Im Blickfeld

Kommunale Wohnungsunternehmen forcieren die Mieterprivatisierung

Mieterprivatisierung funktioniert. Dass dieses Signal gerade jetzt von Vertretern der kommunalen Wohnungswirtschaft während einer Gesprächsrunde in Frankfurt in den Markt gesendet wird, ist durchaus bemerkenswert. Denn seit geraumer Zeit macht sich unter den großen privaten Wohnungsgesellschaften Frustration beim kleinteiligen Bestandsverkauf breit. Zu langwierig, zu mühsam, zu wenig Gewinn wird geklagt. Denn selbst in exzellenten Objekten und Lagen gelingt es kaum noch, die erwarteten Verkäufe zu realisieren. Von der Spitzenquote 40 Prozent, die in den vergangenen Jahren hier und dort erreichbar war, ist heute ohnehin nur noch selten die Rede. Entsprechend gingen die Verkaufszahlen in den vergangenen Monaten zurück, wie Jürgen F. Kelber, Geschäftsführer der Alt & Kelber Immobiliengruppe GmbH, Heilbronn, bestätigt.

Unterschiedliche Renditeerwartungen

Dass die privaten Wohnungsgesellschaften den Markt und seine Potenziale derzeit anders als ihre kommunale Konkurrenz einschätzen, ist nicht die Schuld des zweifelsohne mieterfreundlichen Umfelds. Dass der gesetzliche Rahmen, die Bevölkerungsentwicklung und Binnenwanderung sowie der daraus resultierende Wettbewerb unter den Wohnungsvermietern das Mieten vielerorts attraktiver macht als den Wohnungskauf ist unbestritten, doch sind diese Bedingungen für alle Wohnungsanbieter auf lokaler Ebene gleich. Allerdings unterscheiden sich die Planungshorizonte und Renditeerwartung zwischen Privaten und Öffentlichen.

Den kommunalen Gesellschaften hierbei per se geringere Rentabilität, mangelnden Innovationswillen oder gar fehlende Ertragsorientierung zu unterstellen, ist schlichtweg falsch. Zwar herrscht noch in zu vielen öffentlichen Wohnungsunternehmen jene Behäbigkeit, mit der Behörden den Bürger zuweilen zur Weißglut treiben, doch gibt es auch nicht wenige, die im öffentlichen Auftrag mit Erfolg und Elan in Infrastruktur und Stadtlandschaft investieren und dennoch soviel Gewinn erwirtschaften, dass sie hinsichtlich der Eigenkapitalverzinsung (auch ohne die kaum quantifizierbare "Stadtrendite") so manchen privaten Wettbewerber hinter sich lassen.

Dies gelingt vor allem dort, wo Wohnungen aus dem Bestand privatisiert werden. "Mit den Erlösen aus den Wohnungsverkäufen finanzieren wir nicht nur den Erhalt und die Modernisierung des Bestandes, sondern auch unsere Aufgaben im Rahmen der Stadtentwicklung", erklärt Lutz Basse, Vorstandsvorsitzender der Saga Siedlungs-Aktiengesellschaft Hamburg und Sprecher der Geschäftsführung der GWG Gesellschaft für Wohnen und Bauen mbH, Hamburg. Das Unternehmen mit einem Bestand von 135 000 Wohnungen im Großraum Hamburg hat bis Ende 2007 rund 1 200 Einheiten an ehemalige Mieter oder Selbstnutzer veräußert. Das entspricht etwa 0,9 Prozent des Bestandes der Saga-GWG. Damit das Portfolio nicht abschmilzt, wird in gleichem Ausmaß neu gebaut.

Allerdings können sich öffentliche Wohnungsunternehmen im Gegensatz zu den Gesellschaften, die von ausländischen Fonds übernommen wurden, darauf verlassen, dass ihre Eigentümer den relevanten Markt etwa genauso gut kennen und die Möglichkeiten ähnlich einschätzen wie sie selbst. Falsche Erwartungen hinsichtlich des Umfangs und der Geschwindigkeit der Privatisierung sind damit seltener.

Vielmehr haben die Kommunen ein hohes Interesse an einem behutsamen Verkauf der Wohnungen, um nicht zuviel öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken und eine unkalkulierbare Diskussion über die sozialen Folgen der Privatisierung loszutreten. Denn nicht nur politische Mehrheiten, sondern auch Medien, Mieter und Mieterverbände sowie die eigenen Mitarbeiter können durchaus relevante Interessengruppen sein, die auf die Auswahl der zu veräußernden Objekte Einfluss nehmen, wie Günter Ott von der GAG Immobilien AG erfahren hat. Das zu 69 Prozent der Stadt Köln gehörende Unternehmen privatisiert seit dem Jahr 2003 Wohnungen aus dem Bestand an seine Mieter.

Mehr Geduld

Kommunale Wohnungsunternehmen können und müssen also bei ihren Verkaufsbemühungen wesentlich geduldiger sein. So hat die Saga-GWG derzeit nur etwa 400 Wohnungen für die Privatisierung vorgesehen, wobei ausschließlich an Mieter verkauft wird. In den ausgewählten Objekten erwerben aber nur 20 bis 30 Prozent der Bewohner ihre Wohnungen. Die übrigen Einheiten belässt die Gesellschaft bis zum Auszug des Mieters in ihrem Bestand bis sie frei werden, um sie an Selbstnutzer zu veräußern. Dass dabei ein gutes Jahrzehnt ins Land gehen kann, bis ein Mehrfamilienhaus komplett verkauft ist, gehört zur Kalkulation.

