Leitartikel

Szenenwechsel

Muss den deutschen Bausparkassen beim Blick in ihre Zukunft bange sein? Keineswegs, ruft die Branche. Hat doch gerade ihr Kernprodukt - das kollektive Bausparen - seine Solidität jüngst eindrucksvoll bewiesen, indem es als eines von ganz wenigen Finanzprodukten ohne nennenswerten Schaden durch die Finanzmarktkrise kam. Dass das Neugeschäft im vergangenen Jahr trotz des gefühlten Reputationsgewinns um 14,6 Prozent in der Anzahl und um 10,3 Prozent nach Bausparsumme absackte (siehe den großen Bilanzvergleich auf Seite 601 ff. in diesem Heft) hat im Wesentlichen andere Ursachen. Teilweise ist der Rückgang auf den stärksten konjunkturellen Einbruch in der Geschichte der Bundesrepublik zurückzuführen. Vor allem aber ist er das unselige Werk haushalterischer Knauser, die in der Verwendungsfreiheit der Wohnungsbauprämie - wohlgemerkt nach sieben Jahren des Entbehrens für den Traum vom bausparfinanzierten Eigenheim - nur Mitnahmeeffekte ohne Zielwirkung mutmaßten und deshalb die ganze Förderung kassieren wollten. Dass es die Prämie noch gibt, ist schon ein Erfolg der Bausparkassen, auch wenn die Zweckbindung verschärft wurde.

Wer mag es den Vertrieben und den Bausparern verübeln, dass sie Ende 2008 noch rasch Verträge zu den alten Konditionen abschlossen, die im darauffolgenden Jahr fehlten? Wie gut, dass nach dem Ausnahmejahr jetzt wieder ein Stück weit Normalität einzieht. Die aktuell verkündeten Halbzeitstände für das Jahr 2010 verheißen zumindest Gutes: Schwäbisch Hall meldet 450000 Vertragsabschlüsse mit einer Bausparsumme von 14 Milliarden Euro. Das sind immerhin 16,1 Prozent mehr als im schwachen ersten Halbjahr 2009. Wüstenrot steigerte den Bausparabsatz brutto um 27 Prozent auf 5,8 Milliarden Euro, inklusive der Allianz Dresdner Bausparkasse kommen die Ludwigsburger auf 7,1 Milliarden Euro. BHW verkaufte Bausparverträge über 5,7 Milliarden Euro - ein Plus von 9,6 Prozent. Und aus dem öffentlichen Lager berichtet die LBS Nord von 12,3 Prozent mehr Verträgen mit 1,86 Milliarden Euro Bausparsumme - ein Zuwachs um zehn Prozent. In Baden-Württemberg vermittelte die LBS Bausparverträge über 3,35 Milliarden Euro, was einem Plus von 10,9 Prozent entspricht und die LBS Bayern überschritt mit einem satten Zugewinn von 26,4 Prozent die Marke von vier Milliarden Euro.

Das Bausparneugeschäft brummt also wieder. Normalität kehrt zurück? Nun ja, gewöhnlich verkünden die einzelnen Institute Halbjahreserfolge nur, wenn sie über Branchenschnitt liegen. Der fällt diesmal nicht ganz so euphorisch aus. Tatsächlich verfehlen die privaten Bausparkassen zwischen Januar und Juni 2010 mit zusammen 967000 Verträgen das Ergebnis des ohnehin schon schwachen Vorjahreszeitraums um 4,8 Prozent. Gemessen an der Bausparsumme verbleibt immerhin noch ein leichtes Plus von 1,4 Prozent. Die Landesbausparkassen konnten als Gruppe betrachtet das Vorjahresniveau mit 635000 Verträgen halten - plus 0,7 Prozent - und in der Bausparsumme immerhin eine Steigerung um 6,8 Prozent erzielen. Angesichts der konjunkturellen Umstände und politischen Verhältnisse in diesem Land ist das Abschlussniveau im Bausparneugeschäft trotzdem beachtlich. Daher sind die Einschätzungen der Kassenchefs durchaus zutreffend: "Das gute Neugeschäft trotz anhaltender wirtschaftlicher Unsicherheit ist der Beleg für die hohe Attraktivität des Bausparens und der eigenen vier Wände" (Metz, Schwäbisch Hall). "Bausparen ist der Inbegriff von Sicherheit, Verlässlichkeit und Berechenbarkeit - das schätzen die Bürger sehr, gerade in Krisenzeiten" (Wirnhier, LBS Bayern). "Unsere Kunden vertrauen bei der Wohneigentumsbildung auf die Sicherheit des Bausparvertrags" (Kamp, LBS Nord).

