Bonitätsmanagement

Restrukturierung von Mietverträgen aus Bankensicht

Die Finanzkrise ging vom Immobiliensektor aus - und nach wie vor beschäftigen die Folgen diejenigen Banken, die in den vergangenen Jahren Gewerbeimmobilien finanziert haben. Häufig wurden Gewerbeimmobilien unter zu optimistischen Annahmen, vor allem hinsichtlich zukünftiger Weiterveräußerungspreise, finanziert. Trotzdem lassen sich Banken derzeit nur ungern auf Szenarien wie Kreditkündigung und/oder Zwangsvollstreckung ein.

Einbau von Frühindikatoren in Kreditverträge

Der wirtschaftliche Wert eines entwickelten Grundstückes zeigt sich in der Regel in dessen Mietverträgen. Banken lassen sich deshalb bei der Finanzierung von Gewerbeimmobilien regelmäßig die Mietverträge des Objektes vorlegen.

Meist unternehmen sie auch eine eigene Objektprüfung (Due Diligence) oder lassen sich die vom Darlehensnehmer durchgeführte Prüfung als richtig zusichern.

Da der bei Ankauf bestehende Vermietungs- und Vertragsstand meist für die Laufzeit der Mietverträge festgeschrieben ist, können sich Banken außerdem Eckdaten des zu finanzierenden Objektes in Gestalt von Covenants erklären lassen. Diese Covenants beinhalten Finanzkennzahlen wie den Marktwert eines Portfolios oder einen Mindestwert für ein jährliches Mieteinkommen und werden als vertraglich bindende Zusicherungen des Kreditnehmers gestaltet. Typische Covenants sind das Einhalten bestimmter Vermietungsquoten (gegenüber Leerstand) oder die Erzielung eines Mindestmieteinkommens.

Der Bruch solcher Covenants wirkt dann als "Frühwarnsystem" für die Bank. Bei relevanten Abweichungen muss der Darlehensnehmer üblicherweise innerhalb einer Frist für Abhilfe des beanstandeten Umstandes sorgen. Andernfalls kann die Bank die Rechte geltend machen, die sie sich im Kreditvertrag hat einräumen lassen. In der Regel sind dies die Anpassung auf eine höhere Marge, die Stellung weiterer Kreditsicherheiten oder ein außerordentliches Kündigungsrecht.

Neben derartigen Covenant-Klauseln vereinbaren Banken regelmäßig ein Paket zur Besicherung des Kredites, dessen Kernbestandteil die Grundschuld ist. Daneben werden meist (Sicherungs-) Abtretungen der Mietzinsforderungen, gegebenenfalls noch von Ansprüchen gegen Versicherer und häufig die Verpfändung von Geschäftsanteilen des Darlehensnehmers vereinbart. All dies kann im Krisenfall genutzt werden, um Bestand und Bewirtschaftung des Objektes zu beeinflussen.

Immobilie in Schieflage

Wenn der erzielbare Weiterveräußerungspreis spürbar gesunken ist, sprechen Banken von einer Schieflage einer Immobilie. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein: Der Markt entwickelt sich anders als erwartet, die Annahmen beim Ankauf waren zu optimistisch, oder Mieter geraten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. In letzterem Fall wird der Mieter häufig versuchen, den Mietzins nach unten zu verhandeln. Den drohenden Mietausfall vor Augen sind Vermieter gerade in der Wirtschaftskrise häufig zum Einlenken bereit. Denn wenn ein Mieter insolvent ist, wird der Insolvenzverwalter Sonderkündigungsrechte nutzen. Steht dann kein geeigneter Nachmieter bereit, droht Leerstand und damit Mietausfall und Vertragsbruch gegenüber der Bank.

Banken stehen in diesen Fällen vor der Wahl: Sie können mit Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung reagieren und sonstige eingeräumte Sicherheiten geltend machen. Oder sie versuchen eine einvernehmliche Verständigung über das weitere Schicksal der Immobilie, um den Kredit mittel- und langfristig zu sichern. Als weitere Alternative kommt auch die Weiterveräußerung eines Kredits oder Kreditportfolios in Frage.

