Schwerpunkt: Fonds im Umbruch

Rückvergütungen für Finanzprodukte wer nicht aufklärt, haftet

Wie viel Transparenz ist nötig, wenn Kreditinstitute für die Empfehlung bestimmter Geschlossener Fonds Vergütungen von dritter Seite erhalten? Über welche Zahlungen muss der Anleger informiert werden? Oder kann es als bekannt vorausgesetzt werden, dass Gelder fließen? Lange Zeit waren diese Fragen umstritten und wurden in der Praxis entsprechend unterschiedlich gehandhabt. Mit einem Beschluss vom 9. März 2011 unter dem Aktenzeichen XI ZR 191/10 legte aber der Bundesgerichtshof (BGH) eindeutig fest, was und wer aufklärungspflichtig ist. Die Entscheidung sorgte für Aufsehen bei Kreditinstituten und Verbraucherschützern. Jetzt hat sie der BGH mit zwei weiteren Beschlüssen eindrucksvoll bestätigt.*) Der Fall Im konkreten Fall hatte die Ehefrau eines Fondsanlegers aus abgetretenem Recht ihres Mannes gegen dessen beratende Bank auf Rückabwicklung und Schadensersatz geklagt. Der Anleger hatte im März 2003 einen größeren Geldbetrag erwartet, den er gewinnbringend anlegen wollte. Deshalb stellten ihm die Angestellten der beklagten Bank in mehreren persönlichen Gesprächen die Fonds V3 und V4 vor. Gegenstand der beiden als "Garantiefonds" beworbenen Fonds waren die Finanzierung von Filmproduktionen und deren Vermarktung. Der Anleger, der wegen des Geschäfts auch seinen Steuerberater kontaktiert hatte, zeichnete dann Anteile an beiden Fonds in von Höhe von 25000 Euro zuzüglich fünf Prozent Agio. Der Prospekt zu V3 sagte aus, dass ein Vertrag zur Eigenkapitalbeschaffung also zum Einwerben von Anlegergeldern - mit einem Unternehmen bestehe. Für die Vermittlung von Anlegern sollte dieses Unternehmen laut Prospekt eine Vergütung von 8,9 Prozent inklusive Umsatzsteuer und zusätzlich das Agio von fünf Prozent der Zeichnungssumme erhalten. Außerdem besagte der Fondsprospekt, dass das Unternehmen das Recht habe, seine "Rechte und Pflichten aus dieser Vereinbarung auf Dritte zu übertragen". Für V4 war im Fondsprospekt ebenfalls festgelegt, dass das besagte Unternehmen die Eigenkapitalbeschaffung übernehmen solle. Dafür solle es eine Vergütung von 4,9 Prozent des Beteiligungskapitals sowie das Agio von fünf Prozent der Zeichnungssumme erhalten. Darüber hinaus habe das Unternehmen eine Platzierungsgarantie in Höhe von fünf Millionen Euro abgegeben und für diese Garantie zusätzlich ein Honorar von zwei Prozent des Beteiligungskapitals erhalten. Auch für den Fonds V4 sah der Prospekt vor, dass das Unternehmen berechtigt sei, Dritte als Vertriebspartner einzusetzen. Nach Erwerb der Fondsanteile durch den Anleger leitete das besagte Unternehmen laut BGH "8,25 Prozent der vereinnahmten Provisionen bei V3 und bei V4 zwischen 8,45 und 8,72 Prozent" an die Bank weiter. Darüber, dass die Bank diese Zahlungen erhalten würde, war der Anleger von der Bank bei den Beratungsgesprächen nicht informiert worden. Auf diese fehlende Information werden nun die Ansprüche gestützt. Deutliche Worte Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hatte der Klägerin mit einem Urteil vom 21. April 2010 in der Sache recht gegeben - eben weil die Bank den Anleger nicht über die Provision aufgeklärt habe, die das Unternehmen ihr bei Zeichnung der Anteile durch den Anleger gewähren würde. Auch die Fondsprospekte hätten keinen Aufschluss darüber erlaubt, dass die Bank eine Provision zu erwarten habe, beziehungsweise wie hoch diese war. Weiter führte das OLG Celle aus, es sei zu vermuten, dass der Anleger sein Geld anders angelegt hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass