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Neue Vorschläge zur Besteuerung von Gesellschafterdarlehen

In Konzernstrukturen werden Gesellschafterdarlehen eingesetzt, um die Besteuerung von Gewinnen innerhalb des Konzernkreises zu verlagern. Insbesondere im internationalen Kontext kann durch Gesellschafterfremdfinanzierung die Besteuerung aus einem höher in einen niedriger besteuerten Staat verlagert werden. Dieser Effekt ist den Steuergesetzgebern vieler Staaten ein Dorn im Auge, sodass eine zunehmend komplexe Gesetzgebung geschaffen wird, die den Abfluss von Steuerpotenzial aus dem Staat verhindern soll.

Die steuerliche Behandlung von Zinsen auf Gesellschafterdarlehen

Auf der Suche nach einer Lösung, die gleichzeitig den Dschungel komplexer Steuergesetzgebung lichten soll, schlugen renommierte niederländische Steuerrechtler nun eine überraschende Lösung vor: Zinsen im Konzern sollen danach steuerlich unbeachtlich sein - nicht abziehbar beim Schuldner und nicht steuerpflichtig beim Empfänger. Der niederländische Gesetzgeber nimmt diesen Vorschlag ernst und prüft nun dessen Tauglichkeit. Der vorliegende Beitrag führt in die steuerliche Behandlung der Gesellschafterfremdfinanzierung in verschiedenen Ländern ein und erläutert den niederländischen Vorschlag im Kontext der aktuell bestehenden Modelle anderer Staaten.

Der Gesellschafter kann seine Gesellschaft durch Eigen- oder Fremdkapital finanzieren. Insbesondere bei Kapitalgesellschaften ist eine Mindestausstattung mit Eigenkapital unumgänglich. Weiteres Kapital kann als Fremdkapital zum Beispiel in Form eines Darlehens zugeführt werden. Dies kann einerseits aus praktischen Gründen vorteilhaft und gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung flexibler sein. Meist liegt der Nutzen der Fremdfinanzierung aber im Steuerrecht begründet.

Wird eine Dividende ausgeschüttet, ist diese bei der zahlenden Gesellschaft steuerlich nicht abzugsfähig, beim Empfänger aber grundsätzlich steuerpflichtig. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung wird der Empfänger in vielen Steuersystemen begünstigt besteuert (in Deutschland: Abgeltungssteuer, Teileinkünfteverfahren, Schachtelprivileg). Im Gegensatz dazu sind Zinsen, die auf Gesellschafterdarlehen gezahlt werden, bei der zahlenden Gesellschaft grundsätzlich steuerlich abziehbar. Der Empfänger hat die Zinsen dann zu versteuern. Ist der Empfänger in einem niedriger besteuerten Staat ansässig, erzielt er durch Fremdfinanzierung einen Vorteil gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung.

Unterkapitalisierungsregeln - Thin Capitalisation Rules

Eine ebenso einfache wie schlichte Möglichkeit, den Abfluss von Steuerpotenzial durch Fremdfinanzierung zu verhindern, bieten sogenannte Unterkapitalisierungsregeln (Thin Cap Rules). Diese Art Regelung unterstellt, dass Gesellschaften im Wirtschaftsverkehr üblicherweise eine bestimmte Eigenkapitaldecke aufweisen. Wird diese dadurch unterschritten, dass der Gesellschafter statt Eigenkapitals Darlehen in die Gesellschaft gibt, erkennt diese Regelungssystematik eine Unterkapitalisierung im steuerlichen Sinne. Infolgedessen ist der Abzug von Zinsen zu beschränken, da - so der ordnungspolitische Gedanke - steuerlich anerkennenswerte drittübliche Verhältnisse nicht mehr vorliegen.

