Leitartikel

Der Markt und die Bausparkassen: Es bleibt ein Phänomen

Die längste Niedrigzinsphase in Deutschland wie in der Welt geht und geht nicht wirklich schmerzhaft zu Ende. Wenn die EZB sich nicht irrt, spürt man die Wirkung ihrer Zinserhöhungen sogar erst irgendwann 2008. Aber Bausparverträge, die doch in der Darlehensphase die Sollzinsen des freien Marktes jenseits des Kollektivs nur soeben noch zu streifen vermögen, werden dennoch in beruhigendem Umfang verkauft. Nicht einmal eine Million niedriger liegt der Vertragsbestand heute als zur Zeit der förderstarken Jahrtausendwende. Die private Baufinanzierung gilt - ob ihrer langen Bindungsmöglichkeit - heute sämtlichen Direkt-, Platz- und Sonstwiebanken als Schlüsselprodukt für die Sicherung oder bitteschön Steigerung der Marktanteile. Aber in den Kassenverträgen steckt noch allemal knapp eine Dreiviertelmilliarde Euro. Die Bilanzsumme aller Bausparkassen, nüchtern wie bei gewöhnlichen Kreditinstituten betrachtet, sinkt auch mitnichten. Ihre vereinigten 194 Milliarden Euro entsprechen rund einem Fünftel aller Sparkassen.

Mühelos lässt sich das Erstaunen oder die Bewunderung - je nach Standort - über oder für das Phänomen Bausparen auch zwischen Gefühl und Vernunft fortsetzen. Der zweifellos überhebliche Kölner Kriminalautor Frank Schätzing etwa lässt in seinem Oeuvre "Die dunkle Seite" seine Detektivin Vera meinen: "Sie hasste die Typen in ihren turbobeschleunigten Bausparkisten, die jeden Zentimeter Haut mit Blicken belegen ..."; womit zweifellos auf jenes Image des Produkts gezielt wird, das die ganze Sache als spießbürgerliches Relikt abtut.

Aber der Mensch an sich ist eben schizophren. So sehr er über die Zwänge des kollektiven Sparens zu spotten beliebt, obwohl er ihnen meistens das elterliche Haus verdankt, so sehr er beim Dax 7 000 jede Rentierlichkeit des Bausparvorgangs leugnet kaum verlangt die persönlich-familiäre Lebensführung nach einer gewissen Ordnung, ist Bausparen wieder "in". Dass die Bausparverbände dennoch ihre köstlichen Produktqualitäten lieber nicht wie Antiquarisches bewerben, sondern mit schönen, wilden Nackten Blickfang betreiben, ist richtig. Denn beides besitzt eine gewisse Verwandtschaft: Sowohl "nackt" wie "Bausparen" scheinen immer modern zu bleiben, irgendwie ...

Anders als die Bausparlobby, die nach den Freunden von der Assekuranz zweifellos die zweitstärkste Fraktion in den Parlamenten stellt, zuletzt bei der Streichung der Eigenheimzulage ausmalte, hat diese Reduzierung der Förderung 2006 nicht zu einem Einbruch des Bauspargeschäfts geführt. Jedenfalls nicht in einem Ausmaß, das das nicht unkomplizierte Systemgleichgewicht hätte bedrohen können. Vielmehr könnte sich bestätigen, dass die herzliche Zuneigung des ordentlichen Deutschen mittlerer Ausgestaltung zum Eigenheim so groß ist, dass die staatliche Unterstützung eher Mitnahme- als Auslösereffekte besitzt.

Andreas Zehnder, der Vorstandsvorsitzende des Privaten Verbandes, kann dem freilich sofort mit dem 20. Subventionsbericht der Bundesregierung entgegenhalten: "Von der Einführung der Eigenheimzulage ging kräftige Anstoßwirkung für die Wohneigentumsbildung aus." Die Zahl der Eigentümerhaushalte wuchs tatsächlich von 1998 bis 2002 um gut acht Prozent. Folgerichtig kämpft die Lobby nun lieber in der "geförderten Altersvorsorge" um die "So Fa"-Lösung der CDU als um "Wohn-Riester".

Wer genauer in die Geschäftsstrukturen der Bausparkassen 2006/2007 hineinschaut, muss allerdings zumindest an einer entscheidenden Stelle Walter Englerts Satz "Bausparen geht immer" relativieren. Während nämlich die Bauspareinlagen auch ihrer Habenzinsen wegen - in aller Regel jedes Jahr zunehmen, ist das Kreditgeschäft der Kassen sehr weitreichend in die Befreiung vom Kollektiv gerannt.

Ende 2006 machten die Bauspardarlehen nur noch rund ein Viertel der Baudarlehen aus, obwohl doch die neuen Tarife dafür nahe an den Nullzins heranrückten. 2001 betrug der Anteil der Spardarlehen am Kreditgeschäft immerhin noch 40 Prozent. Bereits im Vorjahr hatte die Ba Fin die Bausparkassen aber für ihre Vorsicht gelobt: "Teilweise rigoros rationalisiert" hätten sie, um die Kosten den niedrigeren Erträgen anzupassen (Wüstenrots Nachholbedarf wird auf den folgenden Seiten kommentiert). Aber auch, wenn die Einlagen-Zinsen in den Tarifen seit 2005 unter drei Prozent lägen, gebe es noch teure Altbestände. Das alles sei aber doch recht ordentlich kalkulierbar, seit die Kassen selbst "bessere Methoden" entwickelt haben und diese Modelle innerhalb der Gesamtbanksteuerung (siehe Seite 224) verwenden. "Die Ba Fin rechnet damit, dass sich die internen Modelle als verlässlich erweisen. " Das ist eine schöne Aussicht. Dann müsste das Amt nämlich (laut Position im Bericht 2005) die Tarife "nicht noch vor deren Einführung genehmigen. " Das wäre doch endlich einmal eine Deregulierung.

In diesen Tagen müssen hohe Gerichte neuerlich über Verträge zu Schrottimmobilien entscheiden, in denen auch Bausparverträge missbraucht worden sind. Dies sollte als ewige Erinnerung dafür verstanden werden, dass Bausparen nicht für alles gut sein darf. Geschadet hat die böse Verquickung dem anständigen Bausparvertrieb aber höchstens ausnahmsweise, wenn es der Boulevardzeitung vor Ort gelang, ein trauriges Schicksal an einem Bausparnamen zwar falsch, aber wirksam festzubinden. Sich bei Dietrich Schröder für sein entsprechendes Badenia-Engagement zu bedanken, ist angebracht. Er hat der gesamten Bausparwirtschaft gedient. Versuche einer Zukunftsdeutung: Das deutsche Bausparen rühmt gerne seine generelle Unabhängigkeit vom Kapitalmarktzins. Daran lässt sich aber im Speziellen durchaus arbeiten. K. O.

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