Infrastruktur-Finanzierung

Public Private Partnership zwischen Risiko und Anreiz

In der Koalitionsvereinbarung vom November 2005 steckten sich CDU, CSU und SPD ambitionierte Ziele für das Vorankommen von Public Private Partnership (PPP) in Deutschland. Die ökonomischen Handlungsnotwendigkeiten für Deutschland sind bedeutend. Schätzungen für den öffentlichen Investitionsbedarf reichen von 55 bis 100 Milliarden Euro (Kommunen 32 bis 58 Milliarden Euro, Bundesländer elf bis 20 Milliarden Euro, Bund zwölf bis 22 Milliarden Euro) über die jährlichen Investitionen der öffentlichen Hand von jährlich etwa 34 Milliarden Euro hinaus.

Noch viele Möglichkeiten für PPP

Die öffentliche Daseinsvorsorge steht also vor immensen Aufgaben. Derzeit sind PPP-Projekte lediglich mit einem Umfang von rund 1,4 Milliarden Euro Investitionsvolumen vertraglich abgeschlossen, bei denen sich jedoch ein durchschnittlicher Effizienzvorteil von knapp 16 Prozent gegenüber der herkömmlichen Herstellungsmethode ergeben hat.

Die Einrichtung von PPP-Taskforces auf Landes- und Bundesebene1) zeigt die Bedeutung, die die Politik dem Thema seit geraumer Zeit beimisst. Gerade auf kommunaler Ebene zeigen sich erste Erfolge, die jedoch noch weit unter dem Marktpotenzial liegen. Durch das ÖPP-Beschleunigungsgesetz, das vornehmlich Fragen der vertraglichen Standardisierung und des Wirtschaftlichkeitsvergleichs behandelt, wurde eine erste Basis gelegt. Mit dem ÖPP-Vereinfachungsgesetz2) wird dieser Weg weitergegangen. Die Einführung von Real Estate Investment Trusts (REITs) in Deutschland kann - trotz der gegenwärtigen Finanzmarktsituation - weitere positive Wachstumseffekte für den PPP-Markt bedeuten. Durch die Möglichkeit, PPP-Projekte als Anlageform über den Kapitalmarkt zu veräußern, kann sich die Risikoallokation für die Marktakteure verbessern. Regulatorisch scheint also vieles auf den Weg gebracht, scheint der erfolgreichen Zukunft von Public Prviate Partnership in Deutschland nichts mehr im Wege zu stehen. Worin liegen trotz allem die Ursachen für die mangelnde Akzeptanz von PPP?

Zum einen hat Deutschland eine im internationalen Vergleich recht gut funktionierende Verwaltung. Die Bereitstellung öffentlicher Güter erfolgt verhältnismäßig kostengünstig. Die Vorstellung, ein starker Staat sei über Verwaltungsstrukturen mit hohem fiskalischen Transfers (Budgets) zu definieren, herrscht daher noch in weiten Teilen der öffentlichen Wahrnehmung vor.

Dieses Staatsverständnis sollte sich jedoch den Anforderungen einer globalisierten Welt anpassen. Weder Wohlfahrtsstaaten (Mittel: Verstaatlichung) noch der Nachtwächter-Staat (Mittel: Privatisierung) sind die Erfolgsrezepte, sondern der (bereitstellende) Gewährleistungsstaat. Public Private Partnership ist in diesem Zusammenhang ein wertvoller Baustein.

Zum anderen wird der Begriff PPP inflationär gebraucht: Alles bekommt das Etikett PPP angeheftet. So entstehen oftmals Missverständnisse, was PPP leisten kann und was nicht. Auch wurde PPP bis dato vielfach auf die Lösung prekärer Haushaltslagen reduziert. PPP ist aber in keinem Fall kostenlos und unter bestimmten Umständen auch teurer als die herkömmliche Herstellungsvariante.