und wie sehr die Bank von seinem Investment profitiert. Gegen dieses Urteil des OLG Celle hatte die beklagte Bank beim BGH Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 9. März 2011 wies der BGH aber darauf hin, dass er beabsichtige, diese Revision zurückzuweisen. Zur Begründung heißt es unter anderem, dass zwischen der Bank und dem Anleger ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei und nicht lediglich ein Auskunftsvertrag. Eine Bank sei regelmäßig Anlageberaterin und nicht lediglich reine Anlagevermittlerin. Hieraus ergebe sich, dass die Bank verpflichtet war, über Rückvergütungen aufzuklären. In seinem Beschluss lieferte der BGH sodann eine Definition der Begrifflichkeiten, die eine Unterscheidung zwischen Innenprovision und Rückvergütungen zweifelsfrei möglich macht. Auch wenn der Beschluss eigentlich kaum deutlicher sein konnte, gab es nach seiner Verkündung noch immer Stimmen, die die Ausführungen des BGH für missverständlich hielten. Wohl auch vor diesem Hintergrund nutzte der BGH die Gelegenheit, in zwei weiteren Entscheidungen zum selben Fall ausdrücklich seinen Beschluss vom 9. März 2011 zu bekräftigen und nochmals ausdrücklich seine Auffassung klarzustellen. In seiner Entscheidung vom 19. Juli 2011 führt der XI. Zivilsenat des BGH aus, dass die Rechtsfrage, was unter aufklärungspflichtigen Rückvergütungen zu verstehen sei, aufgrund der bisherigen Senatsrechtsprechung eindeutig zu beantworten wäre. Weiterhin bestätigt der BGH nochmals, dass für den Anleger bei einer fehlenden Information über Rückvergütungen die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt, die zu einer Beweislastumkehr führt. Die Bank muss nach der Auffassung des BGH somit beweisen, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erworben hätte, weil er den richtigen Rat oder Hinweis nicht befolgt hätte. Banken in der Beweispflicht Besonders deutlich ergänzt der BGH seine Ausführungen zur Frage des Verschuldens der Bank bei unterbliebener Aufklärung über Rückvergütungen. Vonseiten der Banken wurde - so auch in dem hier vorgestellten Fall - regelmäßig angeführt, sie hätten schließlich vor 2009 nicht gewusst, dass über Rückvergütungen aufzuklären sei. Der BGH hält dem entgegen, dass bereits in der Vergangenheit klargestellt worden sei, dass sich beratende Banken jedenfalls für die Zeit nach 1990 hinsichtlich ihrer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen könnten. Auch aus der Unterscheidung zwischen Innenprovisionen und Rückvergütungen könne - so der BGH - die Bank kein fehlendes Verschulden herleiten. Darüber hinaus grenzt der BGH seine Entscheidungen zu einkalkulierten Gewinnen des Verkäufers im Zweipersonenverhältnis klar nachvollziehbar von den Grundsätzen seiner Kick-back-Entscheidungen ab. Bei der Frage von Gewinnmargen ginge es um ein Zweipersonenverhältnis. In einem Dreipersonenverhältnis, wie es bei einer Rückvergütung vorliegt, ist - so der BGH - der durch die Zuwendung bestehende Interessenkonflikt nicht offenkundig, sodass darüber aufgeklärt werden muss. Auch in seinem Beschluss vom 24. August 2011 wiederholt der BGH, dass nach seiner Auffassung im vorliegenden Fall die unterbliebene Aufklärung über Vergütungen kausal für die Anlageentscheidung gewesen sei. Gegenteiliges müsse die Bank darlegen und beweisen. Weiterhin stellt der BGH nochmals klar, dass seine Entscheidungen keine weitreichende Änderung der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht beratender Banken bei Innen- oder Vertriebsprovisionen darstelle, sondern dass er damit nur die