Zwangsvollstreckung mit Risiken

Eine Zwangsvollstreckung, entweder durch Zwangsverwaltung oder durch Zwangsversteigerung, setzt jeweils voraus, dass eine titulierte Forderung besteht. Eine Verletzung des Kreditvertrages, etwa der erwähnten Covenant-Klauseln oder bei Zahlungsverzug, berechtigt regelmäßig zur Kündigung, durch die der Restbetrag des Kredits fällig wird. Diese Forderung kann unmittelbar durch die Vollstreckung aus der Grundschuld durchgesetzt werden.

Von der Variante der Zwangsversteigerung nehmen die Banken aktuell eher Abstand. Denn eine Zwangsversteigerung setzt voraus, dass ein auch preislich adäquates Marktumfeld für die zu versteigernde Immobilie besteht, was derzeit kaum der Fall ist. Und: Geraten zu viele Objekte auf dem Wege der Zwangsversteigerung auf den Markt, führt dies zu einem Überangebot und drückt die Preise weiter. Zudem ist das Zwangsversteigerungsverfahren ein formalisiertes Verfahren, das zwar Regeln über geringste oder Mindestgebote enthält.

Diese gelten jedoch nicht mehr, wenn das Objekt im ersten Termin nicht versteigert wird. Der in einem zweiten Termin erzielte Versteigerungserlös aber ist für die finanzierende Bank oft nicht attraktiv. Da die Banken derzeit mit Krediten, die nicht ordnungsgemäß bedient werden, bereits ausreichend Probleme haben, die ihre Bilanz belasten, sind sie auch nicht ohne weiteres bereit, ein Grundstück selbst zu ersteigern.

Vorteile der Zwangsverwaltung

Mit mehr Wohlwollen betrachten Banken das Instrument der Zwangsverwaltung. Wie auch bei der Zwangsversteigerung muss vor der Zwangsvollstreckung eine Kündigung der Grundschuld ausgesprochen werden. Die Frist dafür beträgt nach Risikobegrenzungsgesetz sechs Monate. Früher übliche vertragliche Fristverkürzungen sind nicht mehr möglich. Sind diese und die sonstigen Formalitäten erfüllt, so kann durch Antrag bei Gericht jederzeit ein Zwangsverwalter eingesetzt werden. Dieser hat dann den Auftrag, das Grundstück bestmöglich zu verwalten, vor allem den Mietzins einzuziehen. Die Zwangsverwaltung eignet sich insbesondere dann, wenn der Darlehensnehmer das Grundstück nicht mehr ordnungsgemäß bewirtschaften will oder kann.

Bei größeren Gewerbeimmobilienportfolios hat der Darlehensnehmer die Verwaltung oft an professionelle Immobilienverwalter übergeben. Je nach Fallgestaltung wäre es - zumindest temporär - denkbar, dass der Zwangsverwalter seinerseits den bisherigen Immobilienverwalter weiter beauftragt. Gerade für größere Portfolios und komplexere Strukturen kann dies sinnvoll sein. Bei der Zwangsverwaltung ist zudem bedeutend, dass sie per Erklärung gegenüber dem Vollstreckungsgericht auch jederzeit beendet oder ausgesetzt werden kann, sobald die Verwaltung des Objektes wieder in ruhigerem Fahrwasser liegt.

Unerwünschte de-facto-Geschäftsführerschaft

Sehr häufig lassen sich Banken bei einer gewerblichen Immobilienfinanzierung Geschäftsanteile am Darlehensnehmer verpfänden. So könnten sie im Ernstfall volle Kontrolle über den Darlehensnehmer und dessen Vermögen ausüben. Die Fälle, in denen Banken diese Sicherheit aber tatsächlich ziehen, sind rar gesät. Denn die Geschäftsanteile lassen sich nur öffentlich versteigern - oder die Bank übernimmt diese Anteile selbst. Eine Versteigerung aber ist kompliziert und erfordert - wenn GmbH-Anteile mit betroffen sind - eine notarielle Beurkundung. Tritt aber eine Bank selbst in die Gesellschaft ein, so geschähe dies mit möglicherweise unübersehbaren und letztlich nicht gewollten Verpflichtungen.

Für den Insolvenzfall des Darlehensnehmers muss zudem im Auge behalten werden, dass das gewährte Darlehen letztlich nicht als sogenanntes Gesellschafterdarlehen qualifiziert wird. Das kann der Fall sein, wenn sich Banken in den Anteilsverpfändungsverträgen zu weit gehende Rechte haben einräumen lassen. Ausnahmen des Anteilserwerbs gäbe es nur zum Zwecke der Sanierung oder im Falle einer Beteiligung von zehn Prozent oder weniger eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters (vergleiche § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) - beides Fälle, die der Bank nicht wirklich weiterhelfen.