Bisherige Voraussetzungen für den Zinsabzug

In Deutschland wurden vergleichbare Regelungen 1994 im Körperschaftsteuergesetz verankert. Hier wurde zunächst ein Verhältnis von 3:1 Fremdzu Eigenkapital anerkannt. Zuletzt war dies auf 1,5:1 verschärft worden, bis Deutschland durch die Einführung der Zinsschranke jetzt einen anderen Weg einschlug. Zahlreiche andere

Staaten haben die Strategie der Unterkapitalisierungsregeln ebenfalls aufgenommen und in unterschiedlichen, aber im Grundsatz ähnlichen Ausprägungen übernommen. Die hier auffallende relativ große Bandbreite lässt sich durch mehrere Faktoren erklären:

- die Definition von Eigen- und Fremdkapital kann sich unterscheiden,

- manche Staaten beziehen besonders besicherte (back-to-back) Finanzierungen ein,

- in einigen Staaten werden Darlehen unabhängiger Dritter (auch Bankdarlehen) einbezogen,

- unterschiedliche Freibeträge.

Einige Staaten kennen neben dem FK/EK-Verhältnis zusätzliche Voraussetzungen des Zinsabzugs. Vielfach wird gefordert, dass die Darlehensbedingungen einem Drittvergleich standhalten müssen, dass also auch ein fremder Dritter das betreffende Darlehen zu den vereinbarten Konditionen gewährt hätte.

In Finnland und Österreich wird dabei etwa auf den Finanzierungsgrad abgestellt, in Belgien und Luxemburg muss der Zinssatz drittüblich sein. In Frankreich und Russland dürfen wiederum regelmäßig neu festgesetzte Zinssätze nicht überschritten werden, wenn der Gesellschafterdarlehenszins abzugsfähig sein soll.

In Hongkong sind Zinsen nicht abziehbar, wenn sie an nicht in Hongkong ansässige Gesellschafter gezahlt werden, die nicht in Hongkong der Quellensteuer unterliegen und kein Finanzinstitut sind. In EU-Staaten ist eine solche Regel aus Gründen des Europarechts schwer umsetzbar.

Während insgesamt der Trend zu immer schärferen Bestimmungen zur Begrenzung der Fremdfinanzierung geht, kann in Einzelfällen auch Gegenläufiges beobachtet werden.

Die tschechischen Vorschriften beschränkten bisher den Zinsabzug insoweit als ein FK/EK-Verhältnis von 6:1 nicht überschritten wurde. Hier wurden auch Finanzierungen durch Dritte mitgerechnet. Von 2009 an können Zinsen an unabhängige Dritte wieder vollständig abgezogen werden. Auch ist die absolute Beschränkung des Zinssatzes entfallen.

Zinsschranken

Die USA führten bereits 1989 ein komplexeres System zur Begrenzung des Zinsabzugs bei Zahlungen an bestimmte Gesellschafter (insbesondere nicht in den USA ansässige, aber auch US-REITs) ein. Die US-Zinsschranke (Earning Stripping Rules) führt unter folgenden Voraussetzungen zur steuerlichen Umqualifikation von Darlehenszinsen in Dividenden.

Grundsätzlich sind Zinsen auf Gesellschafterdarlehen oder von nahestehenden Personen besicherte Darlehen nach diesen Vorschriften nur abziehbar, wenn sie drittüblich sind und soweit sie 50 Prozent des um Zinsaufwand und Abschreibung bereinigten Einkommens (Adjusted Taxable Income) nicht überschreiten. Darüber hinausgehender Zinsaufwand kann vorgetragen werden. Diese Zinsschranken-Regelung kommt ausnahmsweise nicht zur Anwendung, wenn das Verhältnis FK/EK-Verhältnis 1,5:1 nicht überschreitet.

Seit 2008 hat auch Deutschland eine hochkomplexe und viel diskutierte Zinsschrankenregelung eingeführt, die das vorherige FK/EK-Verhältnis von 1,5:1 ablöst. Nach den neuen deutschen Vorschriften dürfen Gesellschafterdarlehenszinsen bis zur Höhe von 30 Prozent des zu versteuernden Gewinns vor Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) abgezogen werden. Wie in den USA kommt es nunmehr also nicht mehr primär auf das Kapitalverhältnis, sondern auf das Verhältnis von Gewinn und Zinsaufwand an. Neben einer Freigrenze von einer Million Euro findet die Zinsschrankenregelung auch bei Konzernfreiheit oder wenn die EK-Quote der Gesellschaft nicht wesentlich die des Konzerns unterschreitet keine Anwendung. Italien hat 2008 ebenfalls ein vergleichbares Zinsschrankensystem eingeführt.

