Kreditwesen aktuell

Neuregelungen zu Kreditverkäufen im Rahmen des Risikobegrenzungsgesetzes

Nach einem über einjährigen Diskussions- und Abstimmungszeitraum hat der Bundestag Ende Juni 2008 das "Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken" (Risikobegrenzungsgesetz) verabschiedet und damit Neuregelungen zu Kreditverkäufen beschlossen. Begleitet worden war diese Diskussion durch eine in weiten Teilen sehr undifferenziert und emotional geführte Berichterstattung in den Medien. Die nun beschlossenen Regelungen gewähren den Marktbeteiligungen eine größere Transparenz bei Kreditverkäufen und bieten insgesamt mehr Rechtsklarheit. Nachfolgend sollen die Änderungen zusammenfassend dargestellt und kurz kommentiert werden.

Historie Das Risikobegrenzungsgesetz zielte ursprünglich in Richtung der Begrenzung und Kontrolle des Einflusses von Finanzinvestoren auf Unternehmen. Entsprechende Regelungen, so zum Beispiel Vorschriften zur Verhinderung eines abgestimmten Verhaltens von Investoren ("Acting in Concert") sowie die Verpflichtung für Inhaber wesentlicher Beteiligungen (ab zehn Prozent) zur Offenlegung der mit der Beteiligung verbundenen Ziele, haben ihren Weg in das Gesetz gefunden.

Etwa Anfang bis Mitte des Jahres 2007 wurden Bestrebungen laut, das Thema "Kreditverkäufe" an das Gesetz anzudocken und somit zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Der Anstoß hierzu kam weder vom Bundesjustizministerium noch vom Bundesfinanzministerium, sondern von den Parlamentariern. Diese reagierten damit auf eine wachsende Zahl von Beschwerden von Seiten verschiedener Darlehensnehmer sowie im weiteren Verlauf der Debatte auch auf die steigende Bedeutung des Themas in den Medien. Die verschiedenen Marktakteure versuchten, ihren Einfluss geltend zu machen und ihre Vorschläge zu platzieren. So kam es, dass gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens drei Ministerien (neben Justiz- und Finanzministerium auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) involviert waren. Die nun beschlossenen Regelungen stellen - wie fast immer bei neuen Gesetzen - in vielen Fällen einen Kompromiss dar, der versucht, sowohl den Ansprüchen der Kreditinstitute und Finanzinvestoren als auch den Nöten der Verbraucher (Darlehensnehmer) Rechnung zu tragen.

Änderungen im Überblick

Die Regelungen des Risikobegrenzungsgesetzes zu Kreditverkäufen lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen:1)

1. Vorvertragliche Informationspflicht über die Abtretbarkeit (§ 492 Abs. 1a BGB): Darlehensnehmer sollen zukünftig bereits bei Abschluss ihres Darlehensvertrages mit einem deutlich ausgestalteten Hinweis darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass die Forderung ohne ihre Zustimmung abgetreten oder der Kredit an einen Dritten übertragen werden kann. Dem Darlehensnehmer steht es selbstverständlich frei, hiervon abweichend eine Nichtübertragbarkeit zu vereinbaren.

Da sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bereits ein Selbstregulierungsprozess in der Bankenlandschaft herausgebildet hatte (so bietet beispielsweise die Commerzbank gegen einen moderaten Zinsaufschlag nicht abtretbare Darlehen an), wurden die Kreditinstitute nicht per Gesetz dazu verpflichtet, auch "nicht-übertragbare" Kredite anzubieten.

2. Verpflichtung des Darlehensgebers zu Folgeangebot oder Hinweis auf Nichtverlängerung des Vertrages (§ 492a BGB): Das Kreditinstitut oder der neue Forderungsinhaber sollen zukünftig spätestens drei Monate vor Auslaufen der Zinsbindungsfrist oder der Fälligkeit einer Forderung dem Darlehensnehmer ihre Bereitschaft für ein Folgeangebot mitteilen oder darauf hinweisen, dass der Vertrag nicht verlängert wird. Der Darlehensnehmer hat somit mindestens ein Quartal lang Zeit, sich auf die Veränderungen einzustellen und gegebenenfalls Alternativen zu prüfen. Die Pflicht des Kreditinstituts geht nach § 492a Abs. 3 BGB bei Abtretung der Forderung explizit auch auf den neuen Gläubiger über, sofern nicht zwischen beiden Beteiligten vereinbart wurde, dass gegenüber dem Darlehensnehmer weiter der bisherige Forderungsinhaber als Darlehensgeber auftritt.

3. Anzeigepflicht bei Abtretung (§ 496 Abs. 2 BGB): Wird eine Darlehensforderung abgetreten oder findet ein Wechsel in der Person des Darlehensgebers statt, so muss der Darlehensnehmer zukünftig vom bisherigen Forderungsinhaber unverzüglich hierüber informiert werden. Eine Verpflichtung zur Information durch den neuen Forderungsinhaber besteht nicht, hat sich aber in der Praxis als Marktstandard etabliert ("Welcome Letter").