Wenn die Bank als neuer Gesellschafter aufgrund der Umsetzung der Anteilsverpfändung maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt, können sich zudem Verantwortlichkeiten als De-facto-Geschäftsführer ergeben. Zudem tauchen Fragen des Anfalls von Grunderwerbsteuer oder der Berechtigung des Zinsaufwandes als Abzug auf. Aus diesen Gründen sind Banken bei der Realisierung von Anteilsverpfändungsverträgen äußerst zurückhaltend.

Einvernehmliche Strategien gefragt

In der Praxis wird die Bank meist versuchen, im Gespräch mit dem Darlehensnehmer Strategien zu entwickeln, wie die Immobilie "auf Kurs" gebracht werden kann. Dreh- und Angelpunkt ist eine ordnungsgemäße Verwaltung der Immobilie. Dies beinhaltet ein Mietvertragsmanagement, ein Forderungsmanagement hinsichtlich Mietzins und Nebenkosten, sowie die Durchsetzung der entsprechenden Ansprüche. Auf den Mietvertrag und seine Regelung selbst kann - unterhalb der Schwelle der Kündigung - nur im Einvernehmen mit dem Mieter Einfluss genommen werden.

Es ist aber denkbar, einen Mieter, dem ansonsten wegen Zahlungsverzugs gekündigt werden müsste, gegen Reduzierung des Mietzinses und der Vereinbarung einer Ratenzahlung für die Rückstände den Verbleib zu ermöglichen. Dies ist dann empfehlenswert, wenn kein geeigneter Ersatzmieter in Sicht ist und der bestehende Mieter den (reduzierten) Mietzins dauerhaft wird erwirtschaften können.

Wie stark die Verhandlungsposition der Bank bei solch einer Einflussnahme auf den Darlehensnehmer ist, hängt von der Gestaltung des Kreditvertrages ab. Die Bank wird das Gespräch über die Verbesserung des Immobilienmanagements meist unterhalb der Schwelle der Kündigungsandrohung angehen.

Kreditverkauf als letzter Ausweg

Gelingt es der Bank nicht, eine tragfähige Perspektive für die Restrukturierung der Immobilie und die Rückführung des Kredites zu erzielen, kommt auch der Verkauf des Kredites an einen Investor, der sich auf notleidende Kredite, sogenannte Non-performing Loans, spezialisiert hat, in Betracht. Dies hat für die Banken den Charme, dass Rückstellungen und sonstige Risikopositionen aufgelöst werden können und so die Bilanz nicht weiter belasten. Die Durchsetzung der Kreditforderung ist dann Angelegenheit des Investors, der der ursprünglich finanzierenden Bank den Kredit abgekauft hat.

Allerdings haben sich durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 19. August 2008 Änderungen ergeben. Nach altem Recht kann nach § 1157 Satz 2 BGB die Sicherungsgrundschuld gutgläubig und einredefrei erworben werden. So blieben dem Darlehensnehmer nach alter Rechtslage am Ende nur Schadensersatzansprüche gegen die ursprüngliche Bank. Nun scheidet der gutgläubige einredefreie Erwerb der Sicherungsgrundschuld nach § 1192 Abs. 1a BGB aus: Die Einreden, die dem Darlehensnehmer und Sicherungsgeber aufgrund des Sicherungsvertrages mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen, kann er jetzt auch jedem neuen Erwerber entgegenhalten.

Banken als Immobilienfinanzierer agieren bei Verstößen gegen den Kreditvertrag im jetzigen Marktumfeld eher großzügig. Sie befürchten, dass eine Zwangsvollstreckung die Situation weiter verschlechtern könnte. Das kann sich aber schnell ändern, wenn größere Refinanzierungen anstehen und sich Bank und Kreditnehmer über die Bedingungen der weiteren Kreditierung nicht einig werden. Einige Banken haben bereits damit begonnen, Kreditportfolios weiter zu veräußern, um so - wenn auch mit Einbußen - die Probleme aus den eigenen Büchern zu bekommen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X