Messeausgabe

ÖPP in der öffentlichen Investitionsfinanzierung - Entwicklungen und Trends in Frankreich und Deutschland

Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) haben als Beschaffungsvariante in Europa eine lange Tradition mit unterschiedlichen Ausprägungen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Doch die verschiedenen Konzepte und Vorstellungen nähern sich an. Aktuelle Entwicklungen könnten speziell die ÖPP-Märkte Frankreich und Deutschland zukünftig bedeutend beeinflussen.

Der europäische ÖPP-Markt*) hat sich im vergangenen Jahr gut behauptet. Zwar wurden die hohen Volumina der Jahre 2005 bis 2008 nicht erreicht, mit Gesamtinvestitionen von rund 17,9 Milliarden Euro im Jahr 2011 lag der Markt aber annähernd auf dem Niveau des Vorjahres und leicht über dem Niveau des Jahres 2009.

Besondere Bedeutung kommt dabei dem französischen Markt mit einem Transaktionsvolumen von über elf Milliarden Euro zu. Fünf der sieben Transaktionen mit einem Investitionsvolumen von über 500 Millionen Euro wurden in Frankreich durchgeführt. In Deutschland wurden im Vergleichszeitraum 16 ÖPP-Projekte mit einem gesamten Investitionsvolumen von 1,15 Milliarden Euro umgesetzt. Die Einzelvolumina der Transaktionen waren im Schnitt also deutlich kleiner als auf dem französischen Markt.

Frankreich: ÖPP als alternative Realisierungsform

Für Frankreich gilt: Öffentlichkeit und Politik standen ÖPP-Modellen meist offen gegenüber und eine sehr pragmatische Herangehensweise hat sich etabliert. Durch politisches Engagement und konsequente Förderung sind sie inzwischen als alternative Realisierungsform der konventionellen nahezu gleichgestellt. In Frankreich stehen bei den Projekten Lebenszyklen, die dauerhafte Nutzung, die Qualität, der Substanzerhalt und die Erwirtschaftung von Nebeneinkünften durch den Privatpartner im Vordergrund.

Darin unterscheidet sich die französische Herangehensweise von der deutschen, wo ÖPP meist auf die reine Finanzierungsfunktion reduziert werden. In Deutschland steht oft die haushalterische Abbildung im Vordergrund und nicht zwingend die ganzheitliche Betrachtung des Lebenszyklus eines Projekts.

Mit ihrem Konjunkturpaket zu Beginn der Finanzmarktkrise trieb die französische Regierung in den Jahren 2007 bis 2012 die Weiterentwicklung von ÖPP stark voran. Das Paket enthielt eine ganze Reihe konjunkturfördernder Maßnahmen. Im Vordergrund stand zunächst die kurzfristige Unterstützung der Wirtschaft. Hinzu kamen - im Unterschied zum deutschen Programm - Sondermaßnahmen für Infrastrukturprojekte und ihre Realisierung als ÖPP, durch die die Konjunktur auch mittel- und langfristig unterstützt werden konnte. Zwei Ziele wollte die Regierung so erreichen: Zum einen sollte die Fortführung bereits gestarteter oder angekündigter Projekte sichergestellt werden. Zum anderen sollte der Start neuer Projekte gefördert werden.

Unterstützt wurden ÖPP auch durch eine Reihe von Gesetzesänderungen zwischen 2008 und 2010, die darauf abzielten, einer Gleichbehandlung von ÖPP und rein öffentlichen Bauvorhaben näher zu kommen. Diese Regelungen ermöglichten unter anderem einen verbesserten Zugang zu Fördermitteln und Zuschüssen. Auch die steuerliche Behandlung wurde angeglichen. Schließlich wurde eine Konsolidierungspflicht der ÖPP-Finanzierungen für Gebietskörperschaften eingeführt.

Damit sind diese ähnlich der Eigenrealisierung beziehungsweise -investition im Haushalt auszuweisen. Mehrere Aspekte also, die ÖPP begünstigen und Restriktionen abbauen. In der Folge emanzipierten sich ÖPP vermehrt als Realisierungsform, sodass inzwischen bereits in der Voruntersuchung zu den Projekten eine entsprechende Wirtschaftlichkeitsanalye zu erstellen ist, ohne eine Realisierungsform - egal ob Eigenrealisierung oder ÖPP - zu präjudizieren.

Die erfolgreiche Entwicklung von ÖPP in Frankreich könnte allerdings einen leichten Rückschlag erleiden, denn die im Mai 2012 gewählte Regierung unter Präsident Hollande steht ÖPP-Modellen zurückhaltender gegenüber. Einige wenige Projekte wurden bereits kurz nach den Wahlen vorerst zurückgestellt.