Neue Möglichkeiten für böswillige Schuldner

4. Erweiterter Kündigungsschutz bei Grundstücksdarlehen (§ 498 Abs. 3 BGB): Die Kündigung eines Grundstücksdarlehens soll zukünftig nur dann möglich sein, wenn der Darlehensnehmer mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mit mindestens 2,5 Prozent des Darlehensnennbetrages in Verzug ist. Bei niedrigen Zins- und Tilgungssätzen vergeht nach dieser Vorschrift regelmäßig ein Zeitraum von über sechs Monaten, bevor der Gläubiger zum Handeln berechtigt ist. Bei hohen Darlehenssummen laufen darüber hinaus hohe Rückstandsbeträge auf, ohne dass ein Forderungsinhaber entgegenwirken kann.

Böswilligen Schuldnern wird zumindest die Möglichkeit eröffnet, diese Vorschrift zu missbrauchen - und zum Beispiel nur jede zweite Rate (voll) zu bezahlen. Dem Gläubiger wären dann weiterhin die Hände gebunden. Die Kündigung nach § 490 Abs. 1 BGB wegen einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners bleibt - entgegen vielfacher Bestrebungen von Seiten der Verbraucherschützer - auch weiterhin bestehen.

5. Kein gutgläubiger einredefreier Erwerb der Sicherungsgrundschuld (§ 1192 Abs. 1a BGB): Einer der am häufigsten von den Medien und angeblichen Betroffenen geäußerten Kritikpunkte war die isolierte Vollstreckung aus der Grundschuld trotz vertragsgemäßer Bedienung des Darlehens. Ansatzpunkt war, dass die Sicherungsabrede bei Abtretung des Darlehens nicht automatisch auf den Erwerber übergeht. Nach neuer Regelung kann der Darlehensnehmer dem Forderungserwerber diese Sicherungsabrede nun entgegenhalten. Ein theoretisch möglicher gutgläubiger Erwerb der Sicherungsgrundschuld ohne Kenntnis der Sicherungsabrede wird hiermit ausgeschlossen. Dies war ohnehin nur ein theoretisches Konstrukt, da es in der Praxis zum Marktstandard gehört, dass zwischen Forderungsverkäufer und -erwerber Regelungen zur Einhaltung der Sicherungsabrede getroffen werden.

6. Fälligkeit der Grundschuld nur nach vorheriger Kündigung (§ 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB): Die Möglichkeit, eine Grundschuld ohne vorherige Kündigung sofort fällig zu stellen, entfällt. Künftig müssen Sicherungsgrundschulden immer mit einer sechsmonatigen Frist gekündigt werden, bevor die Zwangsvollstreckung aus ihnen betrieben werden kann. Das Gleiche gilt auch für die Zwangsverwaltung eines Grundstücks. Der Gläubiger muss im Zweifelsfalle zu anderen Sicherungsmitteln greifen, um bei rückständigen Darlehen ein Abschöpfen des Cash-Flows aus einem Objekt durch den Schuldner während dieses Zeitraums zu verhindern.

7. Verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch bei unberechtigter Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde (§ 799a ZPO): Ein Darlehensnehmer, der sich nach Forderungsübergang auf eine Bank oder einen Finanzinvestor unberechtigten Zwangsmaßnahmen gegen sein Grundstück ausgesetzt sieht, hat Anspruch auf Schadensersatz gegen den bisherigen Gläubiger. Nach neuer Regelung ist es nicht mehr erforderlich, dass den Darlehensgeber ein Verschulden trifft, er also von der Unzulässigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen Kenntnis hatte. Auch hiermit reagiert der Gesetzgeber auf vermeintliche Missbrauchsfälle aus der Praxis, die jedoch allesamt von den Forderungsinhabern widerlegt werden konnten.2)

8. Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung (§ 769 Abs. 1 Satz 2 ZPO): Da die Beibringung einer Sicherheitsleistung im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage für viele Darlehensnehmer schwierig sein dürfte, soll das Gericht künftig die Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme ohne Sicherheitsleistung anordnen, wenn der Schuldner hierzu nicht in der Lage ist und seine Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg hat.

Praxisrelevanz gilt keinesfalls als sicher

9. Nicht abtretbare Unternehmenskredite (§ 354a HGB): Mit dieser Regelung soll es Kaufleuten ermöglicht werden, nicht abtretbare Darlehensverträge mit ihren Kreditinstituten zu schließen.

10. AGB-Schutz auch bei Darlehensverträgen: Die für Kauf-, Dienst- und Werkverträge geltende Regelung, dass ein Wechsel des Vertragspartners nur dann wirksam ist, wenn der neue Vertragspartner namentlich benannt wird oder es dem Kunden vorbehalten bleibt, sich bei einem Wechsel des Vertragspartners vom Vertrag zu lösen, wird nun auch auf Darlehensverträge ausgeweitet.

Vielfach schreiben die Regelungen des Risikobegrenzungsgesetzes fest, was in der Praxis von Forderungstransaktionen ohnehin schon Marktstandard war. Dennoch sind einige der beschlossenen Änderungen als unvorteilhaft für Banken und Investoren einzustufen. Dies gilt insbesondere für die erweiterten Kündigungsvoraussetzungen, die unter Umständen ein langes Zuwarten erforderlich machen, sowie auch die Auflage einer separaten Kündigung der Grundschuld, die vielfach eine empfindliche Verzögerung bei dringend einzuleitenden Vollstreckungsmaßnahmen mit sich bringt. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Regelungen in der Praxis bewähren.

Marcel Köchling , Vizepräsident, Vorstandsmitglied , Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V., Berlin
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