Neue Begriffsdefinition für ein besseres Verständnis

Über finanzielle Krisenfälle hinaus eignet sich die Partnerschaft aber besonders für den Know-how-Transfer in bestimmten Fachgebieten (zum Beispiel Technologie) und für die Neuordnung von Fachgebieten (zum Beispiel Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisbauten). Dies sind die eigentlichen Vorteile von PPP gegenüber der herkömmlichen Herstellungsmethode.

Eine Fokussierung auf dieses Missverständnis ist notwendig. Somit ist auch eine saubere (Neu-)Definition für ein besseres Verständnis von PPP hilfreich. Zentral hierbei sind die Abgrenzungsfragen "Risikoübernahme", "Nachhaltigkeit" und "Lebenszyklus".

- Die Betrachtung des Projekts und der Risiken über den gesamten Projektlebenszyklus/Vertragszeitraum führen zu einer sachorientierten Beurteilung über die Realisierbarkeit.3)

- Eine tragfähige Risikoverteilung und Definition der Anreizsysteme zwischen öffentlicher Hand und Privaten führen zu klaren Verantwortlichkeiten.

- Eine funktionale Leistungsbeschreibung und daraus abgeleitete leistungsorientierte Vergütungsregeln ermöglichen einen permanenten Kontroll- und Verbesserungsprozess.

Die sachorientierte Gegenüberstellung der Interessen - Gewinnstreben auf der einen und öffentliche Daseinsvorsorge auf der anderen Seite - muss bereits bei der Planung des Projekts gewährleistet sein. Ein Abweichen von diesem Transparenzgebot führt früher oder später zu Enttäuschungen auf der einen oder anderen Seite. Denn die wichtige Verteilung der Projektrisiken ist sonst kaum möglich.

Wegen der Ungewissheit über zukünftige politische und wirtschaftliche Entwicklungen und wegen der Langfristigkeit von PPP-Projekten bleiben Zielkonflikte eher die Regel als die Ausnahme. Wenn es nicht gelingt, diese speziellen und komplexen Anforderungen an das Projekt beherrschbar zu machen, ist ein Scheitern des Projekts sehr wahrscheinlich. Die dynamischen Effekte während des Projektzeitraums müssen für den Gesamterfolg des Projektes nutzbar gemacht werden. Es gilt folglich, die Risiken zwischen öffentlicher Hand und Privaten so zu verteilen, wie diese am besten tragbar sind (Prinzip "Handeln und Haften"). Weder wird der Private bereit sein, unkalkulierbare und für ihn unbeherrschbare Risiken zu tragen, noch ist es sinnvoll, der öffentlichen Hand einseitig jegliches Kostenrisiko zu übertragen. Es liegt jedoch in der Natur des Risikos, dass es sich ex ante nicht perfekt verteilen lässt, sodass - wie in marktwirtschaftlichen Systemen üblich - auch mit zufälligen Gewinnen und Verlusten zu rechnen ist.

Transparenzanforderungen und Risikoverteilung

Die hohen Informationsasymmetrien auf beiden Seiten können bei Missachtung des Transparenzgebots zu verhandlungstechnisch sehr ungünstigen Situationen führen. Beide Seiten wären dann nur auf ihren opportunistischen Vorteil bedacht, was zu hohen Transaktionskosten in der Planungsphase und bei Nachverhandlungen führen kann. Zur Bewältigung dieser Zielkonflikte sind also der Partnerschaft dienliche Anreize zu setzen. Darauf wird im weiteren Verlauf noch eingegangen.

Während einer langfristigen Nutzung kommt es gewöhnlich zu Nutzungsänderungen beziehungsweise Nutzungsanpassungen. Damit verbundene Mehrkosten (zum Beispiel Anpassung für EDV-Anlagen, barrierefreies Gebäude) entstehen jedoch bei beiden Herstellungsarten. Für den PPP-Fall bedeutet das in der Regel eine vertragliche Nachverhandlung; für die herkömmliche Herstellungsmethode eine öffentliche Ausschreibung über den Sanierungsaufwand. Nachverhandlungskosten einseitig als teuren Nachteil von PPP zu identifizieren wird dem Sachverhalt daher nicht gerecht.