Gleichwohl ist nicht davon auszugehen, dass sich die neue Regierung ÖPP-Projekten grundsätzlich verschließen wird. Die Geschichte von ÖPP in Frankreich zwischen 2004 und 2012 zeigt, dass ÖPP von vielen Gebietskörperschaften eingesetzt wurden - unabhängig von der politischen Ausrichtung der ausführenden Organe. Daher wird der französische ÖPP-Markt lebendig bleiben. Marktbeobachter erwarten in den nächsten zehn Jahren Investitionen in einer Größenordnung von bis zu 50 Milliarden Euro, die über ÖPP realisiert werden: mit einem Schwerpunkt dieser Projekte in den Bereichen Bildung, Verteidigung, Verkehr, Gesundheitswesen und Energieeffizienz.

Die Entwicklung in Deutschland

Auch in Deutschland gab es eine Reihe von Initiativen, die wie in Frankreich eine stärkere Berücksichtigung von ÖPP-Projekten bei der öffentlichen Investitionstätigkeit propagierten. Trotz der positiven Entwicklung in den letzten Jahren und Projekten im Umfang von bis zu fünf Milliarden Euro in Ausschreibung beziehungsweise Planung konnten sich ÖPP jedoch nicht in vergleichbarer Weise durchsetzen.

Dem liegt - gerade im Vergleich mit dem französischen Markt - eine Vielzahl von Ursachen zugrunde. Zum einen gab es lange keine einheitlichen, von der Regierung vorgegebenen Prozesse und vorgelebte sowie realisierte Projekte. Durch die föderale Struktur in Deutschland sind zentrale Vorgaben nur sehr eingeschränkt möglich, auch weil die Mehrzahl der Projekte bei den Ländern (zum Beispiel Universitäten), bei den Kreisen (zum Beispiel Schulen) oder bei den Kommunen (zum Beispiel Kindertagesstätten) liegt. Anders als in Frankreich, wo die tatsächliche nachhaltige Instandhaltung und Bewirtschaftung stärker im Fokus steht, werden ÖPP in Deutschland zudem oft als reine Finanzierungsmodelle betrachtet, also als Ausweichbeschaffungsvariante, wenn das Budget knapp wird.

Dabei sollte es bei ÖPP nicht allein um die Finanzierung der Maßnahme gehen, sondern auch um die tatsächliche Bau- und Unterhaltsleistung. Zu einer Gesamtbetrachtung von ÖPP unter dem Gesichtspunkt aller Kosten über den gesamten Lebenszyklus eines Projekts, kommt es zu selten. Erst nach Ermittlung der Bau- und Betriebskosten und möglicher Realisierungskonzepte sollte eine adäquate Finanzierung auf Basis der Projektspezifika definiert werden. Eine Betrachtung der Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit unabhängig von der Finanzierungsform ist nach der Finanzkrise noch wichtiger geworden.

Standen bis 2007 Banken und Investoren noch für langfristige Finanzierungen entsprechender Projekte zur Verfügung - und zwar unabhängig davon, ob als Projektfinanzierung oder kommunale Forfaitierung -, so hat sich dies inzwischen stark verändert. Projektfinanzierungen werden aktuell nur zu erheblichen Margenaufschlägen und meist wesentlich kürzeren Laufzeiten angeboten. Um aktuell wirtschaftliche Finanzierungsformen zu erreichen, fordern Banken Strukturen, die einen vorzeitigen, planbaren Exit oder entsprechende Anpassungsmechanismen vorsehen.

Finanz- und Staatsschuldenkrise haben das Verhalten der Banken stark verändert und erschweren es deutlich, Lebenszyklen der Investitionen und Finanzierungslaufzeiten in Einklang zu bringen. Die Finanzierung entsprechender Projekte ist aktuell eine Herausforderung.

Herausforderung Finanzierung

Die erschwerte Refinanzierung wurde auch in den deutschen und französischen Regierungen diskutiert. In beiden Ländern ermöglichte die einredefreie Forfaitierung - in Frankreich "Cession Dailly Acceptée" genannt - in den letzten Krisenjahren weiterhin eine langfristige Refinanzierung der ÖPP-Maßnahmen zu günstigen Konditionen. Während aber der Bund keine eindeutige Aussage zu den unterschiedlichen Finanzierungsformen macht, unterstützt die französische Regierung eindeutig Forfaitierungsmodelle. Sie tut dies auch für größere Projekte und erlaubt eine flexible Finanzierungs- und Risikoverteilung bei maximal 80 Prozent "Cession Dailly Acceptée". Die rechtliche Bestätigung der Forfaitierungsmodelle hat zur Akzeptanz der "Cession Dailly" sowie zu schlanken Vertragsstrukturen und geringeren Kosten für Bieter und die öffentliche Hand geführt.

