Schwerpunkt Personalmanagement

Möglichkeiten und Vorteile familienfreundlicher Regelungen in mittelständischen Immobilienunternehmen

Wie sich der Arbeitsmarkt langfristig entwickelt, lässt sich kaum vorhersagen. Scheinbar sichere Prognosen wie "Lehrer haben sichere Arbeitsplätze" oder "Ärzte werden überall gebraucht" haben sich immer wieder als Fehlinterpretationen erwiesen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen und legt den Schluss nahe, dass es vernünftig wäre, auf den Blick in die Glaskugel zu verzichten.

Nach der Elternzeit zurück in die Firma

Gleichwohl scheint das Risiko einer Fehleinschätzung bei folgender, aktuell populärer Prognose gering: "Unternehmen, die das Thema Familienfreundlichkeit vernachlässigen, werden langfristig gegenüber moderner aufgestellten Unternehmen das Nachsehen haben." Verantwortlich dafür sind die demografische Entwicklung und - damit einhergehend - der sich abzeichnende Fachkräftemangel.

Um den Arbeitskräftebedarf optimal decken zu können, wird es auch und gerade für Immobilienunternehmen künftig immer wichtiger, das Arbeitskräfteangebot insgesamt besser auszuschöpfen. Da der zentrale Angelpunkt beim Thema Familienfreundlichkeit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist, besteht die Herausforderung oft insbesondere darin, Eltern nach der Elternzeit schnell wieder in die Firma zurückzuholen.

Genau genommen müsste es wohl nicht Eltern, sondern Mütter heißen. Denn in der Praxis ist das Thema Familienfreundlichkeit zumindest bisher vor allem ein Thema, das für Frauen relevant wird. Männer - sofern sie überhaupt Elternzeit nehmen - kehren hinterher in der Regel in ihren Vollzeitjob zurück, während die familiäre Verantwortung hauptsächlich den Frauen zufällt.

Frauen, die nach der Elternzeit wieder in ihren Beruf einsteigen wollen - und das will die große Mehrheit - benötigen konkrete familienbewusste Rahmenbedingungen in "ihren" Unternehmen. Die finden sie aber viel zu selten vor. Die Folge: Mehr als 40 Prozent der Frauen in Westdeutschland und 22 Prozent der Frauen in Ostdeutschland kehren selbst nach dreijähriger Elternzeit gar nicht an ihren bisherigen Arbeitsplatz zurück.

Gerade mittelständischen Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Frauen einen gelungenen Wiedereinstieg zu ermöglichen, ohne wie große Konzerne Dinge wie Betriebskindergarten, umfassende Wiedereingliederungsprogramme et cetera anbieten zu können. Das ist jedoch nur vordergründig ein Nachteil. Denn letztlich ist es so: Wie sich Familie und Beruf optimal vereinbaren lassen, ist je nach Bedarf der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz unterschiedlich - und hier liegt der große Vorteil, den mittelständische Unternehmen gegenüber Großunternehmen haben. Sie können viel flexibler handeln und müssen sich nicht nach starren Vorgaben und Vorschriften richten, die eventuell an der Praxis vorbeigehen. Was hier möglich ist, entscheidet die Geschäftsführung persönlich - und kein starres System.

Individuell unterschiedliche Vereinbarungen

Am Beispiel Fondshaus Hamburg Immobilien (FHHI) zeigt sich konkret, wie wichtig individuelle Vereinbarungen in diesem Zusammenhang sind. So sind aktuell mit insgesamt rund 20 Prozent der Mitarbeiter Vereinbarungen getroffen, die darauf abzielen, es ihnen zu ermöglichen, ihren Job und die Familie optimal "unter einen Hut" zu bekommen.

Grundlage für die Vereinbarungen war und ist dabei jeweils ein persönliches Gespräch mit der Geschäftsführung, bei dem die Bedürfnisse beider Seiten - des Mitarbeiters und des Unternehmens - zur Sprache gebracht werden. Hierin wird dann jeweils ausgelotet, was sich beide Seiten idealerweise wünschen, um dann zusammen herauszufinden, was praktisch machbar ist. Unter dem Strich hat sich gezeigt, dass für jeden Mitarbeiter andere Aspekte eine wichtige Rolle spielen, sodass die Vereinbarungen, die getroffen wurden, auch sehr unterschiedlich ausfallen.

Eine Kollegin beispielsweise wollte die Arbeitszeit deutlich reduzieren, sowohl hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitsstunden als auch bei der Zahl der Arbeitstage. Aktuell beträgt ihre Arbeitszeit 24 Stunden, die sie an vier Wochentagen ableistet. Sie arbeitet an vier Tagen gleichmäßig jeweils sechs Stunden, wobei sie nach Absprache auch länger im Büro bleibt, wenn dies von Unternehmensseite erforderlich ist.