Gerade diese dauerhafte Sicherheit des Kollektivs verlangt von den Bausparkassen jedoch eine langfristig vorausschauende Tarifkalkulation, weil auch in einem sich unerwartet ändernden Zinsumfeld die Verträge durchgehalten werden müssen. Zinspropheten fallen verlässliche Vorhersagen aber derzeit ungemein schwer. Zwar kündigt die EZB für nächstes Jahr ein langsames Ende der Niedrigstzinsphase an. Doch wie viel Einfluss haben Notenbanken in einem mit Liquidität gesättigten Kapitalmarkt, in dem nach wilder Renditejagd jetzt panisch Sicherheit gesucht wird, in der Banken immer noch lieber Geld bei der Zentralbank anlegen als es anderen Kreditinstituten über Nacht zu leihen? An den Anleihemärkten wird inzwischen immer öfter ohne Bonitätskontrolle und entsprechende Risikoaufschläge gekauft (siehe auch Seite 580 f. in diesem Heft). Wann und wie heftig sich dieser Markt drehen wird, weiß niemand vorherzusagen. Gerade das muss den Bausparkassen Sorge bereiten.

Einige, aber längst nicht alle Institute rechnen intern schon mit einem raschen, starken Zinsanstieg. Dann aber wären die aktuellen Tarife für Sparer unattraktiv, die zuteilungsreifen Darlehen jedoch ungemein günstig. Den Kassen drohe dann ein hoher Liquiditätsbedarf bei gleichzeitig rückläufigem Spargeldeingang. Zudem ist der heutige Kollektivüberhang langfristig zu den aktuell niedrigen Zinsen angelegt. Bei einer abrupten Wende an den Kapitalmärkten müssten die Bausparkassen Tarife und Zuteilungsfristen anpassen. Deshalb fahren einige, wenngleich nicht alle Bausparkassen den Fonds zur bauspartechnischen Absicherung hoch, der genau diese Auswirkungen von Zinsänderungen abfedern soll. Die Deutsche Bank Bausparkasse und Schwäbisch Hall haben den Fonds komplett aufgefüllt. Aber auch andere legen aus ihrer Überliquidität zunehmend mehr Geld zurück.

Umgekehrt müssen die Bausparkassen aber auch die Fortsetzung der ohnehin schon langen Niedrigzinsphase beziehungsweise ein weiteres Absinken des Zinsniveaus fürchten. Für einige Institute könnte es dann auf der Ertragsseite eng werden. Deshalb wächst der Druck, mit dem Absicherungsfonds auch die Erträge stabilisieren zu dürfen (siehe den Beitrag von Matthias Metz auf Seite 586 ff. in diesem Heft). Diese Extremszenarien treten hoffentlich nicht ein. Trotzdem fressen sich manche Bausparkassen schon verstärkt Speck für (mögliche) rauere Zeiten an, auch wenn dies ihren Ertrag etwas belastet. Denn dem Bausparen wohnt ein Vorsorgegedanke inne, wie Heinz Panter, der scheidende Vorstandsvorsitzende der LBS Baden-Württemberg im Redaktionsgespräch betont (vergleiche Seite 582 ff. in diesem Heft). Das heißt: Sicherheit und Liquidität gehen im Bausparen vor Rentabilität. L. H.

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