Das Konzept des Risikotransfers zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft wird auf der öffentlichen Seite nur unzureichend verstanden. Das Bepreisen von Risiken ist ein sachliches Thema. Jedoch sollten auf öffentlicher Seite geeignete Institutionen wie die Rechnungshöfe für eine vertrauensvolle Vermittlung dieser Zusammenhänge genutzt werden. Das Sammeln von Erfahrungen und der Rückgriff auf diese über eine (zentrale) unabhängige Stelle kann auch im politischen Raum das Vertrauen in den PPP-Prozess stärken.

Verhältnismäßig weit entwickelt sind die Anreizsysteme für die Privatwirtschaft. An dieser Stelle soll dies daher nicht weiter ausgeführt werden. Kaum diskutiert werden jedoch die Bedeutung dieser Systeme für die öffentliche Hand:

Klare Definitionen und Beurteilungen führen zu einer sachorientierten Darstellung des Projekts. Der Anreiz des Privaten aufgrund von Bonus-Malus-Regelungen in der Leistungsvergütungsvereinbarung schafft also nicht nur wettbewerblichen Druck für den Privaten, sondern quasi im Nebeneffekt eine sachliche Orientierung für die öffentliche Hand.

Es entsteht im günstigsten Fall ein stärkeres, nachhaltiges und von der Realisierungsform unabhängiges Kostenbewusstsein auf der Verwaltungsebene. Diese Fokussierung kann die Planungsphase bei Folgeprojekten erleichtern oder die Wirtschaftlichkeitsberechnung der herkömmlichen Methode verbessern. Denn in beiden Herstellungsvarianten sind zum Planungszeitpunkt noch unbekannte Kosten enthalten. Private arbeiten mit auf Bestandsdaten aufbauenden Simulationskalkulationen, die auch für die herkömmliche Herstellungsmethode sinnvoll sein können. Die Simulation von fehlenden Bau- und Betriebsdaten ist für den wirtschaftlichen Methodenvergleich unerlässlich.4)

Schwieriger Vergleich der Beschaffungsvarianten

Da öffentliche Bauten oftmals Sonderprojekte darstellen, ist ein Projektvergleich jedoch nicht einfach. Darüber hinaus sind die bis dato in Deutschland verwirklichten PPP-Projekte sehr heterogen. Dies ist zum einen auf geringe Quantität der Projekte zurückzuführen und zum anderen den vielfältigen Zielvorstellungen der öffentlichen Hand geschuldet.5)

Die Verhandlungsmacht und die Risikobereitschaft der verschiedenen Gebietskörperschaften sind äußerst unterschiedlich. PPP-Projekte werden daher in der Regel von überzeugten, ohnehin wirtschaftlich arbeitenden Verwaltungen durchgeführt. Institutionelle Anreize, die diesen Kreis erweitern würden, sind kaum vorhanden. Ein Anreizsystem muss daher für Verwaltungen nicht nur unnötige Risiken minimieren helfen, sondern vor allem auch die Bereitschaft steigern, PPP umzusetzen. Die Umkehr der Beweislast beim Wirtschaftlichkeitsvergleich, das heißt die Annahme, dass die PPP-Variante stets die wirtschaftlichere ist, würde viel in Bewegung setzen. Die Vielzahl der Projekte mag trotz allem über die herkömmliche Methode bereitgestellt werden.

Zum einen hat die öffentliche Hand einen Refinanzierungsvorteil, den sie auch nutzen sollte. Zum anderen gibt es Gründe der öffentlichen Daseinsvorsorge, die die Beteiligung eines Privaten möglicherweise erschwert. Der Vorteil des "erzwungenen" Vergleichs über die Beweislastumkehr ist dann aber die Offenlegung des Effizienzvorteils der PPP-Variante, was einem Preisschild für dieses öffentliche Gut nahe kommt.