Ein ähnlicher Ansatz in Deutschland mit klaren Vorgaben durch den Bund würde eine breitere Einbeziehung von Finanzierungsquellen ermöglichen. Anders als risikoübertragende Projektfinanzierungsmodelle bieten Forfaitierungsmodelle schlankere Vertragsstrukturen, die zu einer höheren Transparenz und Akzeptanz führen können.

Diese Struktur macht ÖPP auch für institutionelle Anleger interessant. Risiken für Finanzierer werden durch die Forfaitierung mit Einredeverzicht, "Cession Dailly acceptée" oder ähnliche Strukturen niedrig gehalten. Gleichzeitig spiegelt die Rendite die Komplexität der Transaktionen und die mangelnde Liquidität im Vergleich zu Staatsanleihen wider. Diese Struktur ist gerade für Versicherungsgesellschaften und Versorgungskassen interessant, die sichere Anlagemöglichkeiten mit langer Laufzeit und einem Ertrag oberhalb der klassischen Kommunalfinanzierung suchen.

Weitere Perspektiven

In Frankreich und Deutschland wird der Markt für Kommunalfinanzierung und ÖPP weiterhin deutliche Veränderungen erfahren. Dies bedingen zum einen die weiter schwelende Staatsschuldenkrise, zum anderen die veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen - vor allem Basel III. In beiden Ländern lassen sich bereits einige Entwicklungen im Ansatz erkennen:

- Um dem Bedarf der öffentlichen Hand und den neuen Finanzierungsbedingungen gerecht zu werden, müssen ÖPP-Modelle überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt werden. Möglicherweise bietet das in Frankreich praktizierte Modell einen erfolgsversprechenden Ansatz, bei dem Elemente beider Finanzierungsmodelle verknüpft werden und ein wesentlicher Finanzierungsanteil (60 bis 80 Prozent) per Forfaitierung realisiert wird.

Auch könnte die öffentliche Hand einen größeren Anteil tragen: Entweder durch eigens organisierte Finanzierungsmittel oder höhere Zuschüsse, ohne auf die Vorteile einer langjährigen Bindung des Privatsektors zu verzichten. Denkbar sind auch andere ÖPP-Modelle, die zum Beispiel auf Erbbaurechte oder Grundschulden aufbauen.

- Besonders sogenannte "Brown field"-ÖPP dürften sich aus Effizienzgründen weiterentwickeln. Anders als bei klassischen ÖPP-Projekten, wo die Infrastruktur vom privaten Partner konzipiert, gebaut und betrieben wird, werden bestehende Gebäude oder Infrastrukturen vom Privatsektor für eine bestimmte Zeit übernommen, renoviert und gewartet. Dabei können zum Beispiel größere Umbaumaßnahmen und die Energieeffizienz im Vordergrund stehen.

- Themenpools - beispielsweise zu nachhaltigen oder grünen Investitionen - könnten künftig helfen, neue Finanzierungsquellen neben der klassischen Finanzierung über Pfandbriefe zu erschließen. Die Investition in grüne Anleihen ("Green Bonds") hat sich bereits mit Beginn des neuen Jahrtausends als Anlageklasse etabliert und das Thema "Nachhaltigkeit" gewinnt bei den Bürgern an Bedeutung. Dies setzt jedoch veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen voraus.

- Schließlich wird es aufgrund der geringeren Anzahl der im ÖPP-Markt tätigen Finanzinstitute und der Tendenz, Darlehen mit verkürzten Laufzeiten zu vergeben, zu einer neuen Rollenverteilung zwischen Kapitalmärkten, Investmentfonds und Banken kommen.

ÖPP hat Zukunft

Viele Erfahrungen in Frankreich und Deutschland haben gezeigt, dass ÖPP eine sinnvolle Variante für Ausbau und Instandhaltung von Infrastruktur sein können. Richtig eingesetzt ergeben sie als Beschaffungsvariante Sinn für kleinere und größere Investitionen. Sie können einen Beitrag zum Abbau des Investitionsstaus leisten und bei sachgerechter Umsetzung die Ausgabentransparenz signifikant steigern. Auch sind ÖPP ein geeignetes Instrument, um öffentliches Wertvermögen zu erhalten, denn viel zu oft wird bei rein öffentlichen Projekten das Instandhaltungsbudget aus Kostengründen gekürzt oder "gestreckt". ÖPP haben in Frankreich und Deutschland eine Zukunft.

Fußnote*) Zahlen und Grafik aus EPEC Market Update 2011 - http://www.eib.org/epec/resources/epec_market_ update_2011_en_web.pdf

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