Grundpfandrechte in der Verwertung

Non-Performing Loans - die Renaissance des Kreditportfoliomanagements

Notleidende Kredite oder Non-Performing Loans (NPL), wie sie in der Fachwelt heißen, sind eines der Themen, das die deutsche Bankenindustrie zurzeit beschäftigen dürfte. Denn in Zeiten von steigender Regulierung, Basel III und Eigenkapitalengpässen wird das strategische Management des Kreditportfolios zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit für Banken immer wichtiger. Dabei belasten nicht verzinste und nicht strategische Bestände insbesondere NPL durch Refinanzierungskosten, verschärfte Eigenkapitalunterlegungspflicht und kapazitätsintensive Bearbeitung mehr als andere Bestände in der Bilanz.

Wachsende NPL-Bestände

Das Potenzial in Deutschland ist enorm: So schätzt die Pricewaterhouse-Coopers AG (PwC) das Volumen aller leistungsgestörten Kredite, die in deutschen Banken und Sparkassen lagern, auf über 200 Milliarden Euro. Ernst & Young geht in einer Studie von 2011 von einem NPL-Marktvolumen von 250 Milliarden Euro aus. Die Vermutung liegt nahe, dass diese hohen NPL-Bestände in den Bilanzen der Banken, ähnlich wie nach der Finanzkrise 2001 bis 2003 geschehen, zu einem Anstieg des Handels mit leistungsgestörten Krediten führen könnten.

2003 gestartet, erreichte in Deutschland der Handel mit leistungsgestörten Krediten 2007 mit einem Transaktionsvolumen von 14,4 Milliarden Euro seinen Höhepunkt. Ausgelöst durch die Subprime-Krise und die damit verbundenen Schwierigkeiten der Investmentbanken kam der Markt danach nahezu zum Erliegen. Die Investoren, die am Markt verblieben, waren risikoaverser geworden, weswegen die Kaufpreise für Portfolios deutlich sanken. Gleichzeitig hatten die als potenzielle Verkäufer auftretenden Banken aufgrund des reifen Marktes nicht mehr den enormen Verkaufsdruck, sodass sie die gebotenen Preise nicht akzeptieren mussten.

Nun zeigt die PwC-Studie, dass die Bestände in den Büchern der Banken im Vergleich zu 2008 wieder um mehr als 50 Prozent gestiegen sind. Interessant dabei ist, dass gleichzeitig der Anteil der NPL am gesamten Kreditbestand von 2,7 Prozent auf über fünf Prozent wuchs, was darauf schließen lässt, dass Banken Nachholbedarf im Kreditportfoliomanagement hinsichtlich ihrer NPL-Bestände haben. Gleichzeitig ist die Nachfrage wieder groß, da viele Investoren in den vergangenen Monaten immenses Investmentkapital eingesammelt haben und investieren wollen. Das ist im europäischen Ausland bereits spürbar. Doch während zum Beispiel in Großbritannien bereits im ersten Halbjahr 2010 NPL-Portfolios im Wert von 1,6 Milliarden Euro gehandelt wurden, warten Investoren in Deutschland immer noch auf die großen Transaktionen. Nach ersten Verkäufen 2010 geriet der Markt im vergangenen Jahr spürbar wieder in Bewegung - ein Trend, der sich 2012 fortsetzt. Aber sind die aktuellen Rahmenbedingungen mit denen der ersten NPL-Welle vergleichbar und wird es einen weiteren Anstieg des Handels mit Kreditportfolios geben?

Erkenntnisse aus Finanzkrisen der Vergangenheit

Diverse Analysen zeigen, dass die Märkte für den Handel mit notleidenden Krediten stets aufgrund vergleichbarer Indikatoren entstanden sind.1) Bei einem Vergleich der "Savings and Loans"-Krise in den USA Ende der achtziger- und Anfang der neunziger Jahre, mit der "Italien-Krise" Mitte der neunziger- und der "Asi-en-Krise" Ende der neunziger Jahre sowie der Finanzkrise im Nachgang nach der Dotcom-Krise in Deutschland in den Jahren 2001 bis 2003 zeigt sich, dass sowohl die gesamtökonomischen Rahmendaten als auch die Situation der jeweiligen Bankenindustrie stets vergleichbar waren. Als Auslöser für das Entstehen eines NPL-Marktes werden drei wesentliche Faktoren angesehen.

- Jeweils drei bis vier Jahre vorgelagert zur Entwicklung eines Portfoliohandels von Banken bestand eine langanhaltende Finanzkrise, die schließlich in eine währungs-, finanz- und volkswirtschaftliche Schwäche mündete. Neben geopolitischer Unsicherheit und negativer Einflussnahme auf den Außenhandel prägte oft auch eine volkswirtschaftliche Stagnation im Inland das Bild. Ausfluss dessen war stets eine verschlechterte Zahlungsmoral, die in einem signifikanten Anstieg der Insolvenzzahlen mündete, welche zuletzt zu einem Anstieg der NPL-Bestände bei Banken führte.