Bei einer anderen Mitarbeiterin stand der Wunsch im Vordergrund, auch von zuhause aus arbeiten zu können. Zwar sind die Kinder während ihrer Arbeitszeit betreut. Ihr Anfahrtsweg zur Arbeitsstelle ist jedoch relativ lang und kostet daher viel Zeit, die ihr dann als Arbeitszeit fehlt. Eine komplette Homeoffice-Tätigkeit wäre jedoch nicht sinnvoll und auch von ihrer Seite nicht wünschenswert gewesen. Im Ergebnis arbeitet sie jetzt an zwei Tagen ausschließlich im Homeoffice und an zwei Tagen in der Firma.

Einer weiteren Kollegin war es wichtig, stundenmäßig nahezu wieder Vollzeit zu arbeiten, da die Familie auf ihr Gehalt angewiesen ist. Gleichzeitig war es ihr wichtig, sich nachmittags um ihre Kinder kümmern zu können. Dies wurde durch einen früheren Arbeitsbeginn ermöglicht sowie durch eine Mittagspause, die deutlich unter der für die Mittagspause üblichen Zeit liegt.

Auch einer der männlichen Kollegen hat übrigens die Arbeitszeit reduziert und arbeitet statt bisher fünf nunmehr vier Tage die Woche - bei ihm war der Hintergrund, dass er anders als bei seinem ersten, bereits älteren Kind mehr von dessen Alltag miterleben wollte. Für ein Unternehmen sind Teilzeitarbeitende Männer prinzipiell eine gute Sache, denn es zeigt nach außen hin, dass die Firma generell und geschlechtsunabhängig offen für das Thema familienfreundliche Arbeitszeiten ist - und nicht nur dort, wo sie es aus rechtlichen Gründen sein muss. Dabei ist es natürlich de facto so, dass Männer generell den gleichen rechtlichen Anspruch auf Teilzeitarbeit haben wie Frauen. Nur ist es in der Praxis bei vielen Unternehmen so, dass Teilzeitwünsche von Frauen als normal gelten, bei Männern nicht. Viele wagen daher den Schritt nicht, zumal bei fehlenden Vorbildern.

Fürsorgepflicht und wirtschaftliche Fakten

Klar ist: Auch mittelständische Unternehmen wie FHHI setzen das Thema Familienfreundlichkeit nicht ausschließlich aus ethisch-moralischen Gründen um - obwohl man als Geschäftsführer nie aus den Augen verlieren sollte, dass man auch eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern hat. Letztlich aber sprechen harte betriebswirtschaftliche Fakten für eine familienorientierte Personalpolitik. Denn Ziel ist es schließlich, ein qualifikationsunabhängiges Ausscheiden gerade von jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu vermeiden, betriebsspezifisches Know-how zu erhalten und einen Teil des Aufwands für die Personalrekrutierung zu vermeiden. Und je kleiner das Unternehmen ist, desto mehr ist es auf das Wissen und das Know-how jedes einzelnen Mitarbeiters angewiesen.

Die Erfahrungen bei FHHI zeigen außerdem, dass Mitarbeiter, mit denen individuelle Absprachen getroffen wurden, die auf ihre persönlichen Belange Rücksicht nehmen, oftmals sehr viel effizienter arbeiten als vorher: Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeit auf zum Beispiel 80 Prozent kürzen, erbringen nicht automatisch auch nur noch 80 Prozent ihrer bisherigen Leistung. Im Gegenteil: Häufig bleiben Leistung und Output gleich oder annähernd gleich. Der Arbeitgeber zahlt also so gesehen weniger Gehalt für die gleiche Leistung

Mehr als ein Lippenbekenntnis

Auch beim Gehalt lassen sich oft Win-Win-Situationen schaffen. So ist es möglich, dem Arbeitnehmer statt einer kleinen Gehaltserhöhung, die netto für den Arbeitnehmer kaum spürbar ist, die Kita-Gebühren für die Kinder zu zahlen. Denn da ein solcher Kindergartenzuschuss steuerfrei ist, sparen Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen Steuern und Sozialabgaben.

Mit den individuellen Regelungen, die FHHI mit den Mitarbeitern getroffen hat, konnte eine hohe Kontinuität bei den Beschäftigten erreicht werden. Alle Mitarbeiterinnen mit Kindern sind aus der Elternzeit zeitnah in das Unternehmen zurückgekehrt. Die Frauenquote hält sich seit Unternehmensgründung im Jahr 2006 konstant bei etwa 50 Prozent.

Damit so etwas gelingt und die Theorie der Praxis standhält, muss die Familienfreundlichkeit im Unternehmen mehr sein als ein Lippenbekenntnis. Erst in der Umsetzung und im gelebten Unternehmensalltag zeigt sich, was Absprachen tatsächlich wert sind und ob sie für beide Seiten funktionieren. Im Idealfall übernehmen Mitarbeiter, die von Teilzeit-, Homeoffice- oder anderen familienorientierten Angeboten Gebrauch machen, gleichermaßen Vorbild- und Werbefunktion für andere Mitarbeiter und Bewerber von außerhalb.

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