Einige Gebietskörperschaften in Deutschland wenden zur Steuerung ihrer öffentlichen Unternehmen bereits einen Public-Corporate-Governance-Kodex (PCGK) an, der bestimmte Standards und Berichtspflichten an das Risikomanagement setzt. Eine anreizorientierte Weiterentwicklung etwa durch erfolgsabhängige Vergütungsmodelle scheint auf individueller Ebene sinnvoll. Auf institutioneller Ebene sind Fragen der Budgetierung des Haushalts oder des Finanzausgleichs sicherlich diskutierbar, um die Anreize für wirtschaftliches Wohlverhalten in der Verwaltung zu erhöhen.6)

Nach der ersten Phase des Kennenlernens von PPP sollte sich der Blick von der reinen fiskalischen Motivation der Gebietskörperschaften zu einer umfassenderen Sichtweise von PPP-Projekten hinwenden. Notwendig ist die vorurteilsfreie Gegenüberstellung der verschiedenen Realisierungsmethoden. Auch für kommunale Betriebe kann sich eine Orientierung an diesen Erfahrungen lohnen.

Es ist zu erwarten, dass mit der Einführung der Doppik7) auf Länder- und kommunaler Ebene die Akzeptanz von PPP weiter steigen wird. Steigende Projektzahlen sollten weitere Standardisierungsvorteile und eine Verbesserung des Wirtschaftlichkeitsvergleichs bringen. Die Politik sollte diesen Prozess unterstützen - etwa durch neue Anreizsysteme für die Verwaltung, die Beweislastumkehr beim Wirtschaftlichkeitsvergleich und die Einbettung in ein finanzierungsneutrales Steuersystem.

Fußnoten

1) Die Bundesregierung plant, das Volumen von derzeit zwei bis vier Prozent der Investitionen auf rund 15 Prozent zu steigern, was ein Volumen von gut fünf Milliarden Euro darstellen würde.

2) Hierbei handelt es sich um konkrete Fragestellungen wie Krankenhausfinanzierung, Sozialhilfegesetz, Fernstraßenprivatisierungsgesetz und Investmentgesetz.

3) Höhere fixe Planungs- und Herstellungskosten müssen in objektiver Weise mit den betrieblichen Folgekosten in Abstimmung gebracht werden. Die konventionelle Herstellungsmethode wird in erster Linie von den aktuellen fiskalischen Notwendigkeiten des Haushalts bestimmt. Anreize für eine Kalkulation der Betriebskosten gibt es kaum. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Energieeinsparung ein nicht zu unterschätzender Fehlanreiz.

4) Die Strategien bei der Modernisierung des Schienenverkehrs in Großbritannien sind nicht gerade ein Erfolgsbeispiel und belegen, dass selbst im Mutterland von PPP die Potenziale nicht unbegrenzt sind. Dennoch darf aus der aktuellen politischen Debatte um die Londoner U-Bahn nicht geschlossen werden, derartige Projekte seien per se nicht als PPP darstellbar. Vielmehr müssen im Sinne einer ehrlichen Fallstudie Lehren für Folgeprojekte gezogen werden.

5) Die föderale Struktur Deutschlands spielt hier sicherlich eine große Rolle. Daraus ergeben sich unnötige, kleinteilige Märkte/Projekte, deren Realisierung über das PPP-Instrumentarium oftmals nicht lohnt. Vor dem Hintergrund, dass rund zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen in Deutschland von den Kommunen getätigt werden und diese auch gerade bei Hochbauprojekten (zum Beispiel Schulen, Krankenhäuser) großen (PPP-)Investitionsbedarf haben, ist es umso wichtiger, dass vom Bund ein Marktstandard gesetzt wird.

6) Verwaltungen arbeiten nicht wirkungslos. Auch sind anreizorientierte Modelle nicht in jedem Fall anwendbar.

7) Laut Beschluss der Innenministerkonferenz vom 21. November 2003 soll die Umstellung bis 2011 abgeschlossen sein.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X