- Eigentlicher Auslöser war jedoch stets eine Phase erhöhter Kreditvergabeaktivität der Banken drei bis fünf Jahre vor dem Ausbruch der Krise. In der Krise war die Bankenindustrie in puncto Risiko- und Portfolio-Management stets von abwartender Haltung geprägt. Als Folge der zu Beginn der Krise stets zu beobachtenden mangelnden Profitabilität und Fixkostenremanenz war in der deutschen Bankenindustrie sowohl in der Krise 1992/1993 als auch von 2001 bis 2003 zu beobachten, dass die signifikant ansteigenden Kreditrisiken in den Bilanzen zu einem "Aufschieben" von notwendigen Wertberichtigungen führten. Dies mündete stets in einer Verschärfung der Regulierung sowie in einer Kritik der Ratingagenturen und des internationalen Währungsfonds (IWF) am deutschen Bankensystem. So gerieten Banken unter Druck, sich von ihren nicht strategischen und unverzinsten Kreditportfolios zu trennen.

- Ein weiterer Indikator war eine Überhitzung der Immobilienmärkte, ausgelöst durch spekulative Entwicklungen. Dies führte bei den Kreditinstituten zu einem Wertverfall der Immobiliensicherheiten, sodass Ausfallraten und Wertberichtigungen in die Höhe schnellten. In der Finanzkrise 2001 bis 2003 betraf diese negative Entwicklung vor allem die Immobilienwirtschaft in Ostdeutschland. Eine Fehlallokation von Krediten - ausgelöst durch steuerliche "Anreize" (Aufbau Ost), die zu einem Überangebot in Ostdeutschland und einem dramatischen Nachfragerückgang in Westdeutschland führten - hatte einen Verfall der Immobilienpreise zur Folge.

Die Situation heute

Es steht außer Frage, dass die deutsche Bankenindustrie aktuell mit einer langanhaltenden Finanzkrise konfrontiert ist. Beginnend 2008 mit der Subprime-Krise in den USA hielten im Folgenden Lehman Brothers, Irland und nun seit einiger Zeit die Staatsschuldenkrise in Europa die Banken in Atem. Im Unterschied zu früheren Krisen ist der Arbeitsmarkt in Deutschland robust. Ein Blick auf die Entwicklung der Verbraucher- und Unternehmensinsolvenzen zeigt, dass diese aber trotzdem nach wie vor auf unverhältnismäßig hohem Niveau verbleibt.

Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen beispielsweise ist doppelt so hoch wie etwa 2003. Dies weist darauf hin, dass die Zahlungsfähigkeit von Verbrauchern neuerdings weniger mit der Entwicklung des Arbeitsmarktes korreliert. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen hat sich aktuell von einem Peak unmittelbar nach Ausbruch der Krise erholt und lag 2011 zum ersten Mal wieder unter den Zahlen von 2008. Steigende Bestände notleidender Kredite sind jedoch nicht ausschließlich krisenbedingt. Unabhängig hiervon führt aktuell bereits der generelle Immobilienkreditzyklus aufgrund der starken Neugeschäftsjahre 2003 bis 2006 zu einem zyklischen Anstieg von NPL-Beständen in den Büchern der Banken.

Die Erkenntnisse aus den Kreditausfallstatistiken bei Hypothekenbanken zeigen, dass die höchste Ausfallwahrscheinlichkeit für einen Hypothekenkredit im dritten bis fünften Jahr nach Kreditvergabe besteht. Nimmt man hierzu noch die Erkenntnis, dass der normale Immobilienkreditmarktzyklus etwa sieben bis acht Jahre dauert[2]) und dass die letzte Bankenkrise in den Jahren 2001 bis 2003 einen massiven Anstieg der Kreditrisikovorsorge zur Folge hatte, deuten allein diese Indikatoren darauf hin, dass die Jahre 2009 bis 2012 eine Periode kennzeichnen werden, in der Banken steigende Kreditausfälle und damit steigende Bestände an notleidenden Krediten verzeichnen werden.

Den bisherigen Finanzkrisen gingen stets eine Überhitzung von Immobilienmärkten und eine dadurch ausgelöste Fehlallokation von Kreditvergaben voraus. Inwieweit eine Überhitzung des Immobilienmarktes in Deutschland vorliegt, ist noch nicht abschätzbar. Bei einer Betrachtung der Entwicklung der Immobilienpreise der jüngsten Vergangenheit ist jedoch zu konstatieren, dass die Immobilienpreise stark angezogen haben und möglicherweise in naher Zukunft ihr Hoch erreichen. Es deutet insofern zunächst nichts darauf hin, dass die jüngste Krisensituation sowie die abwartende Haltung von Banken in Bezug auf die Bildung von Risikovorsorge durch einen signifikanten Verfall des Wertes der Kreditsicherheiten ausgelöst wurden.

