß von den politischen Entscheidungsträgern ab, wie stark der wirtschaftliche Vorteil einer nachhaltigen Immobilie zukünftig sein wird beziehungsweise wie lange eine heute als nachhaltig erstellte Immobilie dieses Attribut noch beibehalten kann.

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