bereits bisher geltenden Grundsätze anwende. Sodann grenzt der BGH mit dem Beschluss vom 24. August 2011 nochmals Innenprovisionen von Rückvergütungen ab. Wie bereits im Senatsbeschluss vom 9. März 2011 dargestellt, seien Innenprovisionen demnach nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen, die bei einem Fonds aus dem Anlagevermögen gezahlt werden. Um aufklärungspflichtige Rückvergütungen handele es sich, wenn "in den Anlageprospekten zwar verschiedene Provisionen offen ausgewiesen sind, jedoch nicht angegeben wird, dass und in welcher Höhe die Beklagte als beratende Bank diese Provisionen - teilweise bezieht." Keineswegs sei in der Vergangenheit entschieden worden, dass "im Anlageprospekt offen ausgewiesene Innenprovisionen, das heißt im Anlagebetrag enthaltene Vertriebsprovisionen ... expressis verbis keine aufklärungspflichtigen Rückvergütungen" seien. Der Begriff "offen ausgewiesene Innenprovision" sei bereits ein Widerspruch in sich. Beschlüsse mit Sprengkraft Die Annahme, aus vergangenen Urteilen des BGH ergebe sich, dass aufklärungspflichtige Rückvergütungen bereits dann nicht vorlägen, wenn die betreffenden Provisionen als solche im Anlageprospekt ausgewiesen seien, entbehrt laut BGH jeder Grundlage. Explizit stellt der BGH fest, dass die Nennung von Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen als Quelle der Rückvergütungen nicht abschließend, sondern nur beispielhaft zu verstehen sei. Für die Zukunft bedeuten diese Beschlüsse des BGH, dass ganz klare Richtlinien zur Aufklärung der Anleger gelten. Für Kreditinstitute haben die aktuellen BGH-Beschlüsse weitreichende Konsequenzen: 1. Kreditinstitute müssen transparenter kommunizieren als freie Berater, weil sie eine andere Art der Geschäftsbeziehung zum Anleger haben. Üblicherweise unterhalten Bankkunden langfristige Beziehungen zu ihrer Bank. Sie nehmen dabei unterschiedliche Dienstleistungen und Produkte in Anspruch, die sie auch bezahlen. Deshalb vermuten Kunden bei der Beratung zu Kapitalanlagen nicht, dass die Bank von dritter Seite Provisionen erhält. 2. Über Rückvergütungen müssen Banken stets aufklären. Diese werden definiert als regelmäßig umsatzabhängige Provisionen, die im Gegensatz zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden. Rückvergütungen verursachen zwar beim Anleger keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage. Aber wenn die Zahlung an die beratende Bank nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt, kann der Anleger das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen. 3. Nicht nur die Tatsache, dass Rückvergütungen fließen, sondern auch die Höhe derselben muss dem Anleger ungefragt mitgeteilt werden. 4. Es reicht nicht aus, wenn im Fondsprospekt auf die mögliche Einschaltung Dritter verwiesen wird, sondern dem Prospekt muss klar zu entnehmen sein, ob und in welcher Höhe die Bank eine Provision erhalten würde. Hierzu reicht die Aussage, dass "Dritte" als Vertriebspartner eingeschaltet werden dürfen, nicht aus - zumal, wenn die Höhe der Vergütung, die die Bank erhält, weiterhin unklar sei. Banken und Sparkassen müssen sich nun auf eine Welle von Klagen geschädigter Anleger einstellen. Denn der neue BGH-Beschluss gibt vielen von ihnen Anlass zur Hoffnung: Oft sind Ansprüche gegen Initiatoren bereits verjährt, wenn klar wird, dass das Investment nicht die versprochenen Gewinne einbringt. Einzig die beratenden Banken können dann noch haftbar gemacht werden. Fußnote: *) Die Beschlüsse werden zum Teil wörtlich wiedergegeben.

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