Niederländische Innovation bei der Körperschaftsteuer

Mitte 2008 schlugen drei angesehene Steuerrechtsprofessoren eine drastische Veränderung der niederländischen Körperschaftsteuerlandschaft vor. Die Professoren veröffentlichten einen bahnbrechenden Artikel in Form eines Gesetzentwurfs. Darin schlagen sie vor, statt die niederländischen Regelungen über den Zinsabzug durch neue, noch komplexere Vorschriften zu ersetzen, ein völlig neues System der Steuerneutralität von Darlehenszinsen im Konzern einzuführen. Im Dezember kündigte daraufhin das niederländische Finanzministerium eine Studie über die steuerliche Behandlung von Zinsen im Konzern an. Ein konkreter Gesetzentwurf zu den vorgesehenen Änderungen wird noch im ersten Halbjahr 2009 erwartet.

Die Grundidee der vorgeschlagenen Steuerneutralität von Konzerndarlehenszinsen ist es, exzessive Finanzierungen innerhalb einer Gruppe zu stoppen. Die Maßnahme der Steuerneutralität bedeutet, dass Zinsen auf Darlehen innerhalb der Gruppe nicht mehr als abzugsfähig beim Schuldner und nicht mehr als steuerpflichtig beim Gläubiger angesehen werden. Der Vorschlag der Professoren sieht die Abschaffung von allen niederländischen Vorschriften über Zinsabzugsbeschränkungen vor.

Steuerneutralität die Lösung aller Probleme?

In einer Hinsicht ist der niederländische Vorschlag unübertroffen: Er ist einfach und verspricht hohe Rechtssicherheit. Damit gelingt etwas, das in Deutschland weder mit Unterkapitalisierungs- noch mit der neuen Zinsschrankenregelung erreicht werden konnte. In beiden Systemen ist der Gesetzeswortlaut komplex und durch umfangreiche Verwaltungsschreiben erläutert. Fraglich ist allerdings, inwieweit die Steuerneutralität der Finanzierung in der Gruppe Steuergerechtigkeit vermittelt. Insbesondere in grenzüberschreitenden Situationen wird es zwangsläufig zur Doppelbesteuerung kommen. Innerhalb eines Staates kann das Gesetz vorsehen, dass nicht abgezogene Darlehenszinsen beim Empfänger steuerfrei bleiben. Ist der Empfänger aber ein Steuerausländer, scheitert die Grundidee der Steuerneutralität, wenn der Sitzstaat des Empfängers im Einklang mit den Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen die Zinsen besteuert.

Aus fiskalischer Sicht wird durch die Steuerneutralität das Ziel der Vermeidung exzessiver Finanzierungen in der Gruppe und des Erhalts des Steueraufkommens im Inland optimal erreicht. Allerdings ist dies traditionell bereits bei Organschaften oder einheitlicher Besteuerung als Gruppe der Fall. Die Kehrseite der Medaille ist, dass für ausländische Gesellschafter die Ausstattung der Beteiligung durch Gesellschafterdarlehen steuerlich unattraktiv wird.

Höhere Attraktivität als Holdingstandort

Gerade im Bereich der grenzüberschreitenden Immobilieninvestments, in dem häufig mit intern fremdfinanzierten Objektgesellschaften investiert wird, wirkt die Steuerneutralität investitionshemmend. In den Niederlanden wird daher über eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes nachgedacht. Im Übrigen erhoffen sich die Autoren des niederländischen Vorschlags eine Stärkung der Attraktivität als Holdingstandort, da aus dem Ausland bezogene Zinsen auf Gesellschafterdarlehen ebenfalls steuerfrei bleiben sollen.

Auf den ersten Blick könnte die vorgeschlagene Systematik einige Ziele erreichen: Bei höherer Rechtssicherheit würde die Erosion der inländischen Steuerbasis verhindert und potenziell auch die Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital beseitigt. In grenzüberschreitenden Gestaltungen entstünde dagegen die beschriebene Problematik. Es bleibt abzuwarten, wie die Studie des niederländischen Finanzministeriums diese Thematik bewerten und die konkrete Umsetzung aussehen wird. Wenn diese Innovation in den Niederlanden Erfolg hat, werden andere Staaten diese Lösung sicher in Erwägung ziehen.

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