So will die GAG Immobilien etwa 4 000 Wohnungen im Rahmen ihres Programms "Mieter werden Eigentümer" veräußern. Davon sind bereits knapp 1 500 Einheiten verkauft, was immerhin einer Quote von fast 40 Prozent pro Jahr entspricht. Die verbleibenden Objekte sollen - bei einer Fluktuation von zehn Prozent - bis spätestens 2015 an Selbstnutzer privatisiert sein. Private Investoren sind selten bereit, solange zu warten. Doch nach den Erfahrungen von Alt & Kelber sind "durchlöcherte Bestände" beziehungsweise verstreute Restanten aber deutlich schwieriger und oft nur mit Abschlag an Kapitalanleger loszuschlagen.

Doch auch aus einem anderen Grund lohne sich für private Wohnungsgesellschaften die Mieterprivatisierung aktuell nicht: Das niedrige Zinsniveau (ver)führte dazu, die Bestände mit hohem Fremdkapitalanteil zu erwerben beziehungsweise die Verschuldung der Gesellschaften für Investitionen zu erhöhen. "Bei sinkenden Zinssätzen ist die Vermietung die wirtschaftlich sinnvollere Variante, da die Mietrenditen höher sind als die Rendite bei einem Verkauf", erklärt Volker Riebel, der jahrelang die Deutsche Annington führte und seit Jahresbeginn 2008 den Vorstandvorsitz der Gewoba AG Wohnen und Bauen, Bremen, inne hat. Denn im Verkaufspreis müssen auch die Schulden eingerechnet werden.

Doch nicht nur die Verbindlichkeiten auf den Objekten sind hoch. Mit den Investitionen wurden auch die Immobilienwerte hochgeschrieben - mitunter auch nur mit der Absicht, den Investoren die Wertsteigerungen zu zeigen und gegebenenfalls auszuschütten. Würden die Wohnungen jetzt verkauft, fände sich für den geforderten Preis nur schwer ein Käufer oder die gewünschte Verkaufsrendite kann nicht realisiert werden. Folglich mussten die privaten Wohnungsunternehmen ihre Strategie neu ausrichten und die Ertragsquellen anders gewichten.

Die Gewoba betreibt Mieterprivatisierung schon seit 30 Jahren und verwaltet neben mehr als 40 000 eigenen Mietwohnungen immerhin etwa 14 000 Eigentumswohnungen. Mit einer eigenen Vertriebsmannschaft wurden bisher jährlich etwa 100 Wohneinheiten verkauft, wie der Vorstand erklärt. Um diesen Absatz künftig auf 200 bis 250 Einheiten zu steigern, was 0,7 bis 0,8 Prozent des Bestandes entspricht, wurde jetzt mit Alt & Kelber zusätzlich ein externer Spezialvertrieb beauftragt.

Vorteile des internen und externen Vertriebs

Dieser Mix bietet für die Wohnungsgesellschaften Vorteile gegenüber einem ausschließlich internen beziehungsweise externen Vertrieb. Denn der interne Vertrieb identifiziert sich stärker mit den Interessen des Unternehmens, hat in der Regel fundiertere Kenntnisse über die Objekte und kann enger an die eigene WEG-Verweltung angebunden werden, stellt Riebel fest. Zudem ist der eigene Vertrieb oft günstiger und beim Verkauf von Restanten sogar erfolgreicher als Externe, fand Ott heraus. Allerdings erzeugt die eigene Vertriebsmannschaft unabhängig vom Privatisierungsbedarf und -erfolg Fixkosten. Zudem sind die eigenen Angestellten im Vertrieb hinsichtlich Tarif- und Arbeitszeitgestaltung weniger flexibel als die Mitarbeiter eines beauftragten Unternehmens, meinen beide übereinstimmend. Auch das Fehlen der nötigen EDV und Kontaktdatenbank kann zu Effizienzverlusten beim Verkauf führen. Hier sehen die Wohnungsunternehmen externe Dienstleister klar im Vorteil. Da diese aber eine Mindestmenge und einen regelmäßigen "Nachschub" an Objekten brauchen, lohnte ihr Einsatz nur für die Verkaufsspitzen.

Doch auch wenn die spezialisierten Vertriebe nur den "Überlauf" abbekommen, so sind die Potenziale des Marktes doch beachtlich. Denn für kommunale Wohnungsunternehmen ist die Mieterprivatisierung hoch attraktiv, weil sie ihre Liegenschaften größtenteils zu abgeschriebenen Buchwerten im Bestand haben. Durch den Verkauf können die Mittel freigesetzt werden, die für Neuinvestitionen nötig sind. Zudem eröffnet das die Möglichkeit, ein eigenes Geschäftsfeld zu schaffen, in dem gezielt Wohnungen für Haushalte errichtet werden, die zunächst mieten und später kaufen wie beispielsweise bei der Saga-GWG. Für Riebel steht fest: "Die Mieterprivatisierung in Deutschland ist nicht gescheitert."

Dass die kommunalen Wohnungsunternehmen nach wie vor erfolgreich in der Mieterprivatisierung unterwegs sind, widerlegt übrigens das unter Mietern weit verbreitete Vorurteil: Öffentliche Vermieter wären bei Mietanpassungen zurückhaltender und weniger gewinnorientiert als private. Denn tatsächlich ist die Hauptmotivation der Mieter, ihre Wohnung zu kaufen, die Angst vor steigenden Mieten, wie das Institut der deutschen Wirtschaft ermittelte. (Red.)

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