Insofern ist in dieser Hinsicht die Situation heute anders als im Jahre 2001. Daher liegt die Vermutung nahe, dass die Besicherungssituation der Kredite eher besser geworden ist und der Anstieg an Risiken vorrangig durch die reine Anzahl bedingt ist. Dies könnte dazu führen, dass Banken eher bereit sein werden, Portfoliotransaktionen durchzuführen, da die Gefahr eines zusätzlichen Abschreibungsbedarfs aufgrund gefallener Werte geringer ist.

Parallelen ersichtlich

Die Erfahrung der letzten NPL-Welle zeigt, dass drei Faktoren für das Entstehen eines NPL-Marktes ausschlaggebend sind: Eine vorgelagerte Finanzkrise gepaart mit hohen Insolvenzen, die zu steigenden NPL-Beständen führen. Eine Phase erhöhter Kreditvergabe in den Vorjahren und eine Korrelation mit der Situation an den Immobilienmärkten.

Das Vorliegen einer vorgelagerten Finanzkrise ist offensichtlich. Hierdurch ausgelöst entstanden diverse andere Abschreibungs- und Wertberichtungsnotwendigkeiten, welche den Banken zu wenig Spielraum für Kreditrisikomanagement und Wertberichtigungen bezüglich der notleidenden Kredite ließ. Dies gepaart mit starken Kreditneugeschäftsjahren sowie die hohe Zahl an Insolvenzen verstärken den Anstieg der NPL-Bestände in den Bankbilanzen und lassen sie aktuell historisch hohe Volumina erreichen. Insofern sind in den ersten beiden Punkten Parallelen ersichtlich. Eine Überhitzung der Immobilienmärkte ist sehr wahrscheinlich aktuell nicht gegeben. Dies befördert jedoch eher den Anstieg an Portfoliotransaktionen, da zusätzlicher Abschreibungsbedarf geringer ausfallen dürfte. Insofern scheint eine vergleichbare Situation wie 2003 vorzuherrschen.

Darüber hinaus sind heute noch weitere wichtige Faktoren dafür ausschlaggebend, dass für Banken die ökonomische Notwendigkeit besteht, strategisches Kreditportfoliomanagement zu betreiben und sich von nicht verzinslichen, risikobelasteten Aktiva wie NPL zu trennen. Denn nur so bleiben sie wettbewerbsfähig. Zukünftig wird Banking sowohl teurer als auch zeitintensiver, und die Margen im Kreditgeschäft werden kontinuierlich sinken. Zusätzlich werden Eigenkapital und Liquidität mehr und mehr zu knappen Gütern, weswegen die Notwendigkeit für Kreditinstitute zunimmt, sich hinsichtlich ihrer Geschäftsstrategie und ihres Kerngeschäfts klar zu positionieren.

Durch immer strengere Anforderungen der Regulierungen geraten die Kreditinstitute unter Handlungsdruck. Die MaRisk schreibt bereits vor, sich am Kerngeschäft auszurichten. Dies ist sicher nicht das Management von NPL. Darüber hinaus verschärfen die Anforderungen von Basel II und Basel III die Notwendigkeit und Dokumentationspflichten der Risikovorsorge sowie die Eigenkapitalunterlegungsregeln für notleidende Kredite. Gepaart mit erhöhten Eigenkapitalanforderungen belasten unverzinste Aktiva die Eigenkapitalverzinsung überproportional. Außerdem steigt der Wettbewerb um billige Refinanzierung. NPL belasten zum einen die Risikokennzahlen, welche das Rating und damit die Refinanzierungskonditionen beeinflussen, zum anderen generieren sie in jedem Fall eine negative Zinsmarge.

Wenn die gesamtwirtschaftlich begründeten Erwartungen auch zukünftig zu steigenden NPL-Beständen führen werden, dann wird die ökonomische Notwendigkeit für Banken verstärkt, die Profitabilität hinsichtlich der nichtstrategischen Risikoaktiva, insbesondere der nicht verzinsten, kapital- und liquiditätsbindenden notleidenden Kredite, zu überprüfen, was zum Anstieg der Portfoliotransaktionen führen dürfte.

Fußnoten

1) DTZ NPL-Studie 2004 oder auch Ernst & Young - Global Non-Performing Loan Report 2004.

2) Wege aus der Krise ; Coreferat zu Dr. Gertrude Tumpel-Gugerell (EZB), Bad Ischler Dialog der Österreichischen Sozialpartner, 5. Oktober 2009 oder Dr. Scholz; Immobilienmarkt Deutschland, stetig oder langweilig; 4. November 2